OGH 1Ob532/85

OGH1Ob532/8520.3.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Wurz, Dr. Gamerith und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann A, Angestellter, Wiener Neustadt, Kinnergasse 2/1/4, vertreten durch Dr. Ernst Schilcher, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Erna Waltraude A, ohne Beschäftigung, Pottschach, Listgasse 7, vertreten durch Dr. Wolfgang Weinwurm, Rechtsanwalt in Neunkirchen, wegen S 77.798,-- s.A. infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom 14. November 1984, GZ R 326/84-26, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 11.Mai 1984, GZ C 378/82 -19, mit Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 14.10.1981 gemäß § 55 a Abs1 EheG rechtskräftig geschieden.

Der von den Parteien gemäß § 55 a Abs2 EheG am selben Tag abgeschlossene Vergleich über die Scheidungsfolgen hat nachstehenden Wortlaut:

'1.) Die Ehegatten Johann und Erna A verzichten wechselseitig auf Unterhalt, und zwar auch für den Fall der Not, geänderter Verhältnisse und geänderter Gesetzeslage.

2.) Die Ehewohnung in Pottschach, Listgasse 7, verbleibt Frau Erna

A.

3.) Herr Johann A verpflichtet sich, die Ehewohnung mit seiner persönlichen Fahrhabe bis längstens 30.11.1981 zu verlassen, und verzichtet auf jedweden Räumungsaufschub auch nach Art.6 der Schutzverordnung. Er ist berechtigt, bei seinem Auszug die Tiefkühltruhe und das Handwerkszeug mitzunehmen. Sämtlicher übriger Hausrat verbleibt Frau Erna A.

4.) Festgestellt wird, daß keine gemeinsamen Sparguthaben vorhanden sind.

5.) Der PKW Talbot, Kennzeichen N 75.027, und Anhänger verbleibt im Alleineigentum des Herrn Johann A.

6.) Der PKW Mini, Kennzeichen N 845.483, verbleibt im Alleineigentum der Frau Erna A.

7.) Die Ehegatten Johann und Erna A sind Hälfteeigentümer der EZ 1864 KG Pottschach mit dem Grundstück 913/1 Wiese.

Herr Johann Hochwartner, geboren 8.3.1941, überträgt hiermit seinen Hälfteanteil an der EZ 1864 KG Pottschach an Erna A, geboren 1.8.1941, und erteilt seine Einwilligung, daß auf Grund dieses Vergleiches ob der ihm gehörenden Hälfte das Eigentumsrecht für Frau Erna A, geboren 1.8.1941, einverleibt werden kann;

jedoch nur unter der Bedingung, daß gleichzeitig ob der ganzen Liegenschaft zugunsten der Kinder mj. Christian A, geboren 4.10.1965, und Elisabeth A, geboren 19.2.1972, gemäß § 364 c ABGB ein Belastungs- und Veräußerungsverbot einverleibt wird. Besitz, Last und Gefahr an der übertragenen Liegenschaftshälfte gehen auf Frau Erna A mit Wirkung vom 1.1.1982 über.

.....

Die Beteiligten nehmen zur Kenntnis, daß sie für die Vergebührung und grundbücherliche Durchführung dieses Vergleiches selbst Sorge tragen müssen.

8.) Im Zusammenhang mit der Errichtung des Einfamilienhauses bestehen zu Lasten beider Antragsteller Kreditverbindlichkeiten bei der Girozentrale und Bank der Österreichischen Sparkassen sowie bei der Sparkasse Neunkirchen-Gloggnitz-Ternitz, wofür im Lastenblatt der EZ 1864 KG Pottschach Pfandrechte unter B 1 per S 130.000,--, B 2 per S 139.346,-- und B 4 per S 87.000,-- jeweils s.A. einverleibt sind.

Mit Stichtag 1.1.1982 übernehmen die Antragsteller diese Ausleihungen je zur Hälfte zur Rückzahlung und werden einander insoweit vollkommen schad- und klaglos halten.

Bis auf weiteres belaufen sich die monatlichen Rückzahlungen auf insgesamt ca. S 5.000,-- monatlich, wovon demnach ab 1.1.1982 auf Herrn Johann A ca. S 2.500,-- monatlich entfallen.

9.) Sämtlichen Verfahrensaufwand sowie alle Kosten, Steuern und Gebühren, welche mit der Durchführung dieses Vergleiches verbunden sind, übernimmt Herr Johann A zu einem Drittel und Frau Erna A zu zwei Dritteln.

Damit sind alle wechselseitigen Ansprüche aus Anlaß der Ehescheidung geregelt, weshalb auf eine weitere Antragstellung nach den §§ 81 ff EheG ausdrücklich verzichtet wird.' Der Kläger begehrt von der Beklagten zuletzt die Zahlung von S 77.798,-- s.A. Er habe an die im Vergleich erwähnten Kreditunternehmungen Rückzahlungen von insgesamt S 155.596,-- erbracht und sei auf Grund des Vergleiches vom 14.10.1981 berechtigt, die Hälfte davon von der Beklagten ersetzt zu verlangen.

Die Beklagte wendete ein, sie fechte den Vergleich vom 14.10.1981 wegen Sittenwidrigkeit, Wuchers und Irreführung an. Der Kläger könne deshalb nur soweit Rückgriff nehmen, als die Streitteile gemeinsam als Mitschuldner hafteten, nicht aber auch wegen jener Kreditrückzahlungen, für welche sie nun als Bürgin hafte. Außerdem seien nicht alle Kreditrückzahlungen vom Vergleich umfaßt. Da der Unterhaltsverzicht aus den erwähnten Anfechtungsgründen unwirksam sei, wende sie schließlich den ab Dezember 1981

rückständigen Unterhalt von monatlich S 5.000,--, somit S 150.000,-- , als Gegenforderung zur Aufrechnung bis zur Höhe der Klagsforderung ein.

Das Erstgericht sprach aus, daß die eingeklagte Forderung zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe, und gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, die monatliche Rückzahlungsverpflichtung belaufe sich auf je S 2.500,--. Im Jahre 1973 sei den Parteien ein Bauspardarlehen zugezählt worden, das ab Februar 1984 in monatlichen Raten a S 945,-- - , bis dahin S 463,-- - ,zurückzuzahlen sei, weil der vom Land Niederösterreich nur für zehn Jahre gewährte Zinsenzuschuß zu diesem Zeitpunkt eingestellt worden sei. An die Sparkasse Neunkirchen-Gloggnitz-Ternitz hätten die Streitteile mehrere Kredite zurückzuzahlen: Der Kredit Nummer 0107-390106 sei in monatlichen Raten a S 392,--

abzustatten; Kreditnehmer sei der Kläger, die Beklagte sei als Bürgin und Zahlerin beigetreten. Der von beiden Parteien aufgenommene Abstattungskredit Nr.3407-420045 sei in monatlichen Raten a S 1.500,-- zurückzuzahlen, während der dem Kläger gewährte Kredit Nummer 3730-152778 in solchen a S 1.913,-- abzustatten sei; bei letzterem sei die Beklagte der Rückzahlungsverpflichtung als Bürgin und Zahlerin beigetreten. Der Kredit Nummer 3730-152869 (monatliche Rückzahlungsrate S 1.185,--) sei zwar am 5.8.1982 gelöscht worden, doch sei noch für Juli 1982 eine Zahlung eingegangen. Diese Kredite seien ausschließlich für den Grunderwerb, den Hausbau und die Einrichtung der Wohnung verwendet worden. Der Kläger habe alle Kreditrückzahlungen - auch jene, für welche die Beklagte hätte aufkommen müssen - mittels Dauerauftrages an seine Bank geleistet.

Vor der Scheidung sei es am 1.10.1981 zu einer zweieinhalb Stunden langen Besprechung bei Rechtsanwalt Dr. Werner C gekommen. Dabei seien die einzelnen Vergleichspunkte mit den Parteien ausführlich erörtert worden. Den Streitteilen sei klar gewesen, worum es dabei gegangen sei. Die Beklagte habe erklärt, sie werde in naher Zukunft eine Beschäftigung annehmen. Die Parteien seien sich einig gewesen, daß die laufenden Kreditverbindlichkeiten bis Jahresende 1981 vom Kläger allein und danach von ihnen je zur Hälfte abgetragen werden sollten; es habe überhaupt keine Differenzen gegeben. Dr. Werner C sei es klar gewesen, daß beide Teile die Tragweite ihres Handelns erfaßt hätten. Der Vergleich sei das Ergebnis einer genauen Abwägung aller Gründe durch die Eheleute gewesen. Der Beklagten sei es in erster Linie darum gegangen, daß das Haus zur Gänze ihr zufalle; es sei ihr aber bewußt gewesen, daß ihr damit und wegen der Kreditrückzahlungsverpflichtungen Aufwendungen erwachsen würden. Die für sie mit dem Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Kinder verbundenen Folgen habe ihr Dr. Werner C auseinandergesetzt. In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Vergleich als rechtswirksam zustandegekommen; es verneinte die einredeweise geltend gemachten Anfechtungsgründe und nahm an, daß alle Kredite vom Punkt 8 des Vergleichs erfaßt seien, weshalb die Beklagte dem Kläger die halben Rückzahlungsbeträge zu erstatten habe. Die zur Aufrechnung eingewendete Unterhaltsforderung bestehe nicht zu Recht, weil die Beklagte auf Unterhalt rechtswirksam verzichtet habe. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf, stellte ergänzend fest, daß Dr. Werner C die Streitteile auch im Scheidungsverfahren vertreten habe, und führte in rechtlicher Hinsicht aus, auch gerichtliche Vergleiche könnten wegen Irrtums, Furcht oder Sittenwidrigkeit angefochten werden. Daß ein Vergleich im Sinne des § 55 a Abs2 EheG Voraussetzung einer Scheidung nach Abs1 dieser Bestimmung sei, ändere daran nichts, weil Vergleich und Scheidungsbeschluß keine rechtliche Einheit bildeten. Letzterer sei eine gerichtliche Entscheidung, ersteres inhaltlich eine materiellrechtliche Vereinbarung zwischen den Parteien. Der Scheidungsbeschluß erwachse ungeachtet der Wirksamkeit der übereinkunft nach § 55 a Abs2 EheG in Rechtskraft; auch eine vom Pflegschaftsgericht versagte Genehmigung einer Einigung der Parteien über das Sorgerecht für die Kinder berühre den einmal rechtskräftig gewordenen Scheidungsbeschluß nicht mehr. Die von der Beklagten behauptete Zusicherung des Klägers, er habe keine Freundin, sei keine für den Vergleichsabschluß ursächliche Irreführung durch Verschweigung von Tatsachen. Dieser Motivirrtum sei nur bei Arglist beachtlich; ein Wissen des Klägers, daß die Beklagte irre oder der Irrtum Einfluß auf ihren Willensentschluß ausübe, habe letztere gar nicht behauptet. Ein solches Wissen sei auch nicht selbstverständlich; die Beklagte habe ausgesagt, sie habe den Vergleich abgeschlossen, weil sie wegen ihrer schlechten nervlichen Verfassung endlich Ruhe haben habe wollen. Es könne dahingestellt bleiben, ob Dr. Werner C die Beklagte über die unterhaltsrechtlichen Folgen einer Scheidung aus Verschulden richtig aufgeklärt habe. Ein bloßer Rechtsfolgenirrtum sei unbeachtlich; im übrigen sei die Anfechtung eines Vergleichs wegen eines vom eigenen Vertreter veranlaßten Irrtums ausgeschlossen. Bei Doppelvertretung sei das Geschäft nur bei sittenwidrigem Mitwirken des begünstigten Vertragspartners wirkungslos;

solches sei bisher aber nicht behauptet worden. Das Erstgericht habe jedoch keine Feststellungen getroffen, vermöge deren die behauptete Sittenwidrigkeit geprüft werden könne. Das Erstgericht werde diese Einwendung mit den Parteien zu erörtern haben. Es werde ferner den wahren Vergleichsinhalt sowie die dem Vergleich zugrunde liegenden Vermögenswerte und Abschlußgrundlagen festzustellen haben. Es sei nämlich erkennbar, daß die Beklagte ein auffallendes Mißverhältnis der beiderseitigen Leistungen behaupte. Das Erstgericht werde deshalb im fortgesetzten Verfahren ausreichende Feststellungen über die behauptete Furcht und mangelnde Ernstlichkeit sowie über die Zuordnung der Kredite zu Punkt 8 des Vergleichs zu treffen haben. Sollte das Erstgericht zu dem Schluß gelangen, der Vergleich sei unwirksam, werde dennoch zu prüfen sein, ob der Rückgriffsanspruch des Klägers auf Grund von Rückzahlungen jener Kredite zu Recht bestehe, für die auch die Beklagte nicht bloß als Bürgin, sondern als Mitschuldnerin hafte. Sollte sich herausstellen, daß der Unterhaltsverzicht unwirksam sei, könne der Beklagten ein nach § 69 Abs3 EheG auszumessender Unterhalt zustehen. Angesichts der überschrift des § 69 EheG lasse sich die Anwendung dieser Bestimmung auf die Scheidung im Einvernehmen rechtfertigen. Der Fall liege dann so wie eine durch Urteil ausgesprochene Scheidung ohne Verschuldensausspruch und Unterhaltsvereinbarung.

Unterhalt könne allerdings nur ab Klagstag - die Klägerin habe am 4.12.1981 gegen den Beklagten zu 1 C 55/81 eine Unterhaltsklage eingebracht - zuerkannt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Kläger erhobene Rekurs ist nicht berechtigt. Nach wie vor wendet sich der Kläger gegen die Anfechtbarkeit eines Vergleichs über die Scheidungsfolgen nach § 55 a Abs2 EheG wegen Willensmängeln (§§ 869 ff ABGB) oder Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 879 ABGB), weil dieser Vergleich als unabdingbare Voraussetzung des Beschlusses, mit dem die Scheidung wegen Einvernehmens der Parteien ausgesprochen wird, mit diesem untrennbar verknüpft sei; sei dieser Beschluß in Rechtskraft erwachsen, müsse es auch bei der vergleichsweisen Regelung der Scheidungsfolgen verbleiben, weil das Verfahren außer Streitsachen keine Wiederaufnahme kenne, eine Beseitigung des Vergleichs ohne gleichzeitige Aufhebung des Scheidungsbeschlusses aber rechtlich unmöglich sei. Dem ist entgegenzuhalten, daß auf einen Vergleich über die Scheidungsfolgen, der vor Gericht geschlossen wird, die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über den Vergleich anzuwenden sind (§ 222 Abs1 AußStrG); er kann auch nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung vollstreckt werden (§ 228 erster Satz AußStrG); er ist wie jeder gerichtliche Vergleich auch ein Rechtsgeschäft, dessen materielle Gültigkeit nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts zu beurteilen ist (JBl 1979, 266, u.v.a.; Ertl in Rummel, ABGB, Rdz 8 zu § 1380). Endet die Privatautonomie der Parteien bei Regelung der Scheidungsfolgen an der Grenze zur Sittenwidrigkeit (Aicher in Floretta, Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht, 111; Mänhardt in Ostheim, Schwerpunkte der Familienrechtsreform, 134), so kann es keinen auf Dauer geltenden Unterschied machen, ob der Richter wegen einer von ihm - etwa wegen Äquivalenzstörung - für sittenwidrig erachteten Vereinbarung die Scheidung ablehnt oder eine solche Vereinbarung (zu Unrecht) dem Scheidungsausspruch zugrundelegt. Dem kann auch nicht entgegenstehen,daß die Vereinbarung über die Scheidungsfolgen eine der Voraussetzungen für den Scheidungsausspruch nach § 55 a Abs1 EheG ist. Schon das Gesetz nimmt in Kauf (JA 916 BlgNR 14. GP 9), daß das Pflegschaftsgericht die erforderliche Genehmigung der auf die Kinder bezogenen Teile der Vereinbarung nachträglich verweigert, ohne daß die Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses eine Durchbrechung erfährt (Mänhardt a.a.O. 133), auch wenn eine der Parteien bei einer anderen als der vereinbarten Zuteilung der elterlichen Rechte die Vereinbarung nicht getroffen und damit eine Scheidung nach § 55 a EheG verhindert hätte. Selbst wenn die Ehe geschieden wird, obgleich keine Vereinbarung vorlag oder geschlossen wurde bzw. wenn die Vereinbarung inhaltlich unvollständig ist oder nur zum Schein geschlossen wurde, um die Scheidung im Einvernehmen zu erwirken, ist der rechtskräftige Scheidungsbeschluß dennoch wirksam (Pichler in Rummel aaO Rdz 9 zu § 55 a EheG). Nicht anders kann es sein, wenn die Vereinbarung mit Willensmängeln behaftet oder sittenwidrig ist und deshalb von einer Partei angefochten wird. Daß die Gültigkeit eines Vertrags (Vergleichs) wegen List, Irrtums oder Sittenwidrigkeit auch einredeweise bekämpft werden kann, entspricht Lehre und Rechtsprechung (JBl 1981, 36; JBl 1980, 424; SZ 46/69 u. a.; Rummel aaO Rdz 7 zu § 870 und Rdz 19 zu § 871; Krejci in Rummel aaO Rdz 248 zu § 879). Ob eine Teilanfechtung des Vergleichs möglich wäre, weil der Scheidungsfolgenvergleich der Streitteile nach allgemeinen Vertragsregeln teilbar ist (vgl Rummel aaO Rdz 7 zu § 870 mwN), muß nicht geprüft werden, weil die Beklagte den Vergleich ohnehin zur Gänze anficht (vgl. auch ihr Vorbringen in der Rekursbeantwortung AS 156 f).

Das Berufungsgericht hat das Vorliegen einer zur Aufhebung des Vergleichs führenden List oder eines solchen Irrtums verneint; diese der ersten Instanz überbundene Rechtsansicht wird von der Beklagten, die selbst keinen Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß erhoben hat, nicht bekämpft. Der Oberste Gerichtshof hat zwar aus Anlaß eines Rekurses gegen einen berufungsgerichtlichen Aufhebugsbeschluß nicht nur die aufgeworfenen Rechtsfragen, sondern die rechtliche Beurteilung des Gerichtes zweiter Instanz nach jeder Richtung hin zu prüfen (SZ 54/125 uva); das gilt jedoch nicht, wenn die Erledigung einzelner (auch einredeweise geltend gemachter) aus verschiedenen Tatsachen abgeleiteter Rechtsgründe (hier: Vertragsanfechtungsgründe) durch das Berufungsgericht unbekämpft geblieben ist.

Der Kläger wendet sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, das Erstgericht werde die Beklagte gemäß § 182 ZPO anzuleiten haben darzutun, worin die behauptete Sittenwidrigkeit und Wucher erblickt werden;

die Beklagte habe nämlich diese Einwendung nur mit allgemein gehaltenen Angaben erhoben. Die Beklagte hat im Verfahren erster Instanz vorgebracht, sie habe die Vereinbarung zu unsinnigen, für sie wirtschaftlich nicht erfüllbaren Bedingungen abgeschlossen. Sie habe, obgleich einkommenslos und ohne besondere berufliche Ausbildung, auf Unterhalt verzichtet und als Gegenleistung zwar die Haushälfte des Klägers erhalten, sich aber des Verfügungsrechtes über das gesamte Haus begeben müssen, weil gleichzeitig auf der Liegenschaft ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der beiden Kinder einverleibt worden sei. Diese durchaus konkretisierten Gesichtspunkte macht sie - wie ihrem darauf Bezug habenden Vorbringen (ON 3) entnommen werden kann - sowohl als Sittenwidrigkeit (§ 879 Abs1 ABGB) als auch als Wucher (§ 879 Abs2 Z.4 ABGB) geltend.

Wucher setzt als objektives Merkmal ein auffallendes Mißverhältnis der beiderseitigen Leistungen, also eine grobe, leicht erkennbare Äquivalenzstörung, voraus (Krejci in Rummel aaO Rdz 226 zu § 879), dabei sind die gesamten beiderseitigen Leistungswerte in ein Verhältnis zu setzen.

Nach der Vereinbarung verblieb der Beklagten (im nunmehr eigenen Haus) die Ehewohnung und nahezu der gesamte Hausrat; ferner übertrug ihr der Kläger das Hälfteeigentum an der Liegenschaft und übernahm zwei Drittel der Abgaben und Kosten im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren und der Durchführung des Vergleichs. Demgegenüber hat die Beklagte auf Unterhalt verzichtet, die mit der Einverleibung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes verbundenen Folgen für die g e s a m t e Liegenschaft auf sich genommen und sich - obgleich damals ohne Einkommen - zur Rückzahlung der Hälfte der auf der Liegenschaft sichergestellten Verbindlichkeiten verpflichtet. Bei Beurteilung der Frage, ob der Vergleich der Streitteile die von der Beklagten behauptete auffällige Äquivalenzstörung beinhaltet, ist zu bedenken, daß der Beklagten, die mangels Beschäftigung und infolge Unterhaltsverzichts mittellos war, das angesichts ihres Alters, ihrer fehlenden Berufsausbildung und der bekannten Arbeitsplatzknappheit ihrer Region sehr erhebliche Risiko der Stellensuche, deren Erfolg Voraussetzung für die Erfüllung der übernommenen Pflichten war, überbürdet wurde; außerdem verschlechterte sich ihre rechtliche und wirtschaftliche Position dadurch, daß sie auch über die ihr schon zuvor gehörige Liegenschaftshälfte nicht mehr verfügen durfte und sich dennoch zur Rückzahlung sehr beträchtlicher Verbindlichkeiten verpflichtet, für die sie möglicherweise nur als Bürgin haftete. Wägt man diese Umstände ab, ist eine Äquivalenzstörung, wie sie Voraussetzung von Wucher ist, nicht auszuschließen. Um Wucher annehmen zu können, bedarf es allerdings, neben der Ausbeutung, also zumindest fahrlässigen Verhaltens des Klägers (SZ 44/71; Koziol-Welser 6 I

116) auch eines der im § 879 Abs2 Z.4 ABGB aufgezählten subjektiven Elemente als Ausdruck gestörter Freiheit der rechtsgeschäftlichen Willensbildung (Krejci aaO Rdz 214 zu § 879). Als solches Element hat die Beklagte zwar nicht ausdrücklich, wohl aber sinngemäß die durch die bevorstehende Ehescheidung bewirkte Gemütsaufregung - als Zustand vorübergehender psychischer Erregung, der das ruhige überlegen und Sondieren der Sachlage verhindert (Krecji aaO Rdz 223 zu § 879) - behauptet; da das Erstgericht jedoch festgestellt hat, daß die Streitteile die Tragweite ihres Handelns erfaßt hatten und der Vergleich das Ergebnis einer genauen Abwägung der Umstände war, fehlt es an dem zum Wuchertatbestand erforderlichen subjektiven Element. Nach Lehre und Rechtsprechung (SZ 42/2; SZ 41/32; MietSlg 31.091 ua; Krejci aaO Rdz 92

zu § 879; weitergehend Gschnitzer in Klang 2 IV/1, 203 und in Allg.Teil des bürgerlichen Rechts 198) ist jedoch bei Vorliegen einer Äquivalenzstörung im Sinne des § 879 Abs2 Z.4 ABGB Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs1 ABGB (vgl.zu dieser JBl 1985,103) anzunehmen, wenn ein gleichwertiges zusätzliches Element der Sittenwidrigkeit hinzutritt. Ein solches könnte bei einer Vereinbarung nach § 55 a Abs2 EheG darin gelegen sein, daß ein Ehegatte durch einen Vergleich, für den anderen erkennbar, Verpflichtungen übernommen hat, durch die seine wirtschaftliche Existenz bedroht wurde. Mit Recht hat deshalb das Berufungsgericht dem Erstgericht aufgetragen, im fortgesetzten Verfahren die dem Vergleich zugrundeliegenden Vermögenswerte und seine sonstigen Voraussetzungen genau festzustellen; zu ermitteln wird insbesondere sein, inwieweit sich die Erfüllung des Vergleichs für die Beklagte existenzbedrohend gestaltet.

Beizupflichten ist dem Berufungsgericht auch darin, daß das Erstgericht keinerlei Feststellungen getroffen hat, vermöge deren verläßlich überprüft werden kann, ob die als aushaftend festgestellten Kredite (AS 87) mit jenen identisch sind, die im Punkt 8 des Vergleiches näher bezeichnet sind. Solche Feststellungen sind erforderlich, weil sich die Beklagte nur zur Rückzahlung der grundbücherlich sichergestellten Kredite verpflichtet hat. Der Kläger stützt zwar sein Begehren auch darauf, daß die Streitteile sämtliche Verbindlichkeiten im Innenverhältnis gemeinsam zurückzahlen wollten (AS 42), übersieht jedoch, daß ein anläßlich der Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses abgeschlossener Vergleich gemäß § 1389 ABGB im Zweifel Bereinigungswirkung für alle aus diesem Dauerschuldverhältnis entspringenden wechselseitigen Rechte und Verbindlichkeiten hat (Arb 9209

uva; Ertl in Rummel aaO Rdz 1 zu § 1389; Wolff in Klang 2 VI 284). Dieser Grundsatz beherrscht auch Vergleiche, die im Rahmen eines Scheidungsverfahrens für den Fall der Scheidung abgeschlossen wurden, wenn darin die beiderseitigen vermögensrechtlichen Ansprüche geregelt werden. Ein solcher Vergleich erledigt im Zweifel alle mit dem Eheverhältnis zusammenhängenden vermögensrechtlichen Streitigkeiten zwischen Eheleuten und selbst Ansprüche, an welche eine Partei zwar nicht gedacht, aber denken konnte und von denen der andere Teil annehmen durfte, daß sie mitbereinigt würden. In diesem Fall kommt dem Vergleich Bereinigungswirkung auch dann zu, wenn keine Generalklausel aufgenommen wurde (EFSlg.38.638). Schon deshalb hätte der Kläger nicht vom Vergleich umfaßte Verbindlichkeiten, für deren Rückzahlung sich die Beklagte bloß verbürgt hatte, allein abzustatten und könnte hiefür bei der Beklagten auch nicht Teilrückgriff nehmen. Da sich die Rückzahlungsverpflichtung der Streitteile je zur Hälfte schon nach dem Wortlaut der Vergleichsbestimmung nur auf jene Verbindlichkeiten erstrecken sollte, die mit der Errichtung des Einfamilienhauses im Zusammenhang stehen u n d grundbücherlich sichergestellt sind, kann der Vergleich nur dahin verstanden werden, daß der Kläger allfällige sonst aushaftende Kreditverbindlichkeiten - ungeachtet des Rechtsgrundes der Mithaftung der Beklagten - allein zur Rückzahlung übernehmen sollte. Anders liegt der Fall bei Verbindlichkeiten, für die sich die Beklagte als Mitschuldnerin zur Rückzahlung verpflichtet hat; auch wenn der Vergleich erfolgreich angefochten wird, kann der Kläger insoweit nach § 896 ABGB Teilrückgriff bei der Beklagten nehmen.

Zu Unrecht hat die Beklagte eine Unterhaltsforderung (ab Klagstag zu 1 C 55/81 des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt) zur Aufrechnung gegen den Rückzahlungsanspruch des Klägers eingewendet. Der Oberste Gerichtshof kann die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der Beklagten bei Wegfall des Vergleichs ein nach § 69 Abs3 EheG zu beurteilender Unterhaltsanspruch zustehen könnte, nicht teilen. Ein solcher Anspruch setzt nicht nur ein Scheidungsurteil voraus; es ist vor allem n u r der Ehegatte, der die Scheidung verlangt hat, verpflichtet, dem anderen Unterhalt unter den weiteren dort genannten Voraussetzungen zu leisten; eine solche Unterhaltspflicht setzt demnach eine Scheidung nach den §§ 50 bis 52

oder nach § 55 EheG voraus (Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 69 EheG). Eine Scheidung im Einvernehmen gemäß § 55 a Abs1 EheG kann nur über gemeinsames Begehren der Ehegatten ausgesprochen werden. Da das Verlangen der Scheidung im Sinne des § 69 Abs3 EheG als verfahrensrechtlicher Schritt zu verstehen ist, ist eine aus dieser Gesetzesbestimmung abgeleitete Unterhaltsverpflichtung bei einer Scheidung im Einvernehmen ausgeschlossen. Ob der Beklagten Schadenersatzansprüche zustehen könnten, ist mangels entsprechender Behauptungen in diesem Verfahren nicht zu prüfen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs1 ZPO.

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