OGH 6Ob73/04k

OGH6Ob73/04k23.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei minderjährige Stefanie E*, vertreten durch ihre Mutter Jutta E*, diese vertreten durch Dr. Daniela Altendorfer‑Eberl, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei E* GmbH, *, vertreten durch Dr. Reinhard Kloiber und Dr. Ivo Burianek, Rechtsanwälte in Mödling, wegen 7.267,28 EUR und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 29. September 2003, GZ 17 R 234/03p‑59, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 31. März 2003, GZ 4 C 1442/00p‑53, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E74751

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur Verhandlung und Urteilsfällung zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs‑ und des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

 

Die am 12. 2. 1987 geborene Klägerin ist Brillenträgerin. Während einer Schneeballschlacht am Nachmittag des 1. 1. 2000 zerbrach das linke Brillenglas, wodurch die Klägerin am linken Auge verletzt wurde.

Die Klägerin begehrte ein Schmerzengeld von 7.267,28 EUR (entspricht 100.000,‑‑ S) und die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden. Ihr sei vom Arzt die Anschaffung von Kunststoffgläsern empfohlen worden, weil diese für Kinder gut geeignet und bruchfest seien. Der die Brille anfertigende Fachoptiker habe das von der Beklagten hergestellte Glas empfohlen. Das zerborstene Glas sei auf Grund eines Material‑ oder Konstruktionsfehlers fehlerhaft gewesen. Die betroffenen Verkehrskreise könnten erwarten, dass ein Brillenglas aus Kunststoff derartigen Beanspruchungen wie dem Aufprall eines Schneeballs standhalte. Die Beklagte hätte auf die Brucheigenschaften des Glases hinweisen müssen. Zum Zeitpunkt des Erwerbs der Brille seien bereits sicherere Gläser der Beklagten am Markt gewesen. Die Beklagte habe den Schadenersatzanspruch der Klägerin auch dem Grunde nach anerkannt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sei halte bei der Produktion und Qualitätskontrolle die entsprechende ISO‑Norm ein. Beim zerborstenen Brillenglas habe es sich um ein einwandfreies Produkt gehandelt. Eine Bruchfestigkeit könne nicht zugesichert werden. Für einen allfälligen Beratungsfehler des Optikers sei die Beklagte nicht verantwortlich.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Am 17. 8. 1999 suchten die Klägerin und ihre Mutter einen Augenoptiker auf, der die Klägerin seit Jahren betreute. Die Beklagte war der Hauptlieferant dieses Optikers. Er bot zwei Kunststoffgläser an und empfahl hievon das Kunststoffbrillenglas der Beklagten mit der Bezeichnung M*, weil dieses bei der großen Dioptriedifferenz der Klägerin dünner verarbeitet werden könne. Der Optiker wies auch auf die höhere Bruchsicherheit eines Kunststoffglases gegenüber einem Mineralglas hin. Es war aber weder davon die Rede, dass ein Kunststoffbrillenglas gänzlich unzerbrechlich sei noch dass es bei bestimmten Beanspruchungen bersten könne. Die Mutter entschloss sich für das empfohlene Produkt. Im Zeitpunkt des Unfalls herrschten Plusgrade und es lag Neuschnee. An der Schneeballschlacht, die am Nachmittag auf einer Wiese stattfand, nahmen die damals 13‑jährige Klägerin, ihr Bruder und drei weitere Kinder im Alter von 2, 3 und 4 Jahren teil. Welches der Kinder den Schneeball geworfen hat, der die Brille der Klägerin traf, kann nicht festgestellt werden. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich ein Stein im Schneeball befand. Das getroffene linke Brillenglas der Klägerin zerbrach "in tausende Splitter". Im linken Auge der Klägerin blieben viele Splitter stecken, die im Krankenhaus entfernt werden mussten. Auf der Hornhaut blieben Narben zurück. Die Brillenfassung wurde nicht beschädigt. Die Klägerin erlitt auch keine Verletzungen durch den Druck der Brillenfassung. Ein Hämatom trat nicht auf. Das zerborstene Brillenglas wurde vom Optiker kostenlos ersetzt. Der Prokurist der Beklagten bedauerte zwar bei Gesprächen mit der Mutter den Vorfall, gestand aber weder einen Produktions‑ noch einen Konstruktionsfehler ein. Dass er die Zahlung eines Schmerzengeldes angeboten hätte, kann nicht festgestellt werden. Die Beklagte liefert ihre Produkte ausschließlich an Fachoptiker. Wenn ein neues Produkt auf den Markt kommt, wird für dieses eine Produktinformation erstellt, die die für einen Optiker notwendigen technischen Daten enthält. Es gibt weder eine Werbung noch eine Produktinformation, die sich direkt an den Verbraucher richtet. Das M*glas wurde von der Beklagten nicht als unzerbrechlich angepriesen. Die Produkte der Beklagten werden einer Endkontrolle unterzogen. Zudem wird von einer direkt der Geschäftsleitung unterstellten und von der Produktion getrennten Stelle die Einhaltung der Zertifikationsrichtlinien kontrolliert. Das zerborstene Brillenglas entsprach der Norm EN ISO 14889. Das Bruchverhalten des M*glases ändert sich zwar im Temperaturbereich von plus 23° bis minus 5° Celsius nicht, es besteht aber eine Temperaturabhängigkeit der Bruchfestigkeit im Sinn einer Reduktion der maximalen Energieabsorption mit abnehmender Temperatur.

Das Erstgericht verneinte die Voraussetzungen der Haftung der Beklagten nach dem PHG. Es habe sich um ein einwandfreies, den gesetzlichen Anforderungen und dem Stand der Technik entsprechendes Produkt gehandelt. Es liege auch kein Instruktionsfehler vor. Die Beklagte beliefere ausschließlich Fachoptiker, die wüssten, dass ein Kunststoffbrillenglas nicht gänzlich unzerbrechlich sei. Eine an den Endverbraucher gerichtete Werbung gebe es nicht.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil in der Hauptsache und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es verneinte das Vorliegen eines Produktions‑ und eines Konstruktionsfehlers. Es sei auf die berechtigten Sicherheitserwartungen des durchschnittlichen Produktbenützers abzustellen. Von einer gänzlichen Unzerbrechlichkeit von Kunststoffbrillengläsern könne niemand ausgehen. Es entspreche vielmehr der allgemeinen Lebenserfahrung, dass selbst Kunststoffprodukte bei entsprechender Krafteinwirkung, insbesondere auch durch Schneebälle, bersten könnten. Dass bereits ein produktsicheres Glas auf dem Markt gewesen sei, mache das verwendete Produkt noch nicht fehlerhaft. Ob die Bruchgeneigtheit auch bei Temperaturen unter minus 5° Celsius höher sei, sei nicht relevant, weil am Unfallstag Plusgrade geherrscht hätten. Ein Instruktionsfehler liege ebenfalls nicht vor, weil die Beklagte ausschließlich an Optikerfachgeschäfte liefere und die von ihr angebotenen Produkte nicht selbst an den Endverbraucher vertreibe. Sie habe davon ausgehen können, dass die Optiker über das entsprechende Fachwissen über die Bruchsicherheit von Kunststoffgläsern verfügten. Entscheidend sei das Erfahrungswissen des potentiellen Abnehmers, hier also des Optikers und nicht des Verbrauchers. Der Hersteller von Brillengläsern müsse den "potentiellen idealtypischen Optiker" nicht vor der Gefahr warnen, dass Kunststoffgläser bei entsprechender Krafteinwirkung brechen könnten, weil dies unter Berücksichtigung des Fachwissens eines Optikers als bekannt vorauszusetzen sei. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Erfordernis von Warnhinweisen von Brillenglasherstellern vorliege.

Die Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig und auch deshalb (im Sinn ihres Aufhebungsantrags) berechtigt, weil das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Instruktionspflichtverletzung zu Unrecht auf den Wissensstand des Vertragspartners der Beklagten und nicht auf das Schutzbedürfnis des Endverbrauchers abgestellt hat.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Beurteilung, ob ein Produkt im Sinn des § 5 PHG fehlerhaft ist, sind die berechtigten Sicherheitserwartungen des Geschädigten maßgebend. Hiefür ist ein objektiver Maßstab anzulegen, dessen Konkretisierung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen ist. Was im Einzelfall an Produktsicherheit erwartet werden darf, ist eine Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0107605). Bei den Konstruktionsfehlern ist die Enttäuschung der Sicherheitserwartung im technischen Konzept - in der "Konstruktion" des Produkts - begründet (RIS‑Justiz RS0107606). Der Standard von Wissenschaft und Technik konkretisiert die berechtigten Sicherheitserwartungen des durchschnittlichen Produktbenützers. Die normgerechte oder sonstigen technischen Standards entsprechende übliche Herstellungsart indiziert die Fehlerfreiheit des Produkts (3 Ob 547/95; 6 Ob 157/98a). § 5 Abs 2 PGH stellt klar, dass ein Produkt nicht allein deshalb als fehlerhaft anzusehen ist, weil später ein verbessertes Produkt in den Verkehr gebracht worden ist. "Verbessert" ist ein Produkt, wenn es konstruktiv weiter entwickelt und dadurch sicherer geworden ist (Posch in Schwimann Komm z ABGB2 Band 8 § 5 PHG Rz 22).

Von diesen Grundsätzen ausgehend ist zwar die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass ein Konstruktionsfehler nicht vorliege, zu billigen. Das Glas des bei der Brille der Klägerin verwendeten Typs war schon längere Zeit am Markt und entsprach den einschlägigen technischen Richtlinien, die zugleich eine Zusammenfassung üblicher Sorgfaltsanforderungen darstellen (vgl 1 Ob 262/00m). Ein gänzlich bruchsicheres Brillenglas ist auch heute noch nicht am Markt. Dass kurz vor dem Brillenkauf ein Kunststoffprodukt für Brillen mit verbesserter Bruchsicherheit am Markt erschien, indiziert noch nicht die Fehlerhaftigkeit des älteren Produkts, ist doch davon auszugehen, dass sich der Stand der Technik gegenüber dem seit Jahren angebotenen Produkt weiter entwickelt hat. Einer Brille aus Mineralglas war eine Brille, die mit dem auch hier verwendeten Kunststoffglas ausgestattet war, in Bezug auf die Bruchsicherheit jedenfalls überlegen. Dass bereits im Zeitpunkt, als das auch hier verwendete Kunststoffbrillenglas der Beklagten in den Verkehr gebracht wurde - auf den bei der Prüfung der Produktsicherheit im Sinn des § 5 Abs 1 Z 3 PHG abzustellen ist -, andere technische Konzepte und geeignetere Alternativen zum Mineralglas vorhanden gewesen seien und es der Beklagten aus technischer Sicht möglich gewesen wäre, ein bruchsichereres Glas herzustellen, hat die hiefür beweispflichtige Klägerin (vgl RIS‑Justiz RS0117103) gar nicht behauptet.

Zu Recht führt die Revision jedoch aus, dass ein Instruktionsfehler vorliegt. Beim Instruktionsfehler macht die unzureichende Darbietung das Produkt fehlerhaft (RIS‑Justiz RS0107606). Zur Instruktionspflicht des Herstellers gehört es, den Benützer auf gefährliche Eigenschaften des Produkts hinzuweisen. Der Hersteller hat unter Umständen selbst vor widmungswidrigem Gebrauch zu warnen (RIS‑Justiz RS0071549). Er hat auch unterhalb der Schwelle der "Sozialüblichkeit" mit bestimmten Verbrauchergewohnheiten zu rechnen, solange es sich nicht bloß um einen theoretisch denkbaren, sondern um einen naheliegenden Abusus handelt (1 Ob 169/02p = ecolex 2003/47, 99 [Rabl]). Hiebei ist nicht nur das Schutzbedürfnis des Vertragspartners des Produzenten (Importeurs) entscheidend. Ein Schutzbedürfnis des Endverbrauchers, der in der Regel nicht vom Produzenten (Importeur) erwirbt, ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Produzent (Importeur) damit rechnen muss, dass sein Produkt in die Hände von Personen gerät, die mit den Produktgefahren nicht vertraut sind (SZ 65/149; 3 Ob 311/03d).

Auch wenn die Beklagte ihre Produkte ausschließlich an Fachoptiker liefert, dienen sie doch in erster Linie dem Gebrauch der Endabnehmer (Brillenträger), für die die Optiker aus dem Teilprodukt (Brillenglas) das Endprodukt (optische Brille) herstellen. Wie in der Revision zutreffend ausgeführt wird, geht es hier nicht um fehlende oder mangelhafte Anleitungen des Herstellers für die üblicherweise von einem Fachmann vorgenommene Weiterverarbeitung oder Montage eines Produkts (wie in SZ 67/105 und Folgeentscheidungen mit vergleichbaren Sachverhalten). Es gehört zur Instruktionspflicht des Herstellers, die "Benützer", dass sind im vorliegenden Fall insbesondere die Endverbraucher, auf gefährliche Eigenschaften des Produkts hinzuweisen (vgl RIS‑Justiz RS0071549). Die Haftung des Anspruchsadressaten nach dem PHG gegenüber dem Schadensopfer besteht auch ohne jegliche vertragliche Beziehung (Posch aaO § 1 PHG Rz 2). Der Umstand, dass das Brillenglas zur Weiterverarbeitung durch einen Fachmann bestimmt war und von einem solchen auch tatsächlich weiter verarbeitet wurde, steht somit der Haftung der Beklagten nicht im Wege. Sie blieb dessen ungeachtet Hersteller im Sinn des § 3 PHG, weil unter diesen Begriff auch der Hersteller eines Teilprodukts fällt und unter dem Produktbegriff des § 4 PHG auch eine (bewegliche körperliche) Sache zu verstehen ist, wenn sie ein Teil einer anderen Sache geworden ist. Ein Unternehmer, der Grundstoffe und Teilprodukte herstellt, haftet zwar nur für den Schaden, der durch die Fehlerhaftigkeit des Produkts, in das das Erzeugnis integriert wurde, verursacht wurde, wenn gerade ein Fehler des von ihm zugelieferten Grundstoffs oder Teilprodukts für den Schaden kausal war (Posch aaO § 3 PHG Rz 5). Dieser Fall liegt hier aber vor, weil verletzungskausal allein das Zersplittern des von der Beklagten stammenden Brillenglases war.

Was im Bereich allgemeiner Erfahrung der in Betracht kommenden Abnehmer und Benützer liegt, braucht nicht zum Inhalt einer Warnung gemacht werden. Inhalt und Umfang der Instruktionen sind allerdings "nach der am wenigsten informierten und damit gefährdetsten Benutzergruppe" (SZ 74/62) oder (wie Rabl in seiner Anmerkung zu 1 Ob 169/02pecolex 2003, 99 formuliert) "nach dem durchschnittlichen Benutzer der am wenigsten informierten Benutzergruppe" auszurichten. In Anwendung der aufgezeigten Grundsätze ist hier eine Verletzung der Instruktionspflicht der Beklagten zu bejahen. Die Erfahrung aus dem täglichen Umgang mit Kunststoffprodukten lehrt den Konsumenten, dass Kunststoff wesentlich unzerbrechlicher als Glas ist. Das plötzliche Zersplittern eines Kunststoffprodukts in viele kleinste Teilchen ist selbst bei ungewöhnlicher Krafteinwirkung im Alltagsleben kaum zu beobachten. Der Durchschnittskonsument assoziiert im Allgemeinen Kunststoffprodukte mit den Eigenschaften der Dauerhaftigkeit und Unverwüstlichkeit, womit solche Erzeugnisse teilweise auch beworben werden. Eine derartige Werbung für das hier verwendete Kunststoffbrillenglas lag zwar nicht vor. Wenn auch die Beklagte nichts dazu beigetragen hat, um beim Endverbraucher den Eindruck einer weitgehenden Unzerbrechlichkeit des hier zu beurteilenden Kunststoffbrillenglases zu erwecken, ist doch mit einer Gruppe von Benützern zu rechnen, die auf Grund der Werbung für Kunststoffprodukte im Allgemeinen und ihrer persönlichen Erfahrung Kunststoffgläser für derart robust einschätzen, dass sie Schlägen und Stößen standhalten, die einer mit einem Schneeball vergleichbaren Wucht auftreffen und ihnen eine relativ gefahrlose Sportausübung im üblichen Rahmen, etwa die Teilnahme an Ballspielen, ermöglichen. Vor allem aber kalkuliert der uninformierte Durchschnittsverbraucher nicht ein, dass ausgerechnet der für ein Brillenglas verwendete Kunststoff, der sich in unmittelbarer Nähe der durch das Eindringen von Splittern besonders gefährdeten Augenregion befindet, bei einer solchen Krafteinwirkung "in tausende Splitter" zerbirst, die ihm ins Auge geschleudert werden.

Es mag zwar auch bei Anlegung eines sehr niedrigen Standards an die Informiertheit und Eigenverantwortlichkeit der Benutzer ein Warnhinweis dahin, dass ein auf die Brille geschleuderter Stein Kunststoffgläser zum Zerbrechen bringen und damit zu dramatischen Verletzungsfolgen führen kann, als überflüssig anzusehen sein. Darum geht es hier jedoch nicht. Die Beklagte hat in ihrer Berufungsbeantwortung die Feststellung, dass die Ursache des Zerberstens des Brillenglases ein Schneeball gewesen sei und insbesondere die Negativfeststellung, dass nicht festgestellt werden könne, dass sich ein Stein im Schneeball befunden habe, gerügt. Sie begehrt stattdessen die Feststellung, dass "das Brillenglas von hochgewirbeltem Pulverschnee getroffen" worden sei, "in welchem ein Stein, ein Eisbrocken oder ein ähnlich harter Gegenstand mit entsprechender Masse" enthalten gewesen sei und hilfsweise die Feststellung, "dass das Brillenglas im Zug der Schneeballschlacht zerbarst, wobei die genaue Ursache für das Zerbrechen nicht festgestellt werden kann". Mit dieser Beweisrüge hat sich zwar das Berufungsgericht - ausgehend von seiner Rechtsansicht, dass auch bei Unterstellung des vom Erstgericht diesbezüglich festgestellten Sachverhalts von keiner Instruktionspflichtverletzung auszugehen sei - nicht auseinandergesetzt. Die Beweisrüge, die auch noch in der Revisionsbeantwortung aufrechterhalten wurde, ist jedoch nicht wesentlich. Entscheidend ist, dass das im Augenbereich besonders gefährliche Zersplittern des Kunststoffbrillenglases in viele Einzelteilchen schon bei einer Krafteinwirkung auftrat, die nicht einmal einen Abdruck der Brillenfassung im Gesicht zurückließ und zu keiner sonstigen Beschädigung der Brille führte. Die Klägerin konnte vielmehr die Brille nach Einsetzen eines neuen Glases weiter verwenden. Dieser Umstand schließt aus, dass der Aufprall des Gegenstands, von dem die Brille getroffen wurde, mit einem mit Wucht ausgeführtem Steinwurf vergleichbar ist, bei dem eine Warnpflichtverletzung zu verneinen wäre. Dass ein mit großer Wucht auftreffender kleiner harter Gegenstand das Brillenglas ohne wesentliche Kraftübertragung auf andere Brillenteile zerstört hätte, wie die Beklagte vermutet, ist schon deshalb auszuschließen, weil dieser Gegenstand dann das Brillenglas wie ein Geschoss durchdringen auch das Auge der Klägerin verletzen hätte müssen. Vor der Gefahr, dass das Kunststoffglas (schon) bei Krafteinwirkung wie etwa bei Aufprall eines (Schnee‑)Balls zerbersten und das Auge verletzen kann, hätte die Beklagte warnen müssen.

Da infolge der Verneinung der Haftung der Beklagten für die Verletzungen der Klägerin wesentliche Feststellungen über die Verletzungsfolgen fehlen, um die noch strittige Höhe des Schmerzengeldes und das Interesse der Klägerin am Feststellungsbegehren beurteilen zu können, ist die Rechtssache zur entsprechenden Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über den Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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