OGH 12Os48/04

OGH12Os48/0423.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. September 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Matschegg als Schriftführerin in der Strafsache gegen Thomas L***** und Andreas G***** wegen des teils in Form des Versuchs nach § 15 StGB verwirklichten Verbrechens nach § 28 Abs 2 erster Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 8. Oktober 2003, GZ 11 Hv 107/03m-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Solé, der beiden Angeklagten sowie ihres Verteidigers Mag. Reichenvater zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Thomas L***** wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch Punkt 2/b des Thomas L***** (wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 und 2 Z 1 SMG) und somit auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Thomas L***** wird

1. von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe über die zu Punkt 1) der Anklage (vom 2. Juli 2003 - ON 8) genannten Mengen hinaus Suchtgift erworben, besessen und anderen überlassen, und zwar von 2001 bis Oktober 2002 dem Andreas G*****, geb. am 17. April 1984, wodurch er einem Minderjährigen den Gebrauch eines Suchtgiftes ermöglicht hat, wobei er selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als der Minderjährige war, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen;

2. für das ihm weiterhin zur Last liegende Verbrechen nach §§ 28 Abs 2 erster Fall SMG, 15 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 5 (fünf) Monaten verurteilt.

II. Die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten Andreas G***** und jene des Angeklagten Thomas L***** im Übrigen werden verworfen.

III. Der Angeklagte Thomas L***** wird mit seiner Berufung auf die Strafneubemessung verwiesen.

IV. Der Berufung des Angeklagten Andreas G***** wird nicht Folge gegeben.

V. Den beiden Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Thomas L***** und Andreas G***** wegen des teils in Form des Versuchs nach § 15 StGB verwirklichten Verbrechens nach § 28 Abs 2 (zu ergänzen:) erster Fall SMG und § 15 StGB, sowie der Vergehen nach § 27 Abs 1 (zu ergänzen:) erster, zweiter und sechster Fall SMG und Thomas L***** auch in der Qualifikation des § 27 Abs 2 Z 1 SMG schuldig erkannt. Danach haben den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich nachgenannte Mengen an Cannabiskraut

1. Thomas L***** und Andreas G***** in Luising im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter in einer großen Menge, nämlich zumindest 671 g enthaltend mindestens 32,7 g Delta-9-THC, erzeugt "bzw zu erzeugen versucht", indem sie zunächst Hanfsamen in Blumentöpfen zogen, die Jungpflanzen sodann im Flussbett der Pinka in die Erde pflanzten und die Hanfstauden im September 2002 zu ernten begannen;

2. über die unter Punkt 1. genannten Mengen hinaus (richtig allein:) anderen überlassen, und zwar:

a) Andreas G***** von Mai 1999 bis Oktober 2001 an Thomas L*****, Thomas V*****, Manuel P***** und Gerhard P*****;

b) Thomas L***** von 2001 bis Oktober 2002 dem Andreas G*****, geboren am 17. April 1984, wodurch er einem Minderjährigen den Gebrauch eines Suchtgiftes ermöglicht hat, wobei er selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter war als der Minderjährige.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richten sich die gemeinsam ausgeführten, auf die Z 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten. Allein der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Thomas L***** kommt teilweise Berechtigung zu.

Zu Recht weist dessen im Rahmen der Tatsachenrüge, hilfsweise auch unter dem Gesichtspunkt der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erstattetes Beschwerdevorbringen darauf hin, dass die erstgerichtliche Feststellung, wonach der Erstangeklagte, wenn auch selten, im Zeitraum Oktober 2001 bis 5. Oktober 2002 Suchtgift für den gemeinsamen Konsum mit dem Zweitangeklagten (Andreas G*****) kostenlos zur Verfügung stellte (US 4), nur unzureichend begründet ist. Diese Feststellung, welche unterstellt, dass der Erstangeklagte selbst Suchtgift besorgte und dem Zweitangeklagten zum gemeinsamen Konsum überließ, haben die Tatrichter ausschließlich auf die Aussagen der Angeklagten gegründet, die übereinstimmend angaben, (ausschließlich vom Angeklagten G***** beschafftes - S 17, 23 139, 142) Suchtgift gemeinsam konsumiert zu haben (US 7 f). Aus der "gerichtsnotorischen Erfahrung", dass Joints beim gemeinsamen Konsum herumgereicht werden, schloss das Erstgericht auf ein "Ermöglichen des Suchtgiftgebrauchs" im Sinn des § 27 Abs 2 Z 1 SMG durch den Erstangeklagten und bezeichnete die Aussage des Zweitangeklagten, nur er habe das Suchtgift zur Verfügung gestellt, - zur Gänze unsubstanziiert - als Schutzbehauptung.

Diese Begründung allein vermag die bekämpfte Feststellung jedoch nicht zu tragen, zumal entgegen der vom Erstgericht zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht einem (hier: minderjährigen) Mitrauchenden, der von vornherein zumindest (durch das bloße Herumreichen nicht aufgegebenen) Mitgewahrsam am Suchtgift hatte, der Gebrauch desselben nicht erst durch gemeinsame Konsumation ermöglicht wird, ebenso wie vorliegend auch ein dem - vom Erstgericht offenkundig rechtsirrig ausgelegten - Tatbestandsmerkmal "Ermöglichen" entsprechendes (Foregger/Litzka/Matzka SMG Erl IV.2. und VII.1. zu § 27) "Überlassen" oder "Verschaffen" iSd § 27 Abs 1 SMG nicht in Frage kommt (SSt 50/43; 13 Os 76/95; 12 Os 53/01).

Nach den Ergebnissen der Gendarmerieerhebungen und des Beweisverfahrens hätten allerdings solche, den in Rede stehenden Schuldspruch (2/b) tragende Feststellungen nicht getroffen werden können. Da somit nach der Aktenlage auch eine Erneuerung des Beweisverfahrens insoweit keine Erweiterung der Beurteilungsgrundlagen erwarten lässt, konnte der Oberste Gerichtshof sogleich in der Sache selbst erkennen und den Angeklagten L***** vom Punkt 2/b der Anklage freisprechen.

Im Übrigen waren die Nichtigkeitsbeschwerden zu verwerfen:

Der Tatsachenrüge (Z 5a) zuwider ergeben sich für den Obersten Gerichtshof nach Prüfung der Akten anhand des Beschwerdevorbringens keine erheblichen Bedenken gegen weitere entscheidenden Tatsachenfeststellungen.

Ob die Angeklagten planten, das Suchtgift aus der Ernte der vier Hanfpflanzen an andere abzugeben, ist nicht von entscheidender Bedeutung.

Den auf die Erzeugung einer großen Suchtgiftmenge (§ 28 Abs 6 SMG) gerichteten Vorsatz leitete das Erstgericht unbedenklich aus den von den Beschwerdeführern zugegebenermaßen betriebenen Internetstudien, der Ausbildung des Erstangeklagten und dem Umstand ab, dass die vorerst nicht abgeernteten Hanfpflanzen nicht vernichtet wurden. Soweit die Beschwerdeführer eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung (der Sache nach Z 5) mangels Berücksichtigung ihrer Verantwortungen behaupten, genügt es, auf die umfassende Beweiswürdigung (US 6 f) zu verweisen.

Der im Rahmen der Rechtsrügen (Z 9 lit a) erhobene Einwand fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Ansehung des Verbrechens nach § 28 Abs 2 erster Fall SMG, § 15 StGB vernachlässigt die dazu getroffenen Konstatierungen (US 5) und verfehlt demnach die gesetzmäßige Darstellung des angezogenen materiellen Nichtigkeitsgrundes.

Soweit sich die Beschwerden gegen von den Tatrichtern aus dem Beweisverfahren gezogene Schlüsse wenden und diesen isoliert herausgegriffene Teile aus der Verantwortung beider Beschwerdeführer gegenüberstellen, bekämpfen sie prozessordnungswidrig die erstrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Der von den Beschwerdeführern geäußerten Ansicht, ein "Erzeugen" iSd § 28 Abs 2 erster Fall SMG setze eine "Gewinnung", also die Trennung des Cannabis und des Cannabisharzes von den Pflanzen, voraus, weshalb vorliegend nur von einer straflosen Vorbereitungshandlung der Angeklagten auszugehen sei, ist die bereits vom Erstgericht zitierte ständige Rechtsprechung entgegenzuhalten, nach der das Erzeugen von Suchtgift bereits beim Anbau der Cannabispflanzen einsetzt und jeden Akt der Aufzucht bis zur Erntereife, und bis zu deren Erreichen als Versuch, umfasst (12 Os 88/99, 12 Os 141/97). Da es die Rechtsrüge unterlässt, Argumente aufzuzeigen, mit denen sich die zitierte Rechtsprechung nicht bereits ausführlich auseinander gesetzt hat, erübrigt sich eine detaillierte Erwiderung.

Die Sanktionsrüge (Z 11), die sich auf die Behauptung eines Verstoßes gegen die "Bestimmung über die Strafbemessung, insbesondere gegen die allgemeinen Grundsätze des § 32 StGB" beschränkt und darüber hinaus nur die Nichtannahme eines Milderungsgrundes rügt, zeigt weder eine Befugnisüberschreitung, noch einen Rechtsfehler bei der Ermessensentscheidung auf, weshalb sie mangels gesetzmäßiger Darstellung keiner näheren Erörterung bedarf.

Bei der durch den Teilfreispruch notwendig gewordenen Strafneubemessung betreffend den Angeklagten Thomas L***** war kein Umstand erschwerend, mildernd hingegen das der Wahrheitsfindung dienende Tatsachengeständnis, sein bisher ordentlicher Lebenswandel und dass es nach dem Schuldspruch (an den der Oberste Gerichtshof nach § 295 Abs 1 StPO gebunden ist) teilweise beim Versuch blieb (vgl allerdings 12 Os 141/97, 14 Os 121/03).

Die im Spruch ersichtliche bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe entspricht seiner persönlichen Schuld und dem Unrechtsgehalt der Tat. Der Angeklagte Thomas L***** war mit seiner Strafberufung auf diese Strafneubemessung zu verweisen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten Andreas G***** nach § 28 Abs 2 SMG eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten, die es nach § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

Dabei berücksichtigte es das Zusammentreffen strafbarer Handlungen erschwerend; mildernd wurde die "gerichtliche Unbescholtenheit", das Alter unter 21 Jahren und das "Teilgeständnis" gewertet. Die gegen diesen Strafausspruch, auf die Herabsetzung der Freiheitsstrafe gerichtete Berufung des Angeklagten G***** ist nicht berechtigt.

Das Schöffengericht hat die Strafzumessungsgründe im Wesentlichen richtig erfasst und gewichtet. Dass der Berufungswerber die subjektive Tatseite in Ansehung der Erzeugung einer großen Suchtgiftmenge (§ 28 Abs 6 SMG) in Abrede stellte, hindert daran, seinem Beitrag zur Wahrheitsfindung größeres Gewicht beizumessen. Dass es teilweise beim Versuch der Erzeugung einer großen Suchtgiftmenge geblieben wäre, tritt (aus den im Rahmen der Strafneubemessung beim Angeklagten L***** dargelegten Erwägungen) bedeutungsmäßig in den Hintergrund.

Im Blick auf die Tatsache, dass Andreas G***** intensivere Suchtgiftkontakte aufzuweisen und zusätzlich zum Suchtgiftverbrechen mehrere Vergehen zu verantworten hat, entspricht die vom Erstgericht ausgesprochene Freiheitsstrafe, auch unter Beachtung teilweiser Tatbegehung vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres und der Tatsache, dass der Berufungswerber die Suchtgiftvergehen als Jugendlicher setzte, der personalen Täterschuld und dem Unrechtsgehalt der Taten.

Der Oberste Gerichtshof sah sich daher nicht zu einer Ermäßigung der bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe bestimmt.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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