OGH 13Os76/95

OGH13Os76/9516.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.August 1995 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Eckert als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr.Gerhard N***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 vierter Fall SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 24. Jänner 1995, GZ 19 Vr 1090/94-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Schroll, und des Verteidigers Dr.Hans Jörg Vogl jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (und damit auch in dem gemäß § 16 Abs 3 SGG ergangenen Einziehungserkenntnis) unberührt bleibt, im Schuldspruch zu A, wonach der Angeklagte vom 20.Juni bis 6.August 1994 in Bludenz den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge dadurch in Verkehr gesetzt hat, daß er Anita N***** 20 Gramm Heroin zur freien Entnahme überließ, sowie in der rechtlichen Unterstellung dieser Tat als Verbrechen nach § 12 Abs 1 vierter Fall SGG und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und es wird in diesem Umfang gemäß § 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO in der Sache selbst erkannt:

Dr.Gerhard N***** hat vom 20.Juni bis 6.August 1994 in Bludenz außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich (über die im Schuldspruch zu B 4. angeführten 20 Gramm hinaus insgesamt weitere 20 Gramm) Heroin durch Ankauf von Brela N***** erworben und besessen und ca 2,5 Gramm Heroin (= ca 0,5 Gramm Heroinbase) seiner Gattin Anita N***** überlassen. Er hat hiedurch sowie durch die im unberührt bleibenden Teil des Schuldspruchs B bezeichneten Taten das Vergehen nach § 16 Abs 1 vierter, fünfter und sechster Fall SGG, teils als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB, teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB, begangen und wird hiefür nach § 16 Abs 1 SGG zu drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr.Gerhard N***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG (A) und des teils vollendeten, teils versuchten Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG, § 15, 12 StGB (B) schuldig erkannt, weil er den bestehenden Vorschriften zuwider

vom 20.Juni 1994 bis 6.August 1994 in Bludenz seiner Gattin Anita N***** 20 g Heroin überlassen und damit in Verkehr gesetzt hat (A) und

außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG von Juni 1991 bis August 1994 Suchtgift ein- und ausgeführt, erworben und besessen bzw anderen überlassen hat, indem er Heroin gekauft und konsumiert sowie 2,5 g Heroin seiner Gattin Anita N***** und eine geringe Menge dieses Suchtgiftes dem Markus S***** überlassen hat (B 1, 4 und 5),

Jürgen F***** und Peter K***** durch die Aufforderung, wenn sie in der Schweiz seien, sollten sie ihm auch etwas mitbringen, zum Schmuggel mehrerer Gramm Heroin aus der Schweiz nach Vorarlberg bestimmt (B 2)

und 1,5 g Heroin aus der Schweiz nach Vorarlberg einzuschmuggeln versucht hat (B 3).

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a, 9 lit b und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist - wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend anführt - teilweise im Recht:

Die Subsumtionsrüge (Z 10) moniert berechtigterweise zum Schuldspruch A, daß das Erstgericht in der Überlassung von 20 g Heroin an seine Ehefrau Anita N***** zu Unrecht ein Inverkehrsetzen erblickt hat, weil diese nach den Urteilsfeststellungen zumindest Mitgewahrsam an dem vom Beschwerdeführer angekauften Suchtgift erworben hatte.

Aus den vom Erstgericht festgestellten Begleitumständen des Suchtgiftankaufs durch den Angeklagten ist nämlich rechtlich zu schließen, daß Anita N***** an dem in der Ehewohnung übernommenen Suchtgift (insgesamt 35 g Heroin mit einem Reinheitsgehalt von 20 %) bereits im Zeitpunkt des jeweiligen Ankaufs von Prela N***** Mitgewahrsam erlangte. Dies manifestiert sich insbesondere darin, daß der Kauf des Suchtgifts mit finanziellen Mitteln bestritten wurde, die vom gemeinsamen Konto der Eheleute N***** stammten, wobei das in der ehelichen Wohnung eingerichtete Suchtgiftdepot nach dem Willen des Angeklagten auch dazu dienen sollte, seiner Gattin die jederzeitige freie Entnahme von Heroin zu ermöglichen (US 8). Der vom Erstgericht hervorgehobene Umstand, diese wäre in die Geschäftsabwicklung des Suchtgiftankaufs - sieht man von ihrer jeweiligen Anwesenheit in der Wohnung ab - nicht eingebunden gewesen und das Suchtgift wäre dem Angeklagten stets persönlich ausgefolgt worden, steht einem Mitgewahrsam ebensowenig entgegen wie der Umstand, daß nur der Beschwerdeführer das übernommene Suchtgift in das für den gemeinsamen Verbrauch eingerichtete Versteck in der Ehewohnung deponierte. Aus der kontinuierlichen Suchtgiftbevorratung durch die Eheleute N***** für den jeweils eigenen Suchtgiftkonsum (US 13) ergibt sich vielmehr die Verfügungsmacht beider Ehegatten darüber, die, wie auch die Übernahme einer geringen Menge Heroin zum sofortigen Verbrauch zur Prüfung der Suchtgiftqualität (AS 335, 345, 347) durch Anita N***** anläßlich der ersten Teillieferung augenfällig zeigte (US 7), bereits im Zeitpunkt der jeweiligen Übernahme des Suchtgiftes durch den Beschwerdeführer bestand, sodaß es einer zielgerichteten Tätigkeit des Angeklagten, durch welche die Verfügungsgewalt über das Suchtgift auch auf seine Gattin übertragen werden sollte, nicht mehr bedurfte.

Diese unmittelbare und von Anfang an bestehende gemeinsame Verfügungsmacht über die in der Ehewohnung in Anwesenheit von Anita N***** erworbenen 35 g des in einem Depot verwahrten Heroins, die von Anita N***** durch Verbrauch eines Teiles dieses Suchtgiftes auch tatsächlich ausgeübt wurde, schließt aber insoweit ein Inverkehrsetzen im Sinne des § 12 Abs 1 SGG als auch ein (inhaltsgleiches) Überlassen dieses Suchtgiftes durch den Angeklagten im Sinne des § 16 Abs 1 6.Fall SGG aus (JBl 1980, 213 = SSt 50/43). Angesichts des solcherart gegebenen Mitgewahrsams liegt eine tatbildmäßige Weitergabe des Suchtgiftes "longa manu", wie sie in der Einspruchsentscheidung des Oberlandesgerichtes dargestellt wird (ON 12), nicht vor. Der Ankauf der von Anita N***** verbrauchten Hälfte der durch den Angeklagten von Prela N***** in der Ehewohnung erworbenen Suchtgiftmenge ist demnach als Vergehen nach § 16 Abs 1 vierter und fünfter Fall SGG zu beurteilen.

Auch der Umstand, daß der Nichtigkeitswerber in einem Lustenauer Lokal in Abwesenheit seiner Frau, wenn auch mit Geldmitteln des gemeinsamen Kontos, 5 g Heroin kaufte und in das beiden zugängliche Depot brachte, vermag trotz des dadurch ursprünglich bestehenden Alleingewahrsams des Angeklagten an dieser Suchtgiftmenge den Tatbestand nach § 12 Abs 1 SGG nicht zu begründen. Im Hinblick auf den festgestellten Reinheitsgrad des Heroins von 20 % (US 12) stellt das zur Hälfte an Anita N***** weitergegebene Suchtgiftquantum von 0,5 g Heroinbase nämlich noch keine "große Menge im Sinne des § 12 Abs 1 SGG dar. In diesem Umfang liegt dem Beschwerdeführer daher rechtsrichtig lediglich ein Überlassen von Suchtgift nach § 16 Abs 1 sechster Fall SGG zur Last.

Die mißverständliche Feststellung des Erstgerichtes, wonach der Angeklagte bei der ersten Teillieferung durch Prela N***** aus dem von seinem Lieferanten mitgebrachten Heroin 10 g für sich und 5 g für Markus S***** "herauswog" (US 7), betrifft lediglich die Kontrolle der für den Angeklagten als unmittelbaren Übernehmer bestimmten Suchtgiftmenge durch den Suchtgiftlieferanten Prela N***** (AS 77). Auch aktenmäßig läßt sich eine (über den Schuldspruch B hinausgehende) Übergabe von 5 g Heroin an Markus S***** nicht nachvollziehen (vgl 269, 335; 157 ff; 199; 231 ff; 351 ff; 209; 117 ff). Im übrigen wurde ein Inverkehrsetzen durch Weitergabe von 5 g Heroin an Markus S***** gar nicht inkriminiert.

Demnach war der Angeklagte schon in Stattgebung seiner Subsumtionsrüge im Umfang des vom Erstgericht als Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG beurteilten Sachverhalts rechtsrichtig lediglich wegen des Vergehens nach § 16 Abs 1 vierter, fünfter und sechster Fall SGG schuldig zu sprechen, sodaß es eines Eingehens auf die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen zur Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5 a) nicht mehr bedarf.

Soweit der Beschwerdeführer in der Rechtsrüge (Z 9 lit b) eine Verjährung der den Urteilsfakten B 1, 2 und 3 zugrunde liegenden Tathandlungen einwendet, ist er auf § 58 Abs 2 StGB zu verweisen. Danach tritt Verjährung nicht ein, wenn der Täter während der Verjährungsfrist neuerlich eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruht, und für diese Tat die Verjährungsfrist nicht abgelaufen ist. Nach den erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen (US 5) währte allein schon der im Schuldspruch B 1 dargestellte fortdauernde Suchtgiftkonsum des Angeklagten von Juni 1991 bis Jänner 1994 (im Urteilstenor offenbar versehentlich 1993 - vgl 165 und 160 a verso in ON 7), sodaß angesichts dieser einschlägigen Tatwiederholungen die jeweils letzte laufende Verjährungsfrist noch offen und überdies in Anbetracht der am 25.März 1994 eingeleiteten Voruntersuchung gegen den Beschwerdeführer (AV-Bogen in ON 7) - unabhängig von den nachfolgenden und in den Schuldsprüchen B 4 und 5 dargelegten strafbaren Handlungen des Angeklagten nach dem Suchtgiftgesetz - ab diesem Zeitpunkt keine Verjährung der von den Schuldsprüchen B 1, 2 und 3 erfaßten Straftaten eintreten konnte (§ 58 Abs 3 Z 2 StGB).

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher das angefochtene Urteil in der rechtlichen Unterstellung des zum Schuldspruch A festgestellten Verhaltens als Verbrechen nach § 12 Abs 1 vierter Fall SGG (sowie im Strafausspruch) aufzuheben und im Umfang der Aufhebung gemäß § 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO in der Sache selbst wie im Spruch zu erkennen.

Bei der damit aktuell gewordenen Strafneubemessung waren erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Tatangriffe, zwei einschlägige Vorverurteilungen, der rasche Rückfall und die Verleitung zweier Personen zum Suchtgiftschmuggel, mildernd hingegen das weitgehende Geständnis und daß es teilweise beim Versuch geblieben ist. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Schuldkriterien nach § 32 Abs 2 und 3 StGB, insbesondere auch der dem Angeklagten in den Tatvorwürfen angelasteten bedeutenden Suchtgiftmengen, der Tatbegehung aus bestehender Sucht heraus und der nunmehr doch schon geraume Zeit andauernden Suchtgiftabstinenz ist die verhängte dreimonatige Freiheitsstrafe schuldangemessen. Einer bedingten Strafnachsicht steht bei dem belasteten Vorleben und dem Tatumfang spezialpräventive Rücksichten entgegen.

Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 390 a StPO.

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