OGH 12Os53/01

OGH12Os53/018.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. November 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pripfl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Roberto W***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 1. März 2001, GZ 23 Vr 3083/00-12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, und der Verteidigerin des Angeklagten Dr. Hütthaler-Brandauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seiner gesetzlichen Vertreterin zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen wegen des (richtig:) Vergehens nach § 28 Abs 1 SMG (Schuldspruchfaktum I.1.) und wegen Vergehens nach § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG (I.2.) und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch wegen Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG (II.1. und 2.) enthaltenden - Urteil wurde Roberto W***** - abweichend von dem insoweit allein auf das Verbrechen nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG lautenden Anklagevorwurf (ON 3) - des Vergehens nach § 28 Abs 1 SMG (I.1.) und des Vergehens nach § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG (I.2.) schuldig erkannt.

Demnach hat er im Großraum Innsbruck

"I.

im Jahre 2000

1. den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG), nämlich zumindest ca 900 Stück Ecstasy-Tabletten mit zumindest ca 45 Gramm MDMA, bezogen auf die Reinsubstanz, teilweise zusammen mit den abgesondert verfolgten Andreas A***** und Aldin R*****, mit dem Vorsatz erworben, dass eine große Menge eines Suchtgiftes in Verkehr gesetzt werde;

2. den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich zumindest ca 50 Stück Ecstasy-Tabletten mit im Zweifel unter 30 Gramm MDMA, bezogen auf die Reinsubstanz, gewerbsmäßig an Andreas A*****, Aldin R***** und weitere unbekannte Drogenkonsumenten veräußert."

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und (nominell) 9 lit a (sachlich Z 10) StPO erhobenen, eine anklagekonforme Tatbeurteilung anstrebenden Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu. Schon die zutreffend dargelegten Begründungsmängel (Z 5) machen eine Verfahrenserneuerung unumgänglich, weil das Erstgericht zur entscheidungswesentlichen Frage, ob der Angeklagte die von ihm angekaufte Suchtgiftmenge von zumindest 900 Ecstasy-Tabletten allein oder gemeinsam mit anderen Suchtgiftabnehmern erworben hat, in sich widersprüchliche Feststellungen getroffen hat. Denn während die Tatrichter im Urteilsspruch ebenso wie im Rahmen der Beweiswürdigung (US 7) annahmen, dass der Angeklagte die zu Punkt I.1. des Urteilsspruchs genannten 900 Stück Ecstasy-Tabletten "zusammen mit den abgesondert verfolgten Andreas A***** und Aldin R***** vom abgesondert verfolgten Herwig K*****" erworben hat, trafen sie andererseits die damit nicht vereinbare Feststellung, dass "der Angeklagte" (der zuvor zur Finanzierung des Suchtgiftankaufes mit Andreas A***** und Aldin R***** Geld zusammengelegt hatte) die bezeichnete Stückzahl von Ecstasy-Tabletten von Herwig K***** (allein) erworben und von den anteilsmäßig auf ihn entfallenden Tabletten einen Teil selbst konsumiert, 50 Stück davon aber, mit im Zweifel weniger als 30 Gramm MDMA, bezogen auf die Reinsubstanz, in der Folge in verschiedenen Discotheken veräußert hat (US 6). Ob die Mit-Financiers und Abnehmer eines Teils der angekauften Ecstasy-Tabletten von allem Anfang an (durch gemeinsamen Erwerb) einen unmittelbaren und bis zur Übernahme ihres Suchtgiftanteiles nicht unterbrochenen Mitgewahrsam am erworbenen Suchtgift erlangt haben, ist für die rechtliche Beurteilung der Frage, ob der Angeklagte durch das Überlassen einer (ihrem Finanzierungsanteil entsprechenden) größeren Anzahl von Ecstasy-Tabletten an A***** und R***** ein Inverkehrsetzen einer großen Suchtgiftmenge im Sinn des § 28 Abs 2 SMG zu verantworten hat, von entscheidender Bedeutung. Denn die vorschriftswidrige Weitergabe von Suchtgift an andere Personen ist - bei Weitergabe einer großen Suchtgiftmenge - nur dann kein "Inverkehrsetzen" nach § 28 Abs 2 SMG und auch kein (inhaltsgleiches) "Überlassen" von Suchtgift (nach § 27 Abs 1 SMG), wenn diese Personen zuvor schon zumindest (Mit-)Gewahrsam an Suchtgift erlangt und diesen Gewahrsam in weiterer Folge auch nicht aufgegeben haben (SSt 50/43; 13 Os 76/95). Erlangt bei einem von mehreren Personen betriebenen Suchtgiftankauf hingegen vorerst nur eine dieser Personen Gewahrsam an Suchtgift, so stellt (auch) die vom unmittelbaren Erwerber (wenngleich vereinbarungsgemäß anteilig) vorgenommene Abgabe eines angekauften Suchtgiftes an die übrigen Mitglieder dieser Personengruppe ein "Inverkehrsetzen" im Sinn des § 28 Abs 2 SMG (allenfalls ein "Überlassen" im Sinn des § 27 Abs 1 SMG) dar. Insbesondere bei Annahme des (im Übrigen den Angaben des Angeklagten und der Zeugen Herwig K*****, Andreas A***** und Aldin R***** entsprechenden - ON 11 iVm 51 bis 109) alleinigen Erwerbs der in Rede stehenden 900 Ecstasy-Tabletten durch den Angeklagten ist somit die Erörterung der Angaben der Zeugen A***** und R***** über die Anzahl der vom Angeklagten an sie abgegebenen Ecstasy-Tabletten und der (im gegebenen Kontext gleichfalls übergangenen) Verantwortung des Angeklagten, nicht bloß ca 50 Stück Ecstasy-Tabletten verkauft, sondern zusätzlich weitere 30 bis 40 Stück verschenkt zu haben (159) unabdingbar, weil hieraus die vom Anklagevorwurf umfasste Feststellung ableitbar sein könnte, dass der Angeklagte vorschriftswidrig eine große Suchtgiftmenge - und nicht bloß 50 Ecstasy-Tabletten - in Verkehr gesetzt hat.

Da sich eine Teilkassierung des angefochtenen Urteils zur entsprechenden Verfahrenserneuerung als unumgänglich erweist, war - ohne dass auf den weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgrund einzugehen war - spruchgemäß zu entscheiden.

Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass zu den hier in Rede stehenden Ecstasy-Tabletten bisher nur ein nicht näher spezifiziertes Methaphetamin (nicht aber MDMA) ausweisendes positives Untersuchungsergebnis (49) vorliegt.

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