OGH 12Os141/97

OGH12Os141/9720.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.November 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic, Dr.Holzweber und Dr.Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kubiczek als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erhard M***** und Bernhard R***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 erster Fall SGG im Entwicklungsstadium des Versuchs nach § 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Bernhard R***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Jugendschöffengericht vom 4.Februar 1997, GZ 10 Vr 204/96-23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Raunig, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Pohle, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Bernhard R***** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die beiden Angeklagten Erhard M***** und Bernhard R***** (I.) des Verbrechens nach § 12 Abs 1 erster Fall SGG im Entwicklungsstadium des Versuches nach § 15 StGB und (II.) des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG schuldig erkannt, weil sie von Anfang 1996 bis 28.April 1996 in Steyr den bestehenden Vorschriften zuwider (zu I.) Suchtgift, nämlich Cannabiskraut, in einer großen Menge zu erzeugen versuchten, indem sie in mit Erde gefüllten Tetrapackungen insgesamt 197 Hanfpflanzen zogen, wobei die Tatvollendung infolge ihrer Betretung unterblieben ist, sowie (zu II.) außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG eine Packung Cannabiskraut besaßen.

Der dagegen allein von Bernhard R***** aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und lit b StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Durch die Abweisung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, daß die Pflanzen nach den Modalitäten der Aufzucht "keine optimale Wirkung im Sinn des Suchtgiftgesetzes" hätten entfalten können, weshalb unter weiterer Berücksichtigung, daß nur weibliche derartige Pflanzen Suchtgift enthalten, die Erzeugung der von § 12 SGG vorausgesetzten großen Menge THC nicht möglich gewesen wäre (157), wurden Verteidigungsrechte (Z 4) des Angeklagten nicht verletzt:

Abgesehen davon, daß im Beweisantrag darzulegen gewesen wäre, aus welchen Gründen ein Suchtgiftexperte im Gegensatz zur chemischen Fachabteilung der Kriminaltechnischen Zentralstelle des Bundesministeriums für Inneres (137) zur betreffenden Frage fallbezogen überhaupt eine wissenschaftlich untermauerte prognostische Aussage hätte machen können, das Erstgericht sich in bezug auf die hier entscheidende Grenzmenge von 20 Gramm THC zudem ohnehin auf einschlägige Erfahrungswerte zu einer die hier aktuelle weit unterschreitenden Pflanzenmenge stützte, ist das Beweisthema für die Lösung der Schuldfrage ohne Relevanz. Dafür ist es nämlich nicht von Belang, ob durch die Anbaumethode der beiden Angeklagten im konkreten Fall tatsächlich eine große Menge THC erzeugt worden wäre. Der dem Beschwerdeführer zur Last liegende Versuch der Erzeugung von Suchtgift wäre nach Lage des Falles vielmehr nur dann straflos, wenn die Tatvollendung nach der Art der Handlung unter keinen Umständen möglich gewesen wäre (§ 15 Abs 3 StGB). Dabei ist nach Lehre und - insoweit auch - nach Rechtsprechung (Leukauf/Steininger Komm3 § 15 RN 39; 15 Os 88,89/96) auf eine ex-ante-Betrachtung aus der Sicht eines mit Durchschnittswissen - hier über die zur Tatzeit erforderlichen Voraussetzungen zur Suchtgifterzeugung durch den Anbau von Hanfpflanzen - ausgestatteten besonnenen Beobachters (vermehrt um ein etwaiges Sonderwissen des Täters; Burgstaller, JBl 1976, 122) abzustellen. Bei Anlegung dieses Maßstabs ist es keinesfalls von vornherein geradezu denkunmöglich, daß die von den beiden - noch dazu einschlägig gebildeten (152, 153) - Angeklagten gesetzten Maßnahmen, welche dadurch gekennzeichnet waren, ungünstigen Wachstumsbedingungen durch künstliche Hilfsmittel zu begegnen, zur Erzeugung der hier entscheidenden großen Menge von mindestens 20 Gramm THC geeignet war.

Ungeachtet des Umstandes, daß auf Grund der im vorliegenden Fall in einem relativ frühen Wachstumsstadium abgebrochenen Pflanzenaufzucht als Folge der Tatentdeckung der THC-Gehalt der untersuchten Teilmenge noch nicht die Grenzmenge erreichte, läßt die große Zahl der gezogenen Pflanzen sehr wohl den denkrichtigen und auch einschlägiger Erfahrung entsprechenden (vgl den der Entscheidung EvBl 1995/63 zugrundeliegenden Sachverhalt) Schluß zu, daß daraus im Fall weitgehender Ausreifung eine große Menge an Suchtgift hätte gewonnen werden können. Von der behaupteten Scheinbegründung (Z 5) kann daher keine Rede sein. Daß für eine Verurteilung wegen des vollendeten Verbrechens nach § 12 Abs 1 erster Fall SGG das Erreichen der Grenzmenge entscheidende Bedingung ist, läßt die Strafbarkeit des dem Beschwerdeführer angelasteten Delikts- versuches unberührt.

Dem weiteren Beschwerdevorbringen (Z 5) zuwider kann dem polizeilichen Erhebungsergebnis nicht entnommen werden, daß ein Teil der sichergestellten Packungen nur Erde enthalten hätte (27). Im übrigen stellte weder der Angeklagte, noch sein Komplize den Anbau von mindestens 197 Pflanzen in Abrede (152, 153).

Verfehlt ist ferner der Einwand (Z 9 lit a), das Aufziehen von Cannabispflanzen vor Erreichen der Erntereife sei in bezug auf § 12 SGG als straflose Vorbereitungshandlung und demnach lediglich als Verwaltungsübertretung nach § 24 SGG zu beurteilen.

Nach ständiger Rechtsprechung (SSt 50/36; 12 Os 59,60/92, 12 Os 194/94, 13 Os 145/93, 13 Os 130/94, 13 Os 152/95), von welcher abzugehen schon allein deshalb kein Anlaß besteht, weil die Beschwerdebehauptung einer bloßen Vorbereitungshandlung ebenso wie jene Belegstelle, auf die sie sich stützt (Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 4.Jänner 1996, Zl. 703.012/25-II 2/1996) vollkommen unbegründet blieb, setzt das Erzeugen von Suchtgift als Oberbegriff für dessen Herstellung und Gewinnung (Art 1 Abs 1 lit n und t der Einzigen Suchtgiftkonvention 1961, BGBl 1978/531) bereits beim Anbau ein und umfaßt (solcherart bereits ausführungsspezifisch) jeden Akt der Aufzucht bis zur Erntereife. Liegen somit - wie hier - die übrigen Voraussetzungen des § 12 SGG vor, ist der Anbau von Cannabispflanzen zur Suchtgiftgewinnung auf Grund der Subsidiaritätsklausel des § 24 Abs 1 SGG dem (strenger pönalisierten) Verbrechenstatbestand - und zwar bis zum Erreichen der entsprechend quantifizierten Erntereife als Versuch - zu unterstellen. Sinn und Zweck der Bestimmung des § 15 Abs 2 StGB, die zum Eintritt in das strafbare Stadium der Deliktsentwicklung - über den Ausführungs- beginn hinaus - schon bloße Ausführungsnähe der Tathandlung genügen läßt, sind in subjektiver wie objektiver Hinsicht darauf ausgerichtet, die Strafbarkeit auf das unmittelbare Vorfeld der Tatausführung auszudehnen. Umso mehr erweisen sich daher Teilakte als strafbar, die sich - wie hier die gesamte Aufzucht von Cannabispflanzen als nach § 12 Abs 1 SGG tatbestandsspezifische Suchtgifterzeugung - bereits als Ausführungselement darstellen. Daß sich die Aufzucht suchtgifthältiger Pflanzen naturgemäß über einen - der Tätereinflußnahme weitgehend entzogenen - längeren Wachstumsprozeß erstreckt, tritt dabei als nicht entscheidend in den Hintergrund, weil zeitliche Nähe zwischen Tatausführung und planmäßigem Erfolgseintritt kein essentielles Kriterium strafbaren Versuchs bedeutet. Im übrigen ließe die Beschwerdereklamation sowohl des Anbaus wie auch der Aufzucht derartiger Pflanzen als bloße Vorbereitungshandlungen für die Annahme eines Versuches in Richtung des - mit Erreichen der Erntereife jedenfalls vollendeten - Verbrechens des § 12 Abs 1 erster Fall SGG überhaupt keinen Freiraum.

Da THC - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - von Natur aus im Cannabiskraut enthalten ist (vgl Foregger-Litzka SGG, 30) und der Größe der Suchtgiftmenge für den Tatbestand des § 16 SGG im Gegensatz zu § 12 SGG keine entscheidende Bedeutung zukommt, bedurfte es (zu II) keiner darauf gerichteten Feststellungen.

Schließlich liegt auch die insoweit (II) reklamierte (Z 9 lit b) mangelnde Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB) nicht vor. Abgesehen von fallbezogen im Vordergrund stehenden spezialpräventiven Gegengründen (§ 42 Z 3 StGB) ist die Schuld des Beschwerdeführers angesichts des hier gegebenen Zusammenhanges mit der darüber hinaus versuchten Suchtgifteerzeugung (I) keineswegs als atypisch gering anzusehen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte Bernhard R***** nach §§ 12 Abs 1 SGG, 28 Abs 1 StGB zu sieben Monaten Freiheitsstrafe, welche es gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah. Dabei wertete es das Zusammentreffen von zwei strafbaren Handlungen als erschwerend, die Unbescholtenheit, das Geständnis und den Umstand, daß das Suchtgiftverbrechen (I) beim Versuch geblieben ist, hingegen als mildernd.

Seiner dagegen gerichteten Berufung, mit welcher der Angeklagte die Verhängung einer Geldstrafe und deren bedingte Nachsicht anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Der Einwand, das ihm angelastete Suchtgiftvergehen (II) sei fallbezogen vom Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG (I) als dessen typische Begleit- oder straflose Vortat konsumiert, weshalb der Erschwerungsgrund des § 33 Z 1 StGB zu entfallen habe, versagt schon deshalb, weil der Besitz von Suchtgift (II) vom Unrechtsgehalt der versuchten Suchtgifterzeugung nach § 12 Abs 1 erster Fall StGB nicht erfaßt wird (Leukauf/Steininger Komm3 § 28 RN 45).

Wenn es auch zutrifft, daß dem Angeklagten als weiterer Milderungsgrund die Begehung der Straftaten vor Vollendung des 21. Lebensjahres zugute zu halten ist, kommt die begehrte Strafkorrektur auf Grund der nach der Art der ihm angelasteten Delikte im Vordergrund stehenden Rücksichten der Spezial- und Generalprävention nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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