OGH 5Ob77/04s

OGH5Ob77/04s14.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1. Stefan P*****, 2. Mag. Ingrid T*****, 3. Margarete S*****, 4. Mag. Alexander T*****, alle *****, 5. Michael M*****, 6. Julia Z*****, 7. Mag. Alois Rudolf C*****, 8. Brigitte C*****, beide *****, 9. Birgit W*****, 10. Petrus B*****, 11. Dr. Gabriele S*****, 12. Dr. Eva S*****, 13. Jova T*****, 14. Lindmira T*****, alle *****, alle vertreten durch Dr. Dietbert Helbig-Neupauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1. N***** GmbH, *****, 2. S***** GmbH, ebendort, beide vertreten durch Rechtsanwälte Biel & Partner, Rechtsanwälte KEG in Wien, 3. Erich B*****, 4. Doris H*****, 5. V*****, 6. So***** GmbH, *****, wegen § 52 Abs 1 Z 4 WEG über den Revisionsrekurs der Erst- und Zweitantragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 17. November 2003, GZ 39 R 360/03k-18, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 31. Mai 2003, GZ 10 Msch 3/03p-8 bestätigt wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Erst- bis Fünftantragsgegner fassten am 28./29. 11. 2002 den am 13. 12. 2002 im Haus angeschlagenen Beschluss wie folgt:

"1.) Wir fassen den Beschluss, die Hausverwaltung Dipl. Ing. Kurt D***** GmbH auch ab 1. 1. 2003 weiterhin als gemeinsamen Verwalter für 3 Jahre zu beauftragen bzw. als Verwalter zu bestellen. Herr Alireza A***** wird bevollmächtigt, einen Verwaltungvertrag namens der Wohnungseigentümergemeinschaft zu unterfertigen.

2.) Wir fassen daher den Beschluss, den Umlaufbeschluss vom 15. 10. 2002, die Hausverwaltung Stefan B***** mbH ab 1. 1. 2003 (zum Verwalter) zu bestellen, zu widerrufen.

3.) Weiters beschließen wir, Herrn Dr. Dietbert H***** alle ihm übertragenen oder von ihm behaupteten Vollmachten mit sofortiger Wirkung zu entziehen.

4.) In Kenntnis der vorangegangenen Beschlüsse vom September 2002 und Oktober 2002 beschließen wir ausdrücklich, diese als hinfällig zu erklären und ausschließlich den hier angeführten Beschluss als Rechtsgrundlage zu betrachten."

Zu diesem Zeitpunkt stellten die Erst- bis Fünftantragsgegner lediglich die Minderheit der Wohnungseigentümer mit insgesamt 1318/2800 Anteilen dar.

Zu diesem Zeitpunkt war die Erstantragsgegnerin hinsichtlich 207/2800 Anteile als Eigentümerin vorgemerkt. Zwischenzeitig wurde ihr Miteigentum hinsichtlich dieser Anteile verbüchert, sodass die Erst- bis Fünftantragsgegner nun eine Mehrheit von 1525/2800 Anteile aufweisen.

Die Antragsteller begehrten mit dem verfahrenseinleitenden Antrag, die Unwirksamkeit des am 28./29. 11. 2002 von der Minderheit gefassten Beschlusses festzustellen.

Die Antragsgegner begehrten, diesen Antrag abzuweisen, weil die Erstantragsgegnerin als vorgemerkte und nunmehr einverleibte Miteigentümerin bereits stimmberechtigt gewesen sei.

Das Erstgericht stellte die Unwirksamkeit des Beschlusses vom 28./29. 11. 2002 fest. Die Rechtsunwirksamkeit ergebe sich schon daraus, dass der Beschluss nur von der Minderheit gefasst worden sei.

Einem dagegen von Erst- und Zweitantragsgegner erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Gemäß § 24 Abs 2 WEG 2002 könnten die Wohnungseigentümer ihr Äußerungs- und Stimmrecht entweder persönlich oder durch einen Vertreter ausüben. Wohnungseigentum werde gemäß § 5 Abs 3 WEG 2002 durch Einverleibung ins Grundbuch erworben. Die Individualrechte der Wohnungseigentümer nach § 16 WEG 2002 könnten nur vom jeweiligen bücherlichen Wohnungseigentümer wahrgenommen werden. Eine analoge Anwendung auf "außerbücherliche" Miteigentümer werde von der Rechtsprechung abgelehnt (immolex 1997/139). Auch Verwaltungsrechte stünden grundsätzlich nur den Wohnungseigentümern zu, also den bücherlich einverleibten Personen. Der vorgemerkte Eigentümer sei daher noch nicht stimmberechtigt. Wohl trete im Falle der Vormerkung und Rechtfertigung der Rechtserwerb rückwirkend zum Zeitpunkt der Einreichung des Vormerkungsgesuchs ein, doch könne dies nicht zur Folge haben, dass anstelle des einverleibten Eigentümers der Vorgemerkte des Stimmrecht ausüben dürfe. Das Gesetz stelle auf das bücherliche Eigentumsrecht ab. Bis zur Rechtfertigung des Eigentumsrechts könne der grundbücherliche Mit- und Wohnungseigentümer sogar noch verfügen, weshalb ihm jedenfalls auch die dem Miteigentümer zustehenden Mitwirkungsrechte an der Willensbildung zukämen. Es bestehe auch keine praktische Notwendigkeit, dem Erwerber eines Miteigentumsanteils ein Stimmrecht einzuräumen, solange sein Eigentumsrecht nur vorgemerkt, aber nicht verbüchert sei. Er könne sich ohnedies seitens des grundbücherliche einverleibten Eigentümers zur Stimmabgabe für diesen bevollmächtigen lassen.

Überdies stehe das Neuerungsverbot dem Vorbringen entgegen, die Erstantragsgegnerin hätte im Beschlusszeitpunkt als vorgemerkte Eigentümerin bereits das Stimmrecht der A***** GmbH ausüben dürfen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt EUR 10.000 nicht übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei, weil noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage vorliege, ob es für den Beginn der Mitwirkungsrechte des Wohnungseigentümers auch auf den Zeitpunkt der Vormerkung des Eigentumsrechtes ankomme.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Erst- und Zweitantragsgegner mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses und Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht erster Instanz zur neuerlichen Entscheidung. Hilfsweise wird beantragt, den angefochtenen Sachbeschluss dahin abzuändern, dass die Wirksamkeit des Beschlusses der Miteigentümer vom 28./29. 11. 2002 ausgesprochen werde.

Die Antragsteller beantragen, den Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Eingangs ist klarzustellen, dass das Rekursvorbringen über die Stimmberechtigung der Erstantragsgegnerin auch hinsichtlich der der damals der A***** GmbH bücherlich noch zugeschriebenen Anteile (207/2800) keine Neuerung darstellte, weil ein solches Vorbringen - wenn auch im negativen Sinn - bereits im verfahrenseinleitenden Antrag enthalten war.

Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, dass die Individualrechte des § 16 WEG 2002 nur dem Wohnungseigentümer zustehen, also jener Person, die zufolge § 5 Abs 3 WEG 2002 Wohungseigentum durch die Einverleibung im Grundbuch erworben hat. Eine analoge Anwendung für den "außerbücherlichen" Eigentümer wird von der Rechtsprechung, hinsichtlich der Individualrechte eines Wohnungseigentümers mangels Vorliegens einer Gesetzeslücke abgelehnt (5 Ob 70/97y = WoBl 1997/93; MietSlg 42.434/31 mwN; Würth in Rummel3 Rz 1 zu § 16 WEG 2002).

Durch die bloße Vormerkung des Eigentumsrechts wird der Wohnungseigentumsbewerber aber nicht als Eigentümer eingetragen. Hiezu wäre die Einverleibung seines Eigentumsrechts erforderlich. Die Vormerkung ist nur die grundbücherliche Eintragung des durch die spätere Rechtfertigung aufschiebend bedingten, wenn auch dann mit Wirkung ab Vormerkung ausgestatteten Eigentumserwerbs. Der Wohnungseigentumsbewerber wird eben durch die bloße Vormerkung des Eigentumsrechts noch nicht Eigentümer der Miteigentumsanteile (WoBl 1995/86; WoBl 2001/139 ua).

Dass die in § 27 Abs 2 WEG 2002 vorgesehene Klagsanmerkung (samt Vorzugspfandrecht) auch gegen den vorgemerkten Eigentümer als Zwischeneintragung bewirkt werden kann, ergibt sich aus § 49 Abs 2 GBG (RIS-Justiz RS0114465). Für die Legitimation zur Ausübung von Individualrechten lässt sich daraus kein Argument gewinnen.

Eine Sondervorschrift stellt § 37 Abs 5 WEG 2002 dar. Sobald eine Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums im Grundbuch angemerkt ist und zumindest ein Wohnungseigentumsbewerber Miteigentum erworben hat, gelten für die Verwaltung der Liegenschaft und die Rechte der Miteigentümer die §§ 16 bis 34, 36 und 52 WEG 2002. Ein Wohnungseigentumsbewerber, der noch nicht Miteigentümer ist, zu dessen Gunsten aber eine solche Zusage angemerkt ist, hat ab Bezug des wohungseigentumstauglichen Objekts die Rechte nach §§ 16 und 52 Abs 1 Z 2 sowie Anspruch auf Rechnungslegung gemäß § 34 WEG 2002. Wenn der spätere Miteigentumsanteil des Bewerbers etwa durch ein Nutzwertgutachten bekannt ist und zumindest ein (anderer) Wohnungseigentumsbewerber bereits Miteigentum erworben hat, stehen ihm alle Rechte eines Miteigentümers zu. Dadurch wird die Anwendbarkeit von Bestimmungen des WEG über Verwaltungsrechte im Gründungsstadium zu Wohnungseigentumsbegründung ausdrücklich normiert.

Für die Vormerkung des (Mit-)Eigentumsrechts besteht eine solche Regelung nicht. Eine Analogie ist schon deshalb nicht geboten, weil keine Regelungslücke besteht (WoBl 1997/93). Das WEG regelt eindeutig, dass die Stimmrechtsausübung - mit der dargestellten Ausnahme - dem einverleibten Wohnungseigentümer zusteht. Für den hier vorliegenden Konfliktfall - einverleibter Wohnungseigentümer: vorgemerkter Eigentümer - bietet also das Gesetz selbst die erforderliche klare Lösung zugunsten des einverleibten Wohnungseigentümers.

Weil es bei einem Beschluss der Eigentümergemeinschaft aber auf die Mehrheit der Stimmen der Wohnungseigentümer ankommt, die sich nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile richtet (§ 24 Abs 4 WEG 2002), kommt es ausschließlich auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung, nicht aber auf den Zeitpunkt (Rang) der Vormerkung des Eigentumsrechts an.

Dem vorgemerkten Eigentümer stehen daher die Individualrechte nach § 16 WEG 2002 noch nicht zu.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte