Spruch:
Dem außerordentliche Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die wiederaufnahmsklagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit dem rechtskräftigen Urteil vom 25. September 2001 verurteilte das Erstgericht den damals Beklagten und nunmehrigen Wiederaufnahmskläger zur Zahlung von 500.000 S = 36.336,42 EUR sA aus Darlehen. Auf Grund eines Sachverständigengutachtens sah es die von ihm eingewendete Geschäftsunfähigkeit nicht als erwiesen an.
Nachdem das Erstgericht eine auf ein Privatgutachten vom 6. August 2003 gestützte Wiederaufnahmsklage rechtskräftig zurückgewiesen hatte, begehrte der Wiederaufnahmskläger mit seiner am 2. Februar 2004 eingebrachten Klage erneut die Wiederaufnahme des Verfahrens zu AZ 10 Cg 43/00i des Erstgerichts, diesmal gestützt auf ein weiteres Privatgutachten vom 26. Jänner 2004. Der Gutachter habe dargelegt, weshalb richtigerweise davon auszugehen sei, dass der Wiederaufnahmskläger seit zumindest 1990 bis vor kurzem geschäftsunfähig gewesen sei. Insbesondere ein Notariatsakt aus 1993, mit dem er sich zu einer hohen Konventionalstrafe verpflichtet habe, falls seine nunmehrige Ehegattin und deren Nachkommen ein bestimmtes Grundstück beträten, sei ein eindeutiger Beleg dafür. Diese Urkunde sei dem Gutachter im wiederaufzunehmenden Verfahren nicht vorgelegen.
Das Erstgericht wies die Klage a limine mit der wesentlichen Begründung zurück, der Wiederaufnahmskläger wisse spätestens seit 1. September 2003 (erste Wiederaufnahmsklage), dass ihn der Privatgutachter für zu den maßgebenden Zeitpunkten geschäftsunfähig halte. Das weitere Gutachten desselben Sachverständigen könne die vierwöchige Notfrist des § 534 ZPO nicht neuerlich auslösen. Die Klage sei daher verspätet. Im Übrigen habe der Wiederaufnahmskläger aber auch gar nicht die erforderliche Behauptung aufgestellt, das neue Gutachten beruhe auf einer zur Zeit der Begutachung im Hauptverfahren noch unbekannten wissenschaftlichen Methode.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs des Wiederaufnahmsklägers nicht Folge. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Die zweite Instanz verneinte das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache. Es vertrat - gestützt auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs - die Auffassung, ein nachträglich beigebrachtes Gutachten sei keine neue Tatsache, wenn das Thema des Gutachtens bereits im Hauptprozess bekannt war. Die gegenteilige Ansicht hätte nämlich zur Folge, dass Prozesse, in welchen ein Sachverständigenbeweis bereits durchgeführt wurde, wiederaufgenommen werden müssten, wenn die unterlegene Partei ein Gutachten vorlege, das von dem der bestellten Sachverständigen abweiche. Es könne daher eine Wiederaufnahmsklage nicht darauf gestützt werden, dass ein anderer Sachverständiger später ein abweichendes Gutachten erstattet habe. Der Wiederaufnahmskläger müsste vielmehr behaupten und beweisen, dass der im Hauptverfahren vernommene Sachverständige eine behauptete Zwischenerhebung in Wahrheit nicht durchgeführt habe oder dass das jüngere Gutachten auf einer neuen wissenschaftlichen Methode beruhe, die zum Zeitpunkt der Begutachtung im Hauptverfahren noch unbekannt war. Solche Behauptungen seien nicht aufgestellt worden. Außerdem habe er gar nicht behauptet, dass er ohne Verschulden nicht imstande gewesen wäre, den von ihm geschlossenen und ihm daher bekannten Notariatsakt aus dem Jahr 1993 im früheren Verfahren vorzulegen. Auf eine Verspätung der Wiederaufnahmsklage komme es daher nicht an.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Wiederaufnahmsklägers ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.
An sich zutreffend rügt er, dass das Gericht zweiter Instanz offenbar sein Vorbringen zu seinem mangelnden Verschulden iSd § 530 Abs 2 ZPO übersehen habe. Darauf kommt es aber ebenso wenig an wie darauf, dass dieses beim Zitieren aus der Entscheidung 10 ObS 169/03f = RdW 2003, 706 = EvBl 2004/22 im Satz "Der Wiederaufnahmskläger müsste in einem solchen Fall vielmehr etwa den Nachweis erbringen, dass der im Hauptverfahren vernommene Sachverständige eine behauptete Zwischenerhebung in Wahrheit nicht durchgeführt habe oder dass die jüngeren Gutachten auf einer neuen wissenschaftlichen Methode basieren, die zum Zeitpunkt der Begutachtung im Hauptverfahren noch unbekannt war" das Wort "etwa" ausgelassen und ihn daher iS einer abschließenden Aufzählung von allein möglichen Behauptungen, die die Zulässigkeit eines neuen Gutachtens als Wiederaufnahmsgrund begründen können, missverstanden habe. Wie sich aus den weiteren Darlegungen des 10. Senats des Obersten Gerichtshofs klar ergibt, war da nicht gemeint. So führte dieser Senat weiter aus: "Beruhten die im Hauptprozess erstatteten Sachverständigengutachten jedoch auf einer unzulänglichen Grundlage, war somit die Entscheidungsgrundlage noch nicht vollständig, kann auch einem nachträglich erstatteten Gutachten, durch welches die Urteilsgrundlage vervollständigt wird, insbesondere auch, wenn es auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnismethoden beruht, die zum Zeitpunkt der Erstattung des Gutachtens im Vorprozess noch nicht bekannt waren, die Eignung als Wiederaufnahmsgrund nicht von vornherein abgesprochen werden (8 Ob 69/86; EvBl 1959/224)."
Nach § 536 Z 3 ZPO hat eine Wiederaufnahmsklage ua die Angabe der Umstände zu enthalten, aus denen sich die Einhaltung der gesetzlichen Klagefrist ergibt. Eine solche Klage ist nun nicht nur bei erwiesener Verspätung, sondern bereits mangels Glaubhaftmachung ihrer Rechtzeitigkeit zurückzuweisen, weil es keine gesetzliche Vermutung der Rechtzeitigkeit gibt (1 Ob 4/99s = SZ 72/31 = EvBl 1999/140 mwN; 3 Ob 298/03z; 9 Ob 3/04p; RIS-Justiz RS0044613, RS0111662). In der vorliegenden, am 2. Februar 2004 eingebrachten Klage fehlen bereits - wohl deswegen, weil das als Wiederaufnahmsgrund geltend gemachte Sachverständigengutachten mit 26. Jänner 2004 datiert ist, einem Tag, der viel weniger als vier Wochen (§ 534 Abs 2 Z 4 ZPO) vor dem Einbringungsdatum liegt, bereits Behauptungen zur Rechtzeitigkeit. Wie bereits das Rekursgericht zutreffend darlegte, ist ohne Dazutreten weiterer Umstände ein neues Gutachten kein neues Beweismittel, das geeignet wäre, eine günstigere Entscheidung im wiederaufzunehmenden Verfahren herbeizuführen (10 ObS 169/03f mN). Als solchen Umstand macht der Kläger einen Notariatsakt aus dem Jahr 1993 geltend, in dem er sich zu Pönalezahlungen verpflichtete; es handelt sich somit um eine Urkunde, an deren Entstehen er wesentlich beteiligt war. Stammt aber ein Umstand, der belegen soll, dass ein Gutachten im wiederaufzunehmenden Verfahren auf einer unvollständigen Entscheidungsgrundlage beruhte, (allein) aus der Sphäre des Wiederaufnahmsklägers, dann gehört es bei richtiger Auslegung des § 536 Z 3 ZPO zu seinen Pflichten, auch zu behaupten und zu beweisen, weshalb er dieses Beweismittel nicht schon früher benützen hätte können und damit die Notfrist des § 530 Abs 2 ZPO bei Klagseinbringung noch offen gestanden sei. Anderenfalls hätte es jeder Wiederaufnahmskläger in der Hand, sich durch Zurückhalten von derartigen Beweismitteln immer wieder neue Privatgutachten und ab deren Vorliegen neue Klagefristen zu verschaffen. Diese Auslegung wird auch durch folgende Erwägungen gestützt: Eine Wiederaufnahme ist in bestimmten Ausnahmefällen unter streng zu prüfenden Voraussetzungen zu bewilligen (7 Ob 766/82; 1 Ob 4/99s). Demnach sprach der 1. Senat zu Recht im Anschluss an Fasching (Kommentar IV 541 f) aus, dass eine Vermutung der Rechtzeitigkeit der Wiederaufnahmeklage, falls sie sich - wie hier - gegen eine rechtskräftige Entscheidung richtet, schon wegen ihres "exzeptionellen" Prozessziels, ein materiell rechtskräftiges Urteil zur Ermöglichung einer anderen Sachentscheidung zu beseitigen, ausscheidet, dürften doch die Wirkungen der Rechtskraft nicht schon einer Rechtzeitigkeitsvermutung zum Opfer fallen (1 Ob 4/99s). Der Ausnahmecharakter der angestrebten Entscheidung trägt auch die darlegte Auslegung, dass in Fällen wie dem vorliegenden die Rechtzeitigkeit der Klage nicht nur im Hinblick auf das neue Sachverständigengutachten, sondern auch auf die Umstände, die dessen Eignung als neues Beweismittel iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO begründen sollen (in casu: Notariatsakt), behauptet und bescheinigt werden muss.
Fehlt es aber wie hier schon an einer Behauptung, so haben die Vorinstanzen zu Recht die Wiederaufnahmsklage schon im Vorprüfungsverfahren zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 40 ZPO.
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