Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerlich Entscheidung über den Rekurs der Mutter unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Text
Begründung
Die Obsorge für den am ***** geborenen Thomas S***** und den am ***** geborenen Andreas S***** steht der Mutter zu, bei der die Kinder nach dem Tod ihres Vaters auch leben. Zwischen der Mutter als Klägerin und den beiden minderjährigen Kindern sowie zwei volljährigen Kindern aus einer Vorehe des Vaters als Beklagte ist beim Landesgericht Klagenfurt ein Erbrechtsstreit auf Grund widersprechender Erbserklärungen im Verlassenschaftsverfahren nach dem Vater anhängig, für das den beiden minderjährigen Kinder ein Kollisionskurator als Vertreter bestellt worden ist.
Mit Eingabe vom 22. 1. 2004 (ON 9) beantragte und regte die Mutter an, pflegschaftsgerichtlich auf den Kollisionskurator dahin einzuwirken, sich nicht mehr am Erbrechtsverfahren zu beteiligen, sondern dieses "gleichsam aus der Entfernung" nur im Auge zu behalten und dessen endgültige Entscheidung abzuwarten. Für den Fall des Unterliegens im Erbrechtsstreit würden nämlich auch die Minderjährigen ihr gegenüber kostenersatzpflichtig, was sich auf die Vermögenssituation der Kinder nachteilig auswirken würde. Gleiches gelte aber auch für den Fall eines Prozessverlusts der Mutter, seien doch die Minderjährigen die einzigen Erben und Pflichtteilsberechtigten der dann kostenersatzpflichtigen Mutter. Das Erstgericht wies den Antrag der Mutter ab, dem Kollisionskurator Weisung dahin zu erteilen, sich nicht mehr am weiteren Erbrechtsverfahren zu beteiligen.
Den dagegen erhobenen Rekurs der Mutter wies das Rekursgericht als unzulässig zurück. Mit Bestellung des Kollisionskurators sei es der Mutter in dem davon betroffenen Bereich der Führung des Erbrechtsprozesses verwehrt, Partei- und Rechtsmittelrechte wahrzunehmen. Es liege auch nicht der Fall vor, dass anders als durch ein Einschreiten der Mutter die Interessen der Kinder nicht gewahrt werden könnten, sei doch für diese ein Kollisionskurator bestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Mutter ist zulässig und berechtigt.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittels ist, die Frage, ob der (vom Rekursgericht mangels Legitimation zurückgewiesene statt meritorisch behandelte) Rekurs der Mutter der Minderjährigen von dieser zulässigerweise erhoben worden ist oder nicht. Diese Rekurslegitimation wurde vom Rekursgericht unzutreffend verneint. Die Rechtsmittellegitimation nach § 9 Abs 1 AußStrG hat einen Eingriff in die geschützte Rechtssphäre des Rechtsmittelwerbers zur Voraussetzung. Die Berührung bloß wirtschaftlicher, ideeller oder sonstiger Interessen genügt nicht. Es muss sich vielmehr um ein subjektives Recht des Beschwerdeführers handeln, also um eine Rechtsmacht, die dem Einzelnen von der Rechtsordnung verliehen ist (EFSlg. 42.186; EFSlg 52.593; RIS-Justiz RS0006641 [T5]). Zutreffend geht das Rekursgericht zunächst davon aus, dass immer dann, wenn für einen Minderjährigen zur Erledigung eines bestimmten Geschäftes im Sinne des § 271 ABGB ein Kollisionskurator bestellt wird, diese Angelegenheit aus dem Aufgabenkreis des an sich vertretungsbefugten Vertreters ausscheidet (Stabentheiner in Rummel, ABGB³ §§ 271, 272 Rz 4 mwN; Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht, 43; 4 Ob 527/90 uva) und dieser damit die Befugnis verliert, für den Minderjährigen in dieser Angelegenheit einzuschreiten und ihn zu vertreten, solange der Kollisionskurator im Amt ist (EFSlg 89.905), also auch Rechtsmittel für den Minderjährigen zu erheben (10 Ob 291/97k = EFSlg 85.593; 3 Ob 138/99; RIS-Justiz RS0006257 [T10]). Ein Teil der Lehre (Wentzel/Piegler in Klang I/2, 372 f; Ott, Rechtsfürsorgeverfahren 243 f; Rintelen, Verfahren außer Streitsachen 34; Birkner, Parteistellung und rechtliches Gehör im Außerstreitverfahren 51f; krit Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren³ Rz 57) und die überwiegende - vor allem jüngere - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bejaht jedoch die ausnahmsweise Rekurslegitimation der nächsten Angehörigen eines Minderjährigen im Pflegschaftsverfahren zur Gefahrenabwehr. Die Rekurslegitimation setzt in diesem Fall voraus, dass der Rekurs im Interesse des Pflegebefohlenen insbesondere deshalb notwendig sein muss, um Gefahren abzuwenden, die dem Pflegebefohlenen allenfalls auch von seinem gesetzlichen Vertreter drohen, weil die Angehörigen diese natürlichen Schutzpflichten in bestimmten Fällen nur durch eine Beschwerde gegen Verfügungen der Unterinstanzen zur Geltung bringen können (EvBl 1974/57; SZ 42/48; NZ 1994, 280; ÖA 1997, 97; RIS-Justiz RS0006433, RS0006454).
Begründet wurde dieses ausnahmsweise Rekursrecht naher Angehöriger zur Gefahrenabwehr mit dem Bedürfnis, die Interessen des Pflegebefohlenen in möglichst umfassender Weise zu schützen (SZ 49/21) sowie mit der Bestimmung des § 217 ABGB idF vor dem KindRÄG 2001, die den nächsten Verwandten das Recht einräumte, dem Gericht im Interesse des Pflegebefohlenen Anzeige zu erstatten, wenn der Vormund seine Macht auf was immer für eine Art missbraucht oder die Pflichten der nötigen Obsorge und Pflege hintansetzt. Dieses Recht wurde extensiv dahin ausgelegt, dass es die Rechtsmittelbefugnis in den Fällen einschließt, wo die Interessen des Pflegebefohlenen mangels Rekurslegitimation einer anderen Person nicht gewahrt werden können. Auch nach Außerkrafttreten des § 217 ABGB durch das KindRÄG 2001 ist in dieser Rechtsprechung keine Änderung eingetreten (6 Ob 18/02v; ecolex 2003, 34; 6 Ob 289/03y).
Diesen Grundsätzen zum ausnahmsweisen Rekursrecht naher Angehöriger zur Gefahrenabwehr ist zu folgen. Ein umfassender Schutz der Interessen des Minderjährigen zur Abwehr drohender Gefahren, die allenfalls auch von seinem gesetzlichen Vertreter ausgehen, schließt die Antrags- und Rechtsmittellegitimation naher Angehöriger ein, wenn anders das Wohl des Minderjährigen nicht gewahrt werden kann. Eine Gefährdung in diesem Sinn - nämlich durch die Bestellung eines Kollisionskurators für die Minderjährigen im Erbrechtsstreit - behauptet die Mutter in ihrem im eigenen Namen erhobenen Rekurs. Auf Grund ihrer familienrechtlichen Position gegenüber den Minderjährigen kann ihr daher die Rechtsmittelbefugnis nicht abgesprochen werden. Dem Rekurs ist Folge zu geben. Das Rekursgericht wird im fortgesetzten Verfahren neuerlich über das Rechtsmittel der Mutter zu entscheiden haben.
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