Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 4.369,27 bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin EUR 728,21 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage, beide beklagten Parteien zur ungeteilten Hand für schuldig zu erkennen, ihr binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution EUR 1,351.714,70 sA zu bezahlen sowie festzustellen, dass sie ihr gegenüber zur ungeteilten Hand für alle künftigen Folgen aus der mangelhaften Herstellung und Lieferung von mit fehlerhafter PE-Umhüllung versehenen Stahlrohrbögen, die aufgrund des Auftrags vom 8. 4. 1997 erzeugt und die für die zwischen den Orten K***** und P***** verlegte Erdgasleitung verwendet wurden, zu haften haben.
Die erstbeklagte Partei hat ihren Sitz im Sprengel des angerufenen Gerichts. Die gegen sie geltend gemachten Ansprüche werden auf Vertrag über die Lieferung der oben bezeichneten Rohre gestützt. Es sind dies Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche aus dem Vertrag über die Lieferung bestimmter Rohrbögen.
Die Klägerin bringt vor, die Erstbeklagte habe diese Rohrbögen von der Zweitbeklagten herstellen lassen. Die Erstbeklagte habe der klagenden Partei eine bestimmte Beschaffenheit dieser Rohrbögen zugesagt, nämlich das Vorhandensein eines bestimmten Korrosionsschutzes mit einer bestimmten Reißdehnung. Die gelieferten Rohrbögen hätten diese Eigenschaften nicht aufgewiesen, was erst nach deren Verlegung festgestellt worden sei. Die Verarbeitung des Materials zeige, dass diese Mängel vom Produzenten, der Zweitbeklagten, bewusst in Kauf genommen worden seien. Es lägen schuldhaft herbeigeführte Verarbeitungsfehler vor. Beide Beklagten hätten bereits vor Lieferung der Rohrbögen an die klagende Partei deren Fehlerhaftigkeit feststellen müssen. Es sei auch verabsäumt worden, vertraglich übernommene Kontrollen durchzuführen. Beiden Beklagten sei bekannt gewesen, dass die ausgeführten Rohrbögen nicht tauglich seien, beide hätten gegenüber der klagenden Partei die erforderliche Aufklärung unterlassen und die Lieferung durchgeführt. Die Zweitbeklagte habe überdies ein unrichtiges Gutachten über die Beschaffenheit der von ihr hergestellten Rohrbögen erstattet.
Die zweitbeklagte Partei hat ihren Sitz in der BRD. Das schädigende Ereignis ist im Sprengel des Landesgerichtes Steyr eingetreten.
Die Klägerin stützt die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes hinsichtlich der Zweitbeklagten auf die Bestimmung des Art 5 Z 3 EuGVVO sowie auf Art 6 Z 1 EuGVVO. Gegen die Zweitbeklagte wird der Anspruch auf Schadenersatz gestützt. Darüber hinaus habe die Zweitbeklagte Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Schuldner der Erstbeklagten missachtet.
Die Erstbeklagte hafte weiters gemäß § 1313a ABGB für das Verschulden der Zweitbeklagten, weil sie sich ihrer zur Erfüllung der gegenüber der Klägerin übernommenen Pflichten bedient habe.
Die klagende Partei brachte noch zur Zuständigkeit nach Art 6 Z 1 EuGVVO vor, dass der Klagsanspruch gegen beide Beklagte im Wesentlichen auf denselben Sachverhalt, nämlich die Mangelhaftigkeit der Rohrleitungen gestützt werde. Von beiden Beklagten werde dieser Mangel bestritten, sodass die Lösung beider Ansprüche von einer gemeinsamen Vorfrage abhänge. Die Haftung aus dem Titel des Schadenersatzes, sowohl vertraglich als auch deliktisch, hänge davon ab, ob der behauptete Mangel tatsächlich bestanden habe.
Die Zuständigkeit nach Art 5 Z 1 EuGVVO knüpfe daran an, dass, ohne Bestehen eines Vertrages zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten und damit ohne Zusammenhang mit einem Vertrag (zwischen diesen beiden) die Ansprüche der Klägerin aus der Rechtswidrigkeit einer Handlung der Zweitbeklagten resultierten. Die Haftung für Schäden aufgrund von fehlerhaften Produkten falle in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung.
Das Erstgericht wies die Klage gegen die Zweitbeklagte wegen des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit zurück.
Die Klägerin mache gegen die Zweitbeklagte ausschließlich Vermögensschäden geltend, die nach deliktischen Grundsätzen nur in Ausnahmefällen ersatzfähig seien. Ein Eingriff in ein absolut geschütztes Rechtsgut werde von der Klägerin nicht behauptet. Nur aus der behaupteten Kenntnis der Zweitbeklagten von der Fehlerhaftigkeit der Rohrleitungen lasse sich eine sittenwidrige Schädigung nicht schlüssig ableiten. Allenfalls ergäbe sich aus der wissentlichen Erstellung eines falschen Gutachtens durch die Zweitbeklagte über die Eigenschaften der Rohrleitungen der Vorwurf einer sittenwidrigen Schadenszufügung. Das dazu erstattete Vorbringen sei jedoch für einen "Betrugsvorwurf" nicht ausreichend konkretisiert.
Aber auch die Zuständigkeit nach Art 6 Z 1 EuGVVO sei nicht gegeben. Ein gemeinsamer Rechtsgrund scheide aus, weil die Erstbeklagte aufgrund vertraglicher Haftung, die Zweitbeklagte jedoch nach deliktischen Grundsätzen herangezogen werde. Allenfalls käme noch eine Haftung der Zweitbeklagten aus dem Abschlussprüfungsgutachten über die Konstruktion des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht, in welchem Fall aber wiederum unterschiedliche Rechtsgründe aufgrund unterschiedlicher Vertragsbeziehungen bestünden. Anknüpfungspunkt für eine Konnexität von Ansprüchen im Sinn des Art 6 Z 1 EuGVVO sei eine so enge Beziehung, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheine, um einander widersprechende Ergebnisse in getrennten Verfahren zu vermeiden. Die Frage der Beziehung sei nach der Rechtsprechung des EuGH autonom auszulegen. Jedenfalls anwendbar sei Art 6 Z 1 EuGVVO bei Solidarschuldnern. Nun lasse sich zwar eine passive Korrealität dann begründen, wenn einem Gläubiger aufgrund selbständiger Verpflichtungsgründe für ein und denselben Schaden mehrere Schuldner einerseits vertraglich, andererseits deliktisch hafteten. Wesentlich sei aber diesfalls das Vorliegen einer Erfüllungsgemeinschaft. Demgegenüber lehne der EuGH einen engen Zusammenhang im Sinn des Art 6 Z 1 EuGVVO ab, wenn gemeinsam mit deliktischen Ansprüchen andere nicht deliktische Ansprüche geltend gemacht werden sollten (EuGH Rs C-51/97 Rz 50). Insbesondere gehe es um die Vorhersehbarkeit des zuständigen Gerichts für den Beklagten, der nicht seinem prinzipiell vorgesehenen allgemeinen Gerichtsstand entzogen werden solle. Dem diene in besonderer Weise das Missbrauchsprinzip des Art 6 Z 2 EuGVVO, das auch auf Art 6 Z 1 Anwendung finde. Der Kläger solle nicht durch Einbringung einer Klage am Wohnsitz eines Beklagten einen anderen Beklagten in einer für diesen unvorsehbaren Weise diesem Gerichtsstand unterwerfen können. Gerade bei der Geltendmachung deliktischer und vertraglicher Haftung gegen verschiedene Beklagte bestehe diese Gefahr. Im Übrigen ergebe sich aus dem Ausnahmecharakter der besonderen Gerichtsstände, so auch der Norm des Art 6 Z 1 EuGVVO die Notwendigkeit einer restriktiven Interpretation.
Einem dagegen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge. Es änderte den erstinstanzlichen Beschluss über die Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit dahin ab, dass die entsprechende Einrede der zweitbeklagten Partei verworfen und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen wurde.
Ob im Sinn des Art 6 Z 1 EuGVVO (anzuwenden infolge Klagseinbringung nach dem 1. 3. 2002) zwischen Klagen eine so enge Beziehung gegeben sei, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheine, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten, sei vertragsautonom zu bestimmen. Das, um sicherzustellen, dass sich aus der Verordnung für die Mitgliedstaaten und die betroffenen Personen so weit wie möglich gleiche und einheitliche Rechte und Pflichten ergeben.
Klagen seien im Wesentlichen dann tatsächlich oder rechtlich gleichartig, wenn die Entscheidung über den einen Anspruch von dem anderen abhänge oder wenn beide Ansprüche von einer gemeinsamen Vorfrage abhängen. Ob eine solche Abhängigkeit bestehe, sei nach der lex causae zu bestimmen (7 Ob 29/01t; 4 Ob 298/02f). Dabei werde der erforderliche Sachzusammenhang immer dann gegeben sein, wenn die Beklagten solidarisch oder zur gesamten Hand zu haften hätten (Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht2 Rz 11 zu Art 6 EuGVVO mwN). Die Beweislast für das Vorliegen eines solchen Zusammenhangs treffe stets den Kläger. Sei die Frage, ob ein entsprechender Sachzusammenhang zwischen mehreren Beklagten bestehe, selbst Gegenstand des Verfahrens (bei sogenannten "doppelrelevanten Tatsachen"), reiche es aus, wenn das Vorbringen des Klägers über den Sachzusammenhang schlüssig sei. Ob der geforderte materiellrechtliche Zusammenhang tatsächlich vorliege, sei dem Hauptverfahren zu überlassen (4 Ob 298/02f mwN).
Die klagende Partei mache Schadenersatzansprüche gegen beide Beklagte geltend, wobei die Erstbeklagte zum einen aus eigenem Verschulden, nämlich wegen Unterlassung der Prüfung der Reißfestigkeit der Rohrbögen nach dem vertraglich vorgesehenen Verfahren, zum anderen aber für das Verschulden der zweitbeklagten Partei nach § 1313a ABGB zu haften habe, weil sich die Erstbeklagte zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegen die klagende Partei der zweitbeklagten Partei bedient habe. Die Zweitbeklagte wiederum solle nach dem Vorbringen zum einen aus Delikt, zum anderen aus Vertrag (über die Konstruktion eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter) haften. Das Vorbringen der klagenden Partei lege den zwischen den geltend gemachten Ansprüchen bestehenden Sachzusammenhang ausreichend schlüssig dar. Gegen die beklagten Parteien gerichtete Ansprüche beruhten zum Teil auf demselben anspruchsbegründenden Sachverhalt, nämlich der Verantwortlichkeit der zweitbeklagten Partei für Schäden am Vertragsobjekt. Um widersprechende Entscheidungen verschiedener Gerichte zu vermeiden, lasse diese gemeinsame Vorfrage eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung über beide Ansprüche geboten erscheinen. Es liege damit ein enger Zusammenhang im Sinn des Art 6 Z 1 EuGVVO vor. Ein Verdacht des Missbrauchs bestehe nicht. Auf den weiters geltend gemachten Zuständigkeitstatbestand des Art 5 Z 3 EuGVVO müsse daher nicht mehr eingegangen werden.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil keine erhebliche Rechtsfrage vorliege.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der zweitbeklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinn einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Im Weiteren wird eine Vorlage der Rechtssache an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Klärung der Frage angeregt, ob der Gerichtsstand des Sachzusammenhangs nach Art 6 Z 1 EuGVVO zu bejahen sei, wenn mit einer Person, die wegen vertraglicher Ansprüche geklagt werde, zusammen eine andere Person verklagt werde, gegen die Ansprüche nicht aus einem Vertrag, sondern aus einer unerlaubten Handlung geltend gemacht würden. Das unter der Voraussetzung, dass das nationale Gericht der Auffassung sei, dass zwischen den beiden Klagen ein Zusammenhang im Sinn des Art 6 Z 1 EuGVVO bestehe; weiters möge geklärt werden, ob der Gerichtsstand des Sachzusammenhangs nach Art 6 Z 1 EuGVVO bewirkt werde, wenn sich der Anspruch des Klägers auf den Vertrag zwischen Erst- und Zweitbeklagten beziehe, in den die Klägerin nicht einbezogen sei und ob sich der Anspruch mangels einer vertraglichen Beziehung zur Zweitbeklagten nur auf deliktische Haftung stützen könne.
Die klagende Partei beantragt, den Revisionsrekurs der Zweitbeklagten zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Zweitbeklagten ist zulässig, weil das Rekursgericht bei Lösung der Frage, ob ein ausreichender Zusammenhang zwischen Klagen zur Begründung eines Gerichtsstands nach Art 6 Z 1 EuGVVO dann vorliegt, wenn in der einen Klage im Wesentlichen Vertragsansprüche, in der anderen Klage hingegen im Wesentlichen deliktische Ansprüche geltend gemacht werden, von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft abgewichen ist.
Der Revisionsrekurs der Zweitbeklagten ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.
Zunächst ist festzuhalten, dass das vorliegende Prozessrechtsverhältnis im Hinblick auf den Zeitpunkt der Einbringung der Klage (2. 10. 2002, sohin nach dem 1. 3. 2002) nach dem EuGVVO zu beurteilen ist.
1. Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit für das gegen die Zweitbeklagte angestrengte Verfahren beruft sich die Klägerin zunächst auf Art 6 Z 1 EuGVVO. Danach kann - wenn mehrere Personen gemeinsam geklagt werden - eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, auch vor dem Gericht des Ortes geklagt werden, an dem ein anderer Beklagter seinen Wohnsitz hat. Voraussetzung ist allerdings, dass zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten. Die Art des Zusammenhangs ist zunächst vertragsautonom zu bestimmen (EuGH 27. 9. 1988, RS 189-87, Kalfelis/Schröder, Slg 1988, 5565). Ein ausreichender Zusammenhang wird etwa dann bejaht, wenn Klagen im Wesentlichen tatsächlich oder rechtlich gleichartig sind, wenn die Entscheidung über den einen Anspruch vom anderen abhängt oder beide Ansprüche von der Lösung einer gemeinsamen Vorfrage abhängen. Ob diese Abhängigkeit besteht, ist jeweils nach der lex causae zu bestimmen (Klauser EuGVVO E 4 zu Art 6; 4 Ob 298/02f mwN). Die Beweislast für das Vorliegen eines ausreichenden Zusammenhangs trifft den Kläger. Sind dafür relevante Tatsachen im Verfahren strittig (sogenannte "doppelrelevante Tatsachen"), reicht es aus, wenn das Vorbringen des Klägers über den Sachzusammenhang schlüssig ist. Ob tatsächlich der geforderte materiellrechtliche Zusammenhang vorliegt, ist erst im Hauptverfahren zu prüfen, um nicht die Zuständigkeitsprüfung mit einer zu weitgehenden Sachprüfung zu belasten (RIS-Justiz RS0116404; König JBl 1999, 259; RZ 2000/44 uva).
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat zu Art 6 Nr 1 EuGVÜ bereits die Frage entschieden, dass ein für die Zuständigkeitsbegründung notwendiger Zusammenhang zwischen Klagen dann zu verneinen ist, wenn von zwei Klagen eine auf vertragliche Ansprüche, die andere auf deliktische Ansprüche gegründet ist (EuGH 27. 10. 1998, RsC-51/97, Réunion européenne/Spliethoff's Bevrachtingsskantoor = EuGHSlg 1998, I-06511; vgl auch ecolex 1999, 143 [146] = ZER 1999/369 = ELR 1999, 142 = RIW 1999, 57 = IPRax 2000, 210 [H. Koch 186] = EuZW 1999, 59 = TranspR 1999, 151 = SZIER 1999, 442; vgl dazu auch Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, Rz 10 zu Art 6 EuGVÜ mwN). Durch die Neufassung des Art 6 Z 1 EuGVVO traten allerdings keine wesentlichen Änderungen der Bestimmung ein. Der Halbsatz "sofern zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten", war zuvor in Art 22 EuGVÜ wörtlich enthalten. Zur Umschreibung des Zusammenhangs griff der EuGH im Geltungsbereich des Art 6 Nr 1 EuGVÜ auf diese Definition zurück (Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht4 Rz 6 zu Art 6 EuGVÜ). Auch nach den Materialien zu Art 6 Z 1 EuGVVO sollte durch die Änderung nur die EuGH-Rechtsprechung rezipiert werden (vgl Burgstaller/Neumayr in Burgstaller/Neumayr IZVR II Art 6 EuGVO Rz 5).
Diese Bestimmung steht im Zusammenhang mit Art 28 Z 3 EuGVVO, wonach unter denselben Voraussetzungen bei Parallelverfahren das später eingeleitete Verfahren unterbrochen werden kann (Ermessensentscheidung: vgl Klauser, Europäisches Zivilprozessrecht Anm 4 zu § 28 EuGVVO mwN).
Damit lässt sich zusammenfassen, dass im gegenständlichen Fall, in dem die Erstbeklagte aus Vertrag, die Zweitbeklagte hingegen aus Delikt in Anspruch genommen wird, der erforderliche Sachzusammenhang nicht besteht, weil hier widersprechende Entscheidungen denkbar sind (vgl auch Hüßtege in Putzo/Thomas ZPO24 Art 6 EuGVVO Rz 2).
Mit Art 6 Z 1 EuGVVO ist daher unter Berücksichtigung der bisherigen Judikatur des EuGH die internationale Zuständigkeit hinsichtlich der Zweitbeklagten nicht zu begründen. Im Hinblick auf die im Folgenden dargestellte inländische Gerichtsbarkeit nach Art 5 Z 3 EuGVVO sieht sich der erkennende Senat nicht veranlasst, diese Frage neuerlich an den EuGH heranzutragen.
2. Als weiteren internationalen Gerichtsstand macht der Kläger hinsichtlich der Zweitbeklagten Art 5 Z 3 EuGVVO geltend. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Generell fallen alle Ansprüche unter Art 5 Z 3, die sich auf die Haftung eines Schädigers beziehen, wenn zwischen Schädiger und Geschädigtem kein Vertrag besteht (3 Ob 168/00b). Verschulden ist kein Tatbestandselement des Art 5 Z 3 (vgl Czernich aaO Rz 75 zu Art 5). Die Begriffe "unerlaubte Handlung" und "Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist" werden vertragsautonom ausgelegt (EuGH Slg 1988, 5565, 5584-Kalfelis/Schröder).
Der Gerichtsstand für Deliktsklagen bestimmt sich nach dem Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Das bezeichnet jenen Ort, an dem das haftungsauslösende Ereignis den unmittelbar Betroffenen direkt geschädigt hat. Schadenseintrittsort ist in der Regel der Ort, an dem die Vermögensverminderung eingetreten ist (ecolex 1998, 693). Das muss - was die Klägerin offensichtlich verkannte - nicht der Ort sein, an dem der Sitz des geschädigten Unternehmens liegt. Maßgeblich ist vielmehr immer jener Ort, an dem es zu einem direkten Eingriff in das Rechtsgut des Geschädigten kommt, während die zusätzlichen Folgen aus dieser Schädigung für die Gerichtsstandsfrage außer Betracht bleiben (EuGH 19. 9. 1995, RsC-364/93 - Marinari-Loyds Bank; Hohloch, Erfolgsort, IPRax 1998, 312; Czernich aaO Rz 84 zu Art 5).
Erst jüngst hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (zu Art 5 Nr 3 EuGVÜ, diesbezüglich ident mit Art 5 Z 3 EuGVVO) ausgesprochen, dass diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass sich die Wendung "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" nicht schon deshalb auf den Ort des Klägerwohnsitzes - als Ort des Mittelpunkts seines Vermögens - bezieht, weil dem Kläger nach seinem Vorbringen durch Verlust von Vermögensbestandteilen (in einem anderen Vertragsstaat) ein finanzieller Schaden entstanden ist (EuGH 10. 6. 2004, RsC-168/02, Rudolf Kronhofer gegen Marianne Maier und andere; Vorabentscheidungsersuchen des OGH vom 9. 4. 2002, 4 Ob 40/02i; vgl JBl 2002, 664). Eine andere Auslegung würde - wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ausgesprochen hat - die gerichtliche Zuständigkeit von ungewissen Umständen wie dem Ort des Mittelpunkts des Vermögens des Geschädigten abhängig machen und liefe folglich einem der Ziele des Übereinkommens zuwider, nämlich den Rechtsschutz der in der Gemeinschaft ansässigen Personen dadurch zu stärken, dass ein Kläger ohne Schwierigkeiten festzustellen vermag, welches Gericht er anrufen kann und dass einem verständigen Beklagten erkennbar wird, vor welchem Gericht er verklagt werden kann.
Die Klägerin hat dazu vorgebracht, dass der Schaden durch die Verlegung der untauglichen Rohrbögen im Bereich der Erdgashochdruckleitung zwischen den Orten K***** und P***** erfolgte und dass auch dort das schädigende Ereignis bei Probebohrungen festgestellt wurde. Der Ort der Schadenszufügung liegt demnach nicht im Sprengel des angerufenen Landesgerichtes Linz, sondern des Landesgerichtes Steyr.
Damit ist hinsichtlich der Zweitbeklagten zwar die inländische Gerichtsbarkeit, nicht jedoch die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu bejahen.
Das Fehlen der örtlichen Zuständigkeit hat die Zweitbeklagte allerdings nicht eingewendet. Zufolge § 43 Abs 1 Z 1 JN hätte die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit in der Klagebeantwortung geltend gemacht werden müssen. Nach Abhaltung einer mündlichen Streitverhandlung kann eine Zurückweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit nicht mehr erfolgen. Sie ist daher geheilt.
Im Ergebnis erweist sich daher der Rekurs der zweitbeklagten Partei als nicht berechtigt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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