Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 10.089 EUR (darin 1.602,70 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Zwischenstreits aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt, die beklagten Parteien für schuldig zu erkennen, es ab sofort zu unterlassen, Mitarbeiter der Klägerin abzuwerben bzw abzuwerben zu versuchen und dabei insbesondere mit den im Urteilsbegehren näher bezeichneten (die Klägerin und ihr Produkt- und Vertriebssystem herabsetzenden und wahrheitswidrigen) Behauptungen aufzutreten. Sie brachte dazu vor, sie beschäftige sich mit der Herstellung und dem Vertrieb medizinisch-technischer Produkte, insbesondere mit Magnetfeldtherapiegeräten, in Österreich und Deutschland. Der Vertrieb erfolge im Rahmen eines hierarchisch gegliederten, leistungsorientierten Struktursystems. Der Erstbeklagte sei seit 1995 in diesem Strukturvertrieb als Handelsvertreter tätig gewesen. Er habe sich gegenüber der Klägerin verpflichtet, in keiner wie immer gearteten Weise für ein Konkurrenzunternehmen mit konkurrierendem Vertriebssystem oder mit Konkurrenzprodukten tätig zu sein. Ca ein Jahr vor Klageeinbringung habe er dennoch begonnen, andere Vertriebsmitarbeiter der Klägerin gegen sie "aufzuhetzen". Er habe gemeinsam mit seiner Gattin ein Konkurrenzunternehmen gegründet und heimlich unter Nachahmung der Produkte und des Vertriebssystems der Klägerin medizinisch-technische Produkte, vornehmlich Magnetfeldtherapiegeräte, hergestellt. Diese würden über ein gleichfalls vom Erstbeklagten mit seiner Gattin gegründetes Unternehmen, die Zweitbeklagte, vertrieben. Die beklagten Parteien hätten nun planmäßig Mitarbeiter der Klägerin abgeworben. Sie hätten sich dabei systematisch an Führungskräfte der Klägerin gewandt und diese aufgefordert, ihrerseits andere Mitarbeiter zur Kündigung der mit der Klägerin bestehenden Vertragsverhältnisse bzw zum Wechsel zur Zweitbeklagten anzustiften. Zu diesem Zweck hätten die Beklagten auch einheitliche Kündigungsformulare ausgefolgt. Es gehe ihnen darum, die Klägerin zu schädigen und ihre wirtschaftliche Existenz zu vernichten. Im Zuge ihrer Bestrebungen, Mitarbeiter zur Kündigung der Vertragsverhältnisse mit der Klägerin zu bewegen, hätten die Beklagten die in der Klage näher angeführten wahrheitswidrigen, ehrverletzenden und die Klägerin herabsetzenden Äußerungen gemacht. Insgesamt hätten sie bisher rund 250 Mitarbeiter (Handelsvertreter) abgeworben. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gründe sich hinsichtlich des Erstbeklagten auf §§ 65 und 83c JN, hinsichtlich der Zweitbeklagten, die ihre wettbewerbswidrige Tätigkeit wie der Erstbeklagte nicht nur in Deutschland, sondern vor allem auch im Gebiet der Republik Österreich, unter anderem im Sprengel des Landesgerichtes Salzburg ausübe, auch auf die §§ 27a und 83c JN sowie auf die Art 5 und 6 EuGVÜ. Ergänzend brachte die Klägerin schließlich noch vor (ON 19), der Erstbeklagte sei bei der Zweitbeklagten beschäftigt und trete als "Referent" bzw zu Werbezwecken für die Zweitbeklagte auf. Er benutze ein eigenes Büro im Betriebsgebäude der Zweitbeklagten in Piding (Deutschland). Der die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründende Zusammenhang im Sinn des Art 6 Z 1 EuGVÜ sei daher gegeben. Davon ganz abgesehen, sei die Zuständigkeit auch nach Art 5 EuGVÜ zu bejahen, weil die Zweitbeklagte ihre wettbewerbswidrige Tätigkeit auch im Raum Salzburg entfaltet habe.
Die Zweitbeklagte erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit und der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit. Sie sei eine in Deutschland registrierte GmbH, habe ihren Sitz in Piding und übe ihre Tätigkeit ausschließlich in Deutschland aus. Das Handelsgeschäft in Österreich werde ausschließlich von einer GmbH gleichen Firmenwortlauts mit Sitz in Linz betrieben. Der Erstbeklagte sei Geschäftsführer dieser österreichischen GmbH. Geschäftsführerin der Zweitbeklagten sei seine Gattin. Die Zweitbeklagte trete in Österreich nicht auf. Der für die Zuständigkeit nach Art 6 Z 1 EuGVÜ erforderliche Konnex zwischen dem Erst- und der Zweibeklagten liege somit nicht vor. Mangels Verletzungshandlung im Inland sei die österreichische Gerichtsbarkeit über die Zweitbeklagte nicht gegeben. Im Übrigen bestritten die beklagten Parteien das Klagevorbringen und beantragten Klageabweisung. Abgesehen vom Fehlen eines Wettbewerbsverhältnisses zur Klägerin habe zwischen dieser und dem Erstbeklagten zu keinem Zeitpunkt ein Konkurrenzverbot bestanden. Die Beklagten hätten sich auch der ihnen vorgeworfenen Vorgangsweise nicht bedient. Sie hätten weder die Produkte der Klägerin nachgeahmt noch deren Mitarbeiter mit unlauteren Mitteln abgeworben. Das Erstgericht verwarf nach Einschränkung des Verfahrens auf den Zuständigkeitsstreit die Prozesseinrede der Zweitbeklagten. Es stellte fest, die Zweitbeklagte sei eine beim Amtsgericht Traunstein registrierte GmbH mit Sitz in Piding, Bundesrepublik Deutschland. Alleinige Geschäftsführerin sei die Ehefrau des Erstbeklagten. Der Erstbeklagte sei Geschäftsführer einer S*****-GmbH mit Sitz in Linz. Sowohl die Zweitbeklagte als auch die Linzer GmbH führten ihren Betrieb über selbständige Handelsvertreter (intern "Geschäftspartner" genannt), für die keine Gebietsbeschränkungen bestünden. Geschäftspartner der deutschen GmbH seien ebenso in Österreich tätig wie Geschäftspartner der österreichischen GmbH in Deutschland. Der Erstbeklagte trete als "Referent" (bei Seminaren) in Deutschland, Österreich und Ungarn auf, wobei diese Seminare von "S*****" veranstaltet würden und für Seminarteilnehmer nicht erkennbar sei, ob er für die deutsche oder für die österreichische GmbH auftrete. Die Provisionen der Geschäftspartner würden jeweils von jener GmbH gezahlt, deren Sitz in jenem Land liege, in welchem das Geschäft abgeschlossen werde. Tätige somit ein Geschäftspartner der deutschen GmbH einen Abschluss in Österreich, erhalte er seine Provision von der Linzer GmbH. Diese Regelung werde auch für Geschäfte angewendet, die der Erstbeklagte abschließe. Der Erstbeklagte halte 51 % der Geschäftsanteile an der Zweitbeklagten. Rechtlich bejahte das Erstgericht den für die Anwendung des Art 6 Z 1 EuGVÜ erforderlichen Zusammenhang zwischen den jeweils gegen die beklagten Parteien erhobenen Ansprüchen. Die gemeinsame Verhandlung und Entscheidung sei geboten, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten.
Das Rekursgericht hob die Entscheidung des Erstgerichts zur Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Von den Feststellungen des Erstgerichts ausgehend, die lediglich auf die wirtschaftliche und rechtliche Beziehung des Erstbeklagten zu seiner Ehefrau als alleinige Geschäftsführerin der Zweitbeklagten und auf die in Linz ansässige S***** GmbH eingingen, sei der für die Anwendbarkeit des Art 6 Z 1 EuGVÜ vorauszusetzende Zusammenhang zwischen den gegen die Beklagten jeweils erhobenen Ansprüchen zu verneinen. Soweit sich die Klägerin zur Begründung des Gerichtsstands und der inländischen Gerichtsbarkeit auch auf Art 5 EuGVÜ stütze, komme nur der Gerichtsstand nach dessen Z 3 in Frage, der auch Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb umfasse. Dem Vorbringen der Klägerin sei zwar hinreichend zu entnehmen, dass sie gegen beide Beklagte Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb geltend mache. Hiezu fehlten jedoch jegliche Feststellungen, sodass darauf (da weder Gegenstand der angefochtenen Entscheidung noch des Rekurses) noch nicht näher eingegangen werden könne. Die Rechtssache sei daher zur Verfahrensergänzung in dieser Frage an das Erstgericht zurückzuverweisen. Mit den Streitteilen werde zunächst zu erörtern sein, wer, wann und wo konkret eine unlautere Wettbewerbshandlung begangen habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und berechtigt. Das vorliegende Prozessrechtsverhältnis ist im Hinblick auf den Zeitpunkt der Einbringung der Klage (9. 5. 2001) nach dem EuGVÜ zu beurteilen. Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit für das gegen die Zweitbeklagte angestrengte Verfahren beruft sich die Klägerin ua auf Art 6 Z 1 EuGVÜ. Danach kann - wenn mehrere Personen gemeinsam geklagt werden - eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, auch vor dem Gericht, in dessen Bezirk einer der (anderen) Beklagten seinen Wohnsitz hat, geklagt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die gegen die einzelnen Beklagten geltend gemachten Ansprüche in einem so engen Zusammenhang zueinander stehen, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten ist, um einander widersprechende Entscheidungen verschiedener Gerichte zu vermeiden. Diese nun im Text des Art 16 Z 1 EuGVVO (Verordnung Nr 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen) ausdrücklich verankerte Voraussetzung eines Zusammenhangs zwischen den geltend gemachten Ansprüchen war zwar in Art 6 Z 1 EuGVÜ nicht ausdrücklich genannt, galt aber schon dafür nach allgemeiner Ansicht, insbesondere der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (siehe Bericht Jenard zu Art 6 Nr 1 EuGVÜ; EuGHSlg 1988, 5565, 5584 - Kalfelis/Schröder; Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel, Art 6 Rz 4 ff; Mayr/Czernich, Das neue europäische Zivilprozessrecht 72; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art 6 Rz 17 f; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht7, Art 6 Rz 8 und Art 28 Rz 3; ZfRV 2002/7; RIS-Justiz RS0115274). Ein ausreichender Zusammenhang wird etwa dann bejaht, wenn die Klagen im Wesentlichen tatsächlich oder rechtlich gleichartig sind, wenn die Entscheidung über den einen Anspruch vom anderen abhängt oder wenn beide Ansprüche von der Lösung einer gemeinsamen Vorfrage abhängen (Czernich/Tiefenthaler aaO Rz 4; ZfRV 2002/7). Ob diese Abhängigkeit besteht, hat das angerufene nationale Gericht im Einzelfall zu prüfen.
Die Beweislast für das Vorliegen eines ausreichenden Zusammenhanges trifft den Kläger. Ist die Frage, ob ein entsprechender Sachzusammenhang zwischen mehreren Beklagten besteht, selbst Hauptgegenstand des Verfahrens (sogenannte "doppelrelevante Tatsache"), reicht es aus, dass das Vorbringen des Klägers hinsichtlich des Sachzusammenhanges schlüssig ist. Die Frage, ob tatsächlich der geforderte materiellrechtliche Zusammenhang vorliegt, wird in das Hauptverfahren verlagert, um nicht die Zuständigkeitsprüfung mit einer zu weitgehenden Sachprüfung zu belasten (Mayr in Rechberger, ZPO² § 93 JN Rz 4; Mayr/Czernich aaO 73; König, JBl 1999, 259; RZ 2000/44; 5 Ob 312/02w = RIS-Justiz RS0116404).
Zur Begründung ihres gegen beide Beklagte gerichteten gleichlautenden Unterlassungsbegehrens führte die Klägerin aus, der Erstbeklagte habe gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Geschäftsführerin der Zweitbeklagten, ein Konkurrenzunternehmen gegründet und unter Nachahmung der Produkte und des Vertriebssystems der Klägerin Magnetfeldtherapiegeräte hergestellt. Die Geräte seien über die gleichfalls vom Erstbeklagten und seiner Ehefrau gegründete Zweitbeklagte vertrieben worden. Beide beklagten Parteien hätten mit unrichtigen und die Klägerin herabsetzenden Äußerungen Mitarbeiter der Klägerin (Vertriebspartner) planmäßig abgeworben, um ihr zu schaden und ihre wirtschaftliche Existenz zu vernichten. Dieses Vorbringen der Klägerin legt den zwischen den eingeklagten Ansprüchen bestehenden Sachzusammenhang ausreichend schlüssig dar. Die gegen die beklagten Parteien gerichteten Ansprüche sind nicht nur tatsächlich und rechtlich gleichartig, sie beruhen auch auf demselben anspruchsbegründenden Sachverhalt, nämlich der behaupteten sittenwidrigen Abwerbung von Vertriebspartnern der Klägerin durch den Erstbeklagten im gemeinsamen Zusammenwirken mit seiner Ehegattin, der Geschäftsführerin der zweitbeklagten GmbH. Auf der Basis dieses anspruchsbegründenden Sachverhalts richtet die Klägerin ihre (gleichlautenden) Begehren gegen den Erstbeklagten als tatsächlich handelnde natürliche Person und gegen die zweitbeklagte GmbH als die durch ihr Organ vertretene juristische Person. Die tatsächliche und rechtliche Gleichartigkeit der gegen die beklagten Parteien gerichteten Ansprüche lässt eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheinen, um einander widersprechende Entscheidungen verschiedener Gerichte zu vermeiden. Der zur Begründung der internationalen Zuständigkeit nach Art 6 Z 1 EuGVÜ geforderte Sachzusammenhang zwischen den eingeklagten Ansprüchen ist somit unzweifelhaft gegeben. Einer Beurteilung, ob die internationale Zuständigkeit auch auf Art 5 Z 3 EuGVÜ gegründet werden könnte und ob die dazu vom Rekursgericht angeordnete Verfahrensergänzung erforderlich ist, bedarf es nicht mehr. Dem Revisionsrekurs der Klägerin wird deshalb Folge gegeben und die Entscheidung des Erstgerichtes in Abänderung des bekämpften Beschlusses wieder hergestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 52 Abs 1 ZPO. Da die Zweitbeklagte in dem über ihren Einwand der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit geführten Zwischenstreit unterlegen ist, hat sie der Klägerin die Kosten des Zwischenstreits zu ersetzen (Fucik in Rechberger ZPO² § 52 Rz 5).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)