OGH 15Os21/04

OGH15Os21/0424.6.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juni 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fuchs als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann L***** und andere wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Johann L***** und die Berufungen des Angeklagten Dietmar Z***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 17. November 2003, GZ 39 Hv 185/03k-157, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten Johann L***** wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (F.) und in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch samt dem Ausspruch über die Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer den Angeklagten Johann L***** betreffenden Berufung auf die kassatorische Entscheidung verwiesen. Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten Dietmar Z***** und der Staatsanwaltschaft betreffend diesen Angeklagten werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Johann L***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch Schuldsprüche von Mitangeklagten und einen Teilfreispruch eines Angeklagten enthaltenden Urteil wurde Johann L***** des Vergehens der versuchten Befreiung von Gefangenen nach §§ 15, 300 Abs 1 StGB (A.), der Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 15 StGB (B.) und des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (D.1.) sowie (richtig:) der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (F.) schuldig erkannt. Danach hat er

A. zwischen 4. und 6. Mai 2003 in Hall i.T. im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit weiteren, unbekannten Tätern einen Gefangenen, der auf Grund einer Entscheidung eines Gerichtes festgehalten wurde, nämlich den im Verfahren 30 Ur 29/03q des Landesgerichtes Innsbruck in Untersuchungshaft angehaltenen Ronald H***** zu befreien versucht, indem ihm Johann L***** ein Mobiltelefon in das Psychiatrische Krankenhaus Hall i.T., wo damals die Untersuchungshaft vollzogen wurde, schmuggelte, mit diesem über das Handy mehrfach Kontakt aufnahm, ihn dabei über die Details des geplanten Befreiungsversuches in Kenntnis setzte und am 6. Mai 2003 gegen 21.30 Uhr, als unbekannte Täter mit einem Bolzenschneider von außen zwei Gitterstäbe des Fensters des Zimmers Nr. 6 im Hochparterre des Stationsgebäudes A 6, wo H***** damals untergebracht war, durchtrennten, in unmittelbarer Nähe Aufpasserdienste leistete;

B. Johann L***** und Michael T***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter den nachstehenden Personen fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt 2.000 Euro übersteigenden Wert durch Einbruch mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz teils weggenommen, teils wegzunehmen versucht, nämlich

1. in der Nacht zum 17. Mai 2003 in Innsbruck der Filiz A***** 125 Stangen Zigaretten im Wert von 4.010,70 Euro sowie Ladebons für Handys im Wert von 1.672,56 Euro nach Aufbrechen der WC-Tür einer Tankstelle, Einschlagen einer Rigipswand und Einsteigen durch die so geschaffene Öffnung;

2. in der Nacht zum 15. Mai 2003 in Hall i.T. Verfügungsberechtigten der Firma O***** Bargeld und Wertgegenstände „unerhobenen Wertes" nach Aufbrechen der Eingangstür des Geschäftes und Aufbrechen des darin befindlichen Standtresors unter Zuhilfenahme eines Vorschlaghammers, wobei es beim Versuch blieb;

D.1. zwischen 21. Mai 2003 und 2. Juni 2003 in Innsbruck mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verfügungsberechtigte verschiedener Banken durch die Vorgabe, die von ihm vorgelegten 84 A***** Schecks zu 100 USD, in einem Fall 500 USD, seien echt und er sei zur Einlösung berechtigt, zur Ausbezahlung eines Bargeldbetrages von insgesamt ca 7.319,85 Euro verleitet, wobei er zur Täuschung falsche Urkunden, nämlich total gefälschte A***** Schecks benützte, und die Tat in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;

F. zu nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkten zwischen ca Jänner 2003 und 23. Juni 2003 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte, nämlich insgesamt nicht mehr feststellbare Mengen an Cannabisprodukten beim gesondert verfolgten Andreas I***** und Unbekannten für den eigenen Bedarf erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Die aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO erhobene, ausschließlich gegen die Schuldsprüche A., B. und D.1. gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der zum Schuldspruch A. durch die Tatrichter im Rahmen eingehender Erörterungen von Verfahrensergebnissen zur Mitwirkung des Angeklagten am Befreiungsversuch gezogene Schluss von seiner Anwesenheit in unmittelbarer Tatortnähe zur Tatzeit auf Aufpasserdienste während der von ihm dem Gefangenen auch angekündigten Befreiungsaktion (US 24) widerspricht der Beschwerde zuwider, die eine nur offenbar unzureichende Begründung reklamiert (Z 5 vierter Fall) und die Urteilserwägungen weitgehend unbeachtet lässt, weder den Gesetzen logischen Denkens noch grundlegenden Erfahrungssätzen. Nach Prüfung des Beschwerdevorbringens, mit dem Widersprüche in den Angaben des Ronald H***** - auf die im Urteil gründlich eingegangen wurde (US 24) - und demgegenüber die Glaubwürdigkeit der leugnenden Aussage des Angeklagten betont werden soll, an Hand der Akten ergeben sich keine Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Punkt A. zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen (Z 5a). Ebenso wenig werden aus den Akten erhebliche Bedenken in Ansehung der den Schuldsprüchen B. und D.1. zugrunde liegenden Konstatierungen aufgezeigt.

Zum Schuldspruch B. (wegen vollendeten und versuchten Diebstahls durch Einbruch) stützte das Erstgericht die Feststellungen über die Täterschaft des Angeklagten Johann L***** vor allem auf die Ergebnisse der Überwachung einer Telekommunikation, auf Angaben des Angeklagten Dietmar Z*****, die Anwesenheit beider in der Tankstelle kurze Zeit vor der Tatausführung (B.1.) und den Untersuchungsbericht des Kriminaltechnischen Dienstes der Bundespolizeidirektion Innsbruck über das Werkzeug beim versuchten Tresoreinbruch (B.2.; US 25 bis 34).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich insoweit in der auszugsweisen Wiederholung von Angaben der beiden Angeklagten, der Bestreitung des Beweiswertes des genannten Untersuchungsberichtes und Ausführungen über die nach Ansicht des Beschwerdeführers mögliche Deutung abgehörter Telefonate in einem „teils absolut belanglosen Sinn". Damit werden aber aus den Akten keine erheblichen Bedenken an den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes aufgezeigt. Den Schuldspruch D.1. (wegen gewerbsmäßigen schweren Betruges) kritisiert der Beschwerdeführer nur in Ansehung der Urteilsannahmen zur inneren Tatseite.

Die Feststellung der Kenntnis des Angeklagten vom Vorliegen von Totalfälschungen gründeten die Tatrichter unter anderem darauf, dass die bei Ausstellung der Reiseschecks abverlangten Unterschriften des Scheckinhabers nicht auf den Schecks aufschienen und der Angeklagte L***** zur Herkunft der Schecks unterschiedliche Angaben machte, sowie auf die darüber hinaus wechselhaften und einander widersprechenden Angaben der Angeklagten L***** und Z*****, die Modalitäten der Einlösung und die finanzielle Lage des Beschwerdeführers sowie seine diesbezügliche Verantwortung (US 34 bis 39).

An diesen Konstatierungen weckt die Beschwerde mit spekulativen Erwägungen über mögliche andere Schlüsse aus den Ergebnissen des Beweisverfahrens keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war aber - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen aufzugreifen, dass dem Schuldspruch des Angeklagten Johann L***** wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (F.) Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO anhaftet, weil die bei der gegebenen Sachlage gebotene Beachtung des temporären Verfolgungshindernisses nach § 37 SMG iVm § 35 Abs 1 SMG (vgl Burgstaller, JBl 2000, 607 f; 15 Os 131/02; 14 Os 23/03) unterblieben ist. Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte in der Zeit zwischen ca Jänner 2003 und dem 23. Juni 2003 Cannabisprodukte in insgesamt nicht mehr feststellbarer Menge beim abgesondert verfolgten Andreas I***** und Unbekannten ausschließlich für den eigenen Bedarf erworben und besessen (US 6). Nach dem Akteninhalt - insbesondere dem im Urteil hervorgehobenen Geständnis - ist die Annahme indiziert, dass sich die Taten jeweils auf eine geringe Menge Suchtgift bezogen (siehe insbesondere AS 269/I), kommt doch eine Zusammenrechnung zu verschiedenen Zeiten zum eigenen Gebrauch erworbener geringer Suchtmittelmengen nicht in Betracht (Foregger/Litzka/Matzka SMG § 35 Anm IV 2; 13 Os 62/03, 11 Os 81/02). Der Umstand, dass der Angeklagte weiterer (mit dem Suchtmittelgesetz nicht in Zusammenhang stehender) Verbrechen und Vergehen schuldig erkannt wurde, hindert eine vorläufige Verfahrenseinstellung ebenso wenig (Foregger/Litzka/Matzka SMG § 35 Erl IV 3) wie eine einschlägige Vorstrafe (§§ 27 Abs 1 und 28 Abs 2 SMG).

Die materiellrechtliche, dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Nichtigkeit erforderte die Kassation des Schuldspruches F. samt dem korrespondierenden Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung. Mit seiner Berufung war der Angeklagte Johann L***** ebenso auf diese Entscheidung zu verweisen wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer diesen Angeklagten betreffenden Berufung.

Aus der Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bei nichtöffentlicher Beratung folgt die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten Dietmar Z***** und der Staatsanwaltschaft betreffend diesen Angeklagten (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten Johann L***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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