OGH 14Os34/04

OGH14Os34/045.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Mai 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Felbab als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Arinze Chukwu Marcellinius O***** wegen der teilweise im Stadium des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 4. Dezember 2003, GZ 8 Hv 158/03d-38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Auf diese Entscheidung werden der Angeklagte mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Arinze Chukwu Marcellinus O***** (richtig:) der teilweise im Stadium des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt, indem er

1. von August bis September 2002 insgesamt 10 Gramm Heroin an Elsa H***** und

2. von August bis Oktober 2002 insgesamt 35 Gramm Heroin an Henry Od***** verkaufte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass die angefochtene Entscheidung mit einem vom Angeklagten nicht prozessordnungsgemäß gerügten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund behaftet ist, der sich zu seinem Nachteil auswirkt. Bei einem vom Erstgericht angenommenen "üblichen Reinheitsgehalt von 10 bis 25 %" (US 8) ist zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass durch Inverkehrsetzen von 30 Gramm Heroin das (eine) Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG vollendet wurde. Über den sämtlichen Tathandlungen zugrundeliegenden Vorsatz, große Mengen an Suchtgift in Vekehr zu setzen, hinaus hat das Schöffengericht jedoch lediglich festgestellt, dass der Angeklagte weitere 15 Gramm Heroin, bei einem Reinheitsgehalt von 10 %, also 1,5 Gramm Reinsubstanz, in Verkehr gesetzt hat. Weil dann Henry Od***** nicht mehr daran interessiert war, weiter Suchtgift zu übernehmen und zu verkaufen, endete der Kontakt zwischen ihm und dem Angeklagten (US 5).

Ob hinsichtlich dieses für sich allein die große Menge nicht erreichenden Suchtgiftquantums trotz der festgestellten "Absicht", große Mengen in Verkehr zu setzen, ein (oder mehrere) Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG oder ein im Versuchsstadium gebliebenes weiters Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG anzunehmen ist, hängt fallbezogen davon ab, ob der Täter seinen Entschluss, erneut eine große Menge in Verkehr zu setzen, schon durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt hat (vgl 14 Os 166/03, 13 Os 10/03, 14 Os 29/04).

Als Ausführungshandlung im Sinne des § 28 Abs 2 vierter Fall SMG kommt bei - wie im vorliegenden Fall - mehraktigem Inverkehrsetzen nur jene Tathandlung in Betracht, bei der der Täter in der Lage und Willens ist, (neuerlich) in Summe die Grenzmenge zu erreichen. Dass der Angeklagte weiteres Suchtgift in einer solchen Menge in seinen Besitz gehabt hätte und die Weitergabe an konkrete Abnehmer zeitlich unmittelbar bevorgestanden wäre, haben die Tatrichter jedoch nicht konstatiert. Daher fehlt es für das angenommene versuchte Verbrechen an entscheidungswesentlichen Feststellungen. Wenn derartige Konstatierungen nicht getroffen werden können, sind die über die erste große Menge hinausgehenden Verkäufe als (mehrere) Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG, bei Vorliegen von Gewerbsmäßigkeit auch in Form der Qualifikation des § 27 Abs 2 Z 2 SMG anzunehmen. Für den Fall, dass der Angeklagte von diesen über die erste große Menge hinausgehenden Quanten Suchtgift auch an die jugendliche Elsa H***** verkauft hat, wäre ihm allenfalls auch die Qualifikation des § 27 Abs 2 Z 1 SMG anzulasten. Da auch hiezu - vor allem über den genauen zeitlichen Ablauf der Verkäufe - Feststellungen fehlen, ist das Urteil mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO behaftet, sodass sich eine neue Hauptverhandlung nicht vermeiden lässt. Das Urteil war daher in nichtöffentlicher Sitzung sofort aufzuheben und die Verfahrenserneuerung beim Erstgericht anzuordnen.

Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die vom Angeklagten geltend gemachten Nichtigkeitsgründe. Er war demnach mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen. Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht insbesondere zu prüfen haben, durch welche Verkäufe von Suchtgift die große Menge vollendet wurde und ob die Vollendung eines weiteren Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG unmittelbar bevorstand oder ob - wie sich aus der bisherigen Aktenlage ergibt - eine unmittelbare Vollendung nicht möglich gewesen wäre. In letzterem Fall wäre zu prüfen, ob der Angeklagte in diesem Ausführungsstadium Heroin auch der jugendlichen Elsa H***** überlassen hat. Nach entsprechender sachverhaltsmäßiger Klärung wäre sodann das Verhalten des Angeklagten rechtlich neu zu beurteilen.

Stichworte