OGH 9Ob149/03g

OGH9Ob149/03g31.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Roland Paumgarten, Rechtsanwalt, Josef-Egger-Straße 3, 6332 Kufstein, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Markus P*****, Inh. der nicht prot. Fa. A***** (19 S *****/01t LG Innsbruck), vertreten durch Waldbauer & Paumgarten & Naschberger, Rechtsanwälte Partnerschaft in Kufstein, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Z000109; Finanzamt Kufstein), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen Zustimmung zur Ausfolgung zweier Gerichtserläge (EUR

74.427 und EUR 16.791,94; Gesamtstreitwert EUR 91.218,94), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. August 2003, GZ 1 R 156/03f-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 5. März 2003, GZ 14 Cg 84/02a-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionsgegner hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass es sich zur Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs 10 UStG 1994 zwar auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 8 Ob 2244/96z habe stützen können, dass aber zufolge der gegenteiligen Entscheidung zu 3 Ob 102/92 nicht von einer einheitlichen oberstgerichtlichen Rechtsprechung gesprochen werden könne.

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Eine beim vorliegenden Fall zu lösende erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird vom Berufungsgericht nicht aufgezeigt. Der vorliegende Fall kann nämlich anhand der von der ständigen Rechtsprechung zur Ausfolgung eines Gerichtserlages nach § 1425 ABGB erarbeiteten Grundsätze gelöst werden; diese Rechtsprechung ist weder uneinheitlich, noch ist das Berufungsgericht davon abgewichen. Die Parteien zeigen ebenfalls keine fallkausale erhebliche Rechtsfrage auf, zumal sie in ihren Rechtsmittelschriften auch gar nicht näher auf die Zulässigkeit der Revision eingehen. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):

Nach ständiger Rechtsprechung entscheidet im Verfahren zwischen den Erlagsgegnern auf Zustimmung zur Ausfolgung des iSd § 1425 ABGB vorgenommenen gerichtlichen Erlages das "bessere Recht" an oder auf die erlegte Sache. Dabei können alle schuldrechtlichen Verpflichtungsgründe erheblich sein (8 Ob 599, 600/85; 1 Ob 648, 649/90; 6 Ob 623/91; 3 Ob 553/94; RIS-Justiz RS0033512 ua). Mit dieser Rechtsprechung steht die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichtes im Ergebnis in Einklang.

Nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen verkaufte Markus P***** - noch vor der Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen vom 12. 9. 2001 - am 23. 7. 2001 an Karl W***** jun. die ihm gehörigen, in den Vorentscheidungen näher bezeichneten Anteile an einer Betriebsliegenschaft um den Preis von ATS 7,531.200 (darin enthalten und ausdrücklich ausgewiesen ATS 1,255.200 an 20 % USt). Die Anteile wurden noch am selben Tag an den Käufer übergeben. Ein Rechtsanwalt wurde im Kaufvertrag zum Treuhänder bestimmt. Die Volksbank Kufstein überwies in der Folge für den Käufer den Kaufpreis auf das Treuhandkonto des Treuhänders. Letzterer sollte mit dem Kaufpreis eine Leibrentenforderung und verschiedene Pfandrechte abdecken; den Restbetrag sollte er anschließend an den Verkäufer überweisen. Da aber sowohl der Masseverwalter (im Konkurs über das Vermögen des Verkäufers) als auch das Finanzamt Kufstein Anspruch auf den Umsatzsteuerbetrag von ATS 1,255.200 (EUR 91.218,94) erhoben, hinterlegte ihn der Treuhänder (namens des Käufers) in zwei Teilbeträgen von EUR 74.427 und EUR 16.791,94 bei Gericht nach § 1425

ABGB.

Für das Zustandekommen eines Kaufvertrages genügt die Einigung der Vertragsparteien über das Kaufobjekt und den Preis (§ 1054 ABGB). Die Umsatzsteuer ist Teil des Kaufpreises; sie ist im Kaufpreis enthalten, wenn nichts anderes vereinbart ist (Aicher in Rummel, ABGB³ § 1054 Rz 17 mwN). Im vorliegenden Fall wurde nichts anderes vereinbart, sondern - im Gegenteil - die Umsatzsteuer im Kaufvertrag ausdrücklich ausgewiesen. Die Hauptpflicht des Käufers ist, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen (§ 1062 ABGB). Die Zahlung hat mangels abweichender Vereinbarung ohne Abzüge zu erfolgen (Aicher aaO § 1062 Rz 2).

Dass der Masseverwalter nach der Konkurseröffnung in den gegenständlichen Kaufvertrag eingetreten ist, ist unstrittig. Auf Überlegungen zu § 21 KO kommt es hier nicht an; ein Rücktritt des Masseverwalters vom Kaufvertrag steht ohnehin nicht zur Diskussion. Andernfalls hätte die Beklagte nämlich gar keine Umsatzsteuerforderung (vgl Ruppe, UStG 1994² § 1 Rz 39 f mwN). Vor diesem Hintergrund ist auch klar, dass der Masseverwalter als gesetzlicher Stellvertreter des Gemeinschuldners hinsichtlich des Konkursvermögens iSd §§ 81, 83 KO (3 Ob 283/59 = SZ 32/91; 3 Ob 120/98p ua), und damit des Verkäufers, Anspruch gegen den Käufer auf Zahlung des restlichen Kaufpreises hat. Die Eröffnung des Konkurses über einen Treugeber einer mehrseitigen Treuhand hat auf den Abwicklungsmodus des Treuhandverhältnisses keinen Einfluss (RIS-Justiz RS0016151 ua). Der Masseverwalter hat sohin ein Recht auf die vom Treuhänder namens des Käufers bei Gericht erlegte "Sache", also den erlegten Kaufpreis. Dass der Verkäufer als Unternehmer, der eine Lieferung oder sonstige Leistung erbringt, Umsatzsteuerschuldner ist (§§ 1 ff UStG 1994; Doralt/Ruppe, Steuerrecht I8 Rz 1215 ff), gibt der Beklagten kein Recht am oder auf den Kaufpreis und damit auch kein "besseres Recht" (iSd der Rechtsprechung zu § 1425 ABGB) als dem Verkäufer.

Der klagende Masseverwalter hat sohin im vorliegenden Fall das "bessere Recht". Dieses gibt im hier zu beurteilenden Verfahren zwischen den Erlagsgegnern auf Zustimmung zur Ausfolgung des iSd § 1425 ABGB vorgenommenen gerichtlichen Erlages den Ausschlag. Für den Ausgang des Verfahrens kommt es demgegenüber weder auf die insolvenzrechtliche Qualifikation der Abgabenforderung als Konkurs- oder Masseforderung an, noch ist Gegenstand des Verfahrens eine Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs 10 UStG 1994. Die diesbezüglichen Erwägungen des Berufungsgerichtes und der Parteien können daher dahingestellt bleiben.

Kosten der Revisionsbeantwortung waren nicht zuzusprechen, weil der Revisionsgegner auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat. Seine Revisionsbeantwortung konnte demnach nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig angesehen werden (RIS-Justiz RS0035962).

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