Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Teilurteil (soweit damit das Zwischenurteil des Erstgerichtes bestätigt wurde, ist die Entscheidung in Rechtskraft erwachsen) wird hinsichtlich der Abweisung von EUR 10.230 s.A samt Kostenentscheidung aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Die Klägerin schloss im Jahr 1975 bei der Beklagten einen Lebensversicherungsvertrag mit einer Laufzeit von 30 Jahren ab. Im Jahr 2002, also ca drei Jahre vor Ablauf des Vertrages beabsichtigte sie, ihren (zu diesem Zeitpunkt entstandenen) Geldbedarf teilweise aus dieser Lebensversicherung abzudecken und "den Rest stehen zu lassen". Sie folgte nach Kontaktaufnahme mit einem Mitarbeiter der beklagten Versicherung dessen Rat, den "Altvertrag" zur Gänze aufzulösen, den gewünschten Betrag von 11.100 EUR ausbezahlt zu erhalten und schloss einen neuen Vertrag unter Verwendung des Restguthabens von EUR 10.900,84 als "Einmalerlag" ab. Anfang 2005 hätte sie den "Altvertrag" nicht vorzeitig aufgelöst und aus diesem knapp EUR 38.000 erhalten. Wegen der vorzeitigen Auflösung des Vertrages wurden der Klägerin aber nur rd EUR 22.000 ausbezahlt. Der die Klägerin beratende Mitarbeiter wies sie nicht darauf hin, dass die von der Klägerin intendierte Vorgangsweise für sie höchst unwirtschaftlich und eine Überbrückung des Geldbedarfs mittels Kredit und Belehnung des Lebensversicherungsvertrages zu allgemein üblichen Konditionen für sie wesentlich vorteilhafter wäre. Der Mitarbeiter der Beklagten konnte auch nicht darauf schließen, dass der Klägerin diese wirtschaftlichen Aspekte bekannt gewesen wären. Die Klägerin begehrt nun EUR 10.230 als Schadenersatz für die Fehlberatung durch den Mitarbeiter der Beklagten und EUR 10.900,84 als die für den "Neuvertrag" verwendete Einmalzahlung aufgrund Rücktritts von diesem Vertrag.
Die Beklagte beantragt - soweit das für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist - die Abweisung des Schadenersatzbegehrens mit der Begründung, dass der Schadenersatzbetrag nicht fällig sei. Einen Anspruch auf Gewinnbeteiligung erlange die Klägerin nur, wenn der Vertrag bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer erfüllt werde. Sie könne einen zum 1. 4. 2005 hochgerechneten Schaden nicht bereits jetzt begehren. Die Klägerin sei umfassend vom Mitarbeiter der Beklagten über die wirtschaftlichen Konsequenzen aufgeklärt worden und es treffe sie ein Alleinverschulden am behaupteten Schaden, weil sie maßgebliche Umstände selbst anhand der ihr vorliegenden Urkunden leicht hätte erkennen bzw auch rechtzeitig hätte erfragen können. Das Erstgericht fällte ein Zwischenurteil und sprach aus, dass das gesamte Begehren der Klägerin dem Grunde nach zu Recht bestehe. Bei Anwendung der Grundsätze der Haftung bei der culpa in contrahendo habe der Mitarbeiter der Beklagten ihre Aufklärungs- und Beratungspflichten verletzt, weil es für ihn offenkundig gewesen sei, dass die Klägerin eine Beratung in wirtschaftlicher Hinsicht benötigt hätte. Es wäre für den Mitarbeiter der Beklagten ein Leichtes gewesen, den aktuellen Rückkaufwert dem nach Ablauf der noch kurzen Restlaufzeit voraussichtlich zu lukrierenden Betrag gegenüberzustellen und auf die Unwirtschaftlichkeit der beabsichtigten Vorgangsweise hinzuweisen. Die Beklagte hafte daher für den eingetretenen Schaden. Ein ins Gewicht fallendes Mitverschulden der Klägerin liege nicht vor. Der Klägerin sei der Vertrauensschaden zu ersetzen. Die Klägerin sei berechtigt gewesen, vom "Neuvertrag" zurückzutreten und habe daher gemäß § 1431 ABGB einen Anspruch auf Rückabwicklung.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte das Zwischenurteil in Ansehung des Rückforderungsanspruchs der Klägerin aufgrund der zu Recht erfolgten Auflösung des "Neuvertrages", änderte es aber im Übrigen als Teil-Endurteil dahingehend ab, dass es das auf Schadenersatz gerichtete Klagebegehren im Umfang von EUR 10.230 s.A. abwies. Das Berufungsgericht behandelte die Beweisrüge der Beklagten zu dem dem Schadenersatzanspruch zugrunde liegenden Sachverhalt nicht, da es in rechtlicher Hinsicht die Ansicht vertrat, dass der zum 1. 4. 2005 abzurechnende allfällige Schadenersatzanspruch der Klägerin jedenfalls noch nicht fällig und das darauf entfallende Klagebegehren daher abzuweisen sei.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei, weil das Berufungsgericht nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen sei.
Lediglich gegen das den Klagsanspruch im Umfang von EUR 10.230 samt Anhang abweisende Teil-Endurteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde, in eventu im Umfang der Anfechtung festzustellen, dass die Beklagte mit 1. 4. 2005 verpflichtet ist, der Klägerin EUR
10.230 - im Fall ihres Erlebens - zu zahlen, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in der vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sie ist auch im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.
Zu Recht verweist die Revision darauf, dass allein die mangelnde Fälligkeit des geltend gemachten Schadenersatzanspruches noch nicht zur Abweisung des Klagebegehrens führen darf.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die bloße Feststellung gegenüber einem Leistungsbegehren dann ein Minus, wenn sie von Letzterem vollständig umfasst wird und der Kläger an ihr ein rechtliches Interesse hat. Trifft dies zu, ist im Leistungsanspruch regelmäßig auch der Anspruch auf Feststellung der jenem zugrundeliegenden - wenngleich auch aufschiebend bedingten - Leistungspflicht enthalten (7 Ob 27/88, 10 ObS 196/94, 1 Ob 290/97x, 3 Ob 155/00s, RIS-Justiz RS0037476, RS0038981, RS0034789, RS0039172). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Feststellung der Schadenersatzpflicht der Beklagten ist vom Leistungsbegehren umfasst und stellt dazu ein Minus dar.
Schon nach dem Vorbringen der Klägerin hatte sie aus dem "Altvertrag" Anspruch auf Leistung erst am 1. 4. 2005. Wird sie nun so gestellt, wie sie stünde, wenn dem Mitarbeiter der Beklagten keine Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten anzulasten wäre, so hätte sie erst dann im Erlebensfall über einen zum 1. 4. 2005 abzurechnenden Geldbetrag verfügen können. Auch die Höhe des Auszahlungsbetrages kann sich im Erlebensfall erst nach der dann festzustellenden Gewinnbeteiligung errechnen. Im Ablebensfall ändert sich der Auszahlungsbetrag und dessen Fälligkeit.
Da aber der Schadenersatzanspruch noch nicht fällig ist, die Klägerin aber zweifellos ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Zahlungspflicht der Beklagten hat, muss das Berufungsgericht die Beweisrüge behandeln, um beurteilen zu können, ob der Klägerin ein Schadenersatzanspruch zusteht.
Der Revisionsbeantwortung ist zu erwidern, dass sich aus dem Vorbringen der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren unzweifelhaft ergibt, dass sie den Schaden geltend macht, der durch die vorzeitige Kündigung des Vertrages entstanden ist, und zwar die Differenz zwischen ihrer Vermögenslage bei Kündigung und jener ohne Kündigung. Die Berechnungsmethode der Klägerin ist insofern nicht relevant, als sie übersehen hat, dass der Schaden eben noch nicht fällig ist. Es war daher spruchgemäß vorzugehen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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