OGH 14Os1/04

OGH14Os1/0417.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Nkonye Raphael O***** wegen des teilweise beim Versuch gebliebenen Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG und § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. Oktober 2003, GZ 62 Hv 115/03i-43, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, welches im Einziehungserkenntnis und in der unterlassenen Abschöpfung von 40 Euro unberührt bleibt, im Übrigen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Nkonye Raphael O***** wurde "des" teils als Versuch nach § 15 StGB begangenen Verbrechens nach § 28 Abs 2 (zu ergänzen:) vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG schuldig erkannt:

Danach hat er

in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift "in großer Menge gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt und (gemeint offenbar: oder) in Verkehr zu setzen versucht", indem er

A) (gemeint [vgl US 5 zweiter Absatz]:) Christian Peter P***** drei Kugeln eines Kokaingemisches von insgesamt 0,5 Gramm verkaufte, davon eine Kugel im Juni 2003 und den Rest am 6. Juli 2003;

B) am 28. Juni 2003 Armin G***** eine Kugel "Kokain mit 0,2 Gramm

netto" verkaufte;

C) von 28. Juni 2003 bis 6. Juli 2003 einem unbekannten Deutschen

(gemeint:) insgesamt 1 Gramm eines Kokaingemisches in drei Kugeln verkaufte;

D) von Anfang Juni 2003 bis 6. Juli 2003 Sascha Pü***** und Rudolf

G***** "mehrfach geringe Mengen Heroin und Kokain zum Verkauf anbot";

E) von Anfang bis Mitte Mai 2003 Andreas K***** "rund 10 Kugeln

Heroin und Kokain" verkaufte und

F) von Mitte Mai 2003 bis 6. Juli 2003 "weitere ca 200 Gramm

gestrecktes Heroin und Kokain zahlreichen unbekannt gebliebenen Abnehmern in Teilmengen verkaufte."

Rechtliche Beurteilung

Der aus Z 3, 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu. Zunächst wird aus Z 10 zutreffend gerügt, dass aus der Urteilsannnahme, wonach "der Vorsatz des Angeklagten von vornherein auf die kontinuierliche Begehung fortlaufender Taten gerichtet" war und "auch den daran geknüpften Additionseffekt umfasste" (US 5 dritter Absatz), die für die rechtliche Unterstellung der Taten nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG entscheidende Tatsache, ob es dem Angeklagten darauf ankam (§ 5 Abs 2 StGB), wiederkehrend der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) entsprechende Suchtgiftquanten in Verkehr zu setzen, nicht hervorgeht.

Sodann hat der Beschwerdeführer - prozessordnungsgemäß unter Anführung im Zeitpunkt der Abhörung in der Hauptverhandlung jeweils vorliegender Indizien in Richtung von Vergehen nach § 27 Abs 1 erster oder zweiter Fall SMG - zutreffend mangelnde Belehrung der Zeugen P*****, G*****, Pü*****, G***** und K***** über das ihnen zustehende Entschlagungsrecht nach §§ 248 Abs 1 erster Satz, 152 Abs 1 Z 1 StPO reklamiert und auch zu Recht darauf hingewiesen, dass der dem Zeugen G***** gemachte "Vorhalt § 152 Abs 1 Z 1 StPO" angesichts des unzutreffenden Zusatzes: "Da Sie nur Abnehmer sind, haben Sie keine Befürchtung(,) bei wahrheitsgemäßer Beantwortung irgendwelche Probleme zu bekommen." einer verfehlten Belehrung gleichzuhalten ist. Dass auch nur einer dieser (Belastungs-)Zeugen sich hinsichtlich der ihn betreffenden Verdachtsmomente bereits vor Gericht schuldig bekannt und solcherart die Gefahr der Selbstbezichtigung beseitigt hätte oder ohnehin vollständig über sein Recht informiert gewesen wäre, geht aus dem Strafakt nicht hervor - bei K***** nicht einmal die gerichtliche Anerkennung des Entschlagungsrechtes. Damit ist auch der Schuldspruch wegen des Grundtatbestandes nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG aus Z 3 nichtig (§ 152 Abs 5 zweiter Satz StPO; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 223 ff). Schon weil sich das Schöffengericht bei seiner vom Tatzeitraum abhängigen Gesamtmengenberechnung primär auf die Aussage der Zeugen G*****, Pü***** und K***** berufen hat, ist ein dem Angeklagten nachteiliger Einfluss der Formverletzung nicht auszuschließen (§ 281 Abs 3 StPO).

Im nachfolgenden Rechtsgang werden im Fall eines erneuten Schuldspruchs wegen eines oder mehrerer Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG - unter Beachtung des Verschlechterungsverbotes (nur) im Sanktionenbereich (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 31 ff) - die bei der Zusammenfassung für sich allein die Grenzmenge nicht erreichender Suchtgiftquanten zu (jeweils) großen Mengen und bei der Annahme von Gewerbsmäßigkeit nach § 28 Abs 3 SMG in derartigen Fällen von der Rsp aufgestellten Kriterien zu beachten sein (13 Os 10/03, 13 Os 156/02, 15 Os 134/03; aM Schwaighofer/Maurer, AnwBl 2003, 597, welche jedoch den dogmatischen Begriff der tatbestandlichen Handlungseinheit verkennen [dazu statt aller: Jescheck/Weigend, 711 ff] und übersehen, dass die Deutung des auf das Tatobjekt des § 28 Abs 2 SMG bezogenen "ein" als Zahlwort nicht auf historisch teleologischen Überlegungen beruht, sondern den äußerst möglichen Wortsinn mit Blick auf das Gesetzlichkeitsprinzip des § 1 StGB absteckt).

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