Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß den §§ 78 EO und 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Kläger stand in der sogenannten "Spitzel-Affäre" im Verdacht der Mitwirkung an der rechtswidrigen Beschaffung von Personendaten, die im politischen Meinungskampf Verwendung finden sollten. Dieser Sachverhalt ist aufgrund zahlreicher einschlägiger Berichte in den Massenmedien einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Er wurde mit Urteil des Straflandesgerichtes vom 17. 9. 2002 strafrechtlich verurteilt. Er erhob Berufung. Der beklagte Landtagsklub war Medieninhaber folgender Presseaussendung vom 17. 9. 2002:
"Justiz/Wien/G*****/Spitzelaffäre
G***** zu Spitzelaffäre: 'Geschenk und Schande" = Utl.: Maria V*****: Österreich braucht dringend neuen Justizminister. Wien (G*****) - 'Eine Schade. Dieses Urteil trägt ganz klar die Handschrift von K***** Parteifreund Justizminister Böhmdorfer',
so die G***** Stadträtin Maria V***** in Anbetracht der geringen Urteile gegen K***** und K*****. 'Betrachtet man die Genesis dieser unglaublichen Spitzelaffäre wundert man sich schon sehr, wenn von mehreren Dutzend Verdächtigen, monatelang Untersuchungen und ein langwieriger Prozess lediglich dies übrig bleibt'.
V***** abschließend: 'Ein peinliches Urteil, das die bespitzelten Personen im Regen stehen lässt und Tür und Tor für weiteren Missbrauch von vertraulichen Personendaten durch ''politisch engagierte'' oder schlicht ''käuflich'' Exkutivbeamten öffnet'.
Rückfragenhinweis: Pressereferat des G***** Klubs im Rathaus".
Der Beklagte wurde aufgrund dieser Äußerungen wegen der Verletzung der Unschuldsvermutung gemäß § 7b MedienG zur Zahlung einer Entschädigung an den Kläger verurteilt.
Der Kläger begehrt mit seiner am 25. 4. 2003 beim Erstgericht eingelangten Klage und dem gleichlautenden Sicherungsantrag, gestützt auf die §§ 16, 43 und 1330 ABGB und Art 6 Abs 2 MRK, die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung der Verbreitung von Äußerungen über die strafrechtliche Verurteilung des Klägers, wenn dieser nicht bloß als tatverdächtig bezeichnet wird, sondern als der der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde liegenden strafbaren Handlung überführt und/oder als der der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde liegenden strafbaren Handlung schuldig und/oder als Täter der der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde liegenden strafbaren Handlung hingestellt wird, solange der Kläger wegen dieser Vorwürfe nicht rechtskräftig verurteilt ist.
Die Vorinstanzen gaben dem Sicherungsbegehren statt. Das Rekursgericht bejahte die Parteifähigkeit des Beklagten, verneinte eine Bindungswirkung an die Verurteilung des Beklagten nach § 7b MedienG und bejahte den Unterlassungsanspruch, weil der Beklagte auf die mangelnde Rechtskraft des Strafurteils erster Instanz nicht hingewiesen und damit die Unschuldsvermutung (Art 6 Abs 2 MRK) verletzt habe. Diese Verletzung könne auch nicht nach einer wegen der Meinungsfreiheit im politischen Meinungskampf gebotenen Interessenabwägung gerechtfertigt sein. Es dürfe über eine dringende Verdachtslage berichtet werden. Es bedeute aber keine Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung, wenn verlangt werde, bei einer Berichterstattung über eine strafgerichtliche Verurteilung darauf hinzuweisen, dass das Urteil nicht rechtskräftig ist.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten ist mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig:
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurswerber steht zusammengefasst auf dem Standpunkt, dass nach einer rechtskräftigen Verurteilung des Beklagten nach § 7b MedienG dem Verletzten deshalb kein Unterlassungsanspruch zustehe, weil die zitierte Gesetzesstelle als lex specialis aufzufassen sei, jedenfalls aber infolge der Verurteilung die Wiederholungsgefahr weggefallen sei. Die bekämpfte Äußerung sei wahr, weil das Fehlen der Rechtskraft dem Publikum notorischerweise bekannt gewesen sei. Die Äußerung müsse im politischen Meinungskampf als zulässig erachtet werden, zumal nach der Judikatur des EGMR unter Umständen auch der Vorwurf einer schon abgetanen strafbaren Handlung gerechtfertigt sein könne. Dazu ist Folgendes auszuführen:
1. Unstrittig ist die fehlende Bindungswirkung der Verurteilung nach § 7b MedienG für den Anspruch nach § 1330 ABGB (6 Ob 329/97v = MR 1998, 55). Der zitierten Entscheidung ist auch zu entnehmen, dass mit einer solchen Verurteilung keineswegs alle Ansprüche nach § 1330 ABGB konsumiert wären. Beim Unterlassungsanspruch könnte dies höchstens aus der Überlegung abgeleitet werden, dass nach der Verurteilung zum Schadenersatz von einem gebeugten Willen des Täters und deshalb eine Wiederholungsgefahr fehle. Im Einzelfall kann dies bei Hinzutreten besonderer weiterer Umstände allenfalls möglich sein. Wenn aber - wie hier - der Beklagte auf der Rechtmäßigkeit seiner Äußerung beharrt, ist dies im Sinne der ständigen Rechtsprechung ein entscheidendes Indiz für das Fortbestehen der Wiederholungsgefahr.
2. Der mangelnde Hinweis, dass die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers nicht rechtskräftig sei, führt schon nach dem Grundsatz, dass sich die Unwahrheit einer Äußerung auch aus deren Unvollständigkeit ergeben kann, wenn dadurch ein falscher Eindruck erweckt wird (RIS-Justiz RS0031963), dazu, dass sich der Beklagte nicht auf die Zulässigkeit eines Werturteils im politischen Meinungskampf berufen kann, weil das Recht auf freie Meinungsäußerung nur auf dem Boden wahrer Tatsachenbehauptungen zusteht (RS0107915; RS0032201). Ein dem Prinzip der Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 MRK widersprechender Pressebericht verletzt das Gebot der Sachlichkeit und kann nicht durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt werden (RS0031746). Die Meinung des Beklagten kann nicht geteilt werden, dass dem angesprochenen Publikum zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Presseaussendung das Fehlen der Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung des Klägers bekannt gewesen sei. Der Revisionsrekurs lässt offen, warum von einer Notorietät (§ 269 ZPO) ausgegangen werden dürfte (zur Allgemeinkundigkeit von Tatsachen vgl Fasching Zivilprozessrecht2 Rz 853). Es hätte konkreter Behauptungen und Bescheinigungen bedurft, etwa in die Richtung, dass in den in allen Massenmedien verbreiteten Berichten von einer bloß erstinstanzlichen noch nicht rechtskräftigen Verurteilung die Rede gewesen und dass dies dem maßgeblichen Adressatenkreis der Äußerung des Beklagten auch zur Kenntnis gelangt sei.
3. Auch mit dem Hinweis auf die Judikatur des EGMR über die Zulässigkeit des Vorwurfs einer abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB) nach entsprechender Interessenabwägung (dazu ausführlich SZ 73/181), ist für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen, weil eine Interessenabwägung - wie schon ausgeführt - zur Voraussetzung hat, dass die ehrverletzende Äußerung auf wahrer Tatsachengrundlage beruht. Dann kann unter Umständen sogar eine Beschimpfung oder auch die Verwirklichung des Tatbildes des § 113 StGB gerechtfertigt sein. Bei einer infolge ihrer Unvollständigkeit als unwahr anzusehenden ehrverletzenden Tatsachenbehauptung kommt eine Rechtfertigung aber von vorneherein nicht in Frage.
4. Entgegen der Meinung des Revisionsrekurswerbers beruht die Stattgebung des Sicherungsantrages nicht auf der "streng formalistischen" Judikatur zu § 7b MedienG, sie ist vielmehr Ergebnis der zitierten, in der ständigen oberstgerichtlichen Judikatur zu § 1330 ABGB vertretenen Grundsätze.
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