OGH 5Ob183/03b

OGH5Ob183/03b20.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Kalivoda als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1.) Franz August R*****, vertreten durch Dr. Bernd Fritsch, Rechtsanwalt in Graz, 2.) Elfriede R*****, vertreten durch Divitschek, Sieder & Partner, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, unter Verfahrensbeteiligung des Dr. Siegfried L*****, wegen § 98 EheG, infolge des Revisionsrekurses des Verfahrensbeteiligten Dr. Siegfried L*****, Rechtsanwalt, *****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 29. April 2003, GZ 2 R 91/03x-22, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 29. Jänner 2003, GZ 34 C 86/02g-15, bestätigt wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der verfahrenseinleitende Antrag, es werde gemäß § 98 Abs 1 EheG mit Wirkung für den Gläubiger Dr. Siegfried L***** ausgesprochen, dass bezüglich seiner gegen die Antragsteller bestehenden Honoraransprüche aus den Verfahren 19 C 19/87, 10 C 16/87, 4 C 165/88f des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz und 16 Cg 174/87 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz der Erstantragsteller Franz R***** als Hauptschuldner und die Zweitantragstellerin Elfriede R***** als Ausfallsbürgin zu haften hätten, abgewiesen wird.

Die Zweitantragstellerin ist schuldig, dem Verfahrensbeteiligten Dr. Siegfried L***** die mit EUR 866,91 bestimmten Verfahrenskosten (darin EUR 144,48 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Ehe der Antragsteller wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 18. 4. 2002 geschieden.

Gemäß § 97 Abs 2 EheG wurde im Scheidungsvergleich u.a. festgehalten, dass u.a. die der Aufteilung unterliegende gemeinsame Schuld der bezeichneten Honoraransprüche des Rechtsanwaltes Dr. Siegfried L***** bestünden. Der Erstantragsteller verpflichtete sich im Innenverhältnis mit der Zweitantragstellerin, diese Schuld in sein alleiniges Zahlungsversprechen zu nehmen und die Antragstellerin schad- und klaglos zu halten. Er hat einer Beschlussfassung gemäß § 98 EheG diesbezüglich seine Zustimmung erteilt.

Die Honorarforderung des Rechtsanwaltes Dr. L***** resultiert aus seiner Vertretung des Ehepaares R***** in verschiedenen Zivilverfahren (10 C 19/87, 10 C 16/87, 4 C 165/88f des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz und 16 Cg 174/87 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz), bei welchen Rechtsstreitigkeiten es sich um die Folge eines Übergabsvertrages vom 18. 7. 1977 handelte, der die damalige Ehewohnung der Antragsteller auf der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** betraf. In den Zivilverfahren wurde gegen eine vereinbarungswidrige Belastung des Übergebers vorgegangen. Das auf dieser Liegenschaft befindliche Haus wurde vom Ehepaar ausgebaut und stellte damals die Ehewohnung dar. Schließlich kam es aber zur Versteigerung der Liegenschaft.

Die Honorarforderung des Dr. Siegfried L*****ist durch das Urteil 16 Cg 405/88 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz tituliert.

Die Verbindlichkeit gegenüber Dr. L***** wurde in das Schuldenregulierungsverfahren des Erstantragstellers einbezogen. Die Zweitantragstellerin ist nicht in der Lage, Zahlungen zu leisten.

Der Gläubiger Dr. Siegfried L***** hat sich nicht darauf berufen, dass die zwischen den Antragstellern getroffene Vereinbarung in Schädigungsabsicht erfolgt wäre.

Über Antrag der Zweitantragstellerin sprach das Erstgericht aus, dass für die Honorarforderung des Rechtsanwaltes Dr. Siegfried L***** der Erstantragsteller als Hauptschuldner, die Zweitantragsstellerin hingegen nur als Ausfallsbürgin zu haften habe.

In rechtlicher Hinsicht hielt das Erstgericht für maßgeblich, dass die in Frage stehende Verbindlichkeit im inneren Zusammenhang mit der seinerzeitigen Ehewohnung entstanden sei. Deshalb sei ein Ausspruch nach § 98 Abs 1 EheG möglich. Rechtsprechung und Lehre verträten nämlich den Standpunkt, dass § 98 Abs 1 EheG nicht nur für Bankverbindlichkeiten, sondern für Verbindlichkeiten aus allen Verträgen anzuwenden sei, in denen die Leistungspflicht des einen Partners gegenüber der des anderen hinausgeschoben sei, wie etwa bei Ratengeschäften, selbst solchen zwischen Privatpersonen, aber auch Werkverträgen, sofern sie in einem inneren Zusammenhang mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen, den ehelichen Ersparnissen oder dem ehelichen Lebensaufwand stünden.

Einem dagegen vom Verfahrensbeteiligten Dr. L***** erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Das Rekursgericht teilte die Ansicht des Erstgerichtes, dass die Honorarverbindlichkeit der Antragsteller, die in innerem Zusammenhang mit einer früheren Ehewohnung entstanden sei, unter die Bestimmung des § 98 EheG zu subsumieren sei. § 98 EheG beziehe sich nicht nur auf Kreditverbindlichkeiten im eigentlichen Sinn, sondern auf Verbindlichkeiten aus allen Verträgen, in denen die Leistungspflicht des einen Partners gegenüber der des anderen hinausgeschoben sei. Weil die Fälligkeit des Honoraranspruches eines Rechtsanwaltes erst mit Beendigung des Mandatsverhältnisses eintrete, es sich also nicht um Zug-um-Zug-Geschäft handle, könne bezüglich eines Anwaltshonorars ein Ausspruch nach § 98 Abs 1 EheG erfolgen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand nicht EUR 20.000,-- übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG jedoch zulässig sei, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung darüber vorliege, ob Anwaltshonorar unter die Bestimmung des § 98 EheG subsumiert werden könne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Verfahrensbeteiligten Dr. Siegfried L***** mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Abweisung des Antrages; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Zweitantragstellerin hat sich am Revisionsrekursverfahren durch Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung beteiligt. Darin beantragt sie, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des verfahrensbeteiligten Gläubigers ist zulässig, weil zur Auslegung des Begriffes "Kreditverbindlichkeiten" im Sinn des § 98 Abs 1 EheG keine ausreichende höchstgerichtliche Rechtsprechung besteht, nach der sich beurteilen ließe, ob Honorarverbindlichkeiten gegenüber einem Rechtsanwalt unter diesen Begriff subsumiert werden können.

Der Revisionsrekurs des Verfahrensbeteiligten erweist sich auch als berechtigt.

Gemäß § 98 Abs 1 EheG sind Ehegatten berechtigt, im Zusammenhang mit der Scheidung ihrer Ehe eine Vereinbarung über die Verpflichtung zur Zahlung von Kreditverbindlichkeiten, für die beide haften, zu treffen. Das Gericht hat dann über Antrag mit Wirkung für den Gläubiger auszusprechen, dass derjenige Ehegatte, der im Innenverhältnis zur Zahlung verpflichtet ist, Hauptschuldner, der andere Ausfallsbürge wird.

Gemäß § 229 Abs 1 AußStrG hat der Gläubiger Anspruch auf rechtliches Gehör und Rechtsmittellegitimation (EvBl 1990/154 u.a.).

Von § 98 Abs 1 EheG werden auch Kreditverbindlichkeiten erfasst, zu deren Hereinbringung der Gläubiger bereits einen Exekutionstitel erwirkt hat (ÖBA 1993/405).

Unter "Kreditverbindlichkeiten" sind zunächst nur die in § 92 EheG näher bezeichneten Schulden - also diejenigen Schulden, die mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen und den ehelichen Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stehen (§ 81 Abs 1 EheG) - gemeint (Gamerith, "Die Kreditmithaftung geschiedener Ehegatten nach § 98 EheG", RdW 1987, 183 [185]; SZ 62/193; RIS-Justiz RS0057638; RS0057688 u.a.). In einem solchen inneren Zusammenhang mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen bzw einer Ehewohnung stehen auch Schulden, die für eine Ehewohnung eingegangen wurden, welche nicht mehr vorhanden ist (SZ 61/4; Stabentheiner in Rummel3 Rz 5 zu § 81 EheG).

Weil nach den maßgeblichen Feststellungen die in Frage stehenden Honoraransprüche des Rechtsanwaltes Dr. L***** im Zusammenhang mit der Sicherung von Rechten an einer früheren Ehewohnung (Abwehr ungerechtfertigter Belastungen der Liegenschaft, auf der sich die Ehewohnung befand) entstanden sind, ist diese Voraussetzung gegeben.

Es ist daher zu untersuchen, ob diese Honorarforderung unter den Begriff der "Kreditverbindlichkeiten" des § 98 Abs 1 EheG subsumiert werden kann.

Folgend den Gesetzesmaterialien (AB 729 BlgNR XVI. GP, 3) besteht in Lehre und Rechtsprechung überwiegend Einigkeit darüber, dass mit dem Wort "Kreditverbindlichkeiten" nicht nur Bankverbindlichkeiten (aus Kreditgeschäften im Sinn des § 31a Abs 1 KSchG) gemeint sind, sondern Verbindlichkeiten aus allen Verträgen, in denen die Leistungspflicht des einen Partners gegenüber der des anderen hinausgeschoben ist, wie etwa aus Ratengeschäften, selbst zwischen Privatpersonen (Gamerith, aaO; Fink, AnwBl 1986, 629; Stabentheiner aaO Rz 4 zu § 98 EheG mwN; SZ 62/193; SZ 69/71; SZ 69/171; RIS-Justiz RS0057641; RS0057636 u.a.). Lediglich Koziol bezweifelt dies (RdW 1986, 5; RdW 1990, 243).

Die höchstgerichtliche Rechtsprechung hat in der Unterscheidung von kurzfristigen Operating- Leasingverträgen, bei welchen dem Leasingnehmer vom Leasinggeber die vorübergehende Nutzung eines Wirtschaftsgutes zur Verfügung gestellt und als Entgelt hiefür ein Teil des Gesamtgebrauchswertes der Sache bezahlt wird, und dem Finanzierungsleasing, bei dem der dauernde Einsatz des Wirtschaftsgutes durch den Leasingnehmer geplant ist und dieses vom Leasinggeber mehr oder weniger in der Funktion eines Kreditgebers finanziert wird, eine durchaus verallgemeinerungsfähige Unterscheidung hinsichtlich der Anwendung des § 98 Abs 1 EheG für daraus entspringende Verbindlichkeiten herausgearbeitet. Maßgeblich kommt es darauf an, welche Elemente im Leasingvertrag überwiegen, ob die mietvertraglichen oder die kaufvertraglichen. Maßgeblich ist, ob sich der Leasinggeber wie beim drittfinanzierten Kauf wirtschaftlich in der Rolle des Kreditgebers befindet, also ein dem Finanzierungsleasing gleichzuhaltender Vertrag vorliegt, auf den § 98 Abs 1 EheG anzuwenden ist (SZ 69/172; 8 Ob 1654/93 mwN). Bei einem eher als Bestandvertrag zu wertenden Leasing (Operating-Leasing) ist das nicht der Fall, weil das zu zahlende Entgelt eher den Charakter eines Bestandzinses als jenen eines ratenweise abzustattenden Kaufpreises hat (RdW 1993, 179).

Es kommt also darauf an, ob die Leistungspflicht eines Partners gegenüber dem anderen derart hinausgeschoben wird, dass damit wirtschaftlich ein kreditähnliches Verhältnis entsteht. Das ist dort nicht der Fall, wo das Prinzip der Zug-um-Zug-Abwicklung eines Geschäftes gilt, etwa der Werklohn erst nach Vollendung des Werkes zu zahlen ist (§ 1170 ABGB) oder das Entgelt des Rechtsanwaltes erst nach Beendigung des Auftragsverhältnisses fällig wird (zur Fälligkeit des Honoraranspruches des Rechtsanwaltes: SZ 71/95). Eine solche Leistungsverpflichtung kann, wie Koziol (RdW 1990, 243) in Kritik der Entscheidung SZ 62/193 ausführt, nach keinem erdenklichen Wortsinn mehr als Kreditverbindlichkeit bezeichnet werden. Das in weiten Teilen des Vertragsrechtes geltende Zug-um-Zug-Prinzip, das etwa auch beim Kaufvertrag gilt, bedeutet daher keine Hinausschiebung der Leistungspflicht eines Partners gegenüber der des anderen, wie dies bei Ratengeschäften der Fall ist und eine Kreditähnlichkeit annehmen lässt. Hätte der Gesetzgeber die Schaffung der gesetzlichen Ausfallsbürgschaft des § 98 EheG auch für solche Fälle angewendet wissen wollen, hätte wohl ein Hinweis auf § 92 EheG statt der Verwendung des Begriffes Kreditverbindlichkeiten ausgereicht. Mit dem Argument, für eine Differenzierung zwischen Bankverbindlichkeiten und sonstigen Schulden fehle im Hinblick auf die Rechtsfolgen des § 98 EheG jede sachliche Begründung, meint Gamerith (aaO 185) keineswegs sämtliche gemeinsame Verbindlichkeiten von Eheleuten im Sinn des § 92 EheG, sondern tritt der Ansicht von Koziol entgegen, dass § 98 EheG nur Kreditverbindlichkeiten "im eigentlichen Sinn" meine. Nach Ansicht des erkennenden Senates gelangt diese Ansicht verkürzt wiedergebend die Entscheidung SZ 62/193 zum unrichtigen Ergebnis, dass jede Nachleistungspflicht bereits eine Kreditverbindlichkeit im weiteren Sinn darstelle. Mit Koziol (aaO) und Gamerith (aaO 184) ist der erkennende Senat der Ansicht, dass in der Frage des Anwendungsbereiches des § 98 EheG, weil dieser eine den Grundsatz der Vertragstreue beeinträchtigende Ausnahmeregelung ist, eine einschränkende Auslegung geboten ist.

Honorarforderungen eines Anwaltes, die erst mit Beendigung des Auftragsverhältnisses zu seinem Mandanten fällig werden, sind keine hinausgeschobenen Leistungspflichten wie etwa solche aus Ratengeschäften, die Kreditverbindlichkeiten im weitesten Sinn gleichgestellt werden könnten.

Eine Anwendung des § 98 Abs 1 EheG auf solche gemeinsamen Verbindlichkeiten kommt daher nicht in Betracht.

Der Revisionsrekurs war somit berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 234 AußStrG, wobei der erkennende Senat die Vermögenslosigkeit der Zweitantragstellerin dahin berücksichtigte, dass ihr aus Billigkeitsgründen bloß die Hälfte der vom Verfahrensbeteiligten verzeichneten Kosten auferlegt wurde. Eine Kostenaufhebung kommt jedoch nicht in Betracht, da die Zweitantragsstellerin zur Gänze als unterlegen anzusehen ist und die Entscheidung in der Hauptsache nicht von Billigkeitserwägungen abhing.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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