OGH 9ObA135/03y

OGH9ObA135/03y17.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Slobodan D*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Dr. Sabine Berger, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, 5500 Bischofshofen, vertreten durch Dr. Josef Dengg ua, Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, wegen EUR 2.937,80 brutto sA (Revisionsinteresse EUR 1.729,97 brutto sA), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. September 2003, GZ 11 Ra 86/03a-14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 502 Abs 1 ZPO). Dies ist nicht der Fall:

Die Revisionswerberin stützt die Zulassungsbeschwerde auf die unrichtige Anwendung der Anrechnungsbestimmung des § 1162b ABGB. Danach muss sich der Arbeitnehmer, der ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen wird, auf seine vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt für den (drei Monate übersteigenden) Zeitraum, der bis zur ordnungsmäßigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätte verstreichen müssen, unter anderem dasjenige anrechnen lassen, was er zu erwerben absichtlich versäumt hat. Zweck dieser auch auf Lehrverhältnisse anzuwendenden Anrechnungsvorschrift (vgl 8 ObS 195/02p ua) ist es, eine Bereicherung des Arbeitnehmers zu verhindern (9 ObS 3/91 ua).

Daraus, dass der Gesetzgeber die Anrechnung von anderweitig erzielbarem Verdienst - soweit im vorliegenden Fall relevant - nur für den Fall vorsieht, dass der Arbeitnehmer es "absichtlich versäumt", durch anderweitige Verwendung etwas zu erwerben, ergibt sich, dass nur ein qualifiziertes Versäumnis zu dieser Rechtsfolge führt. Von einem absichtlichen Versäumen ist nur dann auszugehen, wenn der Dienstnehmer bei Vorhandensein reeller Chancen keine Anstrengung unternimmt, sich eine Ersatzbeschäftigung zu verschaffen, die ihm nach Treu und Glauben zumutbar ist (9 ObA 114/87; 9 ObA 231, 232/94 ua).

Nähere Erörterungen sind dazu aber entbehrlich. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass sich der Arbeitnehmer auf seine Ansprüche bestimmte Beträge anrechnen lassen muss, trifft nämlich den Arbeitgeber. Dass die Anrechnungsvorschrift des § 1162b ABGB somit überhaupt zur Anwendung kommt, setzt voraus, dass der Arbeitgeber die Anrechnung - hinreichend substantiiert - geltend macht (9 ObA 101/97m, 9 ObA 275/01h; RIS-Justiz RS0021543, RS0028309 ua). Insbesondere hat er zu behaupten und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer eine sich ihm konkret bietende, zumutbare Verdienstmöglichkeit absichtlich, dh um die Anrechnung zu verhindern, ausgeschlagen oder es in der gleichen Absicht unterlassen hat, sich um einen anderen Verdienst zu bemühen (9 ObA 101/97m). Das Vorliegen eines ausreichenden Vorbringens der Beklagten zur Frage der Anrechnung wurde vom Berufungsgericht mit der vertretbaren Begründung verneint, dass es nicht genügt, lediglich die verba legalia des § 1162b ABGB wiederzugeben. Dass darüber hinaus ein vom Kläger zunächst eingegangenes neues Arbeitsverhältnisses auf Grund seines Verhaltens wieder gelöst worden sein soll, spielt hier schon deshalb keine Rolle, weil die Beklagte im Anschluss daran wieder für einige Zeit ihre Entgeltzahlung an den Kläger aufnahm. Ob aber letztlich im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalles, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung - vom hier nicht vorliegenden Fall krasser Fehlbeurteilung abgesehen - keine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Einrede hinreicht, ist eine Frage des Einzelfalles (RIS-Justiz RS0042828).

Stichworte