Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 665,94 (darin enthalten EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Über Auftrag der Klägerin, die ua einen Fachmarkt für Küchen betreibt, führte die Speditionsfirma G***** GmbH, Innsbruck (im Folgenden nur Speditionsfirma oder Spedition genannt) im Dezember 1999 den Transport einer Küche des Herstellers H*****, Traun, von Innsbruck zu einem in Mainz, Deutschland wohnhaften Kunden der Klägerin durch. Zwischen der Klägerin und der Spedition war ein Sammelladungstransport zu einem fixen Pauschalpreis vereinbart worden. Die Küche war zunächst vom Hersteller mit einem LKW mit einem speziell für Möbel adaptierten sog. Koffer-Wechselaufbau in einer für einen solchen Transport geeigneten Verpackung von Traun nach Innsbruck gebracht worden. Die Speditionsfirma führte den Weitertransport mittels eines LKW mit Planen-Wechselaufbau durch, obwohl für sie erkennbar gewesen wäre, dass die Küchenmöbel für eine solche Transportart (es wurde eine etwas ältere Wechselbrücke mit aufgenageltem Zwischenboden verwendet, aus dem zum Teil auch Nägel emporstanden) unzureichend verpackt waren. Bei der (von einem Mainzer Partnerunternehmen der Spedition schließlich durchgeführten) Zustellung an den Empfänger in Mainz stellte sich heraus, dass einige Küchenmöbel daher beträchtlich beschädigt worden waren.
Mit der am 24. 11. 2000 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten, bei der die Speditionsfirma unstrittig eine Speditionsversicherung abgeschlossen hatte, die ihr durch die erforderlichen Reparaturarbeiten an den Küchenmöbeln und Nachbestellungen samt neuerlichem Transport entstandenen Schäden ersetzt, die sie zuletzt (nach Klagseinschränkung) mit EUR 7.504,23 bezifferte. Die Beklagte hafte ihr nach § 41 AÖSp aus der Speditionsversicherung für alle Schäden aus dem gegenständlichen Transport.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Sie wendete im Wesentlichen ein, die Schäden seien auf eine mangelhafte Verpackung und nicht auf Mängel beim Transport zurückzuführen, weshalb der Frachtführer nach Art 17 Z 4 lit b der auf den vorliegenden Fall ausschließlich anzuwendenden CMR haftungsfrei sei.
In der letzten mündlichen Streitverhandlung am 11. 6. 2002 wendete die Beklagte noch ein, für den Fall, dass die Spedition doch eine Haftung am eingetretenen Schaden treffen sollte, werde vorgebracht, dass gemäß § 5 Z 4 des SVS all jene Schäden von der Versicherung ausgeschlossen seien, die dem Grunde nach von einem Unternehmer im Güterfernverkehr zu vertreten seien.
Die Klägerin bestritt dieses Vorbringen und erwiderte: "Schon allein aus der Speditionsversicherung haftet die beklagte Partei für alle Schäden, die dem Versicherten erwachsen und wegen welcher der Spediteur auf Grund eines Verkehrsvertrages gesetzlich in Anspruch genommen wird (§ 2 der Versicherungsbedingungen für die Speditionsversicherung)". Gemäß § 41 Abs a) der AÖSp seien alle Verpflichtungen zur Regulierung von Schäden während des Transportes auf die beklagte Partei übergegangen. Das Speditionsunternehmen treffe auf Grund der vorgenannten Bestimmung eben gerade keine Haftung für die streitgegenständlichen Ansprüche.
Das Erstgericht gab dem (eingeschränkten) Klagebegehren (mit Ausnahme eines Teiles des Zinsenbegehrens) statt. Den von ihm festgestellten, sodann vom Berufungsgericht gebilligten, hier bereits eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, der Spedition, die die Organisation der Versendung der Einbauküche von Innsbruck nach Mainz übernommen und die Beförderung des Gutes selbst ausgeführt habe, kämen die Rechte und Pflichten sowohl des Spediteurs als auch eines Frachtführers zu. Auf das Rechtsverhältnis zwischen Klägerin und Spedition gelangten die Bestimmungen der CMR zur Anwendung. Die Passivlegitimation der Beklagten ergebe sich aus § 41 AÖSp und sei unbestritten. Eine Beschränkung der Haftpflicht nach § 5 SVS sei nicht ersichtlich. Der Haftungsbefreiungsgrund des Art 17 Z 4 lit b CMR greife nicht, weil die Verpackung grundsätzlich nicht ungeeignet oder mangelhaft gewesen sei; dies habe lediglich für einen Transport mittels eines LKW mit Planen-Wechselaufbau gegolten. Bei Verwendung eines Koffer-Wechselaufbaues wären die Schäden mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten. Da die Spedition als Sachverständige iSd § 1298 ABGB anzusehen sei, hätte sie die branchenunkundige klagende Partei auf die wegen der Verwendung der ungeeigneten Wechselbrücke zu erwartenden Schäden hinzuweisen gehabt. Daraus ergebe sich die Haftung der Beklagten dem Grunde nach. Da der Wert der Küche über der geltend gemachten Schadenshöhe liege, stehe der gesamte eingeschränkte Klagsbetrag zu.
Das Gericht zweiter Instanz gab der gegen die erstinstanzlichen Entscheidung erhobenen Berufung der Beklagten Folge und wies das gesamte Klagebegehren ab. Die Ausführungen des Berufungsgerichtes lassen sich dahin zusammenfassen, da eine Fixkostenspedition gemäß § 413 HGB bzw ein Selbsteintritt des Spediteurs gemäß § 412 HGB vorgelegen habe, sei Frachtrecht anzuwenden. Es kämen die Bestimmungen der CMR zur Anwendung. Da alles, was durch die CMR nicht geregelt werde, nach nationalem Vertragsrecht zu beurteilen sei, könnten außerhalb des Regelungsbereiches der CMR die AÖSp zur Anwendung gelangen, auf die sich die klagende Partei ausdrücklich berufen habe und die zwischen der Spedition und der Klägerin zumindest stillschweigend vereinbart worden seien. Gemäß § 39 lit a AÖSp sei der Spediteur, wenn der Auftraggeber es nicht ausdrücklich schriftlich untersagt habe ("Verbotskunde") zum Abschluss einer Speditionsversicherung (SVS-Eindeckung) verpflichtet. Gemäß § 41 AÖSp sei der Spediteur von der Haftung für jeden durch die Speditionsversicherung gedeckten Schaden frei, wenn die SVS-Eindeckung erfolgt sei. Gemäß § 2 SVS hafte die (führende) Versicherungsgesellschaft (nicht die Pool-Gesellschaften; §§ 18 und 19 SVS) für alle Schäden, die dem Versicherten entstünden. Durch diese Regelung werde die Haftung vom Spediteur auf die Versicherungsgesellschaft übertragen. Da ein solcher Fall der Haftungsübertragung (Haftungsverlagerung) auf eine Versicherung von der CMR nicht geregelt werde, könne diese Bestimmung der AÖSp - trotz der Maßgeblichkeit der CMR - daneben bestehen bleiben. Die Haftung der Beklagten als SVS-Versicherer richte sich grundsätzlich nach den Bestimmungen des SVS. Im gegebenen Zusammenhang sei § 5 Z 4 SVS zu beachten, wonach alle Schäden von der Versicherung ausgeschlossen seien, die dem Grunde nach von einem Unternehmen im Güterfernverkehr zu vertreten seien. Die Beklagte habe sich ausdrücklich auf diese Bestimmung berufen. Aus § 26 Abs 3 GütBefG 1995 könne abgeleitet werden, dass der Begriff "Güterfernverkehr" mit dem "grenzüberschreitenden Güterverkehr" iSd § 2 Abs 2 Z 2 GütBefG 1995 gleichzusetzen sei. Dafür spreche auch die Einschränkung in § 2 Z 2 SVS auf das Gebiet "innerhalb Österreichs". Der Versicherungsausschluss nach § 5 Z 4 SVS erstrecke sich somit auf CMR-Schäden im grenzüberschreitenden Verkehr. Im vorliegenden Fall sei die Haftung der Beklagten somit auf Grund der Bestimmung des § 5 Z 4 SVS ausgeschlossen. In der Erklärung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 16. 11. 2000, wonach bestätigt werde, dass eine eventuelle Klage nur gegen die Beklagte (und nicht gegen alle anderen Pool-Gesellschaften) einzubringen wäre, könnte allenfalls ein allgemeiner Verzicht auf den Einwand der mangelnden Passivlegitimation, keinesfalls aber ein Verzicht auf die Geltendmachung eines Versicherungsausschlusses nach § 5 SVS erblickt werden. Darauf hätte sich die Klägerin überdies aber stützen müssen, dh, sie hätte dazu ein entsprechendes Vorbringen erstatten müssen. Da dies nicht geschehen sei, habe die Bestimmung des § 5 Z 4 SVS zur Anwendung zu gelangen. Aus diesem Grund sei - auch wenn (wie vom Berufungsgericht eingehend dargelegt wird) eine Haftung (der Speditionsfirma) für die Schäden nach den CMR gegeben (gewesen) wäre - das Klagebegehren abzuweisen gewesen.
Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil der Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme und auch sonst nicht über eine erhebliche Rechtsfrage des materiellen oder formellen Rechtes zu entscheiden gewesen sei. Über Antrag der Klägerin gemäß § 508 Abs 3 ZPO änderte es diesen Ausspruch jedoch dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte. Es stelle sich zunächst die Frage, ob die Bestimmung des § 5 Z 4 SVS einen absoluten Haftungsausschluss begründe, sodass der Schadenersatzanspruch unter keinen Umständen gegen die führende Versicherung erhoben werden könne, oder ob der Umstand der mangelnden Passivlegitimation durch den Verzicht auf die Erhebung dieses Einwandes oder durch die Sittenwidrigkeit dieses Einwandes bzw der Geltendmachung des Haftungsausschlusses seitens der Beklagten durchbrochen werden könne. In diesem Zusammenhang stelle sich weiters die Frage, ob es im österreichischen Recht - ähnlich den allgemeinen Rechtscheinsgrundsätzen - einen allgemeinen Vertrauenshaftungstatbestand gebe, der aus den Elementen "Schaffen eines Vertrauenstatbestands, Zurechnung der Vertrauenserweckung zum Erklärenden, Gutgläubigkeit und Schutzwürdigkeit des Vertrauens und Vertrauensdisposition des Vertrauenden" bestehe und der zur rechtlichen Konsequenz führe, dass dem Vertrauenden ein Recht zugestanden werde, das er ohne den Vertrauenstatbestand nicht besitzen würde. Schließlich stelle sich die Frage, ob sich die Klägerin auf den - aus einer Erklärung der Beklagten ableitbaren - Verzicht auf den Einwand der mangelnden Passivlegitimation, auf die Sittenwidrigkeit bzw den Verstoß gegen Treu und Glauben durch die Geltendmachung eines Haftungsausschlusses oder auf einen allenfalls bestehenden allgemeinen Vertrauenshaftungstatbestand ausdrücklich berufen müsse. Zu diesen Fragen liege - insbesondere im Zusammenhang mit den Bestimmungen des § 5 SVS - keine abschließende Beurteilung durch das Höchstgericht vor, weshalb eine erhebliche Rechtsfrage des materiellen Rechtes entscheidungsrelevant sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin, die einen Verfahrensmangel und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Die Beklagte stellt in der Revisionsbeantwortung den Antrag, das Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist, da aus den im Beschluss des Berufungsgerichtes über den Moniturantrag angestellten Erwägungen eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofes angezeigt erscheint, zwar zulässig, aber nicht berechtigt.
Einleitend ist festzuhalten, dass die Speditionsversicherung nach hM eine Schadensversicherung bzw Haftpflichtversicherung eigener Art darstellt, die speziell auf den Ausgleich der Interessen der am Speditionsgeschäft Beteiligten zugeschnitten ist (Wolf ADSp, SVS/RVS16 66; Schauer, Versicherungsvertragsrecht3 376; 7 Ob 327/97g, VR 2000, 38, 7 Ob 248/02z ua). Im versicherungstechnischen Sinn ist die Speditionsversicherung eine laufende Versicherung auf Grund einer Generalpolizze und zugleich eine sog. Fremdversicherung, weil sie nicht dazu bestimmt ist, den Versicherungsnehmer (Spediteur), sondern dessen Auftraggeber (Wareninteressent) bzw den, dem das versicherte Interesse zusteht, zu schützen (Wolf aaO; Schauer aaO; vgl 7 Ob 327/97g; 7 Ob 275/00t, RdW 2001/612 = VersR 2002, 871; 7 Ob 248/02z). Die Versicherung deckt nach § 2 Z 1 SVS alle Schäden aus sog. "Verkehrsverträgen", worunter nach § 2 Z 2 SVS neben Speditions- jedenfalls auch Frachtverträge einschließlich der bei solchen Verträgen üblichen Nebenaufträge zu verstehen sind (RIS-Justiz RS0110477). Die SVS-Versicherer vergüten den Schaden nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen über die Haftung des Versicherungsnehmers aus dem (versicherten) Verkehrsvertrag. Sie verzichten auf die Einwendungen, welche der Spediteur aus den in den AÖSp und sonstigen Abmachungen oder Handels- und Verkehrsgebräuchen enthaltenen Bestimmungen über Ausschluss und Minderung der gesetzlichen Haftung erheben könnte (§ 3 Z 1 SVS; vgl 7 Ob 327/97g; 7 Ob 275/00t; 7 Ob 248/02z).
Vorausgeschickt sei auch noch, dass im Revisionsverfahren die grundsätzliche Vereinbarung der Geltung der AÖSp für den gegenständlichen Transport keinen Streitpunkt mehr bildet. Dass einem branchenkundigen Auftraggeber, wie die Klägerin zweifellos einer ist, grundsätzlich die Kenntnis der Bestimmungen der AÖSp (auf die sich die Klägerin selbst berufen hat) und des eine Anlage zu §§ 39 - 43 AÖSp darstellenden Speditionsversicherungsschein SVS (auf den die Klägerin ebenfalls Bezug genommen hat) ohne weiteres unterstellt werden muss, hat schon das Berufungsgericht richtig erkannt.
Kommt der Spediteur - wie hier - seinem Auftrag zur Deckung der Speditionsversicherung iSd § 39 AÖSp nach, so haftet gemäß § 41 a) AÖSp grundsätzlich der Speditionsversicherer an seiner Stelle. Die Haftungsbefreiung tritt allerdings nur in dem Umfange ein, in dem der Schaden durch die Speditionsversicherung nach den Bedingungen des SVS/RVS gedeckt ist. Fehlt die Deckung oder ist sie nicht ausreichend, weil die Haftung der Versicherer nach dem SVS/RVS etwa gemäß § 5 SVS nicht vorliegt oder begrenzt ist, so bleibt die Haftung des Spediteurs nach Maßgabe der Beschränkungen der AÖSp für den ungedeckten Teil aufrecht (Schütz in Straube, HGB I3 § 41 AÖSp Rz 5 mwN).
Als Verfahrensmangel wird von der Revisionswerberin geltend gemacht, dass das Erstgericht seine Manuduktionspflicht nach § 182 ZPO verletzt habe. Da der Einwand eines Haftungsausschlusses nach § 5 Z 4 SVS erst kurz vor Schluss der Verhandlung erster Instanz erhoben worden sei, habe darauf nicht mehr repliziert werden können, zumal die betreffenden Bedingungen des SVS nicht vorgelegt worden seien. Das Gericht hätte die Parteien mit Rechtsansichten, die zuvor niemals erörtert worden seien, nicht überraschen dürfen.
Diese Ausführungen sind in mehrfacher Hinsicht verfehlt. Zunächst ist zu betonen, dass im Hinblick darauf, dass die mündliche Streitverhandlung erster Instanz am 11. 6. 2002 (also vor dem 31. 12. 2002) geschlossen wurde, § 182a ZPO - wie die Revisionswerberin ohnehin einräumt - auf den vorliegenden Rechtsfall noch nicht anwendbar und demnach von der "alten" Rechtslage auszugehen ist. Danach kann aber dem Erstgericht ein Erörterungsmangel nicht vorgeworfen werden: Dass die Spedition bei der Beklagten eine Speditionsversicherung zu den Bedingungen des Speditionsversicherungsscheins SVS eingedeckt hat, war und ist unstrittig. Der Inhalt des eine Anlage zu den §§ 39 bis 43 der AÖSp darstellenden SVS wurde vielfach veröffentlicht (s. etwa Text und Kommentierung von Schütz in Straube, HGB I3 1395 ff) und kann daher, wie etwa auch jener der AÖSp, als iSd § 269 ZPO notorisch betrachtet werden. Eine nun geforderte Vorlage durch die Beklagte konnte umso mehr unterbleiben, als sich die Klägerin schon in der Klage und in ihrer Erwiderung auf den Einwand des Risikoausschlusses nach § 5 Z 4 SVS durch die Beklagte auch selbst auf den SVS bezogen und sich damit den Anschein der Kenntnis dessen Inhalts gegeben hat.
Nach stRsp darf das Gericht die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat (RIS-Justiz RS0037300 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Hier wurde allerdings die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht, es liege der Risikoausschlussgrund des § 5 Z 4 SVS vor, von der Beklagten in erster Instanz ausdrücklich vorgebracht und die Klägerin hat dazu auch erwidert. Von einer "Überraschungsentscheidung" (vgl Fucik in Rechberger 2 Rz 4 zu § 182 mwN) kann daher keine Rede sein. Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof auch bereits ausgesprochen, dass durch den aus § 182 ZPO abgeleiteten Grundsatz, das Gericht dürfe die Parteien mit seiner Rechtsansicht nicht überraschen, die richterliche Anleitungspflicht nicht erweitert wird (RIS-Justiz RS0108816). Im vorliegenden Anwaltsprozess musste das gegenständliche Vorbringen eines Haftungsausschlusses nach § 5 Z 4 SVS - mag es auch erst kurz vor Schluss der Verhandlung erster Instanz erstattet worden sein - den Erstrichter, der der Klägerin ohnehin Gelegenheit geboten hat, darauf zu replizieren, zu keiner weiteren Anleitung veranlassen; nach der, wie bereits erwähnt, auf den vorliegenden Fall anzuwendenden alten Rechtslage war er auch - anders als dies nun § 182a ZPO vorsieht - nicht verpflichtet, den von der Beklagten neu erhobenen Einwand mit den Parteien weiter zu erörtern.
Die von der Revisionswerberin behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist daher nicht gegeben.
In ihrer Rechtsrüge weist die Revisionswerberin vor allem darauf hin, dass sich die Einwände der Beklagten gegen das Klagebegehren bis kurz vor Schluss des Verfahrens erster Instanz darauf beschränkt haben, dass nicht die Spedition, sondern die Klägerin auf Grund unzureichender Verpackung die Transportschäden verursacht und daher selbst zu vertreten habe. Erst nach fast zweijähriger Verfahrensdauer habe die Beklagte zu einem Zeitpunkt, als der Anspruch gegen die Spedition (die sich in einem auch gegen sie angestrengten Prozess, in dem Ruhen eingetreten sei, stets auf ihre mangelnde Passivlegitimation berufen habe) schon seit geraumer Zeit verjährt gewesen sei, das Vorliegen eines Haftausschließungsgrundes nach § 5 Z 4 SVS eingewendet. Dieser Einwand sei, wie der Oberste Gerichtshof in dem vergleichbaren Fall 4 Ob 59/01g, ZVR 2002/87 entschieden habe, sittenwidrig und daher unbeachtlich; hier (schon in der Vorkorrespondenz der Parteien) wie dort habe nämlich die beklagte Partei den Anschein erweckt, sie sei der für die Klagsforderung rechtlich zuständige Adressat.
Der Revisionswerberin ist einzuräumen, dass der Vorwurf einer Sittenwidrigkeit des Vorgehens der Beklagten insbesondere auch im Sinne der Ausführungen des Obersten Gerichtshofes in der erwähnten Entscheidung 4 Ob 59/01g bedenkenswert erscheinen könnte. Dies muss allerdings hier auf Grund folgender Erwägungen nicht weiter erörtert und vertieft werden: Nach ständiger Judikatur zur Frage der Einwendung der Sittenwidrigkeit im Rechtsmittelverfahren ist eine Änderung der rechtlichen Argumentation einer Partei bzw die Geltendmachung eines neuen Gesichtspunktes bei der rechtlichen Beurteilung auch noch im Rechtsmittelverfahren zulässig, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die hiezu erforderlichen Tatsachen bereits im Verfahren erster Instanz behauptet oder festgestellt wurden (RIS-Justiz RS0016473 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Daran mangelt es im vorliegenden Fall aber schon deshalb, weil die Qualifikation des Vorgehens der Beklagten als sittenwidrig zweifellos voraussetzte, dass die Klägerin wegen Verjährung nicht mehr in der Lage wäre, ihren Anspruch gegen die Spedition durchzusetzen. Der Einwand der Sittenwidrigkeit muss daher nun jedenfalls daran scheitern, dass Verjährung des Anspruches gegen die Spedition in erster Instanz weder behauptet noch festgestellt wurde. Mangels entsprechenden Tatsachenvorbringens in erster Instanz muss der nun erhobene Einwand der Sittenwidrigkeit scheitern, da die erst jetzt erstmals dazu vorgebrachten Umstände auf Grund des Neuerungsverbotes des § 482 ZPO keine Beachtung finden können.
Ebenso verhält es sich mit dem weiteren Einwand der Revisionswerberin, die Beklagte habe entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes auf die Geltendmachung des Haftungsausschlusses nach § 5 Z 4 SVS schlüssig verzichtet. Zwar wäre ein solcher (ausdrücklicher oder konkludenter) Verzicht auf die Geltendmachung eines Risikoausschlusses - entgegen den vom Berufungsgericht in seiner Entscheidung über den Moniturantrag angedeuteten Zweifeln - grundsätzlich möglich (vgl 7 Ob 6/95). Eine entsprechende Behauptung hat die Klägerin in erster Instanz aber nicht erhoben. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann auch aus dem Inhalt des Schreibens der Beklagten an die Klägerin vom 16. 11. 2000, Blg./F, keinesfalls ein schlüssiger Verzicht auf die Geltendmachung des Risikoausschlusses nach § 5 Z 4 SVS gefolgert werden. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Speditionsversicherung nach dem SVS/RVS von einer größeren Zahl von Versicherern - ähnlich einer offenen Mitversicherung, aber im Rahmen eines einheitlichen Vertrages - abgeschlossen wird, die mit bestimmten Prozentsätzen am Risiko beteiligt sind. Einer von ihnen - hier die Beklagte - ist gemäß § 19 SVS der führende Versicherer (Schauer, aaO, 375). Wenn nun die Beklagte im erwähnten Schreiben Blg./F dem Klagevertreter nach Hinweis auf einen außergerichtlichen Vergleichsvorschlag, der nicht mehr gelte, wenn man sich doch für eine Klagsführung entscheiden sollte, "abschließend bestätigt", dass eine evtl. Klage "nur gegen unsere Gesellschaft (und nicht gegen alle anderen Pool-Gesellschaften) einzubringen wäre" kann davon, dass damit nach dem strengen Maßstab des § 863 ABGB ("kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln") ihre Passivlegitimation im Sinne eines Verzichtes auf die Geltendmachung eines Risikoausschlusses erklärt worden wäre, gar keine Rede sein.
Ebenfalls schon mangels eines entsprechenden erstinstanzlichen Vorbringens kann auch eine Haftung der Beklagten im Sinne eines vom Berufungsgericht erwogenen "allgemeinen Vertrauenshaftungstatbestandes" nicht in Frage kommen, weshalb sich diesbezügliche etwa an die Ausführungen von Mader, Rechtsmissbrauch und unzulässige Rechtsausübung 292 ff, anknüpfende Erörterungen erübrigen.
Soweit die Revisionswerberin schließlich noch der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, im vorliegenden Fall sei der Ausschlusstatbestand des § 5 Z 4 SVS verwirklicht, da der gegenständliche Transport unter den Güterfernverkehr zu subsumieren sei, mit der Behauptung widerspricht, die Schäden seien nach den betreffenden erstgerichtlichen Feststellungen zumindest zum Teil noch in Österreich (auf einem vom Erstgericht festgestellten irrtümlich unternommenen Umweg nach Reutte) eingetreten, setzt sie sich neuerlich über das Neuerungsverbot des § 482 Abs 1 ZPO hinweg. Mangels einer derartigen Behauptung in erster Instanz ist dieses Vorbringen daher unbeachtlich. Im Übrigen stellt - wie die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend bemerkt - § 5 Z 4 SVS nicht darauf ab, ob der Schaden im In- oder Ausland eintrat, sondern darauf, ob es sich um einen Güterfernverkehr im Sinne eines "grenzüberschreitenden Güterverkehrs" (§ 2 Abs 2 Z 2 GütBefG 1995) handelt, was hier, gleichgültig ob und in welchem Maße die Schäden in Österreich oder in Deutschland entstanden sind, zutrifft.
Da sich demnach alle Einwände der Revisionswerberin als nicht stichhältig erweisen, muss die Revision erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)