Spruch:
1) Die Bezeichnung der drittbeklagten Partei wird berichtigt, sodass sie zu lauten hat: U***** Versicherungen AG.
2) Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Zu 1):
Die Parteienbezeichnung der drittbeklagten Partei war gemäß § 235 Abs 5 ZPO von amtswegen richtig zu stellen (FN 92933t).
Zu 2):
Die Klägerin beauftragte die F***** GmbH mit dem Sitz in W***** (in der Folge: F*****) mit dem Transport von 50 Tonnen Milchpulver von Deutschland in die Türkei mittels Bahn zu fixen Kosten pro Tonne. Die zusätzlich zu begleichenden Kosten stellen nur einen verhältnismäßig geringen Anteil dar. Unstrittig wurde die Geltung der AÖSp vereinbart. Der Transport dauerte vom 2. 2. bis 2. 3. 1998. Die Ware wurde letztlich im März 1998 vom Empfänger angenommen. Die Klägerin bezahlte als zusätzliche Kosten unter anderem für SVS/RVS. Die SVS-Versicherung wurde eingedeckt.
Die Klägerin begehrt nun von den Beklagten als SVS-Versicherer anteilsmäßig die Bezahlung von insgesamt S 252.000 samt Anhang an im Einzelnen dargestellten Schadenersatz mit der Begründung, dass mit F***** eine Maximaltransportdauer von 10 Tagen vereinbart worden sei. Die tatsächliche Transportdauer von einem Monat sei darauf zurückzuführen, dass F***** einerseits entgegen dem ab 1. 1. 1998 geltenden Erfordernis für einen Transit durch Ungarn nicht das Original eines amtlichen Veterinärzeugnisses als Begleitpapier mitgeführt habe, sondern nur ein Duplikat (es habe das Original erst beigeschafft werden müssen), andererseits keinen Waggon-Laufplan erstellt habe, weshalb die mit 25,4 Tonnen bepackten Waggons in Jugoslawien umgepackt hätten werden müssen, weil hier ein Gewichtslimit von 24 Tonnen vorgesehen sei. Der Kunde der Klägerin habe wegen der Transportzeitüberschreitung einen Deckungskauf vornehmen müssen, wodurch ein Schaden inklusive Kosten für neues Akkreditiv udgl in der Höhe von insgesamt DM 36.000 entstanden sei. Die Annahme der Ware sei erst nach mühsamer Intervention der Klägerin erfolgt, wobei F***** die Bezahlung der Forderung des Empfängers abgelehnt habe.
Die Beklagten wandten ein, dass der türkische Empfänger, nicht jedoch die Klägerin aktiv legitimiert sei. Die Beklagten seien nicht passiv legitimiert, da auf Grund der Spedition zu fixen Kosten die CIM, und nicht die AÖSp anzuwenden seien und daher keine Deckung aus dem SVS bestehe. Weiters sei durch die Verspätung kein Schaden entstanden. Die Klägerin sei selbst verpflichtet gewesen, die erforderlichen Begleitpapiere beizugeben. F***** habe auf die Verzögerung keinen Einfluss gehabt. Es bestehe kein Anspruch gegen die Eisenbahn, wenn die Ware vom Empfänger angenommen worden sei. Der Schaden sei mit dem Dreifachen der Frachtkosten limitiert. Es stünden nur 5 % Zinsen nach CIM zu.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, dass gemäß § 413 Abs 1 HGB auf die Fixkostenspedition ausschließlich Frachtrecht anzuwenden sei. Der Verweis auf Frachtrecht sei unabdingbar und führe zur Unwirksamkeit einer allfälligen Vereinbarung über die Geltung der AÖSp. Dies bedeute, dass kein durch den Speditionsversicherungsschein gedeckter Schaden vorliege und die Beklagten passiv nicht klagslegitimiert seien.
Infolge der Berufung der Klägerin hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht, weil dieses weder festgestellt habe, ob ein durchgehender Frachtbrief ausgestellt worden sei noch welche Strecken der gegenständliche Transport befahren habe sollen, noch, ob die Strecken in den nach "Art 59" aufgestellten Liste angeführt seien. Es sei daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht klar, ob die CIM oder die AÖSp Anwendung finden.
Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil eine Rechtsprechung zur Anwendung der CIM nicht vorliege.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, in der Sache im klagsabweisenden Sinn zu entscheiden, in eventu den Beschluss des Berufungsgerichtes aufzuheben und diesem die neuerliche Entscheidung aufzutragen.
Die Klägerin beantragt, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Der Rekurs der Beklagten ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach der vom Berufungsgericht überprüften Tatsachengrundlage vereinbarte die Klägerin mit F***** eine Spedition zu fixen Kosten, da lediglich einzelne Kosten, die nur einen geringen Anteil an den Gesamtkosten darstellen, der gesonderten Verrechnung vorbehalten waren (Schütz in Straube I2, § 413 HGB Rz 3, Kerzendorfer/Geist in Jabornegg, § 413 HGB, Rz 1 ff mwN). Der Fixkostenspediteur unterliegt gemäß § 413 Abs 1 HGB ausschließlich dem Frachtrecht. Sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, gelangen nicht nur die Bestimmungen der §§ 425 ff HGB, sondern auch die Bestimmungen der Sonderfrachtrechte zur Anwendung (7 Ob 586/93, 7 Ob 3/94 je mwN). Welches Frachtrecht anzuwenden ist, richtet sich nach dem Beförderungsmittel (4 Ob 127/99a). Dies kann daher auch Eisenbahnfrachtrecht sein (4 Ob 127/99a; Kerzendorfer/Geist aaO, Rz 7 mwN).
Nach deren § 2 lit c zweiter Satz gehen den AÖSp gesetzliche Bestimmungen zwingender Natur vor und schränken den Wirkungskreis der AÖSp sinngemäß ein. Entgegenstehende Vereinbarungen über die Anwendung der AÖSp sind nichtig. Soweit keine zwingende Haftung vorgesehen ist, verdrängen jedoch die AÖSp das sonst anzuwendende Frachtrecht. Insoweit herrscht Vertragsfreiheit (7 Ob 586/93, 7 Ob 3/94 je mwN).
Im vorliegenden Fall sollte der Transport von Deutschland in die Türkei, beide Mitgliedstaaten des COTIF und der CIM (Spera, Internationales Einsenbahnfrachtrecht, 1.1 (2); Mutz in Münchner Kommentar, Bd. 7, S. 1516, Helm in GroßK3, § 460 HGB, Anh II (Art. 1 CIM), Anm 5), mittels Eisenbahn erfolgen. Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen würden die geltend gemachten Ansprüche daher den CIM unterliegen (Überschreitung der Lastgrenze: Art 23 CIM; Begleitpapiere: Art 25 CIM; Verspätungsschäden: Art 36 CIM).
Mit Bezug auf das Eisenbahnbeförderungsgesetz (EBG) sprach der Oberste Gerichtshof bereits aus, dass das Eisenbahnfrachtrecht als zwingend anzusehen ist (4 Ob 127/99a). Schütz aaO § 413 HGB, Rz 1, und Csoklich in Einführung in das Transportrecht, S 60, vertreten diese Ansicht ausdrücklich zu den CIM.
Gemäß Art 51 CIM kann in allen Fällen, auf welche die einheitlichen Rechtsvorschriften Anwendung finden, gegen die Eisenbahn ein Anspruch auf Schadenersatz, auf welchem Rechtsgrund er auch beruht, nur unter den darin vorgesehenen Voraussetzungen und Beschränkungen geltend gemacht werden. Auch wenn im Gegensatz zu zB Art 41 CMR nicht die Nichtigkeit entgegenstehender Vereinbarungen angeordnet wird, ergibt sich nach Ansicht des erkennenden Senates aus der beabsichtigten Vereinheitlichung des Sonderfrachtrechtes der Eisenbahn im internationalen Verkehr doch auch der zwingende Charakter der Haftungsbestimmungen der CIM. Soweit also die CIM eine Haftung vorsehen, verdrängen sie in diesem Umfang die vereinbarten AÖSp. Dies bedeutet, dass der Fixkostenspediteur für Ansprüche aus dem Eisenbahnfrachtvertrag selbst haftet und sich nicht auf die Haftungsbefreiung nach § 41a AÖSp berufen kann.
Dies hat aber auf die Haftung der beklagten SVS-Versicherer keinen Einfluss. Die CIM verbieten nämlich nicht die Eindeckung einer SVS-Versicherung, diesbezüglich kommt es zu keiner Verdrängung der AÖSp. Wird also die SVS/RVS-Versicherung bei einem den CIM unterliegenden Transport eingedeckt, so haften die SVS-Versicherer neben dem Fixkostenspediteur nach den Bestimmungen des SVS.
Die Speditionsversicherung ist gemäß § 1 SVS eine Versicherung für fremde Rechnung. Versichert ist der Wareninteressent als Auftraggeber oder derjenige, dem das versicherte Interesse zur Zeit des den Schaden verursachenden Ereignisses zustand. Die Versicherung deckt nach § 2 Z 1 SVS alle Schäden aus sogenannten "Verkehrsverträgen", worunter nach § 2 Z 2 SVS neben Speditions- jedenfalls auch Frachtverträge zu verstehen sind (7 Ob 327/97g, 1 Ob 375/98y, Schütz aaO § 415 HGB Anhang II SVS/RVS § 2, Rz 1). Die SVS-Versicherer vergüten den Schaden nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen über die Haftung des Versicherungsnehmers aus dem Verkehrsvertrag. Sie verzichten auf die Einwendungen, welche der Spediteur aus den in den AÖSp und sonstigen Abmachungen oder Handels- und Verkehrsgebräuche enthaltenen Bestimmungen über Ausschluss und Minderung der gesetzlichen Haftung erheben könnte (§ 3 Z 1 SVS). Damit wird der Umfang der Haftung der Speditionsversicherer nicht nach Maßgabe der Speditionsbedingungen bestimmt (Helm, GroßK4, § 415 HGB, Anhang II § 3 SVS Anm 1; in diesem Sinn auch P. Bydlinski in Münchener Kommentar, Bd. 7, S 266)). Dies bedeutet, dass die SVS-Versicherer auch dann nach Maßgabe des SVS haften, wenn auf den Schadensfall auf Grund zwingender anderer Bestimmungen die AÖSp insoweit nicht anzuwenden sind. Die Beklagten wären daher auch in dem Fall, dass die CIM zur Anwendung gelangten, was zur Zeit noch nicht beurteilt werden kann, passiv legitimiert.
Die Aktivlegitimation der Klägerin ergibt sich (vorläufig) daraus, dass es sich um eine Versicherung auf fremde Rechnung handelt und das Wareninteresse unter anderem des Auftraggebers versichert ist (§ 1 SVS; Helm, aaO, § 415, Anhang I (§ 39 ADSp), Anm 5, Bydlinski aaO, S 265, Csoklich aaO S 147).
Das Berufungsgericht hat aber richtig erkannt, dass die erstgerichtlichen Feststellungen noch nicht ausreichen, um beurteilen zu können, ob nun der gegenständliche Rechtsfall den CIM unterliegt. Voraussetzung dafür ist die Versendung von Gütern mit durchgehendem Frachtbrief zur Beförderung auf einem Weg, der die Gebiete mindestens zweier Mitgliedstaaten berührt und ausschließlich Linien umfasst, die in den Listen gemäß Art 3 und 10 des Übereinkommens eingetragen sind (Art 1 § 1 CIM). Nach den Feststellungen ist bisher nur klar, dass das Gebiet zweier Mitgliedstaaten berührt wird, offen bleibt aber, ob ein durchgehender Frachtbrief beigegeben wurde und welche Vereinbarung die Parteien darüber getroffen haben, auf welchen Linien die Sendung befördert werden sollte und ob diese Linien in den oben genannten Listen eingetragen sind. Maßgebend ist nämlich nur der vereinbarte Transportweg und nicht jener, auf dem die Sendung tatsächlich befördert wurde (Spera, Internationales Eisenbahnfrachtrecht, 1.3 (7)). Die Voraussetzungen der Anwendbarkeit der CIM können aber nur auf Grund entsprechender erstgerichtlicher Feststellungen geprüft werden.
Das Erstgericht wird daher erst nach Ergänzung des Beweisverfahrens abklären können, welches (Sonder)Frachtrecht im vorliegenden Rechtsfall zur Anwendung gelangt und wird dann erst in der Lage sein, zu beurteilen, welche Feststellungen es für die abschließende Beurteilung der Rechtssache benötigt.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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