Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die A***** GmbH hat die Beklagte im November 1996 beauftragt, ein Fotoausarbeitungsgerät zur Firma D***** in Graz zu befördern. Die Beklagte hatte den Transport als Sammelspedition zu fixen Kosten angeboten.
Die Beklagte holte das Gerät am 11. 11. 1996 bei der A***** GmbH mit ihrem LKW ab und übergab es in Wien-Matzleinsdorf den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Die ÖBB beförderten das Gerät nach Graz; in Graz-Puntigam wurde es - ob vom Empfänger oder von der Beklagten, konnte nicht festgestellt werden - abgeholt.
Bei der Ankunft in Graz wurde festgestellt, daß das Gerät am Gehäuse auf der Hinterseite und an der rechten Seite sowie am linken Oberteil verbogen und der Innenteil verschoben war. Am Monitor waren Tasten abgebrochen. Das verbogene Gehäuse ließ starke Beschädigungen im Innern der Maschine befürchten. Wegen der zu erwartenden hohen Reparaturkosten nahm der Sachverständige einen Totalschaden an; den durch die allfällige Verwendbarkeit von Ersatzteilen gegebenen Restwert setzte er mit 20 % des Handelswerts fest. Daß ein Verpackungsmangel vorgelegen wäre, konnte nicht festgestellt werden.
Die Beklagte wird grundsätzlich als Spediteur tätig; alle ihre Geschäftsdrucksorten tragen den Aufdruck, daß sie ausschließlich aufgrund der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp) arbeitet. Die Beklagte verfügt über eine SVS-Generalpolizze. Sie hat den am Fotoausarbeitungsgerät eingetretenen Schaden ordnungsgemäß gemeldet; der Schaden ist durch die SVS gedeckt.
Die Klägerin hat den Schaden als Transportversicherer der A***** GmbH liquidiert.
Die Klägerin begehrt 408.000 S sA. Das beschädigte Gerät sei 816 kg schwer und 974.092,10 S wert gewesen. Gemäß § 98 Abs 2 Eisenbahnbeförderungsgesetz (EBG) in Verbindung mit P 46 Punkt 2 ÖGT I betrage der Haftungshöchstbetrag 500 S pro Kilogramm. Gemäß § 67 VersVG seien die Ansprüche der Auftraggeberin auf die Klägerin übergegangen.
Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Sie sei als Spediteur tätig geworden; Frachtrecht sei nicht anzuwenden. § 54 lit a Z 2 AÖSp begrenze die Haftung mit 12.230 S; nach § 64 AÖSp sei der Anspruch der Klägerin verjährt. Das EBG sei auf das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Spediteur nicht anzuwenden; es sei, wenn überhaupt, so nur für die öffentlichen Eisenbahnen zwingendes Recht.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Für das Verhältnis zwischen der Beklagten und ihrer Auftraggeberin sei Frachtrecht maßgebend. Der Eisenbahnfrachtvertrag sei nur zwischen der Beklagten und den ÖBB zustandegekommen; die A***** GmbH und die Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin könnten sich nicht auf Bestimmungen des EBG berufen. Nach § 52 lit c AÖSp hafte der Spediteur auch in den Fällen der §§ 412, 413 HGB nur nach Maßgabe der AÖSp. Zwingendes Frachtrecht stehe dem nicht entgegen. Nach den AÖSp treffe die Beklagte keine Haftung.
Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichts auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es stehe nicht fest, auf welcher Teilstrecke der Schaden eingetreten sei. In einem solchen Fall müsse sich der Frachtführer/Spediteur das für den Anspruchsteller günstigste Frachtrecht entgegenhalten lassen. Nach den in Betracht kommenden Sonderfrachtrechten - CMR und EBG - seien Haftungsbeschränkungen des Frachtführers bei grober Fahrlässigkeit unwirksam. Der Entlastungsbeweis bei leichter Fahrlässigkeit obliege dem Frachtführer; bei grober Fahrlässigkeit treffe ihn die Pflicht, seine Organisation zur Sicherung des übernommenen Guts und die im konkreten Fall getroffenen Maßnahmen darzulegen. Die Klägerin habe nicht bewiesen, daß die Beklagte vorsätzlich oder grob schuldhaft gehandelt habe; die Beklagte habe den sie treffenden Entlastungsbeweis für das Fehlen leichter Fahrlässigkeit nicht erbracht. Sowohl die CMR als auch das EBG seien zwingendes Recht; eine allfällige Vereinbarung über die Anwendung der AÖSp sei daher unabhängig davon unwirksam, ob der Schaden beim Straßen- oder beim Schienentransport eingetreten sei.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs der Beklagten ist zulässig, weil die Entscheidung 6 Ob 349/97k zwar ausspricht, daß das EBG zwingendes Recht sei, dies aber nicht näher begründet; der Rekurs ist nicht berechtigt.
Das Bundesgesetz über die Beförderung von Personen, Reisegepäck und Gütern mit der Eisenbahn (Eisenbahnbeförderungsgesetz - EBG), BGBl 1988/180, hat mit Wirksamkeit vom 1. 9. 1988 die Eisenbahn-Verkehrsordnung, BGBl 1967/170, ersetzt (§ 116 Abs 2 EBG). Es regelt die Beförderung von Personen, Reisegepäck und Gütern auf allen dem öffentlichen Verkehr dienenden Eisenbahnen und verdrängt insoweit die Bestimmungen des HGB (§ 453 Abs 1 HGB). § 2 Abs 1 EBG trägt der Eisenbahn auf, die zum EBG notwendigen näheren Bestimmungen als Beförderungsbedingungen festzusetzen. Nach § 2 Abs 2 EBG benötigt die Eisenbahn für vom EBG abweichende Beförderungsbedingungen keine Genehmigung des zuständigen Bundesministers, sofern das EBG vorsieht, daß sie andere Bestimmungen festsetzen kann. In allen anderen Fällen sind Abweichungen vom Gesetz ohne Genehmigung des zuständigen Bundesministers ungültig (§ 2 Abs 3 EBG); abweichende Bedingungen und deren Genehmigung sind nur unter den im Gesetz näher festgelegten Voraussetzungen zulässig.
Aus § 2 EBG folgt, daß die Bestimmungen des EBG zwingendes Recht sind, soweit das Gesetz nicht Abweichungen zuläßt (Csoklich, Einführung in das Transportrecht 58; s auch Schütz in Straube, HGB**2 § 425 Rz 2 mwN). Daß das EBG - anders als andere Sondergesetze auf dem Gebiet des Frachtrechts (§ 29f LuftVG; Art 32 WA; Art 41 CMR) - keine Bestimmung enthält, die abweichende Regelungen ganz allgemein für ungültig erklärt, kann daher entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zur Annahme führen, der Gesetzgeber habe, anders als für den Straßengüterverkehr und für den Luftverkehr, für den Bereich des Eisenbahnfrachtrechts keine zwingenden Bestimmungen vorsehen wollen.
Eine solche Auffassung setzt eine nicht weiter begründete und auch nicht begründbare Sonderstellung des Eisenbahnfrachtrechts voraus. Sie läßt auch außer acht, daß Eisenbahnfrachtrecht auch schon bisher als zwingend angesehen wurde (SZ 2/104 zu § 95 Eisenbahn-Betriebsreglement; s auch SZ 48/11 zur Eisenbahnverkehrsordnung, BGBl 1967/170). Dem lag der Gedanke zugrunde, daß die Rechtslage aller Parteien gegenüber der Eisenbahn bei gleicher Sachlage die gleiche sein soll (Pisko, Lehrbuch des österreichischen Handelsrechtes 252f). Die Entscheidung 6 Ob 349/97k setzt daher die Bestimmungen des EBG insoweit den ausdrücklich als zwingend normierten Bestimmungen der CMR gleich.
Der Beklagten ist aber zuzustimmen, daß nicht alle Bestimmungen des EBG zwingendes Recht sind. So sieht das Gesetz wiederholt vor, daß die Eisenbahn abweichende Bestimmungen festsetzen kann (ua § 12 Abs 3 [Öffnen der Warteräume]; § 15 Abs 2, 6 [Fahrausweise]; § 34 Abs 3 [Beförderung von Reisegepäck]; § 38 [Angabe bestimmter Züge]; § 57 Abs 3 [Frachtbriefe]; § 64 [Abholen]; § 69 Abs 6 [Besondere Vereinbarungen über die Annahme des Gutes]; § 82 Abs 6 [Erteilen von Anweisungen bei Beförderungshindernissen]; § 83 [Besondere Vereinbarungen über Lieferfristen]; § 91 Abs 4 [Erteilen und Weiterleiten von Anweisungen]). Eine solche Ermächtigung fehlt aber bei jenen Bestimmungen, die die Leutehaftung (§ 5 EBG), die Haftung der Eisenbahn für Schäden (§§ 94 ff EBG) und die Verjährung von Ansprüchen aus dem Frachtvertrag (§ 111 EBG) regeln. Die im vorliegenden Fall relevanten Bestimmungen sind daher, wie (zB) auch schon § 95 Eisenbahn-Betriebsreglement als Regelung des Ausmaßes der Ersatzpflicht (SZ 2/104), zwingendes Recht.
Mit §§ 94 ff EBG wird die Haftung der Eisenbahn für Schäden geregelt, die aus (ua) einer Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Annahme bis zur Ablieferung entstehen. Die Beklagte will daraus ableiten, daß diese Bestimmungen nur zwischen der Eisenbahn und dem Spediteur als deren Auftraggeber und nicht auch zwischen dem Spediteur und dessen Auftraggeber gelten. Die Beklagte meint, daß dies auch dann der Fall wäre, wenn die Voraussetzungen des § 413 HGB vorliegen.
Nach § 413 Abs 1 HGB hat der Spediteur ausschließlich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers, wenn er sich mit dem Versender über einen bestimmten Satz der Beförderungskosten geeinigt hat. Bei einer Spedition zu festen Kosten ist demnach ausschließlich Frachtrecht maßgebend.
Welches Frachtrecht anzuwenden ist, richtet sich nach dem Beförderungsmittel. Umfaßt ein Transportauftrag verschiedene Beförderungsmittel, so sind die für das jeweilige Beförderungsmittel maßgebenden Haftungsordnungen nebeneinander anzuwenden (network-System; SZ 67/4; zuletzt 6 Ob 349/97k). Das kann dazu führen, daß - wie im vorliegenden Fall - neben der CMR als der nach dem Binnengüterbeförderungsgesetz BGBl 1990/459 auch für Straßengütertransporte im Inland maßgebenden Regelung auch das EBG als die Haftungsordnung für Schienentransporte anzuwenden ist. Daß zwischen dem Versender und dem Spediteur kein Eisenbahnfrachtvertrag abgeschlossen wird, schließt die Anwendung des EBG nicht aus; maßgebend ist, daß ein Teil des vom Spediteur zu fixen Kosten übernommenen Transports mit der Eisenbahn abgewickelt wird. In einem solchen Fall richtet sich die Haftung des Spediteurs gemäß § 413 Abs 1 HGB nach dem für Schienentransporte maßgebenden Frachtrecht und damit nach dem EBG. Da die Bestimmungen des EBG über die Haftung bei (ua) Beschädigungen des zum Transport übernommenen Gutes, ebenso wie die entsprechenden Bestimmungen der CMR, zwingendes Recht sind, können sie durch die AÖSp nicht abgeändert werden.
Das Berufungsgericht hat der Beklagten daher zu Recht jede Berufung auf die AÖSp verwehrt. Da nicht feststeht, ob das Fotoausarbeitungsgerät beim Transport zum Bahnhof oder beim Transport mit der Bahn beschädigt wurde, muß sich die Beklagte die für den Anspruchsteller günstigste Haftungsordnung entgegenhalten lassen (s 6 Ob 149/97k).
Das Berufungsgericht hat den Sachverhalt demnach rechtlich richtig beurteilt. Der Rekurs mußte erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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