Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.623,04 (darin enthalten S 603,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Juli 1991 erteilte die D***** GesmbH der beklagten Partei als Fixkostenspediteur den Auftrag, eine Sendung Gewebe im Gewicht von 154 kg von Leonding an die W***** in Wr.Neustadt zu befördern. Die D***** GesmbH und die beklagte Partei unterhalten eine ständige Geschäftsbeziehung, die Anwendung der AÖSp gilt als vereinbart. Das Gewebe wurde zunächst im Bahnsammelladungsverkehr von Leonding nach Wien verschickt, wo es am 19.Juli 1991 ankam. Das Frachtgut wurde in den Lagerräumen der ***** AG in Wien, deren sich die beklagte Partei als Erfüllungsgehilfin bediente, zwischengelagert und sollte am Folgetag mittels LKW nach Wr.Neustadt weiterbefördert werden. Es kam noch vor der Weiterversendung aus den Lagerräumen auf nicht mehr feststellbare Weise abhanden.
Die Fa. D***** GesmbH hat bei der klagenden Partei eine Transportversicherung abgeschlossen. Sie hat ihre Ansprüche an die klagende Partei abgetreten.
Mit der am 15.Juli 1992 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin unter anderem den im Revisionsverfahren maßgeblichen Betrag von S 50.375 s.A. Die Beklagte sei nicht in der Lage, die Ursache der Verluste aufzuklären und hafte daher wie für vorsätzliches Handeln. Sie hafte auch nach den Bestimmungen der §§ 413, 439 a HGB sowie nach CMR. Die kürzere Verjährungsbestimmung des § 64 AÖSp komme nicht zum Tragen. Auch bei Nichtanwendbarkeit der CMR könne sich die beklagte Partei nicht auf die Haftungsbeschränkungen der AÖSp berufen, weil die Nichtaufklärbarkeit des Verlustes von 154 kg Gewebe offenbar in groben Organisationsmängeln der beklagten Partei ihre Ursache habe. Auch im Falle eines Eisenbahntransportes komme es wegen der sonderfrachtrechtlichen Normen zum selben Ergebnis. Die Klage sei jedenfalls innerhalb der Verjährungsfrist eingebracht worden.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Frachtgut sei mittels Sammelwaggons und nicht mittels LKW befördert worden, eine Haftung nach § 439 a HGB bestehe daher nicht. Die beklagte Partei habe jede nur erdenkliche kaufmännische und speditionelle Sorgfalt angewendet, um Diebstählen oder Verlusten vorzubeugen. Die Sendung sei bei der Zwischenlagerung in Verlust geraten. Derartige Verluste seien trotz aufwendiger vorbeugender organisatorischer Maßnahmen nicht zu verhindern. Der Anspruch sei nach § 64 AÖSp jedenfalls verjährt.
Das Erstgericht wies den im Revisionsverfahren relevanten Teil des Klagebegehrens ab. Es vertrat ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen die Rechtsansicht, daß zwischen der beklagten Partei und der D***** GesmbH die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen anzuwenden seien. Der Verlust sei während der Zwischenlagerung im Magazin eingetreten, weshalb weder die Sonderfrachtnormen der CMR noch der CIM angewendet werden könnten. Der Anspruch sei nach § 64 AÖSp verjährt, weil die Klage weit über sechs Monate nach dem Tag der bekannten Ankunft am 20.Juli 1991 bei Gericht überreicht worden sei.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung zur Frage, ob die Zwischenlagerung bei einem multimodalen Transport zu einer Unterbrechung der sonderfrachtrechtlichen Haftung führe, nicht bestehe.
Dagegen richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag auf Stattgebung des Klagebegehrens.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die klagende Partei vertritt weiterhin die Ansicht, die Zwischenlagerung des Transportgutes unterliege sonderfrachtrechtlichen Normen und sei daher nicht als rein speditionelle Tätigkeit anzusehen. Nach den in Betracht kommenden eisenbahnfrachtrechtlichen (EBG) und straßenverkehrsfrachtrechtlichen (CMR) Normen sei der Anspruch nicht verjährt, weil die Klage innerhalb der einjährigen Verjährungsfrist eingebracht worden sei. Die Zwischenlagerung gehöre zu den Nebenpflichten des Frachtführers und sei nach frachtrechtlichen, nicht aber nach speditionsrechtlichen Normen zu beurteilen. Die beklagte Partei hafte für die Zwischenlagerung sowohl nach CMR als auch nach dem EBG. Auf Grund der zwingenden Bestimmungen dieser Sondernormen seien die AÖSp unanwendbar. Da eine exakte Zuordnung des Zeitpunktes des Verlustes zu einer der beiden anzuwendenden Sonderfrachtnormen nicht möglich sei, erscheine es geboten, in diesem Falle der Haftung der beklagten Partei nach dem Grundsatz der Gesamtbetrachtung zu beurteilen, um eine unbillige Benachteiligung des Auftraggebers zugunsten des nach Frachtrecht haftenden Spediteurs zu vermeiden.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Fixkostenspediteur unterliegt gemäß § 413 Abs 1 HGB ausschließlich dem Frachtrecht. Sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, gelangen nicht nur die Bestimmungen der §§ 425 ff HGB zur Anwendung, sondern auch die Bestimmungen des Sonderfrachtrechtes, wie etwa der CMR. Enthalten diese zwingende Vorschriften, ist die allfällige Vereinbarung über die Anwendung der AÖSp nichtig (vgl. EvBl 1982/45 = SZ 54/160). Soweit eine zwingende Haftung aber nicht vorgesehen ist, verdrängen die AÖSp das sonst jeweils anzuwendende Frachtrecht (Helm in HGB Großkommentar V/1, Anm 7 zu § 413 HGB, Koller Transportrecht2, Rz 5 zu § 413 HGB). Insoweit herrscht Vertragsfreiheit.
Nach dem Akteninhalt war eine bestimmte Versendungsart des Transportgutes nicht vereinbart. Die Auswahl des Transportweges und der Transportart lag daher im pflichtgemäßen Ermessen der beklagten Partei (Koller aaO Rz 14 zu § 412 HGB).
Wird eine Beförderung mit mindestens zwei verschiedenen Transportmitteln auf Grund eines einheitlichen Frachtvertrages durchgeführt, spricht man von einem kombinierten bzw multimodalen Transport (Czoklich, Einführung in das Transportrecht, 320 ff). Nach einigen älteren deutschen Entscheidungen sollte bei Beförderung mit verschiedenen Transportmitteln das auf den überwiegenden Streckenanteil anzuwendende Recht für die Gesamtbeförderung maßgeblich sein (vgl die Darstellung der Rechtsprechung bei Koller aaO Rz 12 zu § 412 HGB). Diese Rechtsprechung stieß auf die Kritik der deutschen Lehre (Koller aaO Rz 13 zu § 412 HGB, Czoklich aaO, 327). In der neueren Rechtsprechung ist der BGH vom Gesichtspunkt der Gesamtbetrachtung abgerückt und stellt grundsätzlich auf das Recht der Teilstrecke ab, auf der der Schaden entstanden ist. So hat der BGH ausdrücklich ausgesprochen, daß sich in jenen Fällen, bei denen der erteilte Transportauftrag von vorneherein die Beförderung mit verschiedenen Beförderungsmitteln zum Gegenstand hat (LKW, Eisenbahn), die Ersatzpflicht des mit der Beförderung über die gesamte Strecke beauftragten Frachtführers (bzw in den Fällen der §§ 412 und 413 HGB die Ersatzpflicht des Spediteurs) stets nach der für das jeweilige Beförderungsmittel geltenden Haftungsordnung richtet ("network-System") (VersR 1987, 1212).
Nach der Ansicht des erkennenden Senates, der sich dieser Rechtsmeinung angeschlossen hat (7 Ob 3/94), sind die für die jeweiligen Teilstrecken geltenden Haftungsbestimmungen nicht nur dann maßgeblich, wenn von vorneherein feststeht, daß der Transport mit verschiedenen Beförderungsmitteln durchgeführt werden soll, sondern auch dann, wenn der Spediteur in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens bestimmte Transportarten und -wege gewählt hat. Danach ist grundsätzlich das Frachtrecht des jeweils ausgeführten Transportabschnittes anzuwenden (vgl Koller aaO Rz 14 zu § 412 HGB). Es ist daher Sache des Spediteurs, darzulegen und zu beweisen, mit welchen Transportmitteln auf welcher Strecke das Gut befördert worden ist.
Nach diesen Erwägungen kann der Ansicht der klagenden Partei, das Schadensereignis sei im Lichte der "Gesamtbetrachtung" dem Eisenbahnrecht zuzuordnen, nicht gefolgt werden.
Eisenbahnrecht kann schon deshalb nicht angewendet werden, weil sich der Schaden nicht innerhalb des Zeitraumes, in dem sich das Gut in der Obhut der Eisenbahn befand, ereignete. Die Obhutszeit endet nämlich mit der Ablieferung, in diesem Falle mit der Zwischenlagerung des Transportgutes in den Räumen des von der beklagten Partei herangezogenen Erfüllungsgehilfen.
Für die Anwendung der Haftungsbestimmungen nach CIM bleibt auch deshalb kein Raum, weil ein grenzüberschreitender Verkehr nicht vorliegt und eine dem § 439 a HGB analoge Bestimmung über die allfällige Geltung der eisenbahnrechtlichen Haftung auch auf nationale Transporte nicht besteht.
Das Schadensereignis kann aber auch (noch) nicht dem Straßengüterverkehrsrecht bzw CMR-Recht zugeordnet werden, weil ein solcher Transport tatsächlich noch gar nicht stattgefunden hat.
Damit fällt aber das Schadensereignis in den Geltungsbereich der dispositiven frachtrechtlichen Normen des HGB. Es sind daher die vereinbarten AÖSp anzuwenden. Da die Klage erst nach Ablauf der sechsmonatigen, ab Juli 1991 laufenden Frist eingebracht wurde, ist der Klagsanspruch gemäß § 64 AÖSp verjährt; eine vorsätzliche Herbeiführung des Verlustes (§ 414 Abs 4 HGB) wurde nicht behauptet.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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