OGH 9ObA142/03b

OGH9ObA142/03b17.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Dr. Alexius V*****, Bundesbahnbeamter, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichische Bundesbahnen, 1010 Wien, Elisabethstraße 9, vertreten durch Dr. Peter Kunz ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (EUR 36.336,42) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Juni 2002, GZ 9 Ra 137/02m-19, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 31. Jänner 2002, GZ 26 Cga 170/00k-14, bestätigt wurde, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.151,79 (darin EUR 358,64 USt) bestimmtem Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Nicht konkret bestritten bzw ausdrücklich zugestanden ist folgender Sachverhalt:

Der Kläger ist seit 1982 bei den ÖBB im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses beschäftigt, aber unkündbar ("Bundesbahn-Beamter"). Auf sein Dienstverhältnisse kamen jedenfalls auch die einschlägigen Regelungen der Bundesbahn-Pensionsordnung 1966 (BB-PO 1966) "in ihrer jeweils geltenden Fassung" zur Anwendung. Die BB-PO 1966 wurde von der Beklagten bzw ihren Rechtsvorgängern mehrmals mit Zustimmung der Personalvertretung novelliert. Den mit der 27. Novelle zur BB-PO 1966 vorgenommenen Verschlechterungen hat der Kläger nicht zugestimmt.

Am 31. 12. 1994 einigten sich Vorstand und Personalvertretung der Beklagten auf "Allgemeine Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB)". Diese traten mit 1. 1. 1996 in Kraft. Gemäß § 1 Abs 1 gelten die Allgemeinen Vertragsbedingungen für alle Dienstverhältnisse zu den Österreichischen Bundesbahnen. Sie finden gemäß Abs 3 in der jeweils geltenden Fassung auf das Dienstverhältnis Anwendung. Schon durch das Bundesbahngesetz 1992 (BBG), BGBl 825/1992, wurde der als Zweig der Betriebsverwaltung des Bundes gebildete Wirtschaftskörper "Österreichische Bundesbahnen" Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (§ 1 Abs 1). Gemäß § 21 BBG setzt das Unternehmen Österreichische Bundesbahnen die Rechte und Pflichten des Bundes gegenüber den aktiven Bediensteten und den Empfängern von Ruhe- und Versorgungsgenüssen fort, der Bund trägt den Pensionsaufwand (Abs 2); die Österreichischen Bundesbahnen haben an diesen monatlich einen Beitrag von 26 % des Aufwands an Aktivbezügen für Bundesbahnbeamte zur Deckung des Pensionsaufwandes zu leisten (Abs 3).

Mit 1. Oktober 2000 trat das - nach Aufhebung des Pensionsreformgesetzes 2000 - mit Pensionsreformgesetz 2001 geschaffene Bundesgesetz über die Pensionsversorgung der Beamten der Österreichischen Bundesbahnen - Bundesbahn-Pensionsgesetz (BB-PG) in Kraft. Dieses Gesetz regelt gemäß seinem § 1 Abs 1 Z 1 unter anderem die Versetzung in den dauernden Ruhestand der Angestellten der Österreichischen Bundesbahnen, für die § 67 Abs 3 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB) gilt. Nach dem letzten Satz des Abs 1 dieser Gesetzesstelle treten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes an die Stelle bisheriger und künftiger vertraglicher Regelungen über die Versetzung in den dauernden Ruhestand und über Pensionsansprüche der in Z 1 bis 3 angeführten Personen. Gemäß § 2 Abs 1 Z 3 BB-PG sind Angestellte der Österreichischen Bundesbahnen im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 frühestens 18 Monate, nachdem sie die Anwartschaft auf Ruhegenuss im Höchstausmaß erreicht haben, auf ihr Ansuchen von den Österreichischen Bundesbahnen in den dauernden Ruhestand zu versetzen. Mit § 54a BB-PG wurden Übergangsbestimmungen zu § 2 dergestalt geschaffen, dass für die Zeit vom 1. Oktober 2000 bis 30. September 2002 anstelle von 18 Monaten gestaffelte Zeiträume, beginnend mit zwei Monaten und endend mit 16 Monaten, zu treten haben.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sich sein Pensionsanspruch gegenüber der beklagten Partei weiterhin nach der Pensionsordnung 1966 in ihrer Fassung vor der im Veröffentlichungsorgan der beklagten Partei "Arbeits- und Sozialrechts-Info 4/1999" kundgemachten "27. Novelle der BB-PO 1966", "Richtlinien 57 und 58", sowie in ihrer Fassung vor dem mit BGBl I 95/2000 erlassenen Bundesbahn-Pensionsgesetz bestimme, weiters dass die mit der 27. Novelle der BB-PO 1966 sowie mit BGBl. I 95/2000 (Bundesbahn-Pensionsgesetz) eingeführten neuen Regelungen nicht zum Vertragsinhalt der zwischen den Streitteilen vereinbarten Pensionszusage geworden seien bzw. auf diese keine verschlechternde normative Wirkung entfalten würden. Die BB-PO sei "in ihrer jeweils geltenden Fassung" trotz ihrer Verlautbarung im Bundesgesetzblatt kein Gesetz, sondern eine ausschließlich nach Privatrecht zu beurteilende Vertragsgrundlage der Einzeldienstverträge und damit auch des Dienstvertrages des Klägers. Der Kläger macht dazu weitwendige verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelung durch das Bundesbahn-Pensionsgesetz geltend.

Die beklagte Partei erhob umfangreiche Einwendungen. Sie beantragte - insbesondere unter Hinweis auf § 1 Bundesbahn-Pensionsgesetz, wonach dieses Gesetz "an die Stelle bisheriger und künftiger vertraglicher Regelungen" trete - die Abweisung des Feststellungsbegehrens. Im Hinblick auf die Geltung dieses ordnungsgemäß kundgemachten Gesetzes sei das Feststellungsbegehren auch unzulässig, weil das Gesetz die BB-PO 1966 verdrängt habe. Ein Bundesgesetz könne auch nicht Vertragsinhalt werden.

Die gesetzlichen Regelungen seien - wie die Beklagte ausführlich darstellt - auch gerechtfertigt.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass nach dem am 11. August 2000 im Bundesgesetzblatt verlautbarten und auf ab 1. Oktober 2000 neu anfallende Ruhe- oder Versorgungsgenüsse anzuwendenden Bundesbahnpensionsgesetz "die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes an die Stelle bisheriger und künftiger vertraglicher Regelungen über die Versetzung in den dauernden Ruhestand und über Pensionsansprüche" getreten seien.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es führte ua aus, dass es die Bedenken gegen die Verfassungskonformität des Bundesbahn-Pensionsgesetzes nicht teile und die Eingriffe in die Rechtspositionen des Klägers nicht für unverhältnismäßig erachte.

Die Revision sei im Hinblick auf die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen dieses Urteil erhobene Revision ist schon nach dem hier noch anzuwendenden § 46 Abs 3 Z 3 ASGG zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Zur grundsätzlichen Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens wird auf die Begründung des in dieser Rechtssache ergangenen Beschlusses vom 26. 2. 2003 verwiesen, mit dem ein Antrag auf Aufhebung verschiedener Bestimmungen des BB-PG an den Verfassungsgerichtshof gestellt wurde. Nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes, stellten und stellen die Dienstvorschriften wie Dienstordnung, Bundesbahnpensionsordnung, Disziplinarordnung und Besoldungsordnung nur Vertragsschablonen dar, die mit dem Abschluss der jeweiligen Einzeldienstverträge rechtlich wirksam werden (RIS-Justiz RS0052622; RS0054759; RS0071251; RS0052693; RS0052649; VfGHSlg 8132). Die im Bundesgesetzblatt kundgemachten Dienstvorschriften hatten demnach keinen normativen Charakter (VfGHSlg 12.313; 14.075; 15.535 ua).

Der im Verleihungsschreiben enthaltene ausdrückliche Hinweis, dass

auf das Dienstverhältnis die DO (= Dienstordnung) in ihrer jeweiligen

Fassung sowie die sonstigen für die Beamten der Österreichischen

Bundesbahnen jeweils geltenden Bestimmungen Anwendung finden, wird

durch die widerspruchslose Annahme Inhalt des Arbeitsvertrags (ArbSlg

8580; DRdA 1991, 246; ArbSlg 11.883; RIS-Justiz RS0052618). Der

"Änderungsvorbehalt" im Sinne dieser "Jeweilsklausel" wurde vom

Obersten Gerichtshof dahin interpretiert, dass davon eine Änderung

nach billigem Ermessen erfasst sei, selbst wenn es zu einer

zumutbaren Verschlechterung komme (9 ObA 77/00i = DRdA 2001/28

[Resch] = ZAS 2001/16 [Posch]).

Gegenstand der rechtlichen Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof ist im Ergebnis ausschließlich die vom Kläger behauptete Verfassungswidrigkeit des Bundesbahn-Pensionsgesetzes. Der Kläger releviert im Wesentlichen, dass er durch die in Rede stehenden Bestimmungen des BB-PG in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht nach Art 5 StGG bzw Art 1 1. ZP MRK verletzt worden sei, weil es sich um eine unzulässige Enteignung, zumindest aber um einen unverhältnismäßigen Eigentumseingriff handle. Durchaus ähnliche Bedenken artikulierte der Antrag eines Drittels der Mitglieder des Nationalrats im Sinn des Art 140 Abs 1 B-VG, mit dem die Aufhebung des BB-PG § 1 BB-PG bzw von Teilen davon begehrt wird (G 298/02 des VfGH).

Auch unter Berücksichtigung der vom Kläger und im Drittelantrag des Nationalrats eingebrachten Bedenken hat der Oberste Gerichtshof mit seinem Beschluss vom 26. 2. 2003 in diesem Verfahren einen Antrag gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung verschiedener Bestimmungen des Bundesbahn-Pensionsgesetzes (BB-PG), BGBl I 86/2001 gestellt. Im einzelnen ist dazu sowie zur Präjudizialität dieser Bestimmungen und zur Darstellung der Bedenken auf diesen Beschluss (insbes dessen S 27 bis 43) zu verweisen.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 1. Dezember 2003, G 298/02-16, unter anderem diesen Antrag abgewiesen. Zur Begründung ist auf diese den Parteien bekannte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen ( vgl inbes S 68 bis 77). Da im Rahmen des Revisionsverfahrens nur noch die allfällige Verfassungswidrigkeit der bekämpften Gesetzesbestimmungen zu beurteilen war, der Verfassungsgerichtshof aber die dagegen erhobenen Bedenken als nicht berechtigt angesehen hat, war der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat der Beklagten die ihr für die Revisionsbeantwortung aufgelaufenen Kosten zu ersetzen. Überdies waren der Beklagten die von ihr begehrten - anteiligen - Kosten für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH und die Kosten ihres darauf bezogenen Kostenbestimmungsantrages (- diese allerdings nicht nach TP 2 RAT, sondern nach TP 1 I lit d RAT -) zuzusprechen.

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