OGH 10ObS195/03d

OGH10ObS195/03d16.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Matzka (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Günther Degold (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Angelika K*****, geboren am 11. August 1985, Schülerin, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Brüggl & Harasser OEG, Kitzbühel, gegen die beklagte Partei Land Tirol, Eduard Wallnöfer-Platz 3, 6020 Innsbruck, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Pflegegeld, infolge Revision und Rekurs der klagenden Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Februar 2003, GZ 25 Rs 12/03f-31, womit infolge Berufungen der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. September 2002, GZ 47 Cgs 168/01m-23, teilweise abgeändert, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Aus Anlass der Revision werden die (Teil-)Urteile der Vorinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung von Pflegegeld der Stufe 2 ab 1. 9. 2001 als nichtig aufgehoben. Hinsichtlich der Zurückweisung des Begehrens auf Pflegegeld der Stufe 2 für den Zeitraum 1. - 31. 8. 2001 bleibt die Entscheidung des Berufungsgerichts unberührt.

Die Klage wird, soweit sie sich auf Zuerkennung von Pflegegeld der Stufe 2 richtet, zurückgewiesen.

Die Kosten stellen weitere Verfahrenskosten dar.

2. Im Übrigen wird dem Rekurs der Klägerin nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die am 11. 8. 1985 geborene Klägerin leidet an einer zystischen Fibrose (Mukoviszidose), einer autosomal rezessiven erblichen Stoffwechselanomalie. Diese chronisch fortschreitende Krankheit ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass alle exokrinen Drüsen des Körpers ein sehr zähes Sekret produzieren. Die am meisten betroffenen Organe sind die Lunge (Bronchien) und die Bauchspeicheldrüse (Pankreas). Eine Verschlechterung der Erkrankung ist insbesondere dann zu erwarten, wenn es zur sekretbedingten Verstopfung der betreffenden Drüsenausführungsgänge kommt bzw wenn Infektionen auftreten. Charakteristisch ist der erhöhte Salzgehalt im Schweiß. Im Zusammenhang mit der Lungenerkrankung ist besonders die Keimbesiedelung des Bronchialsekrets - vorwiegend mit Staphylokokken und Pseudomonas - gefürchtet. Dies kann zu fortschreitenden Entzündungen und letztlich zu Vernarbungen führen. Der klinische Verlauf bei Kindern mit Mukoviszidose ist recht unterschiedlich. Durch die Verstopfung der Pankreasausführungsgänge kommt es zum Untergang von exokrinen Drüsenzellen und vor allem zu einer fehlenden und drastisch reduzierten Sekretion von Pankreasenzymen und Bicarbonat in den Darm. Dies führt wiederum zu einer fehlenden Verdauung von Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten. Werden keine Enzyme zugeführt, kommt es zu einer Fehlernährung mit chronischen Durchfällen. Dies macht es erforderlich, die Pankreasenzyme in Form eines medikamentösen Ersatzes zuzuführen. Trotz der Enzymzuführung wird die Fehlernährung nicht vollkommen beseitigt. Aus diesem Grund haben Kinder mit zystischer Fibrose auch einen erhöhten Kalorienbedarf. Darüber hinaus ist auch eine besondere Zusammensetzung der Nahrung erforderlich.

Das Land Tirol hat der Klägerin mit Bescheid vom 24. 8. 1993 ab 1. 4. 1993 Pflegebeihilfe der Stufe 1 gemäß §§ 21 und 23 Tiroler Rehabilitationsgesetz zuerkannt. Aufgrund der Übergangsbestimmungen in § 29 Abs 2 TPGG wurde der Klägerin ab 1. 7. 1993 ein Pflegegeld der Stufe 1 gewährt.

Mit Bescheid vom 10. 7. 2001 stellte das beklagte Land Tirol das der Klägerin gewährte Pflegegeld der Stufe 1 (abzüglich 825 S des Erhöhungsbetrages der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder) mit Ablauf des 31. 8. 2001 ein und sprach aus, dass der Klägerin gemäß § 28 Abs 1 TPGG, LGBl 1997/8, iVm § 34 Abs 1 lit a und § 34 Abs 6 TPGG, LGBl 1993/55, ab 1. 7. 1993 befristet bis zum Ablauf des 31. 8. 2001 eine Ausgleichszulage in der Höhe von zuletzt 435 S pro Monat gewährt wird. In der Bescheidbegründung wird darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin ein Pflegebedarf nach § 2 Abs 2 TPGG nicht mehr vorliege.

Mit der dagegen erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Gewährung von Pflegegeld der Stufe 1 samt Ausgleichszulage auch über den 1. 8. 2001 hinaus. In der Streitverhandlung vom 23. 4. 2002 hat die Klägerin ihr Klagebegehren auf Gewährung von Pflegegeld der Stufe 2 samt Ausgleichszahlung auch über den "1. 8. 2002" hinaus ausgedehnt.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei, der Klägerin vom 1. 8. 2001 bis 31. 12. 2001 Pflegegeld der Stufe 1 in Höhe von monatlich 2.000 S abzüglich 825 S des Erhöhungsbetrages der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder samt der gemäß § 34 TPGG gebührenden Ausgleichszulage sowie ab 1. 1. 2002 Pflegegeld der Stufe 1 von monatlich 145,40 Euro abzüglich 60 Euro des Erhöhungsbetrages für erheblich behinderte Kinder samt der gemäß § 34 TPGG gebührenden Ausgleichszulage in der gesetzlichen Höhe zu gewähren. Das auf Verpflichtung der beklagten Partei zur Gewährung von Pflegegeld der Stufe 2 ab 1. 8. 2001 gerichtete Mehrbegehren wurde abgewiesen.

Über den eingangs bereits angeführten Sachverhalt hinaus legte das Erstgericht seiner Entscheidung zusammengefasst folgende Feststellungen zugrunde:

Die Klägerin, die am 11. 8. 2002 ihr 17. Lebensjahr vollendete, besuchte im Schuljahr 2001/02 die dritte Klasse der Handelsakademie in Telfs.

Auch wenn die Klägerin aufgrund ihrer intellektuellen und körperlichen Entwicklung durchaus in der Lage wäre, sich selbst ihre Mahlzeiten zuzubereiten, ist dies aufgrund des Umfangs und des gleichzeitigen Schulbesuchs kaum möglich. Im Vergleich zu einem gleichaltrigen gesunden Kind ist insofern ein erhöhter Aufwand für das Zubereiten der Mahlzeiten gegeben, als die Mahlzeiten extra zubereitet werden müssen und auch die Zahl der Mahlzeiten gegenüber einem Kind ohne die Erkrankung erhöht ist. Der Mehraufwand ergibt sich vor allem dadurch, dass die Klägerin pro Tag sechs - davon mindestens zwei warme - Mahlzeiten braucht und für die anderen Familienmitglieder weniger kalorienreich und in anderer Form gekocht werden muss. Im Vergleich zu dem bei einem nicht erkrankten Kind erforderlichen Betreuungsausmaß ist bei der Klägerin durch die diätischen Maßnahmen für die Zubereitung der Mahlzeiten ein deutlich höherer Betreuungsaufwand im Ausmaß von monatlich 15 Stunden erforderlich.

Des weiteren bedarf die Klägerin fremder Hilfe für Inhalation und Herbeischaffung sowie Reinigung des Inhalationsbestecks von 30 Stunden pro Monat.

Die Klägerin benötigt unter anderem eine Ernährungstherapie und eine Physiotherapie an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde: Zur Therapie fährt sie fallweise alleine; fallweise wird sie von den Eltern bzw einem Elternteil begleitet.

Für die Reinigung der Wohnung und das Waschen der Bett- und Leibwäsche ist - im Vergleich zu einem gesunden, gleichaltrigen Kind - ein deutlich erhöhter Aufwand erforderlich. Speziell zur Verhinderung einer erhöhten Keimbelastung und eines Schimmelpilzbefalls können diese Verrichtungen nicht von der Klägerin selbst durchgeführt werden. Hiefür ist ein Pflegeaufwand von insgesamt 20 Stunden pro Monat zu veranschlagen.

Im Rahmen seiner Beweiswürdigung traf das Erstgericht die weitere Feststellung, dass die Klägerin bei der Medikamenteneinnahme keiner fremden Hilfe und außerdem nicht der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn bedürfe.

In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht von folgendem Pflegebedarf aus:

Reinigung der Wohnung 10 Stunden/Monat

Waschen der Leib- und Bettwäsche 10 Stunden/Monat

Zubereitung von Mahlzeiten (Mehraufwand) 15 Stunden/Monat

Inhalation, Herbeischaffung und Reinigung

des Inhalationsbestecks 20 Stunden/Monat

55 Stunden/Monat

Selbst wenn man einen Pflegeaufwand von 10 Stunden für Mobilitätshilfe im weiteren Sinn sowie 3 Stunden für die Einnahme von Medikamenten berücksichtige, würde der sich dadurch ergebende Pflegebedarf nicht das für die Gewährung von Pflegegeld der Stufe 2 festgesetzte Pflegeausmaß von 75 Stunden übersteigen. Der Klägerin gebühre aber weiterhin Pflegegeld der Stufe 1.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil insoweit, als Pflegegeld der Stufe 1 für den Zeitraum von 1. 8. bis 31. 8. 2001 zugesprochen wurde, als nichtig auf und wies das darauf gerichtete Klagebegehren infolge Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück (die Leistung wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 10. 7. 2001 erst mit Ablauf des 31. 8. 2001 eingestellt). Darüber hinaus wurde der klagsabweisende Teil des Ersturteils (Abweisung des Begehrens auf Zuspruch von Pflegegeld der Stufe 2 ab 1. 9. 2001) als Teilurteil bestätigt. Hinsichtlich des Zuspruchs von Pflegegeld der Stufe 1 ab 1. 9. 2001 wurde das Ersturteil aufgehoben; in diesem Umfang wurde die Sozialrechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht sah die von der Klägerin gerügte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens nicht als gegeben an und führte seiner rechtlichen Beurteilung aus, dass bei der Klägerin (unter Bedachtnahme auf ihr Alter) pflegegeldrelevante Verrichtungen, die auch von gesunden Jugendlichen ihres Alters nicht selbständig durchgeführt werden könnten, nicht erkennbar seien. Diesen Überlegungen folgend normiere § 2 Abs 2 TPGG idF LGBl 1999/1 bereits die Vollendung des 14. Lebensjahres als Altersschranke, bis zu deren Erreichen nur jenes Ausmaß von Pflege zu berücksichtigen sei, das über das erforderliche Maß an Pflege von gleichaltrigen nicht behinderten Personen hinausgehe.

Für die Zubereitung von Mahlzeiten sei kein Zeitwert anzusetzen, da die Klägerin aufgrund ihrer intellektuellen und körperlichen Entwicklung durchaus in der Lage wäre, die von ihr benötigten Mahlzeiten selbständig ohne fremde Hilfe zuzubereiten. Der Umstand, dass notwendige Verrichtungen nur umständlich und mit überdurchschnittlichem Zeitaufwand durchgeführt werden könnten, rechtfertige nicht die Annahme eines Pflegebedarfs. Somit könne die Klägerin auf keinen Fall den für Pflegegeld der Stufe 2 relevanten Pflegebedarf von mehr als 75 Stunden im Monat erreichen.

Allerdings könne auf der Basis der vom Erstgericht geschaffenen Sachverhaltsgrundlage noch nicht abschließend beurteilt werden, ob die Klägerin überhaupt Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 1 habe. Das Erstgericht habe festgestellt, dass die Klägerin fremder Hilfe für "Sonstiges" (Inhalation, Herbeischaffen und Reinigung des Inhalationsbestecks) im Ausmaß von 30 Stunden pro Monat bedürfe. In seiner rechtlichen Beurteilung habe es dann allerdings nur einen diesbezüglichen Betreuungsaufwand von monatlich 20 Stunden berücksichtigt. Allerdings stelle die Betreuung bei therapeutischen Verfahren keinen Pflegeaufwand dar. Bei einer nach den Pflegegeldgesetzen bzw Einstufungs-(Pflegebedarfs-)verordnungen relevanten Verrichtung müsse es sich zumindest im weitesten Sinn um eine lebenswichtige Verrichtung nichtmedizinischer Art handeln. Pflegeaufwand sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn es sich um eine Maßnahme handle, die ein Nichtbehinderter gewöhnlich selbst vornehme. Auch hier rechtfertige allein der Umstand, dass die notwendigen Verrichtungen nur umständlich und mit überdurchschnittlichem Zeitaufwand durchgeführt werden könnten, nicht die Annahme eines Pflegebedarfs. Das Ersturteil lasse Feststellungen dazu vermissen, ob es sich bei den von der Klägerin durchgeführten Inhalationen um eine medizinische Behandlung in dem Sinn handle, dass die Behandlung eine Besserung des Zustandes herbeiführe oder zumindest eine Verschlechterung hintanhalte. Sollte dies der Fall sein, wäre abzuklären, ob die Klägerin diese Behandlung ohne fremde Hilfe vornehmen könne, und - sollte dies nicht der Fall sein - ob diese Maßnahme von einem nicht behinderten Menschen gewöhnlich selbst vorgenommen werde. Gleiches gelte auch für die damit in untrennbarem Zusammenhang stehende Herbeischaffung und Reinigung des Inhalationsgeräts und den damit verbundenen notwendigen Zeitaufwand. Ein solcher Betreuungsaufwand sei unter das Einnehmen von Medikamenten zu subsumieren, wofür die Tiroler Pflegebedarfsverordnung (im Gegensatz zur Einstufungsverordnung zum BPGG) keinen bestimmten Richtwert vorsehe. Der Umstand, dass die ständige Einnahme von Medikamenten für Jugendliche meist höchst belastend und problematisch sei, rechtfertige für sich allein nicht die Berücksichtigung eines Pflegebedarfs für die Medikamenteneinnahme. Letztlich seien daher klare Feststellungen zur Frage erforderlich, ob und inwieweit die Klägerin bei der Vornahme der für sie notwendigen Inhalationen fremder Hilfe bedürfe.

Ein sekundärer Feststellungsmangel hafte dem Ersturteil deshalb an, weil das Erstgericht zum Vorbringen der Klägerin, wonach bei ihr eine Stuhlinkontinenz vorliege, was einen Pflegeaufwand für die Reinigung von (lediglich) zumindest zehn Stunden pro Monat erfordere, keine Feststellungen getroffen habe. Hierbei sei ausschließlich maßgebend, ob die Klägerin die allenfalls notwendige Reinigung selbst durchführen könne. Weiters fehle es im Ersturteil an Feststellungen, bei welchen unbedingt erforderlichen, konkreten Verrichtungen, die der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn zuzuordnen seien, die Klägerin fremder Hilfe bedürfe, insbesondere im Zusammenhang mit Therapiebesuchen.

Da zur Frage, ob der zeitliche (Mehr-)Aufwand für die Zubereitung aus medizinischen Gründen notwendiger, spezieller Mahlzeiten pflegegeldrelevant sei, eine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle, sei die Revision gegen den meritorischen Teil der Entscheidung des Berufungsgerichts zulässig. Aus Gründen der Entscheidungsharmonie sei auch der Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig zu erklären.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revision und der Rekurs der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung sowie dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Zusammenfassend wird die Zuerkennung von Pflegegeld der Stufe 2 ab 1. 9. 2001 angestrebt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisions- und Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Nichtigkeit:

Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist die Entziehung des der Klägerin gewährten Pflegegeldes der Stufe 1 mit Ablauf des 31. 8. 2001. Über die Frage eines Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 2 hat die beklagte Partei bislang nicht bescheidmäßig abgesprochen, sodass hinsichtlich des auf Zuspruch von Pflegegeld der Stufe 2 gerichteten Begehrens der Rechtsweg unzulässig ist (§ 73 ASGG; RIS-Justiz RS0085867; Kuderna, ASGG2 § 73 Anm 2, § 86 Rz 4; Fink, Sukzessive Zuständigkeit 463). Insoweit sind aus Anlass der Revision der Klägerin das Ersturteil und das vom Berufungsgericht gefasste Teilurteil samt dem den Entscheidungen vorangegangenen Verfahren als nichtig aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO. Ungeachtet der teilweisen Nichtigkeit ist der Verfahrensausgang noch offen, sodass auch nicht beurteilt werden kann, ob und inwieweit es zu einem Kostenersatz kommt.

2. Zum Rekurs der Klägerin gegen den Aufhebungsbeschluss:

a) In ihrem Rekurs meint die Klägerin vorerst, dass sich das Berufungsgericht nur mit der Thematik der Zubereitung von Mahlzeiten auseinandersetzen hätte dürfen, weil sich die beklagte Partei in ihrer (nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen) Berufung nur damit befasst habe. Dabei übersieht die Klägerin, dass sich die materielle Rechtskraft allein auf die im Urteil festgestellte Rechtsfolge bezieht; die Urteilselemente (Tatsachenfeststellungen und rechtliche Beurteilung) werden - isoliert betrachtet - nicht von der Rechtskraft erfasst (Rechberger in Rechberger, ZPO2 § 411 Rz 10). Die beklagte Partei konnte sich mit ihrer Berufung nur gegen die im Urteil festgestellte Rechtsfolge, nämlich den Zuspruch von Pflegegeld richten; die gesetzmäßige Rechtsrüge verpflichtete das Berufungsgericht zur allseitigen Überprüfung der rechtlichen Beurteilung ohne Beschränkung auf die in der Berufung geltend gemachten Gründe (SZ 52/192, 53/75, 54/133 uva; RIS-Justiz RS0043352).

b) Der weiters von der Klägerin eingenommene Standpunkt, dass die Entziehung des Pflegegeldes eine von der beklagten Partei zu beweisende wesentliche Änderung im Umfang des Pflegebedarfs voraussetze, ist grundsätzlich zutreffend. Haben nämlich die objektiven Grundlagen für eine Leistungszuerkennung keine wesentliche Änderung erfahren, so steht die Rechtskraft der Gewährungsentscheidung der Entziehung der Leistung entgegen (RIS-Justiz RS0106704). Da diesbezügliche Feststellungen im erstgerichtlichen Urteil fehlen, ist im fortgesetzten Verfahren auch zu klären, ob gegenüber dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des TPGG mit 1. 7. 1993, ab dem die Klägerin Pflegegeld der Stufe 1 bezogen hat, eine (im Hinblick auf die altersmäßige Entwicklung naheliegende) wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist.

c) Schließlich vertritt die Klägerin die Ansicht, dass allenfalls die Inhalation unter den Betreuungsbedarf des Einnehmens von Medikamenten gesehen werden könne, dass aber auch die Reinigung des Inhalationsgeräts und seine Herbeischaffung als gesonderter Betreuungsaufwand zu berücksichtigen sei.

Diesbezüglich hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass zum pflegegeldrelevanten Bereich der Einnahme von Medikamenten auch notwendige Inhalationen zu zählen sind, weshalb auch der für die Durchführung von Inhalationen sowie für die damit in untrennbarem Zusammenhang stehende Reinigung des Inhalationsgeräts notwendige Zeitaufwand zu berücksichtigen ist (10 ObS 403/01i). Nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts gilt dies aber nicht bei einem therapeutischen Verfahren, das ein Nichtbehinderter gewöhnlich nicht selbst vornehmen kann (SSV-NF 12/81; RIS-Justiz RS0110214).

d) Den Standpunkt der Klägerin, es wäre bei der Zuerkennung von Pflegegeld darauf Rücksicht zu nehmen, dass sie aufgrund des Schulbesuchs und des Erfordernisses des Inhalierens kapazitätsmäßig nicht in der Lage sei, auch noch die von ihr benötigten (aufwändigen) Mahlzeiten selbst zuzubereiten, hat das Berufungsgericht zutreffend nicht geteilt. Nach den sowohl in § 1 BPGG als auch in § 1 TPGG niedergelegten Intentionen der Pflegegeldgesetze sollen mit dem Pflegegeld pflegebedingte Mehraufwendungen pauschal abgegolten werden. Das Pflegegeld stellt jedoch nur einen Beitrag zu den pflegebedingten Mehraufwendungen dar (Gruber/Pallinger, BPGG 7, 19; Gruber/Pallinger, 10 Jahre Pflegevorsorge - Rückblick und Standortbestimmung, SozSi 2003, 209 [212]). Pflegebedingte Mehraufwendungen liegen insoweit vor, als eine Person aufgrund ihres körperlichen, geistigen oder psychischen Zustandes nicht mehr in der Lage ist, die unter "Betreuung" und "Hilfe" zu subsumierenden Verrichtungen nicht mehr selbständig zu verrichten, sondern hiefür fremder Betreuung bzw Hilfe bedarf (vgl 10 ObS 232/97h). Das Pflegegeld bezweckt somit keine umfassende Abgeltung eines jeden im weitesten Sinn des Wortes unter Pflege zu verstehenden Bedarfs unter Einbeziehung von Maßnahmen persönlicher, sozialer oder krankheitsbedingter Natur. Auch das deutsche Bundesverfassungsgericht hat - auf insoweit der österreichischen nicht unähnlicher Rechtslage - in seinen Beschlüssen vom 22. 5. 2003, 1 BvR 452/99 und 1 BvR 1077/00, ausgesprochen, dass es nicht gegen den Gleichheitssatz verstoße, wenn der Begriff der Pflegebedürftigkeit nur an bestimmte abschließend aufgezählte Verrichtungen anknüpfe. Der Gesetzgeber verfüge über einen weiten Gestaltungsspielraum, wenn er festlege, welche tatsächlichen Umstände die Leistungspflicht der sozialen Pflegeversicherung auslösen oder erhöhen. Es sei beispielsweise nicht unsachlich, wenn ein krankheitsbedingter Bedarf an allgemeinen Betreuungs- und Hilfeleistungen nicht die Pflegebedürftigkeit begründen könne und die soziale Betreuung nicht in die Feststellung der Pflegebedürftigkeit einfließe.

Der Umstand, dass die Klägerin (verständlicherweise) neben ihrem Schulbesuch rein zeitlich schwer in der Lage ist, für die Zubereitung aller ihrer Mahlzeiten zu sorgen, führt nicht zu einem Betreuungsbedarf iSd Pflegegeldgesetzes, wäre die Klägerin doch aus körperlicher, geistiger und psychischer Sicht nach den Feststellungen in der Lage, diese Verrichtungen selbständig auszuführen. So wie es bei der Bemessung des Pflegegeldes keine Rolle spielt, ob der Pflegegeldbezieher in einer Beschäftigung steht oder nicht, ist auch von der Klägerin der ins Treffen geführte Bedarf nach Zubereitung der Mahlzeiten durch eine dritte Person der Gestaltung ihres persönlichen und sozialen Umfelds zuzurechnen und begründet keinen Pflegegeldanspruch.

Gleiches gilt für die von der Klägerin geforderte Berücksichtigung der Motivation zur Medikamenteneinnahme, zur Einnahme der Mahlzeiten etc. Dazu kommt, dass § 4 der Tiroler Pflegebedarfsverordnung diesbezüglich eine ausdrückliche Regelung vorsieht, wonach die Anleitung sowie die Beaufsichtigung von Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung bei der Durchführung der Verrichtungen der Betreuung und Hilfe der Betreuung und Hilfe selbst gleichzusetzen ist. Der in § 4 der Tiroler Pflegebedarfsverordnung angeführten Personengruppe gehört die Klägerin aber eindeutig nicht an.

e) Da die vom Gericht zweiter Instanz geäußerte Rechtsansicht zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Pflegegeld zutrifft, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, der im angefochtenen Beschluss angeordneten Verfahrensergänzung nicht entgegen treten (RIS-Justiz RS0042179; zuletzt etwa 10 ObS 84/03f und 10 ObS 60/03a; Kodek in Rechberger, ZPO2 § 519 Rz 5 mwN).

Der angefochtene Aufhebungsbeschluss war daher zu bestätigen. Zusätzlich erweisen sich auch noch Feststellungen zur Frage erforderlich, ob gegenüber dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des TPGG mit 1. 7. 1993 bei der Klägerin eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist.

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