OGH 4Ob400/79

OGH4Ob400/7918.12.1979

SZ 52/192

Normen

MarkSchG §1
MarkSchG §4
Unlauterer Wettbewerb-Gesetz §9
MarkSchG §1
MarkSchG §4
Unlauterer Wettbewerb-Gesetz §9

 

Spruch:

Schutzunfähigkeit der rein technisch bedingten besonderen Form eines Profilsteins ("Doppel-T-Profil") Begriff des"Zeichens" im Sinne des § 1 MSchG Auch körperliche Gebilde - insbesondere Gefäße (Flaschen) und andere Umhüllungen - können grundsätzlich "Zeichen" und damit dem Markenschutz zugänglich sein

Bei der Beurteilung eines auf eine registrierte Marke gegrundeten Unterlassungsanspruches haben die Gerichte die Verwendung der Marke unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechtes selbständig und - soweit es um Rechtsfragen geht - unabhängig von der Markenregistrierung zu prüfen und dabei insbesondere auch die Vorfrage zu beurteilen, ob das Markenrecht des Klägers nach den Bestimmungen des MSchG überhaupt zu Recht besteht

OGH 18. Dezember 1979, 4 Ob 400/79 (OLG Graz 6 R 90/79; LG Klagenfurt 23 Cg 77/79).

Text

Für die Klägerin ist im Markenregister des Österreichischen Patentamtes unter Nr. 79.132 (Priorität vom 8. November 1973) mit dem Warenverzeichnis "Warenklasse 19: Profilsteine" eine Marke eingetragen, welche in der besonderen körperlichen Form des Profilsteins besteht und auf Grund eines Verkehrsgeltungsnachweises registriert worden ist. Die Marke stellt einen Profilstein in der Form eines"I" bzw. eines doppelten"T" dar, an dessen schmalen Mittelteil beiderseits je ein symmetrisch dazu angeordneter Kopf anschließt. Die Klägerin bringt diese Profilsteine unter der - gleichfalls markenrechtlich geschützten - Bezeichnung "B-Doppelverbundsteine" auf den Markt.

Die Beklagte erzeugt und vertreibt (u. a.)"Beton-Verbundpflastersteine", die in Form und Größe dem Produkt der Klägerin und damit auch der österreichischen Marke Nr. 79.132 entsprechen.

Unter Berufung auf ihr Markenrecht begehrt die Klägerin das Urteil, die Beklagte sei schuldig, "die Erzeugung und den Vertrieb von Doppelverbundsteinen unter dem Namen Doppelverbund-Pflasterstein mit Maßen, die denen des von der Klägerin erzeugten B-Verbundsteins entsprechen, zu unterlassen, außerdem verlangt sie die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in zwei Tageszeitungen.

Demgegenüber meint die Beklagte, das Wort"Beton-Verbundpflastersteine" sei keine Markenbezeichnung, sondern "die Bezeichnung einer Ware bzw. eines Produktes"; derartige Profilsteine würden von verschiedenen Unternehmen unter gleichen oder ähnlichen Produktbezeichnungen in der gleichen "Form und Art" vertrieben. Die Klägerin habe "keinen Schutz auf das Produkt bzw. die Ware" erworben. Die Formen und Maschinen, mit denen solche Verbundpflastersteine hergestellt würden, stunden nicht nur der Klägerin zur Verfügung; sie seien vielmehr im Handel frei erhältlich und würden demgemäß auch von verschiedenen österreichischen und ausländischen Unternehmen verwendet.

Das Erstgericht wies die Klage ab und stellte zusätzlich fest, daß auch die K-KG Beton-Verbundpflastersteine in der für die Klägerin geschützten Form erzeugt. Rechtlich sei davon auszugehen, daß die Gerichte im Verfahren nach § 9 Abs. 3 UWG die Schutzfähigkeit der Marke des Klägers selbständig zu prüfen und die dabei auftretenden Rechtsfragen unabhängig von der Markenregistrierung zu lösen hätten. Im konkreten Fall fehle es an einem zwecks Unterscheidung zur Ware hinzutretenden"Zeichen"; die Marke der Klägerin sei vielmehr der Form der Ware gleich. Sei aber die Ware gleichzeitig die geschützte Form, dann habe die Klägerin mangels der Voraussetzungen des § 1 MSchG auch keinen Unterlassungsanspruch nach § 9 Abs. 3 UWG.

Das Berufungsgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß körperliche Gebilde wie die gegenständlichen "Profilsteine" nicht als Marke registriert werden könnten, sei unrichtig; auch sie seien - vor allem dann, wenn eine allenfalls zu geringe oder ganz fehlende Kennzeichnungskraft durch entsprechend hohe Verkehrsgeltung ausgeglichen werde - "Zeichen" im Sinne des Markenschutzgesetzes und damit auch dem wettbewerbsrechtlichen Markenschutz zugänglich. Da die körperliche Marke der Klägerin auf Grund eines Verkehrsgeltungsnachweises registriert worden sei, habe der Richter bis zum Beweis des Gegenteils davon auszugehen, daß die notwendige Verkehrsgeltung im Prioritätszeitpunkt tatsächlich bestanden habe; diesen durch die Markenregistrierung geschaffenen Anscheinsbeweis habe die Beklagte nicht widerlegt. Daß die Beklagte die beanstandeten Verbundpflastersteine schon zu einem früheren Zeitpunkt erzeugt und vertrieben und dadurch Verkehrsgeltung für ihr Unternehmen erlangt hätte, sei weder behauptet worden noch im Verfahren hervorgekommen. Auch der Umstand, daß die Firma K gleichartige Profilsteine auf den Markt bringt, könne den wettbewerbsrechtlichen Schutz der Marke der Klägerin nicht beeinträchtigen. Das Unterlassungsbegehren der Klägerin und das mit ihm verbundene Begehren auf Urteilsveröffentlichung nach § 25 Abs. 4 UWG seien deshalb begrundet.

Infolge Revision der Beklagten stellte der Oberste Gerichtshof das Urteil des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Eine unrichtige rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts macht die Beklagte dem angefochtenen Urteil insoweit zum Vorwurf, als es das Berufungsgericht aus rechtlichen Erwägungen unterlassen habe, Feststellungen zur Verkehrsgeltung der Marke der Klägerin zu treffen. Schon der Umstand, daß auch die Firma K gleichartige Verbundpflastersteine herstellt, habe gezeigt, daß eine solche Verkehrsgeltung hier nicht vorhanden sein könne. Dieses Vorbringen ist nicht stichhältig: Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, muß der Zivilrichter überall dort, wo ein bestimmtes Zeichen nur unter der Voraussetzung einer Verkehrsgeltung in das Markenregister eingetragen werden kann - also bei ursprünglich fehlender Kennzeichnungskraft des Zeichens nach § 1 Abs. 2 MSchG oder aber dann, wenn ein Wortzeichen ausschließlich beschreibende Angaben im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 2 MSchG enthält (§ 4 Abs. 2 MSchG) -, bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen, daß die erforderliche Verkehrsregelung im Prioritätszeitpunkt tatsächlich vorhanden war (ÖBl. 1974, 115 mit weiteren Hinweisen). Da die Beklagte einen solchen Gegenbeweis im konkreten Fall gar nicht angetreten hat, bedurfte es auch nicht der von der Revision hiezu vermißten Feststellungen. Inwiefern aber der Umstand, daß auch die Firma K gleichartige Verbundpflastersteine herstellt, die Annahme einer Verkehrsgeltung des Klagezeichens im November 1973 ausschließen könnte, vermag der erkennende Senat nicht zu sehen.

Die Rechtsausführungen der Revision sind also nicht stichhältig. Da die Beklagte jedoch den Revisionsgrund nach § 503 Z. 4 ZPO geltend gemacht und - wenigstens zum Teil - gesetzmäßig ausgeführt hat, darf sich der OGH nicht mit der Erörterung der von der Rechtsmittelwerberin relevierten Rechtsfragen begnügen; er hat vielmehr die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ohne Beschränkung auf das Revisionsvorbringen nach allen Richtungen zu prüfen (Arb. 9230; RZ 1969, 52; EvBl. 1971/123; ZfRV 1971, 45 u. v. a.; ebenso Fasching IV, 322 § 503 ZPO Anm. 24). Diese Prüfung führt hier zu folgendem Ergebnis: auch dem von der Klägerin vorgelegten Auszug aus dem Markenregister besteht die - auf Grund eines Verkehrsgeltungsnachweises für die Warenklasse 19 (Profilsteine) registrierte - österreichische Marke Nr. 79.132 in der"besonderen körperlichen Form des Profilsteins". Während nun die ältere österreichische Rechtsprechung der Registrierung dreidimensionaler Marken durchwegs ablehnend gegenübergestanden war (so insbesondere VwGH 25. Feber 1903, PBl. 1904, 29; HM 27. Jänner 1908, PBl. 1909, 356; MöA 28. Dezember 1909, PBl. 1911, 12; MöA 17. Jänner 1913, PBl. 1914, 48), geht die herrschende Auffassung seit dem Erkenntnis des VwGH 28. April 1928, PBl. 1928, 125 dahin, daß grundsätzlich auch körperliche Gebilde "Zeichen" im Sinne des § 1 MSchG und damit dem Markenschutz zugänglich sein können (s. dazu VwGH 2. Dezember 1930, JBl. 1931, 19 = PBl. 1931, 35; 4. Jänner 1933, PBl. 1933, 123; VwGH 24. Feber 1933, PBl. 1933, 63; HM 12. August 1933 PBl. 1934, 23; VwGH 16. September 1933, JBl. 1933, 436 = PBl. 1933, 158; BA 14. Oktober 1936, PBl. 1936, 144; OGH 19. Feber 1974 - Kopftuch-Flaschenverschluß - ÖBl. 1974, 115). Dabei wurde gelegentlich schon eine "besonders eigenartige und ungebräuchliche" (PBl. 1933, 123) oder "ungewöhnliche" (JBl. 1933, 436 = PBl. 1933, 158) Form des betreffenden Gebildes als ausreichend angesehen, in anderen Fällen aber außerdem noch Verkehrsgeltung (PBl. 1934, 23), ja sogar eine "über jeden Zweifel erhabene Unterscheidungskraft" (PBl. 1936, 144) verlangt. Alle zuletzt genannten Entscheidungen hatten allerdings nicht die Ware als solche, sondern immer nur Gefäße oder andere Umhüllungen - insbesondere Flaschen - betroffen, in denen eine Ware in den Handel gebracht worden war. Ob auch eine bestimmte Form der Ware als Marke registriert werden kann, ist dagegen zumindest zweifelhaft: Während die Beschwerdeabteilung des Österreichischen Patentamtes in ihrer Entscheidung vom 1. Oktober 1953, PBl. 1954, 53, die Eintragung einer Marke, die in der besonderen körperlichen Form einer Zigarettenhülse bestehen sollte, mit der Begründung abgelehnt hat, daß es sich dabei um kein "Zeichen" im Sinne des § 1 Abs. 1 MSchG handle, hat der OGH in seinem Urteil vom 11. Mai 1976, 4 Ob 314/76 - Schwedenbomben - ÖBl. 1976, 154 die Frage, ob auch die Form der Ware selbst als körperliches Gebilde dem Markenschutz zugänglich ist, grundsätzlich offen gelassen und sie nur für den Fall ausdrücklich verneint, daß die betreffende Form eine Folge der wirtschaftlichsten und zweckmäßigsten Herstellung der Ware ist. Auch im konkreten Fall braucht auf diese Frage nicht weiter eingegangen zu werden:

Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 MSchG sind "Marken" im Sinne dieses Bundesgesetzes die "besonderen Zeichen, die dazu dienen, zum Handelsverkehr bestimmte Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von gleichartigen Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden". Nun kann ein "Zeichen" schon begrifflich nur etwas sein, was an der Ware (oder an ihrer Umhüllung, Verpackung u. dgl.) sinnlich wahrgenommen werden kann und an sich keine funktionelle Bedeutung hat, also nichts, was die Ware in irgendeiner Hinsicht erst gebrauchsfähig macht oder sonst geeignet ist, ihren Gebrauchs- oder Verkehrswert zu erhöhen (VwGH, JBl. 1931, 19 = PBl. 1931, 35). Die bestimmte Form einer Ware kann daher die Funktion eines unterscheidende "Zeichens" im Sinne des § 1 MSchG jedenfalls dann nicht erfüllen, wenn ihr - ausschließlich oder doch überwiegend - rein technisch-funktionelle Bedeutung zukommt (vgl. dazu auch SZ 25/65 = ÖBl. 1952, 34 = PBl. 1952, 133). Gerade das trifft aber hier zu:

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die besondere Form des gegenständlichen Profilsteins - als sogenanntes "Doppel-T-Profil" - rein technisch bedingt ist; sie hat sich offenbar daraus ergeben, daß bei einer Verlegung solcher Steine im Verband ein fugenloses, sich verzahnendes Ineinandergreifen der einzelnen Elemente erreicht werden soll. Der gleiche technische Effekt könnte sicherlich auch durch verschiedene andere Formgestaltungen der Profilsteine erreicht werden. Daraus ergibt sich aber nicht etwa die Schutzfähigkeit der gegenständlichen Marke, sondern nur die Konsequenz, daß auch derartige andere Formgestaltungen, wenn und soweit sie technisch bedingt sind, dem Markenschutz ebensowenig zugänglich sind wie die hier unter Schutz gestellte "Doppel-T-Form"

Geht man aber von dieser Rechtsauffassung aus, dann kann auch die vom Patentamt - jedenfalls für den Prioritätszeitpunkt - angenommene Verkehrsgeltung des Klagezeichens zu keinem anderen Ergebnis führen:

Es ist zwar richtig, daß bei der Beurteilung der Frage, ob ein Zeichen im Sinne des § 1 Abs. 1 MSchG geeignet ist, zum Handelsverkehr bestimmte Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von gleichartigen Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden, nach dem zweiten Absatz dieser Gesetzesstelle "alle Tatumstände, insbesondere die Dauer des Gebrauches des Zeichens, nach Maßgabe der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise zu berücksichtigen" sind. Die Klägerin übersieht aber, daß nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nur die fehlende oder zu geringe Kennzeichnungskraft eines "Zeichens" durch entsprechende Verkehrsgeltung ausgeglichen werden kann; ist hingegen eine bestimmte körperliche Gestaltung - wie insbesondere eine rein technisch-funktionell bedingte Form der Ware - von vornherein nicht als "Zeichen" im Sinne des Markenrechtes anzuerkennen, dann kann auch die allfällige "Verkehrsgeltung" eines solchen Gebildes - also eine mögliche Verbindung der betreffenden Ware mit einem bestimmten unternehmen, wie sie bei langjähriger Alleinherstellung durch ein bestimmtes Unternehmen ohne weiteres möglich ist - nicht zur Schutzfähigkeit als Marke führen.

Von der gleichen Rechtsansicht ausgehend, hat auch der OPM am 13. September 1979 zu Om 3/79 die Entscheidung der NA vom 9. Mai 1978 bestätigt, mit welcher die Marke der Klägerin gemäß § 32 MSchG mit Wirkung vom Zeitpunkt ihrer Registrierung gelöscht worden war. Für den konkreten Fall ergeben sich daraus nachstehende Konsequenzen:

Wie der OGH schon mehrfach erkannt hat, sind die Gerichte bei der Beurteilung eines auf eine registrierte Marke gegrundeten Unterlassungsanspruches nach § 9 Abs. 3 UWG nicht an die Entscheidung des Patentamtes über die Markenregistrierung gebunden; sie haben vielmehr die Verwendung der Marke unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechtes selbständig und, soweit es um Rechtsfragen geht, unabhängig von der Markenregistrierung zu prüfen und dabei insbesondere auch die Vorfrage zu beurteilen, ob das Markenrecht des Klägers nach den Bestimmungen des Markenschutzgesetzes überhaupt zu Recht besteht (ÖBl. 1974, 115 mit weiteren Hinweisen; ÖBl. 1976, 154 u. a.). Das bedeutet aber, wie schon das Erstgericht im wesentlichen richtig erkannt hat, daß die österreichische Marke Nr. 79. 132, welche aus den angeführten rechtlichen Erwägungen kein dem Markenschutz zugängliches"Zeichen" im Sinne des § 1 MSchG ist, als Grundlage eines Anspruches nach § 9 Abs. 3 UWG ausscheidet. Damit ist aber dem allein auf dieses Markenrecht gegrundeten Unterlassungsanspruch der Klägerin der Boden entzogen.

Der Revision der Beklagten war daher Folge zu geben und in Abänderung der angefochtenen Entscheidung das abweisende Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

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