OGH 10ObS261/03k

OGH10ObS261/03k16.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Matzka (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Günther Degold (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef G*****, vertreten durch Mairhofer & Gradl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. September 2003, GZ 11 Rs 101/03g-14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Nach § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Prozessrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision macht der Kläger geltend, es stelle sich hier die (iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche) Rechtsfrage, ob jemand auf einen Beruf verwiesen werden könne, für dessen Ausübung er eine Nachschulung benötige, wenn eine solche nur innerbetrieblich für bereits längere Zeit im Betrieb tätige Personen angeboten werde, der Verwiesene also "rechtlich" (mangels Dienstverhältnis) gar keine Möglichkeit habe, in den Genuss einer derartigen innerbetrieblichen Einschulung zu kommen.

Dem Kläger sei die Entscheidung SSV-NF 4/140 in der ausgesprochen wurde, dass es dabei lediglich um die grundsätzlich nicht zu berücksichtigende Frage geht, ob der Versicherte im Verweisungsberuf eine freien Arbeitsplatz finden wird, bekannt. Unter Berufung auf diese Entscheidung werde der Verweisungsberuf von Gerichten erster Instanz aber "undifferenziert" als zumutbar erachtet, sobald eine innerbetriebliche Einschulung möglich sei. In diesem Sinn und in dieser "Reduziertheit" sei die zitierte Entscheidung jedoch (nach dem Standpunkt des Klägers) nicht gemeint; dass der Oberste Gerichtshof in diesem Zusammenhang Stellung nehme, wäre daher wünschenswert.

Jedenfalls dann, wenn - wie hier - feststehe, dass es die Nachschulungsmaßnahme für nicht im Betrieb Tätige nicht gebe, liege nämlich "mit Sicherheit" nicht mehr eine Frage des Arbeitsmarktes vor. Es sei dann nämlich zwar ein Arbeitsmarkt im Verweisungsberuf (hier: für Fertigungsprüfer in der Metallindustrie) mit mehr als 100 Arbeitsplätzen in Österreich gegeben, den Arbeitsplatz für den auszubildenden Fertigungsprüfer gebe es aber eben nicht, da es praktisch diese Nachschulung für den Verweisungsberuf nicht für externe Mitarbeiter gebe.

Dazu komme, dass die zitierte Entscheidung (noch) zur Rechtslage vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl 1996/201 ergangen sei, womit der Grundsatz "Rehabilitation vor Pension" eingeführt wurde. Daher müssten dem Versicherten nunmehr vom Versicherungsträger - nach stRsp - entsprechende externe Nachschulungen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess im Rahmen beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen angeboten werden. Erst nach Abschluss dieser Nachschulungen könne der Versicherte etwa auf den Beruf des Fertigungsprüfers verwiesen werden.

Die erhebliche Bedeutung dieser Rechtsfrage für die Rechtssicherheit bzw Rechtsentwicklung ergebe sich daraus, dass dem Verweisungsberuf Fertigungsprüfer gerade im Bereich des Berufsschutzes für Schlosser eine geradezu alltägliche Relevanz zukomme, weshalb die Frage der Zumutbarkeit im Hinblick auf die Möglichkeit der Nachschulung einer grundsätzlichen Klärung bedürfe.

Rechtliche Beurteilung

Die vermisste (weitere) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes liegt - entgegen der Ansicht des Klägers - bereits vor. Der Hinweis auf die im Jahr 1990 ergangene Entscheidung (SSV-NF 4/140) und die Rsp der "Gerichte erster Instanz" übersieht nämlich, dass sich (auch) der erkennende Senat in der Folge wiederholt mit dieser Frage befasst, die Verweisbarkeit bei innerbetrieblicher Umschulung auf den Verweisungsberuf auch zuletzt (E v 4. 3. 2003, 10 ObS 37/03v) bejaht, und dabei - insbes zu der Frage der Zumutbarkeit einer Umschulung auf den Beruf eines qualifizierten Fertigungsprüfers - Folgendes ausgesprochen hat:

"Nach ständiger Rechtsprechung ist einem Versicherten, der überwiegend im erlernten oder angelernten Beruf tätig war, eine Ein- und Nachschulung im Sinn des durch BGBl 1994/314 aufgehobenen § 19 Abs 1 lit b AMFG, nunmehr § 34 Abs 2 AMSG bzw § 9 Abs 1 AlVG, im bisherigen Beruf zuzumuten, wenn er diesen nur mehr in einer spezialisierten Form ausüben kann (SSV-NF 10/58 ua). Diese neue Form des Berufes muss eine ausreichende Nahebeziehung zum bisher ausgeübten Beruf aufweisen. Nur wenn durch die Schulung der Bereich des erlernten (angelernten) Berufes verlassen wird, dieser [also] mit dem Beruf, zu dessen Ausübung die Schulung erfolgt, in keinem unmittelbaren Zusammenhang steht, widerspricht eine Verweisung den Grundsätzen des Berufsschutzes (10 ObS 202/01f mwN ua). So hat der Senat beispielsweise in dem zu SSV-NF 8/84 entschiedenen Fall ausgesprochen, dass ein gelernter Karosseur auf die Tätigkeit als Kundendienstbetreuer in einschlägigen Betrieben verwiesen werden kann, da der Umstand, dass die Nachschulung zum Erwerb von Spezialkenntnissen im erlernten Beruf in Form einer innerbetrieblichen Schulung 6 Monate dauert, die Verweisung auf diese spezialisierte Form des erlernten Berufes nicht hindert. Nach den Feststellungen kann ein Kfz-Mechaniker nach einer 3 bis 6-monatigen innerbetrieblichen Einschulung auch die Tätigkeit eines qualifizierten Fertigungsprüfers übernehmen, wobei unter anderem der Abschluss einer Lehre als Kfz-Mechaniker ein Anstellungserfordernis für die Tätigkeit eines qualifizierten Fertigungsprüfers darstellt. Damit ist aber klargestellt, dass durch die Schulung der Bereich des erlernten Berufes nicht verlassen wird und eine von der Rechtsprechung verlangte unmittelbare Nahebeziehung besteht (vgl 10 ObS 202/01f).

Es ist daher auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zutreffend, dass die Verweisungstätigkeiten des qualifizierten Fertigungsprüfers und des Kfz-Kundendienstbetreuers im Wesentlichen gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie der Beruf des Kfz-Mechanikers erfordern. ...

Schließlich ist es nach ständiger Rechtsprechung für die Frage der Invalidität ohne Bedeutung, ob der Versicherte auf Grund der konkreten Arbeitsmarktsituation in den Verweisungsberufen einen freien Arbeitsplatz finden wird, da für den Fall einer Arbeitslosigkeit die Leistungszuständigkeit der Arbeitslosenversicherung besteht." (10 ObS 37/03v mwN = RIS-Justiz RS0050900 [T20]).

Nichts anderes kann gelten, wenn es (wie bereits in dem zu SSV-NF 4/140 entschiedenen Fall) um einen Schlosser geht, der Berufsschutz genießt, aber - vor Vollendung seines 57. Lebensjahres (§ 255 Abs 4 ASVG; 10 ObS 421/02p mwN; vgl auch RIS-Justiz RS0100022 [T6 bis T8]) - nach stRsp auf die (berufsschutzerhaltende) Tätigkeit eines qualifizierten Fertigungsprüfers in der Metallbranche verwiesen werden kann (RIS-Justiz RS0084642 [T5] = 10 ObS 399/02b mwN); wozu im vorliegenden Fall feststeht, dass der am 6. 2. 1948 geborene Kläger, ohne sein medizinisches Leistungskalkül zu überschreiten, innerhalb der Berufsgruppe noch als Fertigungsprüfer in der Metallindustrie einsetzbar wäre, und dass für diesen Beruf eine Eischulung in der Dauer von drei Monaten notwendig ist, die innerbetrieblich, meist auf Kosten und am Ort des Unternehmens, bei dem der zu Schulende beschäftigt ist, erfolgt.

Legt man diese - unstrittigen - Feststellungen der Tatsacheninstanzen zugrunde geht es im vorliegenden Fall somit nicht um die im Rechtsmittel angesprochenen "externen Nachschulungen", die der Versicherungsträger dem Kläger nach dem Grundsatz Rehabilitation vor Pension anzubieten hätte; aber auch dem Standpunkt, es seien keine hinreichenden Feststellungen getroffen worden, wie der Kläger in den "Genuss" der erforderlichen Nachschulungen für den Verweisungsberuf des Fertigungsprüfers gelangen kann, ist nicht zu folgen:

Insoweit liegen schon deshalb keine sekundären Feststellungsmängel vor, weil selbst einer Feststellung, wonach es für einen Außenstehenden (Schlosser) "praktisch" keine derartigen Arbeitsplätze gebe, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukäme; hat der erkennende Senat doch bereits in der im Rechtsmittel zitierten Entscheidung (SSV-NF 4/140) ausführlich dargelegt, dass es (auch) dabei letztlich um die (wie die ao Revision selbst festhält) in den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit grundsätzlich nicht zu berücksichtigende Frage geht, ob der Versicherte im Verweisungsberuf tatsächlich einen freien Arbeitsplatz finden wird (SSV-NF 4/140 mwN; RIS-Justiz RS0084833; zuletzt: 10 ObS 399/02b und 10 ObS 37/03v jeweils mwN).

Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass die vom Kläger ins Treffen geführte Behauptung, die Arbeitsplätze würden üblicherweise nur mit schon im Betrieb tätigen Arbeitnehmern besetzt, für die Beurteilung der Verweisbarkeit unbeachtlich ist (RIS-Justiz RS0084888; vgl auch RS0084720 und RS0084833 [T8 und T11]), weshalb die außerordentliche Revision mangels erheblicher, für die Entscheidung des Verfahrens relevanter Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen war.

Stichworte