OGH 16Ok9/03

OGH16Ok9/0315.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Birgit Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Manfred Vogel und Dr. Wolfgang Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Fidelis Bauer und Dr. Thomas Lachs als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin M***** Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Giger, Ruggenthaler & Simon Rechtsanwälte KEG in Wien, wider die Antragsgegnerin S***** Verlagsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch DDr. Christa Fries, Rechtsanwältin in Baden, wegen 22,661.269,74 EUR sA (§ 394 EO), über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom 19. Dezember 2002, GZ 26 Kt 137/01-13, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Parteien haben ihre Rechtsmittelkosten selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit einstweiliger Verfügung des Obersten Gerichtshofs als Kartellobergericht vom 26. 2. 1996, 16 Ok 1/96 (veröffentlicht in SZ 69/47; ÖBl 1996, 289; WBl 1996, 251 und MR 1996, 120; dazu Novotny/Berger, ÖBl 1998, 3), wurde in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses über Antrag der Oscar B***** GmbH & Co KG den dortigen Antragsgegnerinnen 1. M***** Zeitungs- und Zeitschriftenverlag GmbH & Co KG, 2. M***** ZeitungsvertriebsgmbH & Co KG und 3. M***** AnzeigengmbH & Co KG zur Sicherung des Anspruchs der dortigen Antragstellerin auf Untersagung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung verboten, Preisherabsetzungen von Inseraten, insbesondere Stellenmarkt-Raumanzeigen, anzukündigen oder durchzuführen, insbesondere die bereits angekündigte Aktion "Power-Pack" durchzuführen, und die Preise für Inserate, insbesondere in den Tageszeitungen "K*****" und "N*****" unter das am 1. 1. 1995 geltende Preisniveau abzusenken.

Ein am 30. 10. 1996 eingebrachter Antrag der genannten Antragsgegnerinnen, die einstweilige Verfügung aufzuheben oder einzuschränken, blieb ohne Erfolg, weil die Gefahr weiter bestünde, dass auf Grund der bestehenden Marktmachtverhältnisse am österreichischen Tageszeitungsmarkt Dumpingpreisaktionen der marktbeherrschenden Antragsgegnerinnen die Antragstellerin in ihrer wirtschaftlichen Existenz derart gefährden könnten, dass ihre wirtschaftliche Vernichtung die Folge sein könnte (16 Ok 15/97). Im Hauptverfahren wurden die auf § 35 KartG gestützten Anträge der Oscar B***** Gesellschaft mbH & Co KG abgewiesen, weil die durchschnittlichen variablen Kosten einer Personalraumanzeige im Rahmen der "Power-Pack" Aktion unter dem offerierten Anzeigenpreis lagen und ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass diese Aktion Teil einer gezielten Strategie zur wirtschaftlichen Vernichtung der Antragstellerin sei, gerade noch nicht vorlagen, wenn auch verschiedene Umstände als massive Indizien in diese Richtung gewertet werden konnten. Letztlich gab der Umstand den Ausschlag, dass die Antragsgegnerinnen einleuchtende betriebswirtschaftliche Gründe für ihre Aktion aufzeigen konnten, während die Antragstellerin demgegenüber den überzeugenden Beweis einer Missbrauchsstrategie nicht erbringen konnte. Nach rechtskräftiger Beendigung des Hauptverfahrens hob das Erstgericht die einstweilige Verfügung mit Beschluss vom 14. 9. 1998 auf.

Mit dem am 2. 4. 2001 beim Erstgericht eingebrachten, auf § 394 EO gestützten Antrag begehrt die M***** Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Gesellschaft mbH & Co KG - eine der Antragsgegnerinnen - (künftig: Antragstellerin) von der S***** Verlagsgesellschaft mbH (im Folgenden: Antragsgegnerin) die Zahlung von 7.149.790, 34 EUR an Ersatz des in den Jahren 1997 bis 2001 aus der einstweiligen Verfügung entstandenen Schadens und - beginnend ab 31. 12. 2002 - von jährlich 2.107.512,19 EUR an Ersatz des künftig entstehenden Schadens. In eventu begehrt die Antragstellerin die Zahlung von 22.661.269,74 EUR. Die Antragsgegnerin sei Gesamtrechtsnachfolgerin der Oscar B***** Gesellschaft mbH & Co KG. Durch die einstweilige Verfügung sei es dem "K*****" nicht möglich gewesen, sein Preis-Leistungsverhältnis für potentielle Inserenten konstant zu halten. Damit sei er gezwungen gewesen, eine Verschlechterung seiner Werbeposition hinzunehmen. Da den Hauptkonkurrenten am Tageszeitungsmarkt die volle Gestaltungsfreiheit bei der Kalkulation der Anzeigenpreise erhalten geblieben sei, sei dem "K*****" - und damit der Antragstellerin, der die wirtschaftlichen Ergebnisse aus dem Anzeigengeschäft des von ihr verlegten "K*****" zukämen - jedenfalls ein Schaden in Form entgangenen Gewinns entstanden. Der "K*****" habe durch die einstweilige Verfügung einen Marktanteilsverlust erlitten, der auch nach deren Aufhebung nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Im Übrigen brachte die Antragstellerin umfangreich zur Höhe des durch die einstweilige Verfügung - ihren Behauptungen nach - in den Jahren 1997 bis 2001 entstandenen und ab dem Jahr 2002 entstehenden Schadens vor.

Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag abzuweisen. Sie machte unter anderem geltend, § 394 EO sei im Kartellverfahren nicht anwendbar.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es traf Feststellungen über die Entwicklung der Reichweiten von "S*****" und "K*****" in den Jahren 1995 bis 2000, die Entwicklung der hier relevanten Marktanteile von "K*****", "S*****" und "Die P*****" in den Jahren 1995 bis 1999 und die Entwicklung der "1000-Leser-Preise" von "K*****" und "S*****" in den Jahren 1995 bis 2000. Es konnte nicht feststellen, dass

Rechtliche Beurteilung

Nach § 394 Abs 1 erster Satz EO hat die Partei, auf deren Antrag die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, ihrem Gegner für alle ihm durch die einstweilige Verfügung verursachten Vermögensnachteile Ersatz zu leisten, wenn der gefährdeten Partei der behauptete Anspruch, für den die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, rechtskräftig aberkannt wird, wenn ihr Ansuchen sich sonst als unberechtigt erweist oder wenn sie die zur Erhebung der Klage oder Einleitung der Exekution bestimmte Frist versäumt. Nach einhelliger Auffassung normiert diese Bestimmung einen verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch (SZ 69/114; SZ 69/36 ua; König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren² Rz 2/242; Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung § 394 Rz 1 mwN; Konecny, Der Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung 62, 132). Es handelt sich dabei um eine reine Erfolgshaftung (SZ 62/66; 1 Ob 239/00d = EvBl 2001/84; Kodek in Angst, EO § 394 Rz 4 mwN). Über solche Ansprüche entscheidet ausschließlich das Sicherungsgericht mit Beschluss; der Rechtsweg vor den ordentlichen Prozessgerichten ist insoweit ausgeschlossen (SZ 69/36; 1 Ob 239/00d; Zechner, aaO § 394 Rs 4; König aaO Rz 2/273). Das Verfahren ist summarisch (EvBl 1998/171; EvBl 1997/115; SZ 69/114; SZ 68/32). Mangels Sonderbestimmungen sind die Regelungen des Exekutionsverfahrens anzuwenden (SZ 69/114; JBl 1993, 733; Zechner aaO § 394 Rz 4). Der Anspruch ist nicht zu beweisen, sondern nur zu bescheinigen (SZ 69/114 ["dem Grunde nach glaubhaft zu machen]; Zechner aaO § 394 Rz 4; König aaO Rz 2/281).

Nach § 52 Abs 1 und 2 KartG idF BGBl 1993/693 hat das Kartellgericht auf Antrag einer Partei, soweit die Voraussetzungen für die Untersagung der Durchführung eines Kartells nach § 25 KartG oder einer vertikalen Vertriebsbindung nach § 30c KartG oder für den Widerruf der Genehmigung eines Kartells nach § 27 Abs 1 Z 2 KartG oder für richterliche Vertragshilfe (§ 30 KartG) oder für Maßnahmen der Missbrauchsaufsicht nach den §§ 35 und 36 KartG bescheinigt sind, die angeführten Maßnahmen durch einstweilige Verfügung zu treffen. Im Fall der richterlichen Vertragshilfe kann das Kartellgericht die einstweilige Verfügung von der Leistung einer angemessenen Sicherheit abhängig machen (§ 52 Abs 3 KartG). Im Umkehrschluss folgt daraus, dass in den anderen Fällen eine Sicherheit nicht zu leisten ist (König aaO Rz 4/37 und 39). Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist der Antragsgegner zu hören (§ 52 Abs 4 KartG). Das Kartellgesetz sieht eine Anwendbarkeit der Bestimmungen der EO über einstweilige Verfügungen (§§ 378 bis 402) nicht ausdrücklich vor. Das Kartellobergericht ist in mehreren Entscheidungen davon ausgegangen, dass diese Bestimmungen subsidiär auf einstweilige Verfügungen nach § 52 KartG anzuwenden sind (zB 16 Ok 1/99 = ÖBl 1999, 297 [zum Kostenersatz]; implizit SZ 69/47 [parate Bescheinigungsmittel]; SZ 70/272 [zur Überprüfbarkeit der Beweiswürdigung]). Dies wurde in SZ 70/272 damit begründet, dass nach Rechtsprechung und Lehre die Normen über Sicherungsanträge nach der EO im Weg des Art XXVII EGEO analog auch auf in Spezialnormen enthaltene einstweilige Verfügungen in Verfahren außer Streitsachen, wozu auch die einstweilige Verfügung nach § 52 Abs 2 iVm § 35 KartG zähle, anzuwenden sind. Was die Frage des Kostenersatzes im kartellgerichtlichen Provisorialverfahren betrifft, wurde die in 16 Ok 1/99 vertretene Auffassung in späteren Entscheidungen dahin eingeschränkt, dass auch hier § 45 Abs 2 KartG anzuwenden ist (16 Ok 1/00; 16 Ok 2/00 ua). Diese Entscheidungen betrafen nur das Verfahren, nicht aber den materiell-rechtlichen Schadenersatzanspruch des § 394 Abs 1 EO. Mit einer allfälligen Anwendbarkeit des § 394 EO in einem außerstreitigen Verfahren befasste sich das Kartellobergericht im Zusammenhang mit einer vorläufigen Anordnung nach § 7 Abs 4 NahVG in der Entscheidung Okt 1/91 = ÖBl 1991, 173. In diesem Fall war einem Antrag auf vorläufige Untersagung des Verkaufs von Reservemagazinen unter dem Einstandspreis vom Kartellgericht teilweise Folge gegeben worden. Das Kartellobergericht hatte den Sicherungsantrag zur Gänze abgewiesen. Daraufhin hatte der Antragsteller seinen Antrag unter Anspruchsverzicht zurückgezogen. Der Antragsgegner beantragte den Ersatz der Kosten des Schriftsatzaufwands. Das Kartellobergericht verneinte diesen Anspruch auch auf der Grundlage des allenfalls anwendbaren § 394 EO, weil der Grundsatz, dass kein Kostenersatz stattfinde, bereits in § 7 Abs 1 NahVG im Zusammenhang mit der Anordnung, dass grundsätzlich die allgemeinen Bestimmungen des Verfahrens außer Streitsachen auch für das Verfahren vor dem Kartellgericht und Kartellobergericht gelten, ausgesprochen werde und sich eine abweichende Regelung über den Kostenersatz in § 7 Abs 4 NahVG nicht finde. Dies widerspreche auch nicht der Entscheidung des Kartellobergerichts Okt 2/89 = ÖBl 1989, 183, wo ausgesprochen wurde, bei den vorläufigen Maßnahmen nach § 7 Abs 4 NahVG handle es sich um einen Fall einer einstweiligen Verfügung im Sinn des § 381 EO. Diese Ausführungen sagten nämlich nur, dass die für die einstweilige Verfügung von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätze über das Bescheinigungsverfahren auch in Verfahren nach § 7 Abs 4 NahVG anwendbar seien.

König aaO Rz 2/295 vertritt die nicht weiter begründete Auffassung, § 394 EO sei auf alle in Sondergesetzen geregelten einstweilige Verfügungen anzuwenden.

Nach Auffassung des erkennenden Senats kommt eine direkte Anwendung des § 394 EO auf einstweilige Verfügungen nach § 52 KartG über Art XXVII EGEO nicht in Betracht. Gemäß dieser Bestimmung sind die Vorschriften über Sicherungsmaßregeln, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der EO (das ist der 1. 1. 1898) bereits bestanden, in Bezug auf die vorzunehmenden Sicherungsmittel und auf das Verfahren über einstweilige Verfügungen (§§ 378 bis 402) anzuwenden. § 52 KartG wurde aber erst durch das KartG 1988 geschaffen.

Gegen eine analoge Anwendung des § 394 EO auf einstweilige Verfügungen nach § 52 KartG - mit Ausnahme jener im Fall der richterlichen Vertragshilfe (§ 30 KartG), die nur über Antrag des Betroffenen zu erlassen sind und wo den Amtsparteien auch keine Parteistellung zukommt (§ 44 KartG) -, spricht Folgendes:

Der durch die KartGNov 1999 mit Wirksamkeit vom 1. 1. 2000 eingeführte und durch die KartGNov 2002 mit 1. 7. 2002 wieder aufgehobene § 44a KartG sah vor, dass, soweit den Amtsparteien ein Antragsrecht zusteht, das Kartellgericht auch von Amts wegen einschreiten konnte, wenn es dies im öffentlichen Interesse für notwendig hielt. Die amtswegige Verfahrenseinleitung betraf ua folgende Maßnahmen: Untersagung der Durchführung von Kartellen nach § 25 Abs 1 Z 1 und Abs 2 KartG, Widerruf der Genehmigung von Kartellen nach § 27 Abs 1 Z 2 KartG, Untersagung vertikaler Vertriebsbindungen nach § 30c Abs 1 KartG, Abstellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach § 35 Abs 1 und 5 und § 36 KartG (s EBRV 1775 BlgNR 20. GP zu § 44a KartG). In diesen Fällen konnte das Kartellgericht einstweilige Verfügungen nach § 52 KartG auch von Amts wegen anordnen (König aaO Rz 4/38). Die genannten Materialien halten dazu fest, es handle sich um eine systemkonforme Maßnahme, weil amtswegiges Einschreiten im gerichtlichen Außerstreitverfahren durchaus üblich und auch im KartG selbst in verschiedenen Bestimmungen bereits vorgesehen sei. Der Wahrnehmung des öffentlichen Interesses dienten (auch wenn das Kartellgesetz das nicht ausdrücklich sage) die dem Bund als Amtspartei an verschiedenen Stellen des KartG eingeräumten Antragsrechte. Daher sei es sachgerecht, dieser Befugnis des Kartellgerichts denselben Umfang zu geben, wie dem Antragsrecht des Bundes. Das öffentliche Interesse werde durch die dem Kartellgesetz zugrundeliegenden Zielsetzungen konkretisiert. Zugleich ließ der Gesetzgeber bewusst (EBRV aaO) § 126 KartG unverändert. Nach dieser Bestimmung sind ua einstweilige Verfügungen des Kartellgerichts und Beschlüsse des Kartellgerichts und des Kartellobergerichts im Verfahren über die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmer Exekutionstitel (§ 126 Abs 1 KartG). Nach Abs 2 dieser Bestimmung ist zum Antrag auf Bewilligung der Exekution auf Grund von Beschlüssen im Verfahren nach den §§ 35 und 36 KartG neben dem Antragsteller im kartellgerichtlichen Verfahren auch der durch den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung unmittelbar betroffene Unternehmer berechtigt. Die EBRV aaO führen dazu aus, weil es im amtswegig eingeleiteten Verfahren keinen Antragsteller gebe, werde in einem solchen Fall nur der beteiligte Unternehmer selbst einen Exekutionsantrag stellen können. Bei einer von Amts wegen erlassenen einstweiligen Verfügung des Kartellgerichts konnte es aber mangels eines Antragstellers nicht zu einer Haftung nach § 394 Abs 1 EO kommen. Es erschiene nicht sachgerecht, eine solche für gegeben zu erachten, wenn die Abstellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung mit einstweiliger Verfügung aufgetragen wurde, die der betroffene Unternehmer beantragt hatte, aber auch durch bloße Anregung zum amtswegigen Vorgehen erreichen hätte können.

Einen Anhaltspunkt gegen die Annahme der strengen Haftung nach § 394 EO bietet ferner entgegen der Auffassung des Erstgerichts § 45 Abs 2 KartG. In den dort genannten Fällen weicht der Gesetzgeber vom Grundsatz der Erfolgshaftung des Kostenersatzrechts nach der ZPO zu Gunsten einer verschuldensabhängigen Haftung ab.

Nach § 144a Abs 1 StPO hat der Untersuchungsrichter in bestimmten Fällen und unter bestimmten Voraussetzungen über Antrag des Staatsanwalts eine einstweilige Verfügung zu erlassen. Für diese einstweiligen Verfügungen gelten, sofern nichts anderes bestimmt ist, die Bestimmungen der EO über einstweilige Verfügungen sinngemäß (§ 144a Abs 1 letzter Satz StPO). Aus dieser Verweisung folgerte der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluss vom 28. 11. 2000, 1 Ob 239/00d (veröffentlicht in EvBl 2001/84), dass dem von einer nach § 144a erlassenen einstweiligen Verfügung Betroffenen bei Zutreffen der Voraussetzungen Ansprüche gemäß § 394 EO zustehen, weil § 394 EO unzweifelhaft zu den Bestimmungen der EO über einstweilige Verfügungen gehöre. Dass die Provisorialmaßnahme nur auf Antrag des Staatsanwalts getroffen werden könne, stehe dem nicht entgegen, müsse doch die Republik Österreich, für die der Staatsanwalt einschreite, schon deshalb einer gefährdeten Partei im Sinn des § 394 EO gleichgehalten werden, weil mit der einstweiligen Verfügung zu ihren Gunsten abzuschöpfende oder für verfallen zu erklärende Vermögenswerte gesichert werden sollen. Der Gesetzgeber hat auf diese Entscheidung damit reagiert, dass er mit BGBl I 134/2002 dem § 144a StPO einen neuen Absatz 7 einfügte. Danach haftet der Bund für Vermögensnachteile, die durch die Anordnung einer einstweiligen Verfügung, ihren Vollzug oder durch eine Entscheidung über ihre Aufhebung verursacht wurden, ausschließlich nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes (zu den Gründen s EBRV 1166 BlgNR 21. GP zu Art II Z 5 [§ 144a StPO].

Der Bund, vertreten durch die Finanzprokuratur, war vor der KartGNov 2002 selbst eine der Amtsparteien mit umfangreichen Antragsrechten; insbesondere war er zu einem Antrag nach den §§ 35 und 36 KartG und nach § 52 Abs 2 zweiter Fall KartG berechtigt. Nunmehr sind Amtsparteien die Bundeswettbewerbsbehörde und der Bundeskartellanwalt (§ 44 KartG). Sie haben unter anderem Antragsrechte zur Untersagung der Durchführung eines Kartells, zum Widerruf der Genehmigung eines Kartells, zur Untersagung der Durchführung einer vertikalen Vertriebsbindung, zur Abstellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung und zu im Zusammenhang damit stehender einstweiliger Verfügungen nach § 52 KartG (§§ 25, 27, 30c, 37 KartG). Ferner sind jetzt auch durch bundesgesetzliche Vorschriften zur Regulierung bestimmter Wirtschaftszweige eingerichtete Behörden (Regulatoren) zu den genannten Anträgen berechtigt. Dazu führen die EBRV 1005 BlgNR 21. GP zu § 8a KartG aus, dass von den Regulatoren ein wertvoller Beitrag zur Durchsetzung des Kartellrechts, insbesondere im Bereich der Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmer zu erwarten ist, weil sie aus ihrer behördlichen Tätigkeit besonders profunde Kenntnisse über die maßgeblichen Verhältnisse in dem jeweiligen Wirtschaftszweig haben. Dass Bundesbehörden Antragsrechte in kartellrechtlichen Angelegenheiten eingeräumt wurden und sie Amtsparteien sind, bringt deutlich zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber die Erreichung der Zielsetzungen des KartG im öffentlichen Interesse ansieht. Es liegt auf der Hand, dass die auch im öffentlichen Interesse liegende Durchsetzung des Kartellrechts empfindlich beeinträchtigt wäre, stünden diese Behörden unter der strengen Haftung des § 394 EO, die - betrachtet man die Gesetzgebung zu § 144a StPO - kaum vom Gesetzgeber gewollt wäre. Eine analoge Anwendung des § 394 EO auf von den Amtsparteien und den anderen genannten Bundesbehörden beantragte einstweilige Verfügungen nach § 52 KartG kommt daher nicht Betracht. Unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes wäre die Annahme einer derartigen verschuldensunabhängigen Haftung der übrigen nach den kartellgesetzlichen Bestimmungen Antragsberechtigten bedenklich. Vor diesem Hintergrund kommt daher der erkennende Senat zu dem Schluss, dass § 394 EO auf die in § 52 KartG geregelten einstweiligen Verfügungen - möglicherweise abgesehen von jener des § 52 Abs 2 erster Fall KartG (richterliche Vertragshilfe) - mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nicht anzuwenden ist. Mangels Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf die von der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin erwirkte einstweilige Verfügung steht der Antragstellerin der darauf gestützte Anspruch nicht zu, weshalb ihrem Rekurs schon aus diesem Grund kein Erfolg zu bescheiden war.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer sinngemäßen Anwendung § 45 Abs 2 KartG.

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