OGH 8ObA107/03y

OGH8ObA107/03y13.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Manfred T*****, Speditionskaufmann, *****, vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 28.544,27 brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Juli 2003, GZ 8 Ra 59/03k-21, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Behauptung der Revisionswerberin, das Berufungsgericht stütze seine Rechtsauffassung über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Streitteilen auf einen "hypothetischen Sachverhalt", weil es unter Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes ohne eigene Beweisaufnahme ergänzende Feststellungen getroffen habe, ist unzutreffend. Richtig ist nur, dass das Erstgericht in seinem Urteil einen nicht unerheblichen Teil seiner Feststellungen systemwidrig im Rahmen der Ausführungen zur Beweiswürdigung getroffen hat. Dies ändert aber nichts an der Berechtigung des Berufungsgerichtes, diese Feststellungen seiner Entscheidung zu Grunde zu legen.

Im Übrigen hat die Beklagte in erster Instanz gar nicht bestritten, dass der Kläger in einem Arbeitsverhältnis tätig war und Arbeitsleistungen für die Beklagte erbracht hat; sie hat allerdings geltend gemacht, dass Arbeitgeber nicht sie, sondern ein portugiesisches Unternehmen gewesen sei und dass zwischen diesem Unternehmen und dem Kläger neben dem Arbeitsvertrag auch noch ein Werkvertrag bestanden habe.

Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich aber, dass nach der für die Beurteilung maßgebenden tatsächlichen Gestaltung der Beziehungen zwischen den Streitteilen ein Arbeitsverhältnis bestanden hat und das portugiesische Unternehmen nur nach außen als Arbeitgeber "vorgeschoben" wurde, um der Beklagten dadurch verschiedene ungerechtfertigte Vorteile zu verschaffen. Die Beklagte wollte - wie ausdrücklich festgestellt wurde - mit der von ihr initiierten Firmengründung in Portugal "in ein EU-rechtliches Loch" stoßen, sich Abgaben sparen und erreichen, dass "Dienstnehmer, denen etwas nicht passe, ihre Ansprüche in Portugal durchsetzen" müssen. Damit in Einklang steht der ebenfalls aus den Feststellungen ersichtliche Umstand, dass die Arbeitsleistung des Klägers in Wahrheit ausschließlich der Beklagten zukam, dass die Beklagte auch die Funktion des Arbeitgebers ausübte und dass das portugiesische Unternehmen, dessen Firmensitz aus einem 10 m² großen Büro bestand, im Zusammenhang mit der Beschäftigung des Klägers keine erkennbare Funktion ausübte. Damit erweist sich die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass zwischen den Streitteilen ein Arbeitsverhältnis bestanden habe, alles andere als unvertretbar. Die weitwendigen Ausführungen der Revisionswerberin über den Unterschied zwischen einem Umgehungsgeschäft und einem Scheingeschäft sind von vornherein nicht geeignet, die Unvertretbarkeit der Rechtsauffassung der Vorinstanzen darzulegen; sie können daher die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen.

Auch der Einwand, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Kläger einen Werkvertrag unterfertigt habe, ist unberechtigt. Auch insofern steht die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass trotz der Kombination eines Arbeitsverhältnisses mit einem Werkvertrag von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis auszugehen sei, im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. So wurde bereits in 8 ObA 135/02i klargestellt, dass es unzulässig ist, die (einheitliche) Tätigkeit eines Arbeitnehmers in einen abhängigen und einen selbständigen Teil zu zerlegen und damit arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen zu umgehen.

Abgesehen davon, dass die Beurteilung des objektiven Erklärungswertes einer Beendigungserklärung immer eine Frage des Einzelfalles und daher - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz - nicht revisibel ist, sind die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhobenen Einwände der Revisionswerberin von vornherein ungeeignet, die Richtigkeit der Entscheidungen der Vorinstanzen in Frage zu stellen. Für die Ansprüche des Klägers macht es nämlich - von der Qualifikation einzelner Forderungen als Erfüllungsanspruch oder als Schadenersatzanspruch abgesehen - keinen Unterschied, ob man die Beendigungserklärung des Geschäftsführers der Beklagten als zeitwidrige Kündigung mit sofortiger Wirkung, als Kündigung zum nächsten Kündigungstermin oder als Entlassung wertet (vgl dazu RIS-Justiz RS0028200). In jedem Fall stehen dem Kläger die von ihm geltend gemachten Ansprüche zu, zumal eine allfällige Entlassung nach den Feststellungen der Vorinstanzen als unberechtigt erachtet werden müsste. Warum eine Entlassung angesichts des festgestellten Sachverhalts berechtigt gewesen wäre, wird in der Revision nicht ausgeführt.

Dass der Arbeitnehmer berechtigt ist, den Bruttolohn einzuklagen, entspricht der völlig herrschenden Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0000636; zuletzt etwa 9 ObA 100/03a). Dass dies nicht der Fall sei, "wenn die diesbezüglichen Sachverhaltselemente im Erkenntnisverfahren vorliegen und die diesbezügliche Beurteilung leicht und ohne Beweiserhebung möglich ist", trifft nicht zu. Der dazu in der Revision zitierten Entscheidung 9 ObA 2010/96w ist Derartiges in keiner Weise zu entnehmen.

Die rechnerische Richtigkeit der Entgeltberechnungen des Klägers hat die Beklagte in erster Instanz weder bestritten noch auch nur in Frage gestellt. Das Erstgericht war daher nicht verhalten, von sich aus steuerliche Berechnungen anzustellen, um die gar nicht bestrittenen Angaben des Klägers zu überprüfen. Damit erweist sich aber auch die Vorgangsweise des Berufungsgerichtes als unbedenklich, das auf die erstmals in der Berufung dazu erhobenen Einwände unter Hinweis auf das Fehlen erstinstanzlichen Vorbringens nicht eingegangen ist.

Nicht zu beanstanden sind auch die Ausführungen der zweiten Instanz, dass die Beklagte die Höhe des Nettobezugs des Klägers nicht substantiiert bestritten habe. In Wahrheit hat die Beklagte selbst in ihrem Vorbringen in der Tagsatzung vom 6. 11. 2002 Beträge für die Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis und aus dem Werkvertrag genannt, die - addiert man sie - den Angaben des Klägers entsprechen.

Auf die Ausführungen der zweiten Instanz zur Anwendbarkeit des Kollektivvertrages für Denkmalfassader und Gebäudereiniger kommt es überhaupt nicht an, weil auch ohne diese Ausführungen von einem Anspruch des Klägers auf Sonderzahlungen ausgegangen werden muss. Zwar hat die Beklagte in ihrem verfahrenseinleitenden Schriftsatz den Anspruch des Klägers auf Sonderzahlungen im Hinblick auf fehlende Behauptungen über einen anwendbaren Kollektivvertrag in Frage gestellt, was allerdings in Widerspruch zum Inhalt des Dienstzettels stand, auf den sie sich selbst berufen hat und in dem ein solcher Anspruch erwähnt wird. Vor allem aber hat die Beklagte selbst in der Tagsatzung vom 6. 11. 2002 vorgebracht, dass der Kläger während des Arbeitsverhältnisses Sonderzahlungen bezogen hat. Dies entspricht auch den erstgerichtlichen Feststellungen. Wieso dem Kläger dieser Anspruch nunmehr nicht mehr zustehen soll, hat die Beklagte mit keinem Wort begründet. Richtig ist allerdings, dass der Kläger die Sonderzahlungen nur auf der Grundlage des Gehalts aus dem Arbeitsverhältnis bezogen hat während das Entgelt aus dem "Werkvertrag" unberücksichtigt blieb. Da - wie gezeigt - von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis ausgegangen werden muss, ist aber die Vorgangsweise der Vorinstanzen, die die Einkünfte aus beiden Verträgen berücksichtigt haben, nicht zu beanstanden. Dass der Kläger während des Arbeitsverhältnisses Sonderzahlungen in geringerer Höhe erhalten hat, erklärt sich aus der zur Vermeidung von berechtigten Arbeitnehmeransprüchen gewählten Vertragskonstruktion und bedeutet nur, dass seine Ansprüche nur zum Teil erfüllt wurden; dem nunmehrigen Begehren des Klägers steht dieser Umstand aber nicht entgegen.

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