OGH 9ObA2010/96w

OGH9ObA2010/96w27.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Manfred Dafert und Dr.Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing.Horst M*****, vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei S***** AG, ***** vertreten durch Dr.Franz Christian Sladek und Dr.Michael Meyenburg, Rechtsanwälte in Wien, wegen 208.359,26 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Juni 1995, GZ 10 Ra 51/95-101, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 14.Oktober 1994, GZ 13 Cga 265/93x-97, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die Begründung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist der Dienstnehmer grundsätzlich berechtigt, den vollen Bruttolohn einzuklagen, in welchem Fall das Recht des Dienstgebers zum Abzug von Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge erst bei Zahlung oder exekutiver Hereinbringung der Forderung eine Rolle spielt (Arb 10195 mwN ua). Der Dienstnehmer kann aber im Verfahren ohne weiters anstelle des ursprünglich geforderten Bruttobetrages den Nettobetrag seiner Forderung geltend machen. Dabei handelt es sich nicht um eine Klageänderung. Die Forderung wird dadurch lediglich präzisiert; die sonst im Exekutionsverfahren zu klärende Frage, welchem Nettobetrag die brutto zuerkannte Forderung entspricht, wird dadurch in das Erkenntnisverfahren verlagert. Wie hoch der aufgrund eines bestimmten Bruttoanspruches sich ergebende Nettobetrag ist, hängt von der Höhe der gesetzlichen Abzüge ab; sind Abzüge nicht zu tätigen, so entspricht der Nettobetrag dem Bruttoentgelt. Wird in einem solchen Fall das Begehren von einer Bruttoforderung auf eine Nettoforderung in gleicher Höhe umgestellt, so handelt es sich nach wie vor um die idente Forderung. Es trifft daher nicht zu, daß der Kläger dadurch, daß er mit der Behauptung, es sei von seinen Bezügen in der Zeit, in die der maßgebliche Sachverhalt fällt, keine Lohnsteuer abzuführen gewesen, nach Leistung der Zahlung durch die beklagte Partei einen weiteren Nettobetrag begehrte, eine neue Forderung geltend machte. Damit wurde nur vorgebracht, daß die ursprünglich brutto begehrte Forderung ungeachtet der Zahlung mit einem weiteren Nettobetrag aushafte, weil überhöhte Abzüge vorgenommen worden seien. Damit erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Ausführungen des Rechtsmittels zur Verjährung. Daß das Begehren durch die seinerzeitige Klagseinbringung bzw Klagsausdehnung vom 10.4.1989 nach Ablauf der Verjährungszeit erhoben worden wäre, wurde von der beklagten Partei nicht behauptet. Sie leitet die Berechtigung des Verjährungseinwandes nur daraus ab, daß der Kläger durch die Geltendmachung des Nettobegehrens mit Schriftsatz vom 19.8.1993 eine neue Forderung erhoben habe.

Auch daraus, daß der Kläger in diesem Zusammenhang ausdrücklich erklärte, er stütze sein Nettobegehren auf den Rechtstitel des Schadenersatzes, kann für den Standpunkt der beklagten Partei nichts abgeleitet werden. Aufgrund der Entscheidung vom 19.5.1993, 9 ObA 91/93 steht fest, daß die Entsendung des Klägers von der beklagten Partei rechtswidrig gekündigt wurde. Bei den Forderungen, die der Kläger geltend macht, handelt es sich um Entgelt für die Zeit, für die die Entsendung bei vertragsgemäßem Verhalten der beklagten Partei gedauert hätte, also um eine Kündigungsentschädigung. Die herrschende Judikatur und Lehre stehen im Fall der zeitwidrigen Kündigung auf dem Boden des Schadenersatzprinzips: Jede Kündigung beendet das Vertragsverhältnis grundsätzlich zu dem im Kündigungsausspruch enthaltenen Zeitpunkt, gleichgültig, ob dieser gesetzlich oder vertraglich gedeckt ist oder nicht. Dem Dienstnehmer gebührt in analoger Anwendung des § 29 AngG das Entgelt bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Lösung des Dienstverhältnisses möglich gewesen wäre (Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht5 504; Martinek/Schwarz/ Schwarz AngG7 654 f; Arb 9259 uva). Bei den Ansprüchen wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses handelt es sich nicht um Entgelt, sondern um Schadenersatzansprüche (Martinek/Schwarz/Schwarz aaO 660 mwH). Bei der Forderung, die der Kläger geltend machte, handelte es sich daher von Anfang an um eine Schadenersatzforderung, sodaß durch das Vorbringen im Zusammenhang mit der späteren Geltendmachung eines Nettobetrages auch kein neuer Rechtsgrund herangezogen wurde.

Die beklagte Partei hat durch die vorzeitige Kündigung der Entsendungsvereinbarung vertragswidrig gehandelt und ist daher zum Schadenersatz verpflichtet. Der Schadenersatz des Angestellten, dessen Dienstverhältnis vertrags- oder gesetzwidrig gekündigt wurde, besteht in der Fortzahlung des vertragsmäßigen Entgeltes für die Zeit, bis zu der das Dienstverhältnis bei vertragsgemäßem Verhalten des Dienstgebers gedauert hätte. Durch die Entgeltfortzahlung soll der Angestellte wirtschaftlich so gestellt werden, wie dies bei regelmäßigem Ablauf des Arbeitsverhältnisses der Fall gewesen wäre (Martinek/Schwarz/Schwarz aaO 661 mwH).

Fest steht, daß der beklagten Partei bis Ende 1989 eine Steuerbegünstigung im Sinne des § 3 Abs 1 Z 10 EStG für ins Ausland entsandte Dienstnehmer zuerkannt war. In Österreich gezahlte Gehälter solcher Dienstnehmer wurden nicht mit Lohnsteuer belastet. Es ist unbestritten, daß die beklagte Partei bei Zahlung der im Verfahren geltend gemachten Ansprüche des Klägers im Jahr 1993 Lohnsteuer abzuführen hatte; die Begünstigung war bereits Ende 1989 abgelaufen. Bei Erfüllung der Entsendungsvereinbarung durch die beklagte Partei wären jedoch die Gehälter des Klägers in den Jahren 1985 bis 1987 ausgezahlt worden und es wäre hiefür in Österreich keine Lohnsteuerbelastung angefallen. Die nunmehrige Steuerbelastung ist daher die Folge des vertragswidrigen Verhaltens der beklagten Partei, für das sie einzustehen hat. Der Kläger ist nur dann wirtschaftlich so gestellt, wie bei vertragsgemäßem Verhalten der beklagten Partei, wenn ihm letztlich wirtschaftlich das zukommt, was er bei Einhaltung des Vertrages erhalten hätte. In diesem Fall wäre ihm aber das Gehalt ohne Abzug der österreichischen Lohnsteuer ausgezahlt worden.

Zutreffend sind die Vorinstanzen daher zum Ergebnis gelangt, daß das auf Ersatz der Lohnsteuer gestützte Begehren des Klägers berechtigt ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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