OGH 9ObA91/93

OGH9ObA91/9319.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Vera Kremslehner und Mag.Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing.H***** M*****, vertreten durch Dr.Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S***** AG, ***** vertreten durch Dr.Michael Meyenburg, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1,000.000,-- S brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.Jänner 1993, GZ 34 Ra 111/92-78, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12.Februar 1992, GZ 13 Cga 5005/88-73, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Eine Aktenwidrigkeit erblickt der Revisionswerber darin, daß das Berufungsgericht annahm, daß die Beklagte den Beweis, daß dem Kläger eine weitere Aufenthalts- und Beschäftigungsbewilligung nicht erteilt worden wäre, nicht erbracht hätten. Sie verweist dazu auf die als Beilage /O im Akt erliegende Erledigung eines Ersuchens um Erneuerung von Ausländer(beschäftigungs)quoten vom 9.Jänner 1986. Eine Aktenwidrigkeit wird damit jedoch nicht aufgezeigt. In dieser Urkunde, die im übrigen nicht auf das Ansuchen vom 24.Juli 1985, sondern auf ein Schreiben der S*****-N***** Ltd vom 16.Dezember 1985 Bezug nimmt, wurde in allgemeiner Form u.a. auch die Erneuerung der entsprechenden Bewilligungen für einen Produktionsmanager erteilt, ohne daß dieser namentlich bezeichnet wäre. Abgesehen davon, daß die Kündigung des Klägers lange vor dieser Bewilligung erfolgte, ist die Beurteilung dieser Urkunde im Zusammenhang mit den übrigen Beweisergebnissen eine Frage der irrevisiblen Beweiswürdigung.

Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist die Frage, ob die Beklagte aufgrund des Dienstvertrages bzw. der Entsendungsvereinbarung die Entsendung zulässig gekündigt hat. Wesentlich hiefür ist nur das zwischen den Streitteilen bestehende Vertragsverhältnis. Ob daneben auch zwischen dem Kläger und der S*****-N***** Ltd ein Dienstvertrag begründet wurde, wäre nur dann von Bedeutung, wenn die Beendigung eines solchen Dienstverhältnisses Voraussetzung für die Beendigung der Entsendung gewesen wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen gingen beide Streitteile bei Abschluß des Entsendungsvertrages davon aus, daß dessen Kündigung nur aus den in Punkt 4.4.1. der Vereinbarung genannten Gründen (Krieg, Bürgerkrieg, Krankheit, Nichterteilung der Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungen, wirtschaftliche Schwierigkeiten, Einstellung des Projektes oder der Aktivitäten des Unternehmens und Probleme des Dienstnehemrs bei der Erfüllung seiner Aufgaben) zulässig sein sollte. Ein allfälliger Dienstvertrag zwischen dem Kläger und S*****-N***** Ltd bzw dessen Auflösung bildete demnach kein Kriterium für die Kündigung der Entsendungsvereinbrung. Daher ist auch die Frage, ob es zum Abschluß eines solchen Dienstvertrages kam, auf die Entscheidung ohne Einfluß. Dem von der Revision aufgezeigten Widerspruch, daß das Erstgericht einerseits feststellte, daß der Abschluß eines Dienstvertrages zwischen dem Kläger und S*****-N***** Ltd nicht erwiesen sei, andererseits aber die Kündigung eines Dienstvertrages zwischen diesen Parteien als erwiesen annahm, kommt daher keine Bedeutung zu.

Aus dem Dienstvertrag zwischen den Streitteilen und der Entsendungsvereinbarung ergibt sich, daß der Kläger im Rahmen seines Dienstverhältnisses mit der Beklagten für S*****-N***** Ltd tätig wurde; er wurde von der Beklagten für diese Tätigkeit auch bezahlt. Das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen war daher während der Tätigkeit des Klägers in N***** keineswegs karenziert.

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts zutreffend ist, genügt es auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

In der Rechtsrüge vertritt die Beklagte den Standpunkt, daß anläßlich der Unterfertigung der neuen Entsendungsvereinbarung im Mai 1985 Übereinstimmung über die Beendigung der Entsendung des Klägers mit 31. August 1985 erzhielt worden sei. Soweit die Revisionswerberin in diesem Punkt von den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen abweicht, und einen Sachverhalt zugrundelegt, der nach ihrer Meinung aufgrund der von ihr genannten Beweisergebnisse festzustellen gewesen wäre, ist das Rechtsmittel nicht gesetzmäßig ausgeführt. Die das Revisionsgericht bindenden Feststellungen bieten jedoch keine Grundlage für die Annahme, daß der Kläger im erwähnten Zusammenhang auf Ansprüche aus der vorzeitigen Kündigung der Entsendungsvereinbarung verzichtet hätte. Daß in der neuen Entsendungsvereinbarung das Ende der Verwendung des Klägers in Nigeria mit 31.August 1985 festgehalten wurde, entsprach der Kündigungserklärung. Die bloße Unterfertigung dieser Urkunde begründet keinen Verzicht auf Ansprüche aus einer vertragswidrigen Kündigung. Eine Erklärung oder ein Verhalten des Klägers, das einen solchen Schluß zuließe, wurde nicht festgestellt; die Vorinstanzen haben vielmehr festgestellt, daß der Kläger bei dieser Gelegenheit ausdrücklich darauf hinwies, daß die Entsendung vertragswidrig gekündigt worden sei. Aus den Ausführungen im Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes vom 14.September 1988, 9 Ob A 164/88, vermag die Beklagte für ihren Standpunkt nichts abzuleiten. Dort wurde zwar der Inhalt des im Mai 1985 aufgenommenen Aktenvermerkes erörtert, aber ausgesprochen, daß es zur Klärung der Frage, ob über die Beendigung der Entsendung mit 31.August 1985 Übereinstimmung erzielt worden sei, weiterer Feststellungen bedürfe. Diese wurden im weiteren Verfahren nachgetragen; sie rechtfertigen die Annahme einer einvernehmlichen Auflösung der Entsendungsvereinbarung unter Verzicht des Klägers auf vertragliche Ansprüche nicht.

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß die Kündigung der Entsendung des Klägers nur aus den in Punkt 4.4.1. des Entsendungsvertrages genannten Gründen zulässig war, wird in der Revision nicht mehr bekämpft. Die Beklagte vertritt jedoch die Ansicht, daß Gründe vorgelegen seien, die die Kündigung nach diesem Vertragspunkt gerechtfertigt hätten; insbesondere seien wirtschaftliche Schwierigkeiten vorgelegen.

Das Erstgericht hat festgestellt, daß die Produktion von Traktoren sofort nach dem Beginn der Tätigkeit des Klägers verdreifacht wurde; die Endmontage von LKW belief sich 1984 auf 446 Stück, und 1985 auf 435 Stück, die Endmontage von Traktoren 1984 auf 352 Stück und 1985 auf 604 Stück und die Produktion von Generatoren 1984 auf 110 Stück und 1985 auf 200 Stück. Die Marktentwicklung ermöglicht der S*****-N***** Ltd im Jahr 1985 den Abbau des hohen Lagerbestandes und eine Umsatzsteigerung um 84 %. Das Berufungsgericht hat zusätzlich - wenn auch ohne eigene Beweisaufnahmen, was aber die Beklagte im Revisionsverfahren nicht gerügt hat - festgestellt, daß bereits vor dem Geschäftsjahr 1984 hohe Verluste aufgetreten waren (Verlustvortrag 1984 30,219.618 Naira); der Verlust im Geschäftsjahr 1984 habe 7,449.478 Naira betragen; im Geschäftsjahr 1985 sei jedoch ein Gewinn von 135.598 Naira erzielt worden. Ob der Kündigungsgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf die Beklagte oder die S*****-N***** Ltd zu beziehen ist, kann unerörtert bleiben, weil die Beklagte gar nicht ins Treffen führt, daß sich ihre wirtschaftliche Lage in der fraglichen Zeit in relevantem Ausmaß verschlechtert hat, und auch die Entwicklung bei S*****-N***** Ltd die Annahme des Kündigungsgrundes der "wirtschaftlichen Schwierigkeiten" nicht rechtfertigt. Wirtschaftliche Schwierigkeiten hätten im Sinne der getroffenen Vereinbarung die Kündigung nur dann zulässig gemacht, wenn eine im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht absehbare Entwicklung eingetreten wäre. Hier steht aber fest, daß sich S*****-N***** Ltd bereits vor Abschluß der Entsendungsvereinbarung längere Zeit in der Verlustzone befand; darauf weist im übrigen auch die Aussage eines Zeugen hin, die die Beklagte in der Revision für ihren Standpunkt ins Treffen führt; nach dieser hätte S*****-N***** Ltd bereits im Jahre 1980 aus Wirtschaftlichkeitsgründen liquidiert werden müssen. Wirtschaftliche Schwierigkeiten, die bereits bei Abschluß der Entsendungsvereinbarung bestanden, können jedoch die Kündigung nicht rechtfertigen, zumal es nach Beginn der Tätigkeit des Klägers schon 1984 zu einer beträchtlichen Produktionssteigerung (im Bereich Traktoren) und 1985 zu einer weiteren Steigerung der Gesamtproduktion kam, was letztlich dazu führte, daß das Betriebsergebnis 1985 positiv war. Die weiteren Ausführungen der Revision zu dieser Frage gehen nicht von den Feststellungen aus und sind als unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung unbeachtlich.

Da nicht erwiesen ist, daß dem Kläger eine weitere Aufenthalts- und Beschäftigungsbewilligung nicht erteilt worden wäre, kommt auch der Wegfall dieser Bewilligung nicht als Kündigungsgrund in Frage.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 393 ZPO.

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