OGH 1Ob109/03s

OGH1Ob109/03s17.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. Rainer L*****, und 2. Yvette L*****, beide ***** vertreten durch Lattenmayer, Luks & Enzinger, Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagten Parteien 1. DI Wolfgang U*****, und 2. Magda U*****, beide ***** vertreten durch Dr. Hans Georg Zeiner, Dr. Brigitte Heaman-Dunn, Dr. Georg Punkenhofer und Dr. Rudolf Pendl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Abberufung eines Geschäftsführers und Zustimmung zu derselben (Streitwert 39.970,06 EUR) sA infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Jänner 2003, GZ 2 R 83/02v-27, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 8. Februar 2002, GZ 27 Cg 255/99a-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 2.029,32 EUR (darin 338,22 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu zahlen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind zu je 25 % Gesellschafter einer Gesellschaft mbH, deren selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer sowohl der Erstkläger wie auch der Erstbeklagte sind. Letzterer ist seit 1. 4. 1991 Hauptmieter einer Wohnung, die er der Gesellschaft mbH mit Vertrag vom 26. 4. 1991 in Untermiete überließ. Dieses Untermietverhältnis kündigte der Erstbeklagte zum 31. 3. 1999 gerichtlich auf. Bereits am 15. 3. 1999 hatte er das Inventar der Gesellschaft mbH mit Ausnahme der Software zum Preis von 294.500 S gekauft.

Die Kläger begehren die Abberufung des Erstbeklagten als Geschäftsführer der Gesellschaft mbH, die Entziehung seiner Geschäftsführerbefugnis und Vertretungsmacht sowie die Einwilligung der Zweitbeklagten in die Klagsführung gegen den Erstbeklagten. Bei der Anmietung der Räumlichkeit sei vereinbart worden, dass das Mietobjekt ausschließlich der Gesellschaft für deren Tätigkeit zur Verfügung stehen solle. Deshalb sei auch am 26. 4. 1991 der bereits erwähnte Untermietvertrag geschlossen worden. Ausschließlich die Gesellschaft mbH habe das Objekt genutzt. Der Erstbeklagte habe seine Geschäftsführerpflichten gröblich verletzt, indem er den Untermietvertrag aufgekündigt und diese Aufkündigung für die Gesellschaft mbH selbst in Empfang genommen habe. Er habe sich allein in den Genuss des Objekts bringen wollen, um sich Mietkosten für eine vergleichbare Wohnung zu ersparen. Nachdem der Erstbeklagte am 1. 4. 1999 die Schlösser des Objekts ausgetauscht habe, sei die Gesellschaft mbH genötigt gewesen, kurzfristig Ersatzräumlichkeiten zu beziehen. Da der Erstbeklagte die Büroeinrichtung für sich selbst nutze, habe die Gesellschaft mbH eine eigene Einrichtung anschaffen müssen. Die Aneignung des gesamten Inventars samt Software habe die Gesellschaft mbH mit Besitzstörungsklage bekämpft, doch habe der Erstbeklagte diese Klage namens der Gesellschaft zurückgezogen und auch dadurch zu deren Schaden gehandelt. Obwohl das in den Mieträumlichkeiten befindliche Inventar einen Wert von zumindest 740.000 S repräsentiere, habe er dieses zu einem Preis von lediglich 294.500 S angekauft. Ein Beschluss der Gesellschafter über die Auflösung der Gesellschaft mbH sei nie gefasst worden. Seit dem 31. 3. 1999 habe die Gesellschaft aber kaum Aufträge ausführen können, weil ihr durch die Aussperrung aus dem Geschäftslokal jede Geschäftsgrundlage entzogen worden sei. Die Zweitbeklagte habe die Malversationen des Erstbeklagten gedeckt; auf die Aufforderung, der Abberufung des Erstbeklagten zuzustimmen, habe sie nicht reagiert.

Die Beklagten wendeten insbesondere ein, der Erstbeklagte habe seine Geschäftsführerpflichten nicht verletzt, vielmehr seien Handlungen des Erstklägers geeignet gewesen, der Gesellschaft mbH Schaden zuzufügen. Ende 1998 hätten die Streitteile vereinbart, ihre Zusammenarbeit und damit die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft mbH zu beenden und diese spätestens zum 31. 3. 1999 aufzulösen oder ihre Anteile zu übertragen. Spätestens Anfang 1999 sei "der Zweck und die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der Gesellschaft mbH" zur Gänze weggefallen, die Geschäftstätigkeit sei zu diesem Zeitpunkt faktisch eingestellt gewesen. Aus Anlass der Beendigung der Zusammenarbeit der Streitteile habe der Erstbeklagte das Untermietverhältnis gerichtlich aufgekündigt; die Gesellschaft mbH sei nie genötigt gewesen, Ersatzräumlichkeiten mit einem höheren Aufwand zu beziehen, weil die Geschäftstätigkeit bereits eingestellt gewesen sei. Die Beendigung des Untermietverhältnisses bedeute wegen des Wegfalls der Mietzinszahlungen einen wirtschaftlichen Vorteil für die Gesellschaft mbH. Der Ankauf des Inventars der Gesellschaft durch den Erstbeklagten sei ein zulässiges Insichgeschäft. Der vom Erstbeklagten bezahlte Kaufpreis entspreche dem vom Erstkläger ermittelten Wert und liege über dem üblichen Marktwert. Die Kläger hätten bei diesem Rechtsstreit nicht das Interesse der Gesellschaft mbH, sondern vielmehr ihre Eigeninteressen im Auge. Im Zuge der Generalversammlung vom 28. 3. 2001 habe die Zweitbeklagte beantragt, die Abberufung des Erstbeklagten als Geschäftsführer zu beschließen und sie zur Geschäftsführerin zu bestellen. Die Kläger hätten dagegen gestimmt, woraus sich ergebe, dass der behauptete wichtige Grund zur Abberufung nur vorgeschoben sei, um eigene - gesellschaftsfremde - Interessen zu verdecken. Zwischen den Ereignissen, die die Kläger für die gewünschte Abberufung des Erstbeklagten ins Treffen führten, und der Klagseinbringung sei ein halbes Jahr vergangen, woraus sich schon allein ergebe, dass es für die Gesellschaft mbH nicht unzumutbar gewesen sei, den Erstbeklagten als Geschäftsführer zu belassen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Aufkündigung des Untermietvertrags durch den Erstbeklagten sei nicht treuwidrig erfolgt, weil er berechtigt gewesen sei, seine eigenen Ansprüche gegen die Gesellschaft durchzusetzen. Wenngleich der Erstbeklagte den Mitgeschäftsführer verständigen und Einwendungen hätte erheben müssen, sei der Gesellschaft mbH kein Nachteil erwachsen, weil bereits im Dezember 1998 festgestanden sei, dass die Gesellschaft nicht mehr in der bisherigen Weise tätig werden sollte. Der Austausch der Schlösser und die Rücknahme der Besitzstörungsklage seien in Vollziehung der Aufkündigung des Untermietvertrags erfolgt, und es sei anzunehmen, dass die Gesellschaft in einem dem Besitzstörungsverfahren folgenden petitorischen Verfahren unterlegen wäre, weshalb die Klagsrückziehung zur Abwendung eines Schadens von der Gesellschaft gedient habe. Durch den Ankauf des Inventars seien Gesellschaftsinteressen nicht gefährdet worden. Die Aufrechterhaltung der Geschäftsführungsbefugnis des Erstbeklagten erweise sich nicht als untragbar, ein gefährlicher Dauerzustand liege nicht vor. Der Umstand, dass die Klage erst am 9. 11. 1999 erhoben und zuvor lediglich erörtert worden sei, zu welchen Bedingungen sich die Streitteile trennen könnten, spreche dagegen, dass der Erstbeklagte als Geschäftsführer untragbar sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision zu. Die Streitteile hätten sich bereits am 17. 12. 1998 über die Beendigung ihrer Zusammenarbeit geeinigt. Am 14. 4. 1999 sei ein Vergleich geschlossen worden, mit dem die faktische Trennung der Parteien in Ansehung der Mieträumlichkeiten vereinbart worden sei. Die Räumlichkeiten seien im Besitz des Erstbeklagten verblieben; er habe sich verpflichtet, sämtliche Fahrnisse und Geschäftsunterlagen des Erstklägers herauszugeben sowie einen Nachsendeauftrag für die Gesellschaft mbH zu erteilen. Danach hätten nur mehr Gespräche über die finanziellen Belange der Trennung der Streitteile stattgefunden. Gespräche, die einen Ausgleich wegen der dem Erstbeklagten vorgeworfenen Pflichtverletzungen hätten herbeiführen sollen, seien nicht mehr geführt worden. Der Erstbeklagte habe daher davon ausgehen dürfen, dass allfällige Verfehlungen bei der Klagseinbringung im November 1999 - etwa sieben Monate nach den inkriminierten Vorfällen - keinen Anlass zur Abberufung als Geschäftsführer mehr darstellten. Aus der beträchtlichen Dauer der seit dem Vergleich verstrichenen Zeit sei abzuleiten, dass die von den Klägern geltend gemachten Gründe keine "wichtigen Gründe" im Sinne des § 16 Abs 2 GmbHG darstellten. Durch die Kündigung und Übernahme der Büroräumlichkeiten seien die Belange der Gesellschaft nicht gefährdet worden, weil die Gesellschafter bereits am 17. 12. 1998 die Beendigung ihrer Zusammenarbeit vereinbart hätten und die Gesellschaft mbH ihre operative Tätigkeit spätestens mit 31. 3. 1999 eingestellt habe. Bereits am 12. 3. 1999 - noch vor dem Austausch der Schlösser - hätten die Kläger ein außergerichtliches Anbot gestellt, wonach sie gegen Abschlagszahlung die Büroräumlichkeiten verlassen würden. Das Interesse der Kläger bestehe daher lediglich darin, im Zuge der finanziellen Auseinandersetzung der Gesellschafter eine entsprechende Summe zu erhalten. Der Ankauf des Inventars durch den Erstbeklagten zu einem vom Erstkläger kalkulierten Preis könne keine schwere Pflichtverletzung darstellen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist unzulässig.

An sich besteht für die Klage auf Abberufung eines Geschäftsführers und auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis keine Frist, und diese Klage kann auch auf bereits längere Zeit zurückliegende Umstände gestützt werden. Ob in einem längeren Zuwarten unter Umständen ein Verzicht auf die Geltendmachung des Entziehungsrechts gesehen werden kann (U. Torggler/H. Torggler in Straube, HGB I3 Rz 20 zu § 117 HGB mwN), kann dahingestellt bleiben, weil - wie noch auszuführen sein wird - kein wichtiger Grund im Sinne des § 16 Abs 2 GmbHG vorliegt, der die Abberufung des Erstbeklagten rechtfertigen könnte. Das längere Zuwarten mit der Abberufungsklage kann im Übrigen gewiss einen Hinweis darauf darstellen, dass die für die Abberufung geltend gemachten Tatumstände die weitere Geschäftsführung nicht unzumutbar machten, also keinen wichtigen Entziehungsgrund darstellten (U. Torggler/H. Torggler aaO).

Gemäß § 16 Abs 2 GmbHG kann ein Geschäftsführer, der Gesellschafter ist, aus einem wichtigen Grund durch gerichtliche Entscheidung abberufen werden; dabei sind die §§ 117 und 127 HGB sinngemäß anzuwenden, es sind also die zu diesen Normen in Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auf die gerichtliche Abberufung von Gesellschafter-Geschäftsführern zu übertragen. Gemäß §§ 117 und 127 HGB können einem Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft aus wichtigem Grund die Geschäftsführungsbefugnis und die Vertretungsmacht durch gerichtliche Entscheidung entzogen werden. Als Beispiele wichtiger Gründe führt das HGB insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung und Vertretung an. Ein wichtiger Grund ist im Allgemeinen nur dann anzunehmen, wenn das weitere Verbleiben des Gesellschafters in seiner Stellung als Geschäftsführer nach den Umständen des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen sämtlicher Gesellschafter den übrigen Gesellschaftern nicht mehr zumutbar ist, weil die Fortdauer der Tätigkeit des betreffenden Gesellschafter-Geschäftsführers die Belange der Gesellschaft erheblich gefährden würde. Bei der Prüfung, ob ein ausreichender Grund gegeben ist, ist auch auf das Verhalten der Mitgesellschafter Bedacht zu nehmen, es ist also eine Gesamtschau vorzunehmen (SZ 63/86; SZ 61/260; Koppensteiner, GmbHG2 Rz 8 zu § 16).

Die Ansicht der Vorinstanzen, angesichts des von ihnen festgestellten Sachverhalts liege ein wichtiger Grund für die gerichtliche Abberufung des Erstbeklagten als Geschäftsführer nicht vor, stellt jedenfalls keine krasse Fehlbeurteilung dar, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste. Die Frage, ob ein solcher "wichtiger Grund" gegeben wäre, hängt so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass sie regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bildet, der über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukäme (vgl 10 Ob 197/02x; 4 Ob 232/01y). Stellt man insbesondere in Rechnung, dass sich die Streitteile bereits auf die Beendigung ihrer Zusammenarbeit geeinigt hatten, die operative Tätigkeit der Gesellschaft mbH schon seit 31. 3. 1999 eingestellt wurde, und letztlich nur mehr die finanzielle "Auseinandersetzung" zwischen den Gesellschaftern abzuwickeln ist, so kann nicht gesagt werden, dass das weitere Verbleiben des Erstbeklagten in seiner Stellung als Geschäftsführer nach den Umständen dieses Falls und unter Abwägung der Interessen sämtlicher Gesellschafter den übrigen Gesellschaftern nicht mehr zumutbar wäre, weil eine Gefährdung der Belange der Gesellschaft durch die Fortdauer seiner Tätigkeit nicht zu befürchten ist (siehe hiezu insbesondere S 19 f des Berufungsurteils). Selbst wenn man verschiedene Vorgangsweisen des Erstbeklagten als (schwere) Pflichtverletzungen gewichtete - der Ankauf des Inventars zu einem Preis, den der Erstkläger selbst kalkulierte, kann allerdings gewiss keine schwere Pflichtverletzung darstellen -, läge aufgrund der faktischen Beendigung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft mbH kein wichtiger Grund im Sinne des § 16 Abs 2 GmbHG vor, der es unzumutbar machte, den Erstbeklagten als Geschäftsführer zu belassen.

Die Kläger zeigten keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung auf - und es liegen solche auch nicht vor -, weshalb die Revision zurückzuweisen ist. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a ZPO nicht gebunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO; der Streitgenossenzuschlag gebührt gemäß § 15 RATG nur in der Höhe von 15 %. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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