OGH 10Ob197/02x

OGH10Ob197/02x18.7.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Schaumüller, Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Caroline R*****, Pharmazeutin, *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Dieter Eckhart, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Dr. Herwig J*****, Rechtsanwalt, *****, vertreten durch Dr. Ulrich Polley, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Auflösung eines Jagdausübungsvertrages (EUR 8.720,74), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 15. März 2002, GZ 4 R 44/02s-26, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Mutter der Klägerin, Marlene P*****, war Alleineigentümerin der 123 ha großen und ein Eigenjagdgebiet bildenden Liegenschaft „G*****". Am 17. 3. 1995 schloss Marlene P***** mit dem Beklagten, einem Rechtsanwalt, eine Vereinbarung, wonach dieser in dem Eigenjagdgebiet um einen wertgesicherten jährlichen Pauschalbetrag von S 40.000,-- alle behördlich genehmigten Abschüsse tätigen darf. Zur Abdeckung allfälliger Wildschäden wurde ein jährlicher Pauschalbetrag von S 10.000,-- ohne Rücksicht darauf vereinbart, ob überhaupt Schäden entstehen bzw wie groß diese sind. Auf eine Aufkündigung dieses Vertrages vor 31. 12. 2000 wurde von beiden Vertragsteilen verzichtet. Am 28. 6. 1999 vereinbarten Marlene P***** und der Beklagte, den Abschussvertrag vom 17. 3. 1995 auf die gesamte folgende Jagdperiode, somit bis 31. 12. 2010 unkündbar auszudehnen. Von dieser Vereinbarung wurde die Klägerin weder von ihrer Mutter noch seitens des Beklagten informiert.

Am 31. 12. 1997 hatte Marlene P***** mit der Klägerin einen Pachtvertrag über die Liegenschaft abgeschlossen. Dies erfolgte allein aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen. In wirtschaftlicher Hinsicht hat sich jedoch weiter allein Marlene P***** um die Verwaltung der Forsthube gekümmert, ohne die Klägerin einzubinden.

Mit dem vom Beklagten im Auftrag von Marlene P***** verfassten Schenkungsvertrag vom 5. 8. 1999 wurde der Klägerin die genannte Liegenschaft übertragen. Darin ist festgehalten, dass die Geschenknehmerin (die Klägerin) diese Liegenschaft mit allen Rechten und Pflichten ins Eigentum übernimmt, mit denen die Geschenkgeberin (ihre Mutter) diese Liegenschaft besessen hatte. Weder vor Abschluss des Schenkungsvertrages noch bei seiner Unterfertigung wurde der Klägerin von irgendeiner Seite eine Mitteilung über die Zusatzvereinbarung vom 28. 6. 1999 gemacht. Der Beklagte hat diesbezüglich auch nichts in den Schenkungsvertrag aufgenommen. Marlene P***** verstarb am 5. 12. 1999.

Bis drei Monate vor ihrem Tod hatte sie sämtliche Verwaltungstätigkeiten im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung der Forsthube „G*****" alleine durchgeführt. Über eine Jagdberechtigung verfügte sie nicht. Marlene P***** war vom Vorhandensein von Wildschäden im Revier „G*****" informiert. Es ist nicht feststellbar, ob dem Beklagten und Marlene P***** zum Zeitpunkt des Abschlusses der Zusatzvereinbarung vom 28. 6. 1999 das tatsächliche Ausmaß der Wildschäden im Revier bekannt war. Der Beklagte hielt sich im Jahr 1999 ab ca. Ende Juli im Eigenjagdgebiet auf; spätestens ab diesem Zeitpunkt muss für ihn der hohe durch Wildverbiss entstandene Schaden erkennbar gewesen sein.

Marlene P***** hat wegen der Wildschäden seit 1995 Gespräche unter anderem mit dem Beklagten geführt. Sie ersuchte den Beklagten und zwei Begehungsscheinbesitzer, den behördlichen Abschussplan so weit wie möglich zu erfüllen. Weiters hat sie ihren Forstarbeiter mit der Durchführung von Verbissschutzmaßnahmen wie Verwergen der Jungbäume oder Dickichtbeseitigungen beauftragt. Seit 1999 stellt sich die Situation im Revier so dar, dass ohne Schutzmaßnahmen Forstpflanzen aufgrund des Verbisses durch Reh- und Rotwild nicht wachsen können. Zur Verbesserung dieser Situation müssen die älteren Pflanzen entfernt und neue Pflanzungen durchgeführt werden. Es ist notwendig, Zäune zu errichten und verstärkt Einzelschutzmaßnahmen zu setzen. Das letzte Mal vor ihrem Tod war Marlene P***** etwa Mitte September 1999 mit dem Forstarbeiter im Revier, um Schlägerungsarbeiten zu besichtigen. Dabei sind ihr massive Wildschäden aufgefallen. Im Juni 2000 fand eine Begehung des Reviers durch die Klägerin, den Bezirksförster und den Forstarbeiter statt. Zu diesem Zeitpunkt erfuhr die Klägerin erstmals von den massiven Wildschäden. Der Bezirksförster drohte ihr ein Verfahren wegen Waldverwüstung an. Von der Vereinbarung vom 17. 3. 1995 sowie der Zusatzvereinbarung vom 28. 6. 1999 erlangte die Klägerin erst etwa zwei bis drei Monate nach dem Tod der Mutter (5. 12. 1999) genaue Kenntnis. Am 24. 5. 2000 nahm die Klägerin die Wildschadenszahlung entgegen, die der Beklagte aufgrund der mit Marlene P***** geschlossenen Vereinbarung leistete. Die Klägerin begehrt die Auflösung der zwischen ihrer Mutter und dem Beklagten am 17. 3. 1995 und 28. 6. 1999 abgeschlossenen Vereinbarungen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Zusatzvereinbarung vom 28. 6. 1999 seien bereits für jeden Laien und demnach umso mehr für den jagdausübungsberechtigten Beklagten die massiven Wildschäden erkennbar gewesen. Dennoch habe der Beklagte die Verlängerungsvereinbarung so gestaltet, dass die ursprüngliche Vereinbarung unverändert durch weitere zehn Jahre unkündbar aufrecht geblieben sei. Wären der Mutter der Klägerin am 28. 6. 1999 die massiven Wildschäden bekannt gewesen, hätte sie die Zusatzvereinbarung vom 28. 6. 1999 nicht abgeschlossen. Den Beklagten habe die vertragliche Nebenpflicht getroffen, Marlene P***** darauf aufmerksam zu machen. Diese sei vom Beklagten in Irrtum geführt worden. Das Verhalten des Beklagten zerstöre nachhaltig die Vertrauensbasis zwischen den Streitteilen, weshalb die Auflösung des Dauerschuldverhältnisses gerechtfertigt sei.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Begehrens im Wesentlichen mit der Begründung, dass Marlene P***** - die in Kenntnis des Reviers und der Wildschäden gewesen sei - bewusst eine Pauschalabgeltung für Wildschäden vereinbart habe, um aufwendige Erhebungen zu vermeiden. Der Beklagte habe keine Pflichtverstöße zu verantworten. Der von der Klägerin behauptete wichtige Grund für die Vertragsaufhebung bestehe nicht.

Das Erstgericht gab dem auf Auflösung der Vereinbarung vom 17. 3. 1995 und der Zusatzvereinbarung vom 28. 6. 1999 gerichteten Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil über Berufung des Beklagten im Sinne einer Klagsabweisung ab. Dem geltend gemachten Verfahrensmangel komme aus rechtlichen Gründen keine Relevanz für die Unrichtigkeit des Ersturteils zu. Auch durch die mit der Berufung bekämpften Tatsachenfeststellungen im Ersturteil (darunter über das Ausmaß der Wildschäden) könne sich der Beklagte nicht als beschwert erachten, weil sich letztlich auch auf dieser Sachverhaltsgrundlage sein Prozessstandpunkt als berechtigt erweise. Es reiche daher festzuhalten, dass das Berufungsgericht keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Feststellungen hege, diese vielmehr als unbedenklich erachte, weshalb der gesamte vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens der Berufungsentscheidung zugrunde gelegt werde. Davon ausgehend sei die Rechtsrüge berechtigt. Wenn die Klägerin unmissverständlich die Auflösung der beiden Vereinbarungen vom 17. 3. 1995 und vom 28. 6. 1999 begehre (Rechtsgestaltungsbegehren), gehe sie selbst notwendigerweise von der Auffassung aus, als Rechtsnachfolgerin ihrer Mutter an den Abschussvertrag samt Verlängerungsvereinbarung gebunden zu sein. Der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt bilde keine Grundlage für die Rechtsauffassung der Klägerin, der Beklagte habe ihre Mutter bezüglich der Wildschäden in die Irre geführt. Durch Verlängerung des Abschussvertrages bis Ende 2010, dies unter unveränderter Beibehaltung der pauschalen Wildschadensabgeltung von jährlich S 10.000,--, habe Marlene P***** in Kenntnis der massiven Wildschäden klar zum Ausdruck gebracht, auch unter den im Jahr 1999 herrschenden Verhältnissen mit dieser Regelung für die weiteren elf Jahre einverstanden zu sein. Abgesehen davon habe es die Klägerin selbst in der Hand, die Höhe der Wildschäden durch Setzung entsprechender Maßnahmen in ihrem Wald maßgeblich zu beeinflussen. Somit habe die Klägerin keinen wichtigen Grund erwiesen, der die Fortsetzung des Vertrages unzumutbar erscheinen ließe und die sofortige Vertragsaufhebung rechtfertige.

Erhebliche Rechtsfragen von der grundlegenden, über den Einzelfall hinausreichenden Bedeutung nach § 502 Abs 1 ZPO hätten sich in der Berufungsentscheidung nicht gestellt, weshalb die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof nicht zuzulassen sei. Nach § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Die Klägerin führt zur Zulässigkeit der Revision aus, dass wesentliche Verfahrensmängel des Berufungsverfahrens vorlägen. Das Berufungsgericht habe gegen § 473a ZPO verstoßen, indem es das Ersturteil abgeändert habe, ohne der Klägerin mitzuteilen, dass es ihr freistehe, Mängel von Tatsachenfeststellungen oder der Beweiswürdigung des Erstgerichts zu rügen. Durch die nicht dem § 473a ZPO entsprechende Vorgangsweise des Berufungsgerichts sei es der Klägerin nicht möglich gewesen, eigene Feststellungen über die Kenntnis der Schäden durch Marlene P***** und den Beklagten anstelle der vom Erstgericht getroffenen zu begehren. Weiters habe sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage des umfassenden Vertrauensverlustes durch die Klägerin wegen der Vorgangsweise des Beklagten und seiner fehlenden Aufklärung befasst und auch die Frage des Irrtums nicht erschöpfend erörtert. Letztlich liege dem Berufungsurteil eine tatsächliche Voraussetzung zugrunde, die mit dem Akteninhalt in Widerspruch stehe. Das Berufungsgericht habe argumentiert, dass die Verlängerung des Abschussvertrages in Kenntnis der massiven Wildschäden erfolgt sei, während das Erstgericht ausgeführt habe, es könne nicht festgestellt werden, ob der Beklagte und Marlene P***** im Zeitpunkt des Abschlusses der Zusatzvereinbarung vom 28. 6. 1999 über das tatsächliche Ausmaß der Wildschäden im Revier informiert gewesen seien. Es wäre durchaus möglich, dass der Beklagte bereits vor Ende Juli 1999 in Kenntnis von hohen Schäden gewesen sei. Durch die aufgezeigte Vorgangsweise des Berufungsgerichts erscheine die Rechtssicherheit sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht beeinträchtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Frage, ob ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Auflösung des Vertrages vorliegt, hängt so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass sie regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO bildet, der über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukäme (RIS-Justiz RS0111817). Eine Ausnahme nimmt die Rechtsprechung nur an, wenn eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RIS-Justiz RS107771). Eine solche ist jedoch nicht erkennbar. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wegen Verletzung des § 473a ZPO liegt nicht vor, wenn sich die Rechtsrüge des Berufungswerbers - wie hier - ausschließlich auf die Feststellungen des Erstgerichtes gestützt hat (RIS-Justiz RS0112020/T3). Hinsichtlich des Fehlens des behaupteten umfassenden Vertrauensverlustes durch die Klägerin ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts keineswegs unvertretbar. Mögliche Widersprüche in den erstgerichtlichen Feststellungen betreffend die Kenntnis von den Wildschäden beziehen sich auf die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbare Tatsachengrundlage. Aus den Feststellungen ergibt sich jedenfalls, dass die Mutter der Klägerin bereits Jahre vor Abschluss der Verlängerungsvereinbarung über Verbissschäden informiert war, die sie auch veranlassten, diesbezügliche Gespräche mit den Jagdausübenden zu führen. Dass später Wildschäden in größerem Ausmaß auftraten, konnte für sie daher keineswegs unvorhersehbar und überraschend sein.

Da die Revisionswerberin keine für die Entscheidung des Verfahrens relevante erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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