OGH 8ObA57/03w

OGH8ObA57/03w16.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Thomas Keppert und ADir. RegRat. Winfried Kmenta als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bernhard B*****, vertreten durch Urbanek, Lind, Schmied und Reisch, Rechtsanwälte OEG in St. Pölten, wider die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Schachter, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 4.548,70 brutto sA infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Februar 2003, GZ 7 Ra 2/03w-26, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Voraussetzung für die Verwirklichung des dritten Entlassungstatbestandes des § 27 Z 1 AngG ist eine Handlung - oder wenn eine Rechtspflicht zum Handeln besteht - eine Unterlassung des Angestellten, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers unwürdig erscheinen lässt, weil dieser befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen werde. Hiebei kommt es nicht auf die subjektive Einstellung des Arbeitgebers, sondern darauf an, ob das Verhalten des Angestellten nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise eine solche Befürchtung rechtfertigt und daher objektiv Vertrauensunwürdigkeit bewirkt. Bei der Prüfung der Vertrauenswürdigkeit ist auch auf das bisherige Verhalten des Angestellten Bedacht zu nehmen. Ein Angestellter, der sich immer wohl verhalten hat, wird einen größeren Vertrauensvorschuss erwarten dürfen als ein Angestellter, der das Vertrauen seines Arbeitgebers bereits auf die Probe gestellt hat (Kuderna, Entlassungsrecht2 82 mwN; ZAS 1993/19; Arb 11.407; 9 ObA 384/97d; 8 ObA 90/02x; 9 ObA 192/02d ua). Eine bloße Vertrauenserschütterung oder -beeinträchtigung reicht nicht aus (Kuderna aaO). Entscheidend ist, ob das Verhalten des Angestellten objektiv als so schwerwiegend anzusehen ist, dass dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für die Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann (ArbSlg 10.072; 9 ObA 20/87; 9 ObA 192/02d ua).

Ob ein Entlassungsgrund die Interessen des Dienstgebers so schwer verletzt, dass diesem eine weitere Zusammenarbeit nicht einmal für die Zeit der Kündigungsfrist zugemutet werden kann, ist stets nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (8 ObA 195/97b; 9 ObA 230/02t ua). Die Revision vermag insoweit eine grobe Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen nicht aufzuzeigen:

Dem Kläger ist zweifellos ein Fehlverhalten vorzuwerfen, das auf die falsche Einschätzung einer unklaren Situation zurückzuführen ist. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, fällt jedoch entscheidend ins Gewicht, dass der Kläger, als er die Bedenklichkeit seiner Vorgangsweise erkannte, von sich aus Rat bei einem Rayonsleiter einholte und die im Verkaufsraum aufgelegten Unterschriftenlisten nach rund drei Stunden zurücknahm. Dieses Verhalten lässt durchaus den Schluss zu, der Kläger habe seinen Fehler erkannt und werde ihn zumindest in nächster Zeit nicht wiederholen. Die vom Berufungsgericht daraus gezogene Schlussfolgerung, der Beklagten sei die Weiterbeschäftigung des Klägers zumindest für die Kündigungsfrist nicht unzumutbar, ist gut vertretbar und bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

Stichworte