Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Margarethe R***** fuhr am 23. 12. 1996 mit einem Bus der Zweitklägerin von Salzburg nach H*****. Gegen 17.45 Uhr verließ sie dort den Bus an einer Haltestelle. Sie kam auf dem Gehsteig zu Sturz und erlitt dabei einen Drehbruch des linken Unterschenkels.
In der Folge machte sie ihren Schaden gegenüber der nunmehrigen Zweitklägerin mit einer zu 12 Cg 98/99f des Landesgerichtes Salzburg eingebrachten Klage geltend. Dazu brachte sie vor, dass sie auf Grund der extremen Vereisung des Gehsteigs ausgerutscht sei. Die Beklagte sei den ihr aus dem Beförderungsvertrag obliegenden Pflichten, zu denen es gehöre, beim Auftreten von Glatteis im Haltestellenbereich Maßnahmen zur Beseitigung der den Fahrgästen erwachsenden Gefahren zu ergreifen, nicht nachgekommen.
Die Zweitklägerin (damals Beklagte) beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Am Tag des Unfalls hätten außergewöhnliche Wetterverhältnisse geherrscht. Bereits in Salzburg und auf der Fahrt nach H***** habe es Eisregen gegeben. Aus diesem Grund seien die Fahrgäste vom Buslenker mehrmals auf die Eisglätte hingewiesen worden. Es sei daher bekannt gewesen, dass im Bereich der Haltestelle eine besondere Glätte bestehe. Die Pflichten aus dem Beförderungsvertrag habe sie erfüllt. Die Streupflicht im Haltestellenbereich sei nicht von ihr, sondern von der Gemeinde H***** zu erfüllen gewesen. Die Klägerin treffe jedenfalls ein erhebliches Mitverschulden.
Mit Schriftsatz vom 9. 3. 2000 verkündete die Zweitklägerin (damals Beklagte) Peter M***** und Sonja W***** den Streit. Der Gehsteig liege im Bereich des Hauses *****. Hausverwalter dieser Anlage sei Peter M*****. Er habe mit Sonja W***** eine Reinigungsvereinbarung abgeschlossen, die aber möglicherweise ungenügend sei, sodass die Haftung beider Personen in Betracht komme.
Peter M***** erklärte den Beitritt als Nebenintervenient auf Seite der damaligen Beklagten.
Mit rechtskräftigem Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 4. 7. 2001, 2 R 83/01s, wurde die Zweitklägerin (damals Beklagte) - von einer Verschuldensteilung 2 : 1 zu ihren Lasten ausgehend - zur Zahlung von S 198.914,-- verurteilt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Zweitklägerin zu 2/3 für alle künftigen Schäden der Margarethe R***** aus dem Unfall hafte. Der Entscheidung lag die erstgerichtliche Feststellung zugrunde, dass der Gehsteig mit einer Eisschicht überzogen und weder mit Salz noch mit Splitt bestreut war.
Die Erstklägerin zahlte den Betrag von S 198.914,-- als Haftpflichtversicherer der Zweitklägerin an Margarethe R*****.
Mit der am 25. 11. 2002 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrten die Erstklägerin unter Berufung auf die Legalzession gemäß § 67 VersVG und die damalige Beklagte als Zweitklägerin anteiligen Regress von der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft sowie die Feststellung der Haftung für 50 % aller zukünftigen Zahlungen und Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Unfall der Margarethe R*****. Die beklagte Gemeinschaft hafte für die Verletzung ihrer Verpflichtung nach § 93 StVO neben ihr, weil der Gehsteig vor dem Haus nicht gestreut gewesen sei. Da im Vorprozess festgestellt worden sei, dass der Gehsteig zum Unfallszeitpunkt mit einer Eisschicht überzogen und weder mit Salz noch mit Splitt gestreut gewesen sei, und die Beklagte dem Vorprozess als Nebenintervenientin beigetreten sei, könne sie nun nicht einwenden, dass am Unfallstag gestreut gewesen sei.
Die beklagte Gemeinschaft wendete ein, Sonja W***** habe den entlang ihrer Liegenschaft vorbeiführenden Gehsteig entsprechend den gegebenen Verpflichtungen im Sinne des § 93 StVO versorgt und diesen entsprechend der Zumutbarkeit eis- und schneefrei gehalten. Die Tatsache, dass die Unfallstelle im Unfallszeitpunkt mit einer leichten Eisschicht überzogen gewesen sei, besage noch nicht, dass sie ihrer Räum- und Streupflicht nicht entsprechend nachgekommen wäre. An die Tatsachenfeststellungen des Vorprozesses sei sie nicht gebunden, weil nicht ihr, sondern Peter M***** der Streit verkündet worden sei.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte zunächst fest, dass die Hausgemeinschaft, vertreten durch die Hausverwaltung Peter M*****, und Sonja W***** am 2. 3. 1993 eine Reinigungsvereinbarung geschlossen haben. Diese besagte unter anderem, dass die Schneeräumung nur beim Hauseingang sowie bei der Tiefgaragenabfahrt erfolgen muss. Sodann traf das Erstgericht Feststellungen aus dem Akt 12 Cg 98/98f.
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, eine rechtsgeschäftliche Überbindung der Schneeräumpflichten im Sinne des § 93 Abs 5 StVO sei für die Gehsteigfläche nicht erfolgt. Zwar dürfe die Haftung nach § 93 Abs 1 StVO nicht überspannt werden, jedoch müsse dann, wenn auf Grund der herrschenden Witterung mit Glatteisbildung zu rechnen sei, eine erhöhte Aufmerksamkeit gefordert werden. Im Hinblick auf die bindenden Sachverhaltsfeststellungen, dass am 23. 12. 1996 keine Streuung erfolgt sei, hafte die Beklagte neben der Zweitklägerin für den Schaden der Verletzten. Die Klägerinnen seien daher zum Regress berechtigt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes in Ansehung beider Klägerinnen EUR 20.000,-- übersteige und dass die ordentliche Revision - mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO - nicht zulässig sei, und führte im Wesentlichen folgendes aus:
Es sei nur die entscheidungswesentliche Rechtsfrage zu lösen, ob die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft an die im Vorprozess maßgeblichen Tatsachenfeststellungen gebunden sei und diese der Entscheidung ohne inhaltliche Nachprüfung zugrunde zu legen seien, weil ihr Verwalter im Vorprozess als Nebenintervenient auf Seiten der Zweitklägerin (damals Beklagten) rechtliches Gehör gefunden habe.
Die Beantwortung dieser Frage hänge von der Rechtsposition des Verwalters im Vorprozess ab. Im Schriftsatz vom 9. 3. 2000 habe die Zweitklägerin (damals Beklagte) wohl Peter M***** formell als jene Person bezeichnet, der sie den Streit verkünde, nach dem Vorbringen sei aber unzweifelhaft seine Hilfeleistung in Vertretung der Wohnungseigentümergemeinschaft gefordert gewesen. Nach den zur Begründung des Interventionsinteresses vorgetragenen Behauptungen sei die Streitverkündung nämlich an die Personen gerichtet, die nach § 93 StVO zur Räumung und Streuung des Gehsteiges verpflichtet seien und im Fall ihrer schuldhaften Nicht- oder Schlechterfüllung zu haften hätten. Das seien gemäß § 93 Abs 1 StVO die Liegenschaftseigentümer (Anrainer) oder die gemäß § 93 Abs 5 StVO durch rechtsgeschäftliche Verpflichtung an die Stelle der Eigentümer tretenden Personen. Dass die Veranlassung des Winterdienstes zur Verwaltung einer Liegenschaft zähle, entspreche höchstgerichtlicher Judikatur. Wie Verwaltungshandlungen selbst sei auch die Unterlassung von Verwaltungshandlungen der Wohnungseigentümergemeinschaft zuzurechnen. Es sei daher zunächst an eine Deliktshaftung der Wohnungseigentümergemeinschaft zu denken, wenn Maßnahmen zur Beseitigung der aus einem eisigen Gehsteig erwachsenen Gefahren unterlassen würden und dadurch jemand zu Schaden gekommen sei. Dass die Wohnungseigentümergemeinschaft die Besorgung des Winterdienstes Peter M***** übertragen hätte, sei nicht behauptet worden. Das Vorbringen, Peter M***** habe mit Sonja W***** eine Reinigungsvereinbarung abgeschlossen, die aber möglicherweise ungenügend sei, sodass die Haftung beider Personen in Betracht komme, lasse eine rechtsgeschäftliche Übertragung gemäß § 93 Abs 5 StVO nur im Hinblick auf Sonja W***** annehmen. Da die Zweitklägerin (damals Beklagte) ihrer Streitverkündung an Peter M***** keinen Hinweis beigefügt habe, dass dieser als eine gemäß § 93 Abs 5 StVO an die Stelle der Wohnungseigentümergemeinschaft tretende Person dem Prozess beitreten solle, sei es für Gericht und Parteien nach der Bezeichnung des Peter M***** als Hausverwalter und nach dem Inhalt des erhobenen Anspruchs derart naheliegend gewesen, die Beklagte wolle nicht ihm persönlich, sondern in seiner Eigenschaft als Vertreter der Eigentümergemeinschaft den Streit verkünden, dass sein Beitritt als Nebenintervenient, den er auf diesen Schriftsatz hin erklärte, im Namen der Miteigentümergemeinschaft abgegeben gegolten habe, auch wenn diese nicht namentlich als Nebenintervenientin erwähnt worden sei.
Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft habe daher die Tatsachenfeststellungen des Vorprozesses gegen sich gelten zu lassen, weil sie durch den von ihr bestellten Verwalter vertreten gewesen sei. Dieser habe für sie die Möglichkeit gehabt, rechtliches Gehör zu finden und an der Stoffsammlung und Entscheidungsfindung mitzuwirken.
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagenden Parteien beantragen in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil der Frage, ob eine Partei an Feststellungen im Vorprozess, in dem nicht ihr, sondern ihrem Vertreter der Streit verkündet worden war, gebunden ist, erhebliche Bedeutung zukommt. Entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht ist die Revision auch nicht jedenfalls unzulässig gemäß § 502 Abs 3 ZPO, weil das Berufungsgericht bei seinem Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes an die in der Klage vorgenommene Bewertung des Feststellungsbegehrens nicht gebunden war (Kodek in Rechberger2 § 500 ZPO Rz 3).
Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Die Rechtsmittelwerberin macht im Wesentlichen geltend, sie sei ein selbständiges Rechtssubjekt, nicht ihr, sondern ihrem Vertreter sei der Streit verkündet worden, weshalb mangels Parteienidentität keine Bindungswirkung bestehen könne.
Hiezu wurde erwogen:
Zu 1 Ob 2123/96d = SZ 70/60 (vgl RIS-Justiz RS0107338) hat ein verstärkter Senat des Obersten Gerichtshofes ausgesprochen, die Wirkungen eines materiell rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils würden sich soweit auf den einfachen Nebenintervenienten und denjenigen, der sich am Verfahren trotz Streitverkündung nicht beteiligt habe, erstrecken, als diese Personen als Parteien eines als Regressprozess geführten Folgeprozesses keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erheben dürften, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses in Widerspruch stünden. In diesem Rahmen seien sie daher an die ihre Rechtsposition belastenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des Vorprozesses gebunden, sofern ihnen in jenem Verfahren soweit unbeschränktes rechtliches Gehör zugestanden sei. Schon damals wurde allerdings hinzugefügt, dass dies nicht auch für denjenigen gelte, der sich am Vorprozess nicht beteiligt habe, dem aber auch gar nicht der Streit verkündet worden sei.
Dementsprechend wurde in 4 Ob 47/99m = SZ 72/52 die Auffassung vertreten, ein Urteil, mit dem eine GmbH zur Zahlung verurteilt worden sei, habe für den Prozess gegen den Geschäftsführer der GmbH wegen Schadenersatzes infolge Verstoßes gegen § 159 StGB keine Bindungswirkung (und auch keine Tatbestandswirkung), weil der Geschäftsführer weder Partei des Verfahrens gegen die GmbH noch Nebenintervenient gewesen sei, noch ihm der Streit verkündet worden sei.
In 10 Ob 109/97w wurde ausgeführt, eine Bindungswirkung könne nicht bestehen, wenn im Vorprozess nicht der jetzt beklagten GmbH, sondern bloß deren Geschäftsführer der Streit verkündet worden sei.
Im vorliegenden Fall wurde im Vorprozess (unter anderem) dem Hausverwalter der Streit verkündet, im Folgeprozess aber die von diesem vertretene Hausgemeinschaft (Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 13c WEG 1975 bzw Eigentümergemeinschaft gemäß § 18 Abs 1 WEG 2002) geklagt. Diese ist in Angelegenheiten der Verwaltung, wozu auch der Winterdienst insbesondere der Streudienst gehört, teilrechtsfähig und haftet für die Delikte ihres Organes, des Verwalters (5 Ob 283/99z = MietSlg 51.544; 5 Ob 335/99x = MietSlg 52.557; 5 Ob 291/01g = WoBl 2002/100; Löcker in Hausmann/Vonkilch § 18 WEG 2002 Rz 78, 79 mwN). Es wäre daher ihr und nicht dem Verwalter der Streit zu verkünden gewesen. Es mag sein, dass im Vorprozess eine Berichtigung der Bezeichnung des Nebenintervenienten möglich gewesen wäre, weil der Verwalter persönlich als Nebenintervenient bezeichnet wurde, nach den Ausführungen in der Streitverkündung aber dessen (Un-)Tätigwerden als Hausverwalter der Anlage und damit als Vertreter der Gemeinschaft erkennbar war (vgl RIS-Justiz RS0103216 insbesondere T 2 und 9). Bis zur rechtskräftigen Beendigung des Vorprozesses ist aber keine solche Berichtigung erfolgt. Im Hinblick auf die mangelnde Parteienidentität war dann aber die Streitverkündung an den Verwalter im Vorprozess für eine Bindung der Gemeinschaft im Folgeprozess nicht geeignet. Auch das rechtliche Gehör des Verwalters im Vorprozess reichte hiefür nicht aus, weil er zu seiner eigenen und nicht zu einer fremden Rechtsposition gehört wurde; die möglichen Einwendungen waren nicht identisch, so musste er sich im Hinblick auf die eigene mangelnde Passivlegitimation nicht veranlasst sehen, ein vollständiges Vorbringen zum geltend gemachten Schadenersatzanspruch zu erstatten. Gerade weil die Bindung des Adressaten einer Streitverkündung dessen Rechtsposition massiv berührt, müssen an die Richtigkeit der Bezeichnung des betreffenden Rechtssubjektes strenge Anforderungen gestellt werden.
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Streitverkündung an den Vertreter für eine Bindung des Vertretenen im Folgeprozess nicht ausreicht.
Nach den bisherigen Feststellungen des Erstgerichtes ist es für den Unfallsbereich zu keiner rechtsgeschäftlichen Übertragung der Säuberungs- und Streupflicht gekommen, weshalb eine sofortige Klagsabweisung aus dem Grunde des § 93 Abs 5 Satz 2 StVO nicht möglich ist. Da die Vorinstanzen - von der unrichtigen Annahme einer Bindung an die Sachverhaltsfeststellungen des Vorprozesses ausgehend - keine eigenen Feststellungen zum Schadensfall getroffen haben, war die Rechtssache unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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