OGH 8Ob66/03v

OGH8Ob66/03v26.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling, Dr. Kuras sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hannes A*****, vertreten durch Dr. Hannes Pflaum, Dr. Peter Karl Berger, Dr. Manfred Wiener, Mag. Wilfried Opetnik, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei N*****, vertreten durch Dr. Werner Masser, Dr. Ernst Grossmann, Dr. Eduard Klingsbigl, Dr. Robert Lirsch, Mag. Florian Masser, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 5.813,83 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 11. Februar 2003, GZ 36 R 432/02a-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 15. August 2002, GZ 3 C 455/01a-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Begründung

Der Kläger absolvierte vom Herbst 1996 bis Ende April 1998 das von der Beklagten, einer juristischen Person öffentlichen Rechts, angebotene viersemestrige Studium der Psychomotorik und Motopädagogik. Er bezahlte dafür einen Studienbeitrag von EUR 1.453,46 je Semester, demnach insgesamt EUR 5.813,83. Der Kläger begehrte mit seiner am 17. 4. 2001 beim Erstgericht eingebrachten Klage den Zuspruch dieses Betrages mit der wesentlichen Begründung, die Beklagte habe ihm zugesagt, mit der Absolvierung dieses als "postgradualer Studienlehrgang an der Donauuniversität Krems" bezeichneten Lehrganges sei die Verleihung eines akademischen Titels verbunden. Diese Zusage sei nicht eingehalten worden; die Beklagte sei überhaupt nicht befugt gewesen, universitäre Lehrgänge durchzuführen. Da der Studienlehrgang daher für den Kläger völlig nutzlos gewesen sei, verlange er die Studiengebühr zurück. Die Beklagte wendete ein, die Verleihung eines akademischen Grades nicht zugesagt zu haben; alle von ihr zugesagten Leistungen seien erbracht worden. Im Übrigen sei die Klagsforderung verjährt. Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Das von der Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zwar sei die Frage der Auslegung (von Verträgen) üblicherweise nicht über den Einzelfall hinaus von Bedeutung; im konkreten Fall sei aber eine Vielzahl von Klägern (insgesamt 18 Studienlehrgangsteilnehmer) betroffen, weshalb nicht mehr von einem bloßen Einzelfall iSd § 502 Abs 1 ZPO gesprochen werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichtes mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Die Vorinstanzen haben mit jeweils ausführlicher Begründung den gegenständlichen, von der Beklagten mit dem Kläger (und auch noch mit 17 weiteren Lehrgangsteilnehmern) geschlossenen Ausbildungsvertrag nach seinem Wortlaut unter Berücksichtigung der allen Kursteilnehmern zugegangenen schriftlichen Unterlagen und der mündlichen Äußerungen der von der Beklagten beauftragten Lehrpersonen gemäß § 914 ABGB - nach objektiven Kriterien, gemessen am Empfängerhorizont (RIS-Justiz RS0014205; RS0014160; 0044358) - ausgelegt. Sie sind dabei, den vom Obersten Gerichtshof entwickelten Grundsätzen zur Vertragsauslegung folgend (RIS-Justiz RS0017797; RS0017865) zum Ergebnis gelangt, dass bei allen 18 Absolventen (insbesondere also auch bei dem Kläger) der falsche Eindruck erweckt worden sei, es handle sich um eine Ausbildung mit universitärem Charakter und es werde den Absolventen auch ein akademischer Grad verliehen werden.

Fragen der Vertragsauslegung kommt - wie schon das Berufungsgericht grundsätzlich erkannt hat - in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, wenn - wie hier - das Berufungsgericht den betreffenden Vertrag im Einklang mit den von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ausgelegt hat und hiebei nicht von den anerkannten Interpretationsgrundsätzen in krasser, aus Gründen der Rechtssicherheit bzw der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigierender Weise abgewichen ist (RIS-Justiz RS0042776; RS0042742). Die zu klärende Frage des Gegenstands des Ausbildungsvertrags wirft nicht schon deshalb eine erhebliche Rechtsfrage auf, weil gleiche oder ähnliche Auslegungsfragen in mehreren Verfahren zu lösen sind. Es wurde in allen in Betracht kommenden 18 Fällen Revision erhoben. Die Entscheidung in diesen durch singuläre Umstände charakterisierten Fällen kann daher keine Beispielswirkung für noch nicht strittige Vertragsverhältnisse oder für andere Streitsachen haben, die auf der Ebene einer der Vorinstanzen anhängig wären.

Auch sonst werden von der Revisionswerberin keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfragen dargetan. Soweit versucht wird, das Auslegungsergebnis dadurch in Frage zu stellen, dass Zweifel gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanzen angemeldet werden, ist der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht gesetzmäßig ausgeführt (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 1 zu § 503). Über die Frage der Vertragsauslegung hinausgehend wird nur noch geltend gemacht, dass der klagegegenständliche Anspruch verjährt sei, weil dem Kläger die für die Entstehung des Anspruches maßgeblichen Tatumstände bereits mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung bekannt gewesen seien. Richtig an diesen Ausführungen ist lediglich, dass der Beginn der Verjährungsfrist grundsätzlich an die objektive Möglichkeit der Rechtsausübung geknüpft ist (M. Bydlinski in Rummel3 Rz 2 zu § 1478 mwN aus der Rsp). Die Frage, wann diese objektive Möglichkeit gegeben ist, hängt allerdings ebenfalls von den Umständen des Einzelfalles ab, weshalb auch insoweit die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegebenen sind. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung ist den Vorinstanzen nicht unterlaufen, ergibt sich doch aus den Feststellungen, dass die Lehrgangsteilnehmer bis zur Mitteilung des Abweisungsbescheids vom 9. 6. 2000 damit rechnen konnten, ihre Ausbildung mit der Verleihung eines akademischen Grades nach einem schließlich doch noch als universitär anerkannten Lehrgang abzuschließen.

Die Revision der Beklagten ist zurückzuweisen. Dabei können sich die Rechtsausführungen des Obersten Gerichtshofes gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Darlegung der Zurückweisungsgründe beschränken. Angesichts dieses Verfahrensausganges bedarf die in der Revisionsbeantwortung aufgegriffene Frage, ob das Berufungsgericht die von dem Kläger wegen der Verletzung eines gesetzlichen Verbots geltend gemachte Nichtigkeit des Ausbildungsvertrags zu Recht als unbeachtliche Neuerung abtat, keiner Erörterung.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 393 Abs 4 iVm § 52 Abs 2 ZPO. Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist ein Zwischenurteil des Erstgerichts über den Grund des Anspruchs nach § 393 Abs 1 ZPO. Das Revisionsverfahren über ein solches Urteil ist kein selbständiger Zwischenstreit, bei dem die Kostenersatzpflicht vom Ausgang der Hauptsache unabhängig wäre (M. Bydlinski, Der Kostenersatz im Zivilprozess 371). Da das Zwischenurteil über den Grund des Anspruches, aber niemals über das endgültige Ausmaß des Obsiegens Auskunft geben kann, fehlt für die Kostenentscheidung eine sichere Grundlage; es ist daher bei einem Zwischenurteil über den Grund des Anspruches die Entscheidung über die Kosten stets der Endentscheidung vorzubehalten (Fasching, Komm. II 363; M. Bydlinski in Fasching Komm² § 52 ZPO Rz 5, 7). Dies kann auch im Fall der Zurückweisung einer ordentlichen Revision, auf deren Unzulässigkeit mangels Vorliegens einer in § 502 Abs 1 ZPO genannten Rechtsfrage in der Revisionsbeantwortung hingewiesen wurde, nicht anders gesehen werden, kommt es doch auch hier zu einer, wenngleich eingeschränkten Sachprüfung, die die Hauptsache selbst betrifft (vgl Chvosta, Prozesskostenrecht 100 FN 490). Überdies fehlt es an verlässlichen Kostenbemessungskriterien. Der Erfolg des Klägers im Revisionsverfahren über den Grund des Anspruchs, der in der seinem Antrag entsprechenden Zurückweisung der Revision der Prozessgegnerin liegt, kann daher einen Kostenersatzanspruch nur begründen, soweit dem Kläger ein solcher nach den Quoten des endgültigen Obsiegens und Unterliegens zustehen wird.

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