OGH 8Ob225/02z

OGH8Ob225/02z22.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling, Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Zwangsausgleichssache der (ehemaligen) Gemeinschuldnerin Theresia H*****, vertreten durch Dr. Manfred Klicnik, Rechtsanwalt in Linz, infolge Revisionsrekursen der Gemeinschuldnerin und des Sachwalters gemäß § 145 Abs 5 KO Dr. Peter Posch, Rechtsanwalt, 4600 Wels, Eisenhowerstraße 40, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 16. September 2002, GZ 2 R 143/02s-153, womit infolge Rekurses der Gläubigerin A***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Kaan Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in Graz, der Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 20. Juni 2002, GZ S 462/96h-149, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 27. 6. 1996 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin der Anschlusskonkurs eröffnet. Mit Beschluss vom 3. 12. 1999 (ON 127) bestätigte das Erstgericht den von den Gläubigerin am Vortag angenommenen Zwangsausgleich. Danach haben die Konkursgläubiger eine 20 %-ige Quote, zahlbar in zwei Raten, nämlich 6,5 % binnen vier Wochen und weitere 13,5 % binnen zwei Jahren jeweils ab Annahme des Zwangsausgleichs, nicht aber vor Rechtskraft der Konkursaufhebung, zu erhalten. Zur Ausgleichserfüllung, aber auch zu einer darüber hinausgehenden Befriedigung der Konkursgläubiger (Superquote) übergibt die Gemeinschuldnerin ihr Vermögen einem Sachwalter und ermächtigt ihn, das übergebene Vermögen zu verwalten und gänzlich zu verwerten, wobei Vermögensübergabe und Ermächtigung mit Rechtskraft der Konkursaufhebung gemäß § 157 Abs 2 KO rechtswirksam werden. Sollte bei Beendigung der Tätigkeit des Sachwalters die angebotene Quote nicht erreicht werden, haftet die Schuldnerin für den auf die Quote noch fehlenden Betrag weiter.

Nach Rechtskraft der Bestätigung des am 2. 12. 1999 angenommenen Zwangsausgleichs hob das Erstgericht mit Beschluss vom 2. 2. 2000 (ON 135) den über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffneten Konkurs gemäß § 157 Abs 2 KO auf. Auch dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.

Mit Schriftsatz vom 18. 12. 2001 (ON 141) beantragte der Sachwalter die "Änderung einer Frist in der Konkursdatei". Infolge unterlassener Anpassung des § 157g KO an die Bestimmung des § 141 Z 3 KO sei in der Insolvenzdatei unzutreffenderweise die Beendigung der Überwachung mit 2. 12. 2001 eingegeben worden. Die Fortführung der Überwachung und insbesondere auch die Verwaltung des Vermögens in der Form der Fortführung zweier anhängiger Prozesse sei zum Vorteil der Gläubiger. Der Sachwalter beantrage daher, die Frist in der Insolvenzdatei mit vorläufig 2. 12. 2002 festzulegen und die Eintragung in der Insolvenzdatei sinngemäß abzuändern. Das Erstgericht fasste daraufhin den Beschluss vom 27. 12. 2001 (ON 142), wonach die in der Insolvenzdatei eingetragene Anmerkung: "Ende der Überwachungsfrist:

2. 12. 2001" dahin berichtigt werde, dass als Ende der Überwachungsfrist vorläufig der 2. 12. 2002 einzutragen sei. Das Erstgericht verfügte die Zustellung dieses Beschlusses an den Sachwalter sowie die Kundmachung in der Insolvenzdatei. Mit bei Gericht am 14. 5. 2002 eingelangtem Schriftsatz (ON 147) ersuchte ein Konkursgläubiger "zur exekutiven Betreibung des noch ausstehenden Betrages" gegenüber der Gemeinschuldnerin um Zumittlung eines Auszuges aus dem Anmeldungsverzeichnis betreffend seine Forderung ON 69.

Mit Beschluss vom 20. 6. 2002 (ON 149) wies das Erstgericht diesen Antrag ab. Gemäß § 157g Abs 3 KO trete beim Sachwalterzwangsausgleich mit Vermögensübergabe durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich an die Stelle der Zahlungsfrist die Frist von 18 Monaten. Offensichtlich versehentlich sei die Frist des § 157g KO nicht an die Bestimmung des § 141 Z 3 KO angepasst worden, deren Zahlungsfrist für den Ausgleich durch das IRÄG 1994 von einem Jahr um ein Jahr auf zwei Jahre verlängert worden sei. Da die Frist von 18 Monaten bei der ursprünglichen Zahlungsfrist von einem Jahr eine Fristverlängerung um die Hälfte bedeute, trete demnach im Wege der Analogie "an die Stelle der zweijährigen Zahlungsfrist die Frist von drei Jahren". Der Ausgleichsvorschlag sei am 2. 12. 1999 angenommen worden, weshalb die Zahlungsfrist am 2. 12. 2002 ende, sodass die Forderung der Gläubigerin noch nicht fällig sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Gericht zweiter Instanz den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht auf, der Gläubigerin im Sinn ihres Antrages einen beglaubigten Auszug aus dem Anmeldungsverzeichnis gemäß § 108 Abs 2 KO zu erstellen. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die vom Erstgericht vertretene Auffassung, der Gesetzgeber habe offensichtlich übersehen, die Frist des § 157g Abs 3 KO an jene des § 141 Z 3 KO anzupassen, welches Versehen im Wege einer Analogie zu berichtigen sei, werde vom Senat nicht geteilt. Lasse der Wortlaut eines Gesetzes nur eine Auslegung zu, so könne nicht nach einem Sinn geforscht werden, der sich mit dem Wortlaut nicht vereinbaren lasse. Ebensowenig könne in einem solchen Fall gefragt werden, ob nicht etwa die historische und teleologische Auslegungsmethode einen anderen Inhalt ergeben würde. Es seien auch keine rechtspolitischen Erwägungen anzustellen, ob etwa eine andere mit dem Wortlaut allerdings unvereinbare Regelung zweckmäßiger wäre. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei der Wortlaut der Bestimmung des § 157g Abs 3 KO eindeutig und einer Uminterpretation nicht zugänglich, ordne er doch ausdrücklich eine 18-monatige Frist an. Auch eine teleologische Reduktion der Bestimmung komme nicht in Betracht, weil diese der ratio legis nicht gegen einen zu engen, sondern gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung verschaffe, vorliegendenfalls aber § 157g Abs 3 KO in Anbetracht der Fristsetzung die engere Norm darstelle. Es könne nicht ohneweiteres davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber des IRÄG 1994 habe § 157g Abs 3 KO "offensichtlich übersehen", wie das Erstgericht wohl unterstelle. Außerdem sei durch das IRÄG 1997 § 157g KO in seinem Abs 2 Z 3 geändert worden, ohne dass es der Gesetzgeber damals für erforderlich erachtet hätte, dieses "Übersehen" zu berichtigen. Es habe daher bei der Frist von 18 Monaten vom Tag der Annahme des Zwangsausgleichs an zu verbleiben, weshalb das Erstgericht infolge des Verstreichens dieser Frist die Ausstellung eines beglaubigten Auszugs aus dem Anmeldungsverzeichnis gemäß § 108 Abs 2 KO zu Unrecht abgelehnt habe.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobenen Revisionsrekurse der Gemeinschuldnerin und des Sachwalters sind berechtigt.

Bei dem - hier vorliegenden und zulässigen (SZ 71/176) - Liquidationszwangsausgleich überträgt der Schuldner sein Vermögen einem Sachwalter und ermächtigt und bevollmächtigt ihn mit der Vermögensverwertung. Der Liquidationsausgleich wird somit dadurch gekennzeichnet, dass das gesamte oder doch wesentliche Vermögen des Schuldners zum Zwecke der Ausgleichserfüllung verwertet wird, dass der Schuldner hiezu einem Sachwalter der Gläubiger eine unwiderrufliche Verwertungsvollmacht ausstellt und dass der nicht durch die Verwertung des Vermögens gedeckte Teil der Forderung (mit Ausnahme des auf die angebotene Quote fehlenden Betrages, des Unterschiedsbetrages) erlassen wird. Der Liquidationsausgleich steht somit zwischen Ausgleich und Konkurs. In der Überantwortung des Vermögens an einen Sachwalter zur Verwertung liegt die Liquidierungskomponente, während in der dafür den Schuldner erwartenden Restschuldbefreiung die Ausgleichskomponente zu erblicken ist (Schumacher, Der Liquidationsausgleich in der Praxis, JBl 1990, 5; 8 Ob 240/02f). Gemäß § 53 Abs 4 Satz 3 AO, § 156 Abs 4 Satz 3 KO kommt es selbst dann nicht zum Wiederaufleben der Forderung, wenn der Schuldner nach Beendigung der Tätigkeit der Sachwalter mit der Entrichtung des Betrages in Verzug gerät, für den er wegen Nichterreichung der Quote weiter haftet. Obwohl somit ein Wiederaufleben der Forderung ausgeschlossen ist, bleibt nach Beendigung der Verwertung dennoch die Haftung des Schuldners mit dem auf die Quote fehlenden Betrag - dem Unterschiedsbetrag - aufrecht und ist die Exekution in diesem Rahmen möglich (Schumacher aaO). Während der Tätigkeit des Sachwalters kann ein Verzug des Schuldners im Sinn des § 7 Abs 2 EO nicht eintreten (RIS-Justiz RS0001113; RdW 1987, 412). Ebenso wie im Konkurs das Exekutionsrecht im Sinn des § 61 KO erst mit der Rechtskraft der Konkursaufhebung entsteht (EvBl 1998/15; RdW 1999, 794 ua; Jelinek/Nunner-Krautgasser in Konecny/Schubert, Komm zd InsolvenzG §§ 60, 61 KO Rz 60), kommt somit auch im Liquidationszwangsausgleich eine Exekutionsführung erst dann in Frage, wenn der Schuldner nach Beendigung der Tätigkeit des Sachwalters mit der Entrichtung des dann noch geschuldeten Betrags (§ 156 Abs 4 dritter Satz KO) in Verzug gerät.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass es der Gläubigerin nicht bloß, wie das Rekursgericht ohne weitere Begründung unterstellt, um die Erstellung eines beglaubigten Auszuges aus dem Anmeldungsverzeichnis gemäß § 108 Abs 2 KO geht, sondern, wie sich nicht nur aus ihrem Antrag, sondern auch aus ihrem Rekurs völlig unzweideutig ergibt, um die Ausstellung eines mit der Bestätigung der Vollstreckbarkeit versehenen Auszuges aus dem Anmeldungsverzeichnis. Sie strebt daher die Erlangung eines exekutionsfähigen Titels im Sinn des § 54 Abs 2 EO an, welchem auch für die Exekution auf Grund eines Auszugs aus dem Anmeldungsverzeichnis die Vollstreckbarkeitsbestätigung beigefügt sein muss (Jelinek/Nunner-Krautgasser aaO Rz 67; 8 Ob 198/97v). Das Rekursgericht hat daher in Wahrheit mit seiner Entscheidung den Antrag der Gläubigerin nicht erledigt, worauf die Revisionsrekurswerber zutreffend hinweisen.

Ihrem weiteren Vorbringen, dass einer Bewilligung des Antrags der Gläubigerin die Rechtskraft des erstinstanzlichen Beschlusses vom 27. 12. 2001 (ON 142), auf den die Vorinstanzen im Übrigen in keiner Weise Bedacht genommen haben, entgegenstehe, kann allerdings nicht gefolgt werden. Gemäß § 157g Abs 3 KO tritt, hat der Schuldner Vermögen einem Sachwalter übergeben, diesbezüglich an die Stelle der Zahlungsfrist die Frist von 18 Monaten vom Tag der Annahme des Ausgleichs. Das Konkursgericht hat die Überwachung auf Antrag des Sachwalters zu erstrecken, wenn dies dem überwiegenden Interesse der Beteiligten entspricht. Die Frist kann auch mehrmals, jedoch höchstens insgesamt um drei Jahre erstreckt werden. Der Antrag muss vor Ablauf der Frist eingebracht werden; sie läuft nicht vor dem Eintritt der Rechtskraft der über den Antrag ergangenen Entscheidung ab. Vor der Entscheidung ist auch der Schuldner zu vernehmen. Der Antrag des Sachwalters ON 141 ist zweifellos nach seinem Sinngehalt als ein solcher auf Erstreckung der Überwachung auf ein weiteres Jahr aufzufassen. Der darüber ergangene Beschluss, dessen Gesetzmäßigkeit hier nicht zu prüfen ist, wurde lediglich dem Sachwalter zugestellt und in der Insolvenzdatei kundgemacht. Gemäß § 173a KO erfolgt die öffentliche Bekanntmachung von Schriftstücken und Beschlüssen durch Aufnahme in die Insolvenzdatei. Gemäß § 174 Abs 2 KO treten, sofern neben der öffentlichen Bekanntmachung eine besondere Zustellung vorgeschrieben ist, auch wenn die Zustellung unterblieben ist, die Folgen der Zustellung schon durch die öffentliche Bekanntmachung ein. Welche der im § 174 KO genannten Zustellarten - individuelle Zustellung oder Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung - zu wählen ist, bestimmt zwingend das Gesetz. Ein Abweichen von der gesetzlich vorgeschriebenen Zustellart, zB die Wahl der öffentlichen Bekanntmachung statt der individuellen Zustellung, bewirkt die - heilbare - Nichtigkeit der Zustellung. Die öffentliche Zustellung darf nur dort Platz greifen, wo sie im Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben ist (EvBl 1963/326; 8 Ob 2269/96a; Deixler-Hübner aaO § 174 KO Rz 1). Gemäß § 157g Abs 1 KO ist lediglich der Beschluss, mit dem das Überwachungsverfahren für beendigt erklärt wird, nach dem Eintritt seiner Rechtskraft öffentlich bekannt zu machen. Eine vergleichbare Anordnung enthält das Gesetz für den Fall der Erstreckung der Überwachung nicht (vgl auch die Aufzählung bei Deixler-Hübner aaO Rz 5). Der Beschluss des Erstgerichtes, mit dem die Neueintragung des Endes des Überwachungsfrist mit 2. 12. 2002 angeordnet wurde, ist daher noch nicht in Rechtskraft erwachsen, sodass gemäß § 157g Abs 3 vorletzter Halbsatz KO die ursprünglich gesetzte Überwachungsfrist nicht ablaufen konnte. Ergänzend ist anzumerken, dass das Erstgericht mit Beschluss vom 18. 12. 2002 (ON 165) die Überwachungsfrist neuerlich bis 2. 12. 2003 verlängert hat. Sollte dieser Beschluss, wie nach der Zustellverfügung anzunehmen ist, ordnungsgemäß zugestellt worden und in Rechtskraft erwachsen sein, wäre davon auszugehen, dass der dem Beschluss ON 142 anhaftende Zustellmangel geheilt ist.

Ohne dass es erforderlich wäre, auf die von den Vorinstanzen diskutierte Frage der Anpassung der Frist des § 157g Abs 3 KO an jene des § 141 Z 3 KO (vgl dazu insbesondere Oberhammer, Der [Zwangs-]Ausgleich nach dem IRÄG 1994, ecolex 1994, 308; RIS-Justiz RS0008880) näher einzugehen, ist der Antrag der Gläubigerin somit schon deshalb als unberechtigt anzusehen, weil er nach den oben wiedergegebenen Erwägungen vor Beendigung der Tätigkeit des Sachwalters gestellt wurde.

Den Revisionsrekursen ist Folge zu geben.

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