Spruch:
Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, zurückgewiesen.
Im Übrigen wird der Revision teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird hinsichtlich der Abweisung des Feststellungsbegehrens und des Eventualfeststellungsbegehrens als Teilurteil bestätigt, hinsichtlich der Abweisung des auf Zahlung von S 301.237 (EUR 21.891,75) gerichteten Leistungsbegehrens und im Kostenpunkt jedoch aufgehoben.
Die Sozialrechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Bei der Klägerin wurde am 27. 2. 1996 ein rechtsseitiges Brustdrüsenkarzinom operiert. Bereits drei Wochen vor dieser Operation begann die Klägerin eine erste Kur mit dem in Österreich nicht als Arzneimittel zugelassenen Präparat "Ukrain", welches ihr vom behandelnden Facharzt verschrieben worden war. Eine Therapie mit diesem Medikament wurde von der Klägerin auch nach ihrer Operation fortgesetzt, wobei sie die Kosten für das Medikament selbst bezahlte. Mit Bescheid vom 20. 5. 1996 hat die beklagte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft die Übernahme der Kosten für dieses Präparat gemäß § 90 GSVG abgelehnt. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Klage mit dem zuletzt gestellten Begehren, die Beklagte zur Kostenerstattung im Betrag von S 301.237 (= 21.891,75 EUR) sA zu verpflichten und darüber hinaus festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin für ihre Behandlung die Arzneispezialität Ukrain als Sachleistung zur Verfügung zu stellen habe, in eventu, dass die Beklagte der Klägerin sämtliche künftig anfallenden Kosten für ihre Behandlung mit dieser Arzneispezialität zu ersetzen habe. Die Klägerin brachte im Wesentlichen vor, dass ihr der sie seit vielen Jahren behandelnde Facharzt das Medikament Ukrain verschrieben habe. Dieses Heilmittel sei als zweckmäßig und heilerfolgsbezogen zu qualifizieren. Sämtliche herkömmlichen Behandlungsmethoden hätten keinen bleibenden Erfolg bewirkt. Erst seit Beginn der Behandlung mit Ukrain habe sich ihr Gesundheitszustand laufend verbessert und inzwischen auch stabilisiert. Die Durchführung einer Chemotherapie sei ihr im Hinblick auf die enormen Nebenwirkungen, die unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sie bereits erhebliche Beschwerden gehabt habe, noch verstärkt worden wären, als auch im Hinblick darauf, dass die Chemotherapie nur bei prämenopausalen, nicht aber bei postmenopausalen Frauen die signifikante Lebensverlängerung von 10 % bewirke, nicht zumutbar gewesen. Abgesehen davon sei eine Chemotherapie gewöhnlich nicht kostengünstiger als die Behandlung mit Ukrain. Die Unterbrechung der erfolgreichen Ukrain-Therapie sei bei der Klägerin wegen der Gefahr eines Rückfalles überdies ethisch nicht vertretbar gewesen. Dass das Arzneimittel Ukrain in Österreich nicht zugelassen sei, sei rechtlich nicht maßgeblich.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete insbesondere ein, dass für das Medikament Ukrain bisher ein Wirksamkeitsnachweis durch klinische Prüfung nicht erbracht worden sei. Die Anwendung dieses Medikamentes sei durch das Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz untersagt worden. Gemäß § 32 Abs 3 Arzneimittelgesetz habe der Sponsor (Auftraggeber) einer klinischen Prüfung dafür zu sorgen, dass weder dem Patienten oder Probanden noch den österreichischen Sozialversicherungsträgern aus der Bereitstellung des Prüfpräparates Kosten entstehen. Aus diesem Grunde bleibe die Anwendung von Ukrain außerhalb einer klinischen Prüfung weiterhin untersagt. Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen stand für die Klägerin bereits vor Durchführung der Operation fest, dass sie anschließend keine Chemotherapie über sich ergehen lassen wollte, weil in ihrem Bekanntenkreis Fälle vorgekommen waren, bei denen trotz Chemotherapie und Bestrahlungen der Tod nach langem Leiden eingetreten war. Eine adjuvante Therapie lehnte sie stets ab.
Im Zuge der Totalentfernung der rechten Brust wurden 14 Lymphknoten entfernt, die tumorfrei waren. Zum Zeitpunkt der Operation waren klinisch oder radiologisch keine Metastasen fassbar. Der Resektionsrand des Mastektomiepräparates war frei, der Tumor war im Gesunden entfernt worden. Der postoperative Verlauf war im Wesentlichen komplikationslos. Es ergab sich nur eine geringgradige chronische, mit Helicobacter assoziierte Atrumgastritis. Seit der Operation ist ein Rezidiv oder eine Mestastasierung bei der Klägerin nicht feststellbar.
Vom Operateur wurde der Klägerin für die Nachbehandlung eine adjuvante Therapie angeraten. Die Klägerin hat aber eine solche Therapie abgelehnt und sich weiter Ukrainkuren unterzogen. Dabei zeigten sich Nebenwirkungen in der Weise, dass Schmerzen durch den ganzen Körper mit Schwerpunkt in verschiedenen Körperregionen wanderten. Die Schmerzustände waren begleitet von Temperaturanstieg bis zu 37,2 Grad und zeitweise auch starken Schweißausbrüchen. Einmal hatte die Klägerin auch so starke Schwindelgefühle, dass sie das Bett nicht verlassen konnte. Die Schmerzen steigerten sich immer bis zur Grenze des Erträglichen, nach dem Höhepunkt klangen sie ab. Zwischen den Schmerzzuständen gab es Erholungspausen.
Das Präparat "Ukrain" ist in Österreich nicht als Arzneimittel zugelassen. Es gibt keine klinischen Studien im Sinne prospektivrandomisierter Studien, die den derzeit geforderten Richtlinien nach GCP entsprechen. Eine Wirkung von Ukrain ist nicht nachgewiesen und nicht feststellbar, auch nicht im Fall der Klägerin. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass der Zustand, wie er sich derzeit bei der Klägerin darstellt, auf die Absolvierung der Ukrain-Kuren zurückzuführen ist.
Die Behandlung "state of art" nach einer Brustkrebsoperation ist eine adjuvante Therapie. Dies ist eine systemische Therapie mit dem Ziel, potentielle Mikroherde, die nach dem derzeitigen medizinischen Fortschritt noch nicht nachweisbar sind, zum Verschwinden zu bringen. Als adjuvante Therapien bei Brustkrebserkrankungen werden eine Hormontherapie und eine Chemotherapie eingesetzt, wobei beide Vorgangsweisen in großen Studien (bis zu 75.000 kontrollierte Patientinnen) überprüft wurden und Ergebnisse über einen Zeitraum bis zu 20 Jahren bereits vorliegen. Nebenwirkungen einer Chemotherapie sind Übelkeit, eventuell Haarausfall, Magen-Darm-Beschwerden sowie Absinken der weißen Blutkörperchen und damit einhergehend eine erhöhte Infektionsgefahr. Alle diese Nebenwirkungen sind mit begleitenden Medikamenten behandelbar. Bei einer Chemotherapie wird üblicherweise die erste Dosis 7 bis 10 Tage nach der Operation noch im Krankenhaus verabreicht. Es sind dann weitere 6 Zyklen mit einem vierwöchigen Rhythmus vorgesehen, wobei am 1. und am 8. Tag das Medikament intravenös verabreicht wird. Die Nebenwirkungen können in der Phase zwischen dem 1. und dem 8. Tag stärker sein, allerdings können die Verabreichungen dennoch in der Regel ambulant durchgeführt werden.
Auch bei der Anwendung einer Chemotherapie kann im Vorhinein nicht gesagt werden, ob Patientinnen von dieser Behandlungsmethode profitieren werden oder nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass ohne Therapie beim Stadium des Tumors, wie er bei der Klägerin operiert wurde und bei einem negativen Östrogenrezeptor sich der Zustand der Klägerin so darstellt wie jetzt, liegt zwischen 50 und 60 %. Durch die Anwendung einer adjuvanten Therapie könnte die Überlebenswahrscheinlichkeit auf 70 bis 80 % verbessert werden, obwohl man im Vorhinein nie sagen kann, ob eine bestimmte Patientin zu diesen 10 bis 20 % gehört, die auf Grund der erhöhten Chancen aus der Therapie überleben. Die Überlebenschance ist relativ zwischen der Gruppe, die eine Therapie durchführt und der Gruppe, die keine Therapie durchführt, um 10 bis 20 % erhöht.
Bei der Klägerin kam keine Hormontherapie, sondern nur eine Chemotherapie in Frage. Es lagen keine Indikationen vor, welche die Anwendung der Chemotherapie vom medizinischen Standpunkt aus bei ihr ausgeschlossen hätten.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, die Kosten einer von der Wissenschaft noch nicht anerkannten Behandlungsmethode seien zu ersetzen, wenn zunächst eine zumutbare Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln versucht worden sei, aber erst die Außenseitermethode beim Versicherten erfolgreich gewesen sei oder nach den bisherigen Erfahrungen (prognostisch) ein Erfolg erwartet hätte werden dürfen. Könne mit schulmedizinischen Methoden das Auslangen gefunden werden, dann komme ein Ersatz der Kosten einer Außenseitermethode nicht in Betracht, weil dann das Maß des Notwendigen überschritten werde und somit kein Anspruch auf Kostenübernahme durch den Krankenversicherungsträger bestehe. Die Frage sei, ob der Klägerin die Behandlung im Rahmen der Chemotherapie zumutbar gewesen sei oder nicht. Dagegen spreche, dass die Klägerin aus ihrem Bekanntenkreis negative Erfahrungen gemacht habe, weiters auch, dass im Vorhinein bei keiner Patientin gesagt werden könne, ob die Chemotherapie bei ihr überhaupt notwendig sei oder sie daraus einen Nutzen ziehen könne. Weiters seien jedenfalls auch die Nebenwirkungen der Chemotherapie zu bedenken. Für die Zumutbarkeit der Behandlung spreche, dass es sich bei der Brustkrebserkrankung um eine äußerst besorgniserregende Erkrankung handle, die oft mit dem Tod ende. Das Risiko, an Brustkrebs trotz Operation zu sterben, könne allerdings durch eine adjuvante Therapie gemindert werden. Die Nebenwirkungen derselben seien jedenfalls nicht schwerwiegender als diejenigen, welche bei der Anwendung von Ukrain entstünden. Gerade bei einer so ernsthaften Erkrankung wie Brustkrebs sei es zumutbar, dass eine Behandlungsmethode wie die adjuvante Therapie, welche über Jahre in klinischen Studien überprüft worden sei und eine signifikante Erhöhung der Überlebenschancen mit sich bringe, durchgeführt werde. Obwohl der Klägerin eine derartige adjuvante Therapie zumutbar gewesen wäre, habe sie nicht eine schulmedizinisch anerkannte und ihr zumutbare Behandlungsmethode versucht. Demgemäß sei das Klagebegehren abzuweisen und eine allfällige Wirkung des Mittels Ukrain nicht mehr zu überprüfen.
Das Berufungsgericht verwarf die Nichtigkeitsberufung mit Beschluss und gab (im Übrigen) der Berufung nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen der geltend gemachten Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens und hielt die vom Erstgericht über die Nebenwirkungen einer Chemotherapie getroffenen Feststellungen für unbedenklich. Zu den von der Klägerin - abweichend von dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt - begehrten Feststellungen, wonach die Nebenwirkungen einer Ukrain-Therapie harmlos und viel geringer als die Nebenwirkungen einer Chemotherapie seien sowie eine Wirksamkeit von Ukrain im Allgemeinen und insbesondere im Falle der Klägerin sehr wohl nachweisbar und feststellbar sei, vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, dass das Erstgericht über allfällige Nebenwirkungen einer Ukrain-Therapie keine Feststellungen getroffen habe und die von der Klägerin begehrten Feststellungen ohne rechtliche Relevanz seien. Nach seinen Ausführungen im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge sei primäre Voraussetzung für den Ersatz der Kosten einer Außenseitermethode, dass eine zumutbare schulmedizinische Methode versucht worden sei oder eine solche nicht erfolgversprechend gewesen wäre. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Außenseitermethode zumutbarer gewesen wäre, sondern es sei die Zumutbarkeit der schulmedizinischen Methode aus objektiver Sicht - und nicht im Vergleich zur Außenseitermethode - zu prüfen. Liege die genannte primäre Voraussetzung nicht vor, sei also eine zumutbare und erfolgversprechende schulmedizinische Methode nicht versucht worden, dann bestehe ein Anspruch auf Ersatz der Kosten der Außenseitermethode auch dann nicht, wenn letztere erfolgreich gewesen sei oder nach den bisherigen Erfahrungen ein Erfolg erwartet werden durfte.
Im vorliegenden Fall stehe fest, dass bei Anwendung einer adjuvanten Therapie (Chemotherapie) zwar im Vorhinein nicht gesagt werden könne, ob eine Patientin von dieser Behandlungsmethode profitieren werde oder nicht, dass aber die Überlebenswahrscheinlichkeit auf 70 bis 80 % verbessert werden könne und die Überlebenschance gegenüber Patientinnen, die keine derartige Therapie durchführen, um 10 bis 20 % erhöht sei. Es sei daher davon auszugehen, dass die Chemotherapie zwar nicht 100 %-ig, jedoch mit einem hohen Maß an Wahrscheinlichkeit erfolgversprechend sei. Damit stelle sich die weitere Frage, ob die Durchführung einer Chemotherapie der Klägerin zumutbar gewesen wäre. Dabei sei zunächst zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin keine Indikationen vorgelegen seien, welche die Anwendung der Chemotherapie vom medizinischen Standpunkt her ausgeschlossen hätten. Die Nebenwirkungen einer derartigen Therapie (Übelkeit, eventuell Haarausfall, Magen-Darm-Beschwerden und erhöhte Infektionsgefahr) seien zwar beträchtlich. Sie könnten aber mit begleitenden Medikamenten behandelt werden. Jedenfalls seien sie bei jener Anwendungsart von Chemotherapie, wie sie bei der Klägerin durchzuführen gewesen wäre, nicht so schwerwiegend, dass die Verabreichung des Medikamentes im Rahmen eines stationären Aufenthaltes im Krankenhaus hätte erfolgen müssen, sondern es hätten (mit Ausnahme der ersten Dosis) die weiteren Verabreichungen ambulant durchgeführt werden können. Bei einer Gesamtschau dieser Umstände und unter Berücksichtigung des prognostischen Erfolges, den diese wissenschaftlich anerkannte Heilmethode verspreche, gelange auch das Berufungsgericht zum Ergebnis, dass der Klägerin aus objektiver Sicht die Durchführung einer Chemotherapie zumutbar gewesen wäre. Damit hätte also mit einer erfolgversprechenden und zumutbaren schulmedizinischen Methode das Auslangen gefunden werden können, sodass ein Ersatz der Kosten der Ukrain-Therapie (als Außenseitermethode) von vornherein nicht in Betracht komme, weil diesfalls das Maß des Notwendigen im Sinne des § 90 Abs 2 GSVG überschritten würde.
Es sei daher ohne Bedeutung, ob die Ukrain-Therapie als Außenseitermethode grundsätzlich wirksam sei oder bei der Klägerin wirksam gewesen sei, weil die Klägerin die zumutbare und erfolgversprechende Behandlungsmethode nach wissenschaftlich anerkannten Regeln gar nicht versucht habe. Unter diesem rechtlichen Aspekt seien die von der Klägerin in diesem Zusammenhang gerügten (weiteren) Verfahrensmängel nicht entscheidungswesentlich. Aus dem gleichen Grund erübrige sich auch ein Eingehen auf jenen Teil der Beweisrüge der Klägerin, mit der sie die Negativfeststellung des Erstgerichtes über die Wirkung von Ukrain im Allgemeinen und bei der Klägerin im Besonderen bekämpfe. Das Klagebegehren sei daher nicht berechtigt. Im Übrigen sei das von der Klägerin als Haupt- und Eventualbegehren gestellte Feststellungsbegehren schon deshalb nicht berechtigt, weil in der Krankenversicherung kein durchsetzbarer Rechtsanspruch auf Gewährung einer nicht zugelassenen Arzneispezialität als Sachleistung bestehe und darüber hinaus Ansprüche auf Kostenersatz für Heilmittel, die erst in Zukunft entstehen könnten, in der Regel nicht zum Gegenstand eines Feststellungsbegehrens gemacht werden könnten.
Weiters sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil sich das Berufungsgericht bei den zu lösenden Rechtsfragen an der zitierten einheitlichen Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Frage des Kostenersatzes für eine Außenseitermethode, insbesondere auch zur Arzneispezialität Ukrain, orientiert habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung als nichtig aufzuheben; in eventu sie im Sinn einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat eine - ihr freigestellte - Revisionsbeantwortung nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Zumutbarkeit einer schulmedizinischen Behandlungsmethode im Vergleich zu einer Außenseitermethode nicht vorliegt. Sie ist auch teilweise berechtigt. Die Verwerfung der Nichtigkeitsberufung der Klägerin durch das Berufungsgericht kann in dritter Instanz nicht mehr bekämpft werden (SZ 68/3 mwN ua; Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 2 zu § 503 mwN; RIS-Justiz RS0042981). Dies folgt schon aus der Unanfechtbarkeit des berufungsgerichtlichen Beschlusses, mit dem die Nichtigkeitsberufung verworfen wurde (§ 519 ZPO; SZ 68/195). Dem Obersten Gerichtshof ist daher ein (neuerliches) Eingehen auf die in der Revision wiederholten Berufungsausführungen zur Nichtigkeit verwehrt.
Auch der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor. Die unter diesem Revisionsgrund geltend gemachten Ausführungen (Nichteintragung des Sachverständigen in die Sachverständigenliste sowie Verletzung der §§ 351 und 358 Abs 1 ZPO [Bestellung des Sachverständigen durch das Gericht und Beeidigung des Sachverständigen] betreffen ausschließlich die Geltendmachung von Verfahrensmängeln erster Instanz - vgl 10 ObS 2397/96i ua). Diese von der Klägerin neuerlich gerügten Mängel des Verfahrens erster Instanz können nach ständiger Rechtsprechung - auch in Verfahren nach dem ASGG - im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (SSV-NF 11/15; 7/74; 5/116 uva). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, das von der Klägerin als Haupt- und als Eventualbegehren gestellte Feststellungsbegehren sei schon deshalb nicht berechtigt, weil in der Krankenversicherung kein durchsetzbarer Rechtanspruch auf Gewährung einer nicht zugelassenen Arzneispezialität als Sachleistung bestehe und darüber hinaus Ansprüche auf Kostenersatz für Heilmittel, die erst in Zukunft entstehen könnten, in der Regel nicht zum Gegenstand eines Feststellungsbegehrens gemacht werden könnten, wird im Rechtsmittel der Klägerin in keiner Weise releviert. Es braucht daher auf diesen Teil des Anspruches der Klägerin nicht mehr eingegangen zu werden (SSV-NF 10/95 ua). Im Übrigen steht dieser Teil der Klagsabweisung mit der bereits vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung des Senates im Einklang. Das angefochtene Urteil war daher in diesem Umfang als Teilurteil zu bestätigen.
Die Klägerin bekämpft in ihrer Rechtsrüge die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes nur insofern, als das Berufungsgericht die Ansicht vertreten hat, der Klägerin wäre aus objektiver Sicht die Durchführung einer Chemotherapie zumutbar gewesen. Dabei sei es nach Ansicht des Berufungsgerichtes unerheblich, ob die Außenseitermethode der Klägerin "zumutbarer" gewesen wäre, sondern es sei die Zumutbarkeit der schulmedizinischen Methode aus objektiver Sicht - und nicht im Vergleich zur Außenseitermethode - zu überprüfen. Demgegenüber vertritt die Klägerin den Standpunkt, dass, um die geforderte Zumutbarkeit der schulmedizinischen Methode beurteilen zu können, sehr wohl ein Vergleich mit der Außenseitermethode anzustellen sei. So könne im Falle der lebensbedrohenden Erkrankung der Klägerin nicht eine Behandlungsmethode (wie die Chemotherapie), welche nicht annähernd sichere Erfolgsaussichten habe und enorme Nebenwirkungen mit sich bringe, als zumutbar beurteilt werden, wenn eine andere Behandlungsmethode (Ukrain) bei weitem höhere Erfolgsaussichten habe und bei weitem geringere Nebenwirkungen mit sich bringe.
Diesen Ausführungen kommt grundsätzlich Berechtigung zu. Wie bereits die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben, umfasst der Versicherungsfall der Krankheit nach der hier maßgebenden Bestimmung des § 90 Abs 1 GSVG (auch) die Krankenbehandlung, das ist unter anderem die Versorgung mit Heilmitteln. Nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle muss die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Durch die Krankenbehandlung sollen die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederhergestellt, gefestigt oder gebessert werden. Die Heilmittel umfassen nach § 92 Abs 2 GSVG die notwendigen Arzneien und die sonstigen Mittel, die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges dienen. Das Heilmittelverzeichnis schränkt das Recht des Patienten auf die für die ausreichende und zweckmäßige Krankenbehandlung notwendigen Heilmittel nicht ein. Den Patienten der österreichischen Sozialversicherung können vielmehr alle erhältlichen Medikamente verordnet werden, wenn dies im einzelnen Behandlungsfall den gesetzlich festgelegten Kriterien einer ausreichenden, zweckmäßigen und das Maß des Notwendigen nicht überschreitenden Krankenbehandlung dient. Daher muss dem Patienten der Beweis zulässig sein, dass im Einzelfall eine wissenschaftlich noch nicht allgemein gesicherte Methode erforderlich und zweckmäßig war (SSV-NF 10/30 = SZ 69/80 = DRdA 1997/3 [zust Mazal] = ZAS 1998/3 [zust Offenberger] mwN ua).
Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates kann somit ein Kostenersatz bei einer von der Wissenschaft noch nicht anerkannten Behandlungsmethode (Außenseitermethode) nur dann gewährt werden, wenn diese Behandlung einer zweckmäßigen Krankenbehandlung entspricht und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet. Dies setzt voraus, dass eine zumutbare erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst nicht zur Verfügung stand oder eine solche erfolglos blieb, während die Außenseitermethode beim Versicherten erfolgreich war oder von ihr nach den Ergebnissen einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen ein Erfolg erwartet werden konnte, sie sich also als erfolgversprechend darstellte. Der Senat folgte bei seinen bisherigen Entscheidungen zu Außenseitermethoden stets auch dem Grundsatz, dass dann, wenn herkömmliche Behandlungsmethoden erfolgreich und ohne Nebenwirkungen angewandt werden konnten (bzw angewandt hätten werden können), kein Anlass zur Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger besteht (SSV-NF 14/6; 13/65; 10/30; 10/33; 8/19 mwN ua; RIS-Justiz RS0102470). Wenn jedoch schulmedizinische Behandlungsmethoden zu unerwünschten (erheblichen) Nebenwirkungen führen und durch alternative Heilmethoden der gleiche Behandlungserfolg (ohne solche Nebenwirkungen) erzielt werden kann, kommt auch eine Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger in Betracht (vgl Mazal, Möglichkeiten eines "schlankeren" Schutzes der Gesundheit in der österreichischen Sozialversicherung in Tomandl [Hrsg], Wie schlank kann soziale Sicherheit sein? 57). "Zweckmäßig" im Sinne des hier maßgebenden § 90 Abs 2 GSVG bedeutet nämlich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht nur, dass die Krankenbehandlung objektiv zur Zweckerreichung geeignet sein muss; zweckmäßig bedeutet vielmehr auch, dass unter mehreren Verfahren dasjenige auszuwählen ist, dessen Einsatz einen Erfolg mit den geringsten nachteiligen Nebenwirkungen für den Patienten verspricht (vgl dazu die Ausführungen von Schrammel, Veränderungen des Krankenbehandlungsanspruches durch Vertragspartnerrecht? ZAS 1986, 145 ff [151] zur Frage der Kostenerstattung für homöopathische Heilmittel). So ist in der Rechtsprechung ganz allgemein auch der Grundsatz anerkannt, dass die Zweckmäßigkeit einer Krankenbehandlung nicht allein nach ökonomischen Gesichtspunkten beurteilt werden darf, sondern auch das Ausmaß der Betroffenheit des Patienten im Einzelfall berücksichtigt werden muss. Es kann daher auch die Entscheidung des betroffenen Patienten, der unter Umständen die Wahl zwischen mehreren Behandlungsmethoden hat, die zwar im Wesentlichen zum selben Ziel führen, jedoch unterschiedlich belastende Therapien zum Gegenstand haben, nicht außer Acht gelassen werden (vgl 10 ObS 315/00x; SSV-NF 8/44 = ZAS 1994/18 [Tomandl] mwN ua).
Die Anwendung dieser Grundsätze führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bisher überprüften Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes die Berechtigung des auf Kostenerstattung gerichteten Klagebegehrens der Klägerin noch nicht abschließend beurteilt werden kann. Sollte nämlich der von der Klägerin in der Revision weiterhin vertretene Standpunkt zutreffen, dass die Ukrain-Therapie im Vergleich zu der schulmedizinischen Behandlung (Chemotherapie) bei weitem höhere Erfolgsaussichten biete und erheblich geringere Nebenwirkungen mit sich bringe, käme grundsätzlich auch ein Ersatz der Kosten einer Außenseitermethode in Betracht, weil in diesem Fall das Maß des Notwendigen nicht überschritten worden wäre. Zur Prüfung dieses Vorbringens der Klägerin wird es daher notwendig sein, dass das Berufungsgericht die Richtigkeit der vom Erstgericht in diesem Zusammenhang über Wirksamkeit und Nebenwirkungen einer Ukrain-Therapie getroffenen und in der Berufung von der Klägerin bekämpften Tatsachenfeststellungen überprüft. Es trifft nämlich nicht zu, dass das Erstgericht keinerlei Feststellungen über allfällige Nebenwirkungen von Ukrain getroffen habe. So hat das Erstgericht ausdrücklich Feststellungen über die bei der Klägerin während der Ukrain-Therapie aufgetretenen Nebenwirkungen (Schmerzen, Temperaturanstieg, Schweißausbrüche, Schwindelgefühle - vgl S 7 des Ersturteiles) getroffen und in seiner rechtlichen Beurteilung dazu die Ansicht vertreten, dass die Nebenwirkungen einer Chemotherapie jedenfalls nicht schwerwiegender seien als die bei einer Ukrain-Therapie auftretenden Nebenwirkungen. Die Klägerin hat unter Berufung auf andere Beweisergebnisse demgegenüber in der Berufung die Feststellung begehrt, dass die bei einer Ukrain-Therapie auftretenden Nebenwirkungen relativ harmlos und jedenfalls viel geringer seien als bei einer Chemotherapie. Weiters begehrte die Klägerin in ihrer Berufung von den erstgerichtlichen Feststellungen abweichende Feststellungen über die Wirksamkeit der Ukrain-Therapie im Allgemeinen und insbesondere in ihrem Falle.
Da es somit zur rechtlichen Beurteilung der Berechtigung des Leistungsbegehrens der Klägerin einer Überprüfung dieser vom Erstgericht festgestellten, von der Klägerin in ihrer Berufung aber bekämpften Tatsachengrundlage bedarf, war in teilweiser Stattgebung der Revision wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 und 2 ZPO.
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