Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 399,74 EUR (darin 66,62 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Parteien schlossen in umgekehrter Parteienrollenverteilung am 28. Jänner 2000 einen gerichtlichen Vergleich mit nachstehendem wesentlichen Inhalt:
"1) Die beklagten Parteien [nun klagenden Parteien] verpflichten sich zur ungeteilten Hand, dem Kläger [nun Beklagten] zu Handen des Klagevertreters den Betrag von 550.000 S samt 10 % Zinsen p.a. ab 1.
Juni 1999 sowie die Kosten von 155.000 S ... bis 1. Juli 2000 zu
bezahlen.
Weiters verpflichten sich die beklagten Parteien zur ungeteilten
Hand, die Blumenhandlung ... samt einem Nebenraum bis 1. Juli 2000
geräumt von eigenen Fahrnissen unter Verzicht auf jeden Räumungsaufschub zu übergeben. ...
2) Von den unter Punkt 1) genannten Verpflichtungen können sich die beklagten Parteien befreien, wenn sie der klagenden Partei zu Handen des Klagevertreters einen Betrag von 1 Mio S ... in drei Raten wie folgt bezahlen:
- a) 333.000 S am 1. Juni 2000;
- b) 333.000 S am 31. Dezember 2000;
- c) 334.000 S am 1. März 2001.
Für diese drei Raten gilt ein fünftägiges Respiro. Bei nicht rechtzeitiger oder nicht vollständiger Bezahlung einer Rate tritt Punkt 1) in Kraft ..."
Am 6. Juni 2000 zahlte der Erstkläger namens der zweitklagenden Partei an den (nunmehrigen) Beklagtenvertreter per Überweisung 311.418,36 S und am 7. Juni 2000 18.581,64 S, insgesamt daher 330.000 S. Am 5. Dezember 2000 zahlte er in der Kanzlei des Beklagtenvertreters in Gegenwart eines Zeugen bar 330.000 S. Der Rechtsanwalt bestätigte den Empfang dieses Betrags. Anlässlich dieser Zahlung sprachen weder der Rechtsanwalt noch der Erstkläger irgendetwas über den Vergleich (die Zahlungen, den offenen Betrag oder die Räumung). Der Beklagtenvertreter fragte auch nicht nach, er hatte weder Auftrag noch Ermächtigung seines Mandanten, den abgeschlossenen Vergleich abzuändern.
Am 5. März 2001 zahlte der Erstkläger bei einem Postamt 147.000 S auf das Konto des Beklagtenvertreters ein und schrieb am selben Tag ein Fax an den Beklagtenvertreter mit folgendem Inhalt:
"Restgelt wird abgezogen Wegen Finanzam Exqision Fin. Für 23 Bezirg Str.Nr. EZ.25.01 Beitrag - 193.034,- S zusammen macht, 147.000,- S = 340.000 S".
Am 6. März 2001 zahlte die zweitklagende Partei als Drittschuldnerin auf Grund des Bescheids des Finanzamts für den 23. Bezirk über die Pfändung und Überweisung einer Geldforderung zugunsten der bekanntgegebenen Abgabenschuld des Beklagten von 193.034 S genau diesen Betrag an das Finanzamt. Vor dieser Zahlung hatte der Beklagte die entsprechende Pfändungsanzeige erhalten, selbst aber keine Zahlung getätigt.
Im Dezember 2000 beantragte der Beklagte die Fahrnisexekution zur Hereinbringung des Restbetrags von 122.336,11 S sA und die (Exekution durch) Räumung der im Vergleich genannten Blumenhandlung. Das Erstgericht bewilligte diese Exekution. Auf Grund der Zahlung von 147.000 S schränkte der Beklagte die Exekution (mit am 22. März 2001 eingegangenem Schriftsatz) auf die Räumungsexekution ein und überwies den nach seiner Berechnung zuviel gezahlten Betrag von 21.605,59 S zurück.
Mit ihrer Klage begehrten die klagenden Parteien das Urteil, der Anspruch des Beklagten aus dem Vergleich vom 28. Jänner 2000, zu dessen Hereinbringung die Räumungs- und die Fahrnisexekution vom Erstgericht am 10. Februar 2001 bewilligt wurde, sei erloschen. Dazu brachten sie im Wesentlichen vor, sie hätten entsprechend dem Vergleich am 1. Juni 2000 330.000 S, am 5. Dezember 2000 330.000 S und am 5. März 2001 147.000 S jeweils an den Beklagtenvertreter und 193.034 S am 6. März 2001 als Drittschuldner zugunsten eines Steuerkontos des Beklagten an das Finanzamt bezahlt. Die geringfügige und rechtlich unerhebliche Modifikation der Bezahlung von 330.000 S statt 333.000 S sei anlässlich der Barzahlung beim Beklagtenvertreter einvernehmlich erfolgt. Der Termin der Zahlung beim Finanzamt am 6. und nicht am 5. sei über Ersuchen des zuständigen Referenten auf Grund eines Terminproblems erfolgt. Die klagenden Parteien hätten somit ihre Verpflichtungen aus dem Vergleich gemäß dessen Punkt 2) erfüllt, weshalb die beklagte Partei zu Unrecht Exekution führe. Ergänzend brachten die klagenden Parteien vor, die zweitklagende Partei sei als Drittschuldner zur Zahlung an das Finanzamt verpflichtet gewesen. In der Nichtrückzahlung der rund 193.000 S und dem "nicht einmal Anbieten der Rückzahlung dieses Betrags" sei ein Anerkenntnis auf Abänderung des Vergleichs in dem Sinn zu sehen, dass die Zustimmung zur Abwicklung laut Punkt 2) erteilt worden sei. Das Verhalten des Beklagtenvertreters, nicht auf die fehlenden 3.000 S aufmerksam zu machen, widerspreche Treu und Glauben. So habe er arglistig den Glauben des Erstklägers herbeigeführt, die Rate sei ordnungsgemäß bezahlt worden. Der Beklagte müsse sich das Verhalten seines Vertreters zurechnen lassen.
Der Beklagte wandte ein, die klagenden Parteien hätten schon die erste Rate nicht vollständig bezahlt, weshalb Punkt 1) des gerichtlichen Vergleichs gelte. Der Beklagte sei aus persönlichen Gründen im Sommer 2000 nicht in der Lage gewesen, sogleich Exekution zu führen und habe noch abgewartet, ob die klagenden Parteien weitere Zahlungen entsprechend Punkt 1) des Vergleichs erbringen würden. Bei der Übergabe der 330.000 S am 5. Dezember 2000 sei zwischen dem Erstkläger und dem Beklagtenvertreter inhaltlich nichts gesprochen worden. Es sei keine einvernehmliche "geringfügige Modifikation" der Bezahlung erfolgt. Die Minderzahlung von 3.000 S treffe den Beklagten als Pensionisten mit noch offenen Verbindlichkeiten aus der Zeit seines aktiven Berufslebens sehr schwer. Durch die Tilgung der Finanzamtschuld, deren Höhe im Übrigen strittig sei, habe der Erstkläger den Beklagten der Möglichkeit von Ratenzahlungen enthoben und dadurch geschädigt. Im Übrigen sei die Zahlung der dritten Rate an das Finanzamt am 6. März 2001 verspätet erfolgt. Schließlich liege schikanöse Rechtsausübung vor.
Der Beklagte ergänzte sein Vorbringen dahin, dass er noch nicht rechtskräftig zur Zahlung der Finanzamtforderung verpflichtet gewesen sei. Der Beklagtenvertreter habe weder den Auftrag noch die Vollmacht seines Mandanten zur Abänderung des gerichtlichen Vergleichs gehabt und auch keinen Rechtsfolgewillen hiefür gehabt.
Das Erstgericht, das im Wesentlichen die eingangs wiedergegebenen Feststellungen traf, wies das Klagebegehren zur Gänze ab. In ihrer rechtlichen Beurteilung gelangte die Erstrichterin zur Auffassung, es sei keine Vereinbarung über das Abgehen vom Vergleich geschlossen worden. Es könne aus dem Verhalten des Beklagtenvertreters kein Vertragswille konstruiert werden. Es sei diesem auch nicht zugestanden, das Zahlungsverhalten seines Prozessgegners zu hinterfragen, zumal dieser anwaltlich vertreten gewesen sei und im Übrigen großes Misstrauen und damit starke Emotionen gegen den Beklagten gehabt habe. Die Kläger hätten es selbst zu verantworten, dass sie den Vergleich nur schlampig erfüllt und zweimal um 3.000 S weniger als vereinbart gezahlt hätten.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung der klagenden Parteien dahin [in Wahrheit nur teilweise] Folge, dass es den Anspruch des Beklagten aus dem Vergleich vom 28. Jänner 2000 insoweit für erloschen erklärte, als zu dessen Hereinbringung die Exekution durch zwangsweise Räumung vom Erstgericht bewilligt wurde. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Nach seiner Ansicht habe der Beklagtenvertreter, weil die Zahlungszeitpunkte jeweils dem Punkt 2) des Vergleichs entsprochen hätten, erkennen müssen, dass der Beklagte die Zahlungen entsprechend dieser Variante leisten habe wollen. Der Vergleich habe gemäß seiner Doppelfunktion auch zwischen den Parteien ein Schuldverhältnis samt den dazugehörigen nebenvertraglichen Sorgfalts-, Schutz- und Aufklärungspflichten begründet. Diese bestünden grundsätzlich dann, wenn der Gegner nach redlicher Verkehrsübung Aufklärung erwarten habe dürfen. Dies habe insbesondere bei einer vorhersehbaren Interessengefährdung des Gegners zu gelten. Eine solche sei gegeben und vorhergesehen gewesen, wie sich aus der unmittelbar nach der Zahlung am 5. Dezember 2000 beantragten Fahrnis- und Räumungsexekution ergebe. Der Beklagtenvertreter, der die Zahlung entgegengenommen habe, habe die den Beklagten treffenden Schutz- und Aufklärungspflichten wahrzunehmen gehabt und könne sich nicht auf dieser Aufklärung entgegenstehende Standespflichten berufen. Davon abgesehen sei eine anwaltliche Vertretung der Kläger in der Erfüllungsphase des Vergleichs nicht festgestellt. Im Sinne der im redlichen Geschäftsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche wäre zu fordern gewesen, dass der Beklagtenvertreter dies zur Sprache bringe, wenn er die geringfügigen betraglichen Abweichungen zum Anlass dafür nehmen wolle, eine Erfüllung des Vergleichs iSd Punkts
2) nicht mehr zuzulassen. Dem Beklagtenvertreter sei zufolge seiner beruflichen Sachkenntnis als Rechtsanwalt gewissermaßen eine Garantenstellung zugekommen. Wenn auch Schweigen grundsätzlich keinen Erklärungswert habe, komme diesem Schweigen dennoch Bedeutung zu, wenn der Vertragspartner nach redlicher Verkehrsübung zu einer Aufklärung verhalten gewesen wäre. Nach Treu und Glauben iSd dargestellten Schutz- und Aufklärungspflichten hätte der Beklagtenvertreter reden müssen, wenn er mit den für ihn erkennbar iSd Punkts 2) erbrachten Leistungen nicht einverstanden gewesen wäre. Seinem Schweigen komme daher die Bedeutung einer Zustimmung zu den geringfügigen Abweichungen gegen den Vergleichsbedingungen zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision sei zulässig, weil zur Beurteilung des Schweigens in der konkreten Fallkonstellation ausreichende höchstgerichtliche Rsp fehle.
Die Revision des Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Wie das Berufungsgericht selbst erkennt, sind für die Beurteilung der
Konkludenz eines Verhaltens die Umstände des Einzelfalls maßgeblich
(10 Ob 205/99s = MietSg 51.075). Daraus folgt aber bereits, dass die
Beurteilung dieser Frage in einem Einzelfall keine erhebliche
Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darstellt (10 Ob 205/99s, RIS-Justiz
RS0043253). Eine gravierende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, die aus Gründen der Rechtssicherheit eine Korrektur durch den Obersten Gerichtshof erfordern würde, zeigt der Beklagte in seiner Revision nicht auf. Dies gilt umso mehr, als die Entscheidung des Berufungsgerichts im Einklang mit der Rsp des Obersten Gerichtshofs zu geringfügigen Minderleistungen bzw Verspätungen bei sogenannten Prämienvergleichen steht (3 Ob 2212/96g = SZ 70/165; 1 Ob 193/99k = ÖBA 2000/902; 4 Ob 259/02w). Eine einem solchen Prämienvergleich ähnliche Vereinbarung haben auch die Streitteile im vorliegenden Fall getroffen, konnten doch die nun klagenden Parteien durch Zahlung eines höheren Geldbetrags die Räumung ihres Geschäftslokals vermeiden. Im Fall der Entscheidung 1 Ob 193/99k war es zu einer viertägigen Überschreitung der Leistungsfrist gekommen, wobei auch als maßgebend angesehen wurde, dass die vom Schuldner gewählte Zahlungsweise vom Gläubiger nicht zurückgewiesen worden war. Im Fall der jüngsten Entscheidung 4 Ob 259/02w lag (vergleichbar dem hier entschiedenen Fall, in dem die beiden ersten Raten jeweils um weniger als 1 % unterbezahlt wurden) eine Minderzahlung im Ausmaß von knapp über 1 % des Vergleichsbetrags vor, den der Schuldner nach entsprechendem Hinweis des Gegnervertreters unverzüglich überwies. Der Oberste Gerichtshof sah es auch dort als wesentlich an, dass der betreffende Rechtsanwalt auf die Folgen der verspäteten Zahlung des Prämienvergleichs nicht hinwies, sondern die Restzahlung annahm. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Die klagenden Parteien haben auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen. Bemessungsgrundlage im Revisionsverfahren ist allerdings, weil sich das Berufungsurteil - allerdings ohne Begründung dafür - lediglich auf den Anspruch auf zwangsweise Räumung bezieht, nicht der ursprünglich in der Klage als Streitwert genannte Geldbetrag, der dem exekutiv Betriebenen entsprach, sondern nach § 4 RATG iVm § 56 Abs 2 dritter Satz ZPO idF vor dem 1. Euro-UmstellungsG-Bund BGBl I 2001/98 lediglich der Betrag von 52.000 S, was 3.778,99 EUR entspricht. Der Ansatz nach TP 3C RATG beträgt daher nur 208,20 EUR.
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