OGH 3Ob193/02g

OGH3Ob193/02g26.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Kalivoda und Dr. Neumayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Lorenz S*****, über den Revisionsrekurs des Vaters Dr. Gerhard P*****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. Mai 2002, GZ 45 R 144/02p-21, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 31. Jänner 2002, GZ 7 P 205/99w-17, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teiles insgesamt zu lauten hat:

Dr. Gerhard P***** ist als Vater des mj. Lorenz S***** schuldig, in Abänderung der ihm zuletzt auferlegten Unterhaltsverpflichtung ab 1. September 2001, bis auf weiters, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Minderjährigen, monatlich EUR 654,06 zu Handen der Mutter, Sigrid S*****, zu bezahlen.

Das Mehrbegehren von monatlich EUR 65,41 wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der ae geborene mj. Lorenz, der kein Einkommen und auch kein nennenswertes Vermögen hat, befindet sich in Pflege und Erziehung seiner Mutter, die die Familienbeihilfe bezieht. Die Unterhaltsverpflichtung des Vaters, den sonst keine Sorgepflichten treffen, wurde über Antrag der Mutter mit Beschluss des Erstgerichtes vom 31. 1. 2002 rückwirkend ab 1. 9. 2001 auf monatlich S 9.900 bzw EUR 719,46 erhöht. Dieser Unterhaltsbemessung liegt unter Berücksichtigung der anteiligen Sonderzahlungen ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen des Vaters von ca S

60.700 bzw EUR 4.411 zugrunde.

Das vom Vater, der seit September 1999 monatliche Unterhaltszahlungen von S 9.000 bzw EUR 654,06 leistet und eine Bestimmung seiner Unterhalterhaltspflicht in dieser Höhe begehrte, angerufene Rekursgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Unter anderem führte das Rekursgericht - das betreffende Argument des Vaters verwerfend - dazu aus, die (von der Mutter bezogene) Familienbeihilfe stelle, dem Gesetzeswortlaut des § 12a FLAG entsprechend, kein Eigeneinkommen des Kindes dar und sei bei der Unterhaltsbemessung nicht zu berücksichtigen. Da diesbezüglich eine Judikatur des Obersten Gerichtshofs noch ausständig sei und es sich um eine Rechtsfrage von den Einzelfall übersteigender Bedeutung handle, werde der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 14 Abs 1 AußStrG zugelassen.

Der Vater macht im Revisionsrekurs unter anderem weiterhin geltend, dass im Sinne der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zu § 12a FLAG (offenbar gemeint das Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/02) eine Berücksichtigung seiner steuerlichen Nachteile geboten und daher der von ihm seinem Sohn Lorenz zu leistende Geldunterhalt in der begehrten Höhe von monatlich EUR 654,06 zu bestimmen sei. Die Mutter hat von der ihr vom Obersten Gerichtshof eingeräumten Möglichkeit, sich namens des Unterhaltsberechtigten zum Revisionsrekurs zu äußern, nicht Gebrauch gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Mit Erkenntnis vom 19. 6. 2002, G 7/02 ua, hat der Verfassungsgerichtshof über Antrag des Obersten Gerichtshofs und mehrerer zweitinstanzlicher Gerichte in § 12a FLAG die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig aufgehoben. Dadurch ist das vom Obersten Gerichtshof gegen die vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/02, als geboten erachtete steuerliche Entlastung getrennt lebender Geldunterhaltspflichtiger durch (teilweise) Anrechnung der vom betreuenden Elternteil bezogenen Familienbeihilfe auf den Unterhalt erblickte Hindernis weggefallen. Bereits in zahlreichen, jüngst ergangenen Entscheidungen (1 Ob 79/02b; 4 Ob 45/02x; 4 Ob 52/02d; 7 Ob 167/02p; 7 Ob 174/02t; 7 Ob 193/02m ua) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die im Wege der Weiterverrechnung eines Teiles der (vom betreuenden Elternteil - hier der Mutter - bezogenen) Transferleistungen (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) vorzunehmende, verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung des getrennt lebenden Geldunterhaltspflichtigen nach folgender Formel errechnet werden kann:

Der nach rein unterhaltsrechtlichen Aspekten bemessene Geldunterhalt dividiert durch 2, mal (um ca 20 %) verminderter Grenzsteuersatz des Geldunterhaltspflichtigen (also 25 % bei 31 %, 33 % bei 41 % und 40 % bei 50 % Grenzsteuersatz; vgl § 33 Abs 1 EStG 1988), minus Unterhaltsabsetzbetrag, ergibt jenen (Teil-)Betrag der Transferleistungen, der auf die Geldunterhaltspflicht anzurechnen ist.

Hiebei ist noch Folgendes zu beachten: Da der Kindesunterhalt jeweils den höchsten Einkommensteilen des Unterhaltspflichtigen zuzuordnen ist, muss bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung darauf Bedacht genommen werden, ob der Unterhaltsbeitrag im Wesentlichen zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen nicht unerheblichen Teilbetrag der nächstniedrige Grenzsteuersatz maßgebend ist (5 Ob 36/02h; 2 Ob 191/02f ua). Im vorliegenden Fall wurde zwar nur das monatliche Nettoeinkommen des Vaters festgestellt. Im Hinblick darauf, dass dieses jährlich mit ca EUR 52.932 bereits das zu einem Grenzsteuersatz von 50 % führende jährliche Bruttoeinkommen von EUR 50.870 übersteigt, ist evident, dass der Grenzsteuersatz des Vaters 50 % beträgt und auch sein gesamter Unterhaltsbeitrag im Wesentlichen zur Gänze im höchstbesteuerten Einkommensteil Deckung findet. Damit sind alle Umstände bekannt, deren Kenntnis zur Berechnung der dem Vater nach den dargelegten Grundsätzen gebührenden steuerlichen Entlastung durch Anrechnung der von der Mutter bezogenen Transferleistungen auf die Geldunterhaltsverpflichtung notwendig ist.

Zu beachten ist nun, dass der Vater ein überdurchschnittlich hohes Einkommen erzielt, welcher Umstand nach ständiger Rechtsprechung dazu veranlasst, die Prozentkomponente bei der Ausmessung des Kindesunterhalts nicht voll auszuschöpfen (RIS-Justiz RS0007138) sodass die exakte Höhe des Einkommens des Vaters unerheblich ist; vielmehr ist in einem solchen Fall zur Vermeidung einer pädagogisch schädlichen Überalimentierung eine Angemessenheitsgrenze als Unterhaltsstopp zu setzen (RIS-Justiz RS0047447). Diese "Luxusgrenze" wird im Allgemeinen im Bereich des 2 bis 2,5-fachen des Regelbedarfes liegend angenommen, wobei allerdings die Meinung vertreten wird, dass dies keine absolute Obergrenze darstellt (vgl Schwimann, Unterhaltsrecht², 32 f; Stabentheiner in Rummel³ Rz 5d zu § 140 ABGB; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 254 ff; 1 Ob 311/98m mwN; 2 Ob 193/00x ua). Die Vorinstanzen haben die Unterhaltsverpflichtung des Vaters unter Beachtung dieser "Luxusgrenze" - mangels eines Erhöhungsbegehrens des Unterhaltsberechtigten bindend (vgl 4 Ob 52/02d; 1 Ob 182/02z; 7 Ob 193/02m ua) - mit dem etwa 2,5-fachen des Regelbedarfs des 15jährigen Lorenz mit S 9.900 = EUR 719,46 ausgemessen.

Der an sich in dieser Höhe bestehende Geldunterhaltsanspruch des Minderjährigen gegenüber dem Vater ist nun nach der dargestellten Berechnungsmethode zur steuerlichen Entlastung des Unterhaltsverpflichteten wie folgt zu vermindern: 40 % des halben monatlichen Unterhaltsbetrages von EUR 359,73, d.s. EUR 143,89 minus Unterhaltsabsetzbetrag von EUR 25,40 = EUR 118,39. Wird dieser Betrag von dem unter Berücksichtigung der "Luxusgrenze" errechneten monatlichen Unterhaltsbetrag von EUR 719,46 abgezogen, ergibt sich ein Betrag von EUR 601,07. Da der Vater mehr als diesen Betrag, nämlich EUR 654,06, monatlich zu leisten bereit ist, ist der Unterhalt in dieser Höhe zu bemessen (wobei sich auch eine - ansonsten angezeigte - Auf- oder Abrundung hier verbietet). Da sich der Revisionsrekurs schon aufgrund dieser Erwägungen als berechtigt erweist, muss auf seine weiteren Ausführungen nicht mehr eingegangen werden. In Stattgebung des Rechtsmittels des Vaters war spruchgemäß zu entscheiden.

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