Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich des bestätigten Teils insgesamt lauten:
"1. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit in einer monatlichen Bruttohöhe von 1.244,11 EUR ab 1. 7. 2000, von 1.254,06 EUR ab 1. 1. 2001 und in einer Höhe von 1.267,85 EUR ab 1. 1. 2002 zu gewähren.
2. Das Mehrbegehren auf Gewährung einer höheren Pension im gesetzlichen Ausmaß unter Anwendung der für Frauen gültigen geringeren Abschläge wird abgewiesen.
3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihres Vertreters die mit 485,86 EUR (davon 80,98 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 333,12 EUR (davon 55,52 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 30. 6. 1944 geborene Kläger hat als Folgewirkung des Urteils des EuGH vom 23. 5. 2000, Rs C-104/98 , Buchner ab 1. 7. 2000 Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 18. Juni 2002 hat die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Bauern die Höhe dieser Leistung ab 1. 7. 2000 mit brutto 1.244,11 EUR monatlich, ab 1. 1. 2001 mit brutto 1.254,06 EUR monatlich und ab 1. 1. 2002 mit brutto 1.267,85 EUR monatlich festgesetzt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage mit dem auf Zahlung einer (höheren) vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit unter Anwendung der für Frauen gültigen geringeren Abschläge gemäß § 130 Abs 4 BSVG gerichteten Begehren. Diese Bestimmung knüpfe, was die Berechnung der Pensionshöhe betreffe, an das Regelpensionsalter gemäß § 121 Abs 1 BSVG an, welches für Männer bei 65 und für Frauen bei 60 Jahren liege. Diese Anknüpfung und die daraus resultierende Ungleichbehandlung von Männern und Frauen sei mit dem unterschiedlichen Regelpensionsalter aber nicht notwendig verbunden und daher gemeinschaftsrechtlich unzulässig. Nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Buchner sei die hier strittige Leistung nämlich nicht als Alterspension zu werten, weshalb keine Ausnahmebestimmungen von der Gleichbehandlungspflicht der Männer und Frauen im Sinne der Richtlinie 79/7/EWG (im Folgenden "Richtlinie" oder "RL") zum Tragen kämen. Die Tatsache, dass Frauen die Hauptlast der Kindererziehung tragen, sei für die Pensionsberechnung ohnedies in den §§ 105, 107a BSVG ausreichend berücksichtigt, wonach die Zeiten der Kindererziehung als Versicherungszeiten anzurechnen seien. Die österreichische Rechtslage für die Berechnung der hier strittigen Leistung verstoße damit eindeutig gegen das EU-Recht. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens unter Hinweis auf § 130 Abs 4 BSVG in der bis 30. 9. 2000 gültigen Fassung. Für die Berechnung der Pension komme § 130 BSVG unabhängig von der Art der Pension (Alters- oder Erwerbsunfähigkeitspension) zur Anwendung. Mit dieser Bestimmung solle sichergestellt werden, dass es bei jeglicher Inanspruchnahme einer Pension vor dem Regelpensionsalter zu Abschlägen im Rahmen des Bonus-Malus-Systems komme. Die unterschiedliche Altersgrenze für Männer und Frauen entspreche dem Verfassungsgesetz über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Versicherten (BGBl 1992/832) und sei richtlinienkonform. Art 4 Abs 1 RL verbiete jegliche unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, und zwar im Besonderen betreffend den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen, die Beitragspflicht und die Berechnung der Beiträge, die Berechnungen der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen sowie die Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Leistungen. Art 7 Abs 1 lit a RL bestimme allerdings, dass die RL nicht der Befugnis zur Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente sowie etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen entgegenstehe. Wenn § 130 BSVG auf § 121 BSVG Bezug nehme, sei darin kein Verstoß gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie gelegen, weil die Ungleichbehandlungen objektiv erforderlich seien, um zu verhindern, dass das finanzielle Gleichgewicht des Sozialversicherungssystems gefährdet werde, bzw um die Kohärenz zwischen den Systemen der Altersrente und dem System der anderen Leistungen zu gewährleisten. Die scheinbare Diskriminierung sei notwendig und objektiv mit dem im nationalen Recht unterschiedlichen Rentenalter verbunden. Nach der Judikatur des EuGH sei Art 7 Abs 1 lit a RL so auszulegen, dass ein Mitgliedstaat, der in seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften ein unterschiedliches Rentenalter für männliche und weibliche Versicherte aufrecht erhalten habe, berechtigt sei, die Höhe der Rente je nach dem Geschlecht verschieden zu berechnen.
Unstrittig ist, dass sich bei der vom Kläger begehrten alternativen Pensionsberechnung zum Stichtag 1. 7. 2000 eine Pensionshöhe von brutto 1.280,97 EUR monatlich ergibt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren (ohne Bescheidwiederholung) ab. Es schloss sich der Rechtsansicht des beklagten Versicherungsträgers an, wonach dann, wenn ein unterschiedliches Rentenalter aufrecht erhalten worden sei, auch eine unterschiedliche Art der Berechnung der Höhe der Rente notwendig sei; dies sei objektiv mit dem unterschiedlichen Rentenalter verbunden und falle daher unter den Ausnahmetatbestand nach Art 7 Abs 1 lit a RL. Ein Anlass zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens bestehe nicht.
Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge und führte in seiner rechtlichen Beurteilung unter Hinweis auf die zutreffende Rechtsansicht des Erstgerichts unter anderem ergänzend aus:
"Dem Berufungswerber kann aber auch nicht darin gefolgt werden, dass die von ihm hervorgehobene Wortfolge des Urteilsspruchs der Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen "De Vriendt" und "Wolfs" auf diejenige Pensionsform zu beziehen ist, um deren konkrete Berechnung es geht, geht doch der Wortlaut des Art 7 Abs 1 lit a RL dahin, dass die Ausnahme die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente "und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen" umfasst. Die Ausnahmeregelung soll es den Mitgliedstaaten ermöglichen, ihre Rentensysteme so verträglich an den Gleichbehandlungsgrundsatz anzupassen, dass dabei das komplexe finanzielle Gleichgewicht der Rentensysteme nicht erschüttert wird (EuGH 7. 7. 1992, Rs C-9/91 , RN 16). Sie umfasst daher nicht nur die ausdrücklich angeführte Festsetzung des Zeitpunktes der Auszahlung der Altersrente, sondern auch solche Bestimmungen, die eine unterschiedliche Dauer der Beitragsleistungen für Männer und Frauen zulassen und lässt auch geschlechtsdiskriminierende Bestimmungen in anderen Leistungsbereichen zu, die unter den Anwendungsbereich der RL fallen, wenn sie notwendig und objektiv mit einer unterschiedlichen Festsetzung des Rentenalters in einem Mitgliedsstaat zusammenhängen (10 ObS 49/02g mwN). Dieser notwendige und objektive Zusammenhang ergibt sich im System des österreichischen Pensionsversicherungsrechts daraus, dass die Vorzeitigkeit jedweder Pension nur in Relation zum Regelpensionsalter beurteilt und festgestellt werden kann, sodass auch die daran geknüpfte Höhe der Abschläge einer Pension nach dem Ausmaß der zeitlichen Differenz zwischen Stichtag und dem anzuwendenden Regelpensionsalter objektiv und nach dem gesamten Rentensystem notwendig mit dem Regelpensionsalter verbunden ist. Das Oberlandesgericht Linz hat in den ... Entscheidungen [12 Rs 168/02s, 11 Rs 166/02i] - wie vom Erstgericht zutreffend wiedergegeben - diesen direkten Zusammenhang zwischen dem unterschiedlichen gesetzlichen Pensionsalter und der unterschiedlichen Pensionshöhe (zur vergleichbaren Bestimmung des § 261 ASVG) betont und vor allem darauf abgestellt, dass die bisher vom Kläger in Zweifel gezogenen Abschlagsregelungen (§ 261 Abs 4 ASVG, hier § 130 Abs 4 BSVG) vollkommen geschlechtsneutrale Regelungen darstellen, die für alle Versicherungsfälle des Alters und der geminderten Arbeitsfähigkeit in gleicher Weise gelten und ein bewegliches System darstellen, das zu unterschiedlichen Stichtagen auch unterschiedliche Ergebnisse in die eine oder andere Richtung bewirken kann, dass Frauen insgesamt immer noch im Durchschnitt einen schlechteren Versicherungsverlauf aufweisen und damit auch geringere Pensionseinkommen beziehen und die Regelungen schließlich der Höhe nach gedeckelt sind und keine abrupten Pensionsunterschiede offenbaren, sondern als Einschleifregelung konzipiert sind. Aus all diesen Gründen ist es entgegen der Meinung des Berufungswerbers nicht entscheidend, dass es im vorliegenden Fall um die Berechnung einer Pension geht, für die ein unterschiedliches Rentenanfallsalter zulässigerweise nicht aufrecht erhalten werden hätte können. Auch die vom Berufungswerber bereits in Bezug auf die Neufassung des § 130 Abs 4 BSVG durch BGBl 139/1997 (ASRÄG 1997) unter dem Gesichtspunkt geäußerten Zweifel, damit sei "ein Schritt in die umgekehrte Richtung gesetzt" worden, können nicht geteilt werden. Nach der Rechtslage vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996 (§§ 261 ASVG, 139 GSVG, 130 BSVG) gebührte eine Erhöhung des Steigerungsbetrages, wenn Männer die Pension nach dem 60., Frauen nach dem 55. Lebensjahr in Anspruch nahmen. In der Folge (Stichtage bis 1. 12. 1999) war bei einer Inanspruchnahme der Pension vor dem
61. bzw. 56. Geburtstag eine Verminderung und danach eine Erhöhung des Steigerungsbetrages vorgesehen, wogegen nach den genannten Bestimmungen in der Fassung des ASRÄG 1997 die Regelungen über Abschläge bei Inanspruchnahme der Pension vor dem jeweiligen Regelpensionsalter Gesetz wurden. Somit wurde einerseits jeweils auf das für männliche und weibliche Versicherte unterschiedliche Regelpensionsalter abgestellt; andererseits kam es in gleicher Weise wie nach der hier zugrundezulegenden Rechtslage etwa im Vergleich einer 60-jährigen weiblichen Versicherten und eines 60-jährigen männlichen Versicherten zu einer mittelbaren Benachteiligung des Letzteren, der nach der Rechtslage vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996 keinen Anspruch auf Erhöhung des Steigerungsbetrages hatte, wogegen dieser weiblichen Versicherten bei Inanspruchnahme der Pension nach dem 55. Lebensjahr zustand. Die Regelungstechnik (Gewährung von Zuschlägen oder Abschläge je nach dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Pension vor Erreichen des Regelpensionsalters) offenbart als solche keine durch das ASRÄG 1997 erfolgte neue Schlechterstellung von Männern einer bestimmten Altersgruppe. Dass sich eine solche unter Zugrundelegung der geänderten Prozentpunkte ergeben würde, wird im Rechtsmittel nicht ausgeführt."
Gegen dieses Urteil richte sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist teilweise berechtigt.
Die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Entscheidung ist zutreffend (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Sie entspricht der jüngst vom Obersten Gerichtshof in einem vergleichbaren Fall zur vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit geäußerten Rechtsansicht (10 ObS 353/02p).
Der österreichische Gesetzgeber hat im Gefolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 6. 12. 1990, G 223/88 ua (VfSlg 12.568 = DRdA 1991/49 = ZAS 1992/8, Tomandl), mit dem die unterschiedlichen Altersgrenzen für Männer und Frauen bei der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§ 253b ASVG) wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz aufgehoben worden waren, die Zulässigkeit unterschiedlicher Altersgrenzen für Männer und Frauen im Verfassungsrang festgeschrieben. Gemäß § 1 des BVG über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten, BGBl 1992/832 (im Folgenden: BVG-Altersgrenzen), sind gesetzliche Regelungen, die unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Versicherten der gesetzlichen Sozialversicherung vorsehen, zulässig. Nach § 2 dieses Bundesverfassungsgesetzes ist - beginnend mit 1. 1. 2019 - für weibliche Versicherte die Altersgrenze für die vorzeitige Alterspension jährlich bis 2028 mit 1. 1. um sechs Monate zu erhöhen. Nach § 3 ist - beginnend mit 1. 1. 2024 - für weibliche Versicherte die Altersgrenze für die Alterspension bis 2033 mit 1. 1. jährlich um sechs Monate zu erhöhen.
Mit der Verabschiedung des BVG-Altersgrenzen sollte die bestehende Privilegierung weiblicher Versicherter beim Pensionsantritt so lange aufrecht erhalten werden, wie die gesellschaftliche, familiäre und ökonomische Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt dies erforderte. Der Normgeber beabsichtigte somit eine Angleichung des Pensionsantrittsalters erst in jenem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem gegenwärtig noch vorhandene Schlechterstellungen von Frauen im Arbeitsleben als beseitigt angesehen werden können. Dieses Ziel soll bis zum Jahr 2018 verwirklicht sein (Wolfsgruber, Pensionsanfallsalter und Europarecht, RdW 2001/687, 675 ff [677] mit Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien).
Seit dem Beitritt Österreichs zum EWR (mit 1. 1. 1994) und zur Europäischen Union (mit 1. 1. 1995) ist auch der gemeinschaftsrechtliche Kontext zu beachten, insbesondere die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl 1979 L 6, 24). Art 4 RL verbietet jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere bei der Berechnung der Leistungen. Nach Art 7 Abs 1 lit a steht die Richtlinie nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegen, die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen. Nach Art 7 Abs 2 der Richtlinie überprüfen die Mitgliedstaaten in regelmäßigen Abständen die aufgrund des Abs 1 ausgeschlossenen Bereiche, um festzustellen, ob es unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung in dem Bereich gerechtfertigt ist, die betreffenden Ausnahmen aufrecht zu erhalten. Der EuGH hat in seinen Urteilen vom 30. 4. 1998, Rs C-377/96 bis C-384/96 , De Vriendt ua, und vom 22. 10. 1998, Rs C-154/96 , Wolfs ausgesprochen, dass dann, wenn von einem Mitgliedstaat zulässigerweise nach Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie ein unterschiedliches Rentenalter aufrechterhalten worden ist, eine geschlechtsspezifisch unterschiedliche Art der Berechnung der Renten notwendig und objektiv mit diesem Unterschied verbunden ist, sodass auch sie unter die in Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie vorgesehene Ausnahme fällt. Diesen beiden Urteilen lag zugrunde, dass in der belgischen Rentenversicherung für Frauen mit 60 und für Männer mit 65 Jahren die Möglichkeit des Übertrittes in den Ruhestand bestand: Bei der Berechnung der Rentenhöhe wurde mit dem Hinweis auf die unterschiedlich lange Versicherungskarriere bei Frauen 1/40stel und bei Männern ein 1/45stel der Bemessungsgrundlage gewährt und zwar unabhängig vom tatsächlichen Antrittsalter.
Dem Revisionswerber ist darin beizupflichten, dass nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Buchner die auch hier verfahrensgegenständliche vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit nicht als Altersrente im Sinne des Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie, der als Ausnahmebestimmung nach ständiger Rechtsprechung angesichts der wesentlichen Bedeutung des Grundsatzes der Gleichbehandlung eng auszulegen ist, zu werten ist (vgl Urteil vom 23. 5. 2000 in der Rechtssache C-104/98 , Buchner, Slg 2000, I-3625, Tz 21 mwN). Die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit kann aber als eine "andere Leistung" betrachtet werden, auf die die unterschiedliche Festsetzung des Rentenalters "Auswirkungen" hat. So hat der EuGH beispielsweise in dem Urteil Graham ua vom 11. 8. 1995, Rs C-92/94 , Slg 1995, I-2521 Ungleichbehandlungen von Männern und Frauen im Hinblick auf den Zugang und die Berechnung von bestimmten Invaliditätsleistungen in der Rechtsordnung des Vereinigten Königreiches als Auswirkungen der Festsetzung des unterschiedlichen Rentenalters für Männer und Frauen auf andere Leistungen akzeptiert. Setzt ein Mitgliedstaat unter Berufung auf Art 7 Abs 1 lit a RL für die Gewährung der Alters- und Ruhestandsrente für Männer und Frauen ein unterschiedliches Alter fest, so ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH der mit der Wendung "etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen" in Art 7 Abs 1 lit a RL definierte Anwendungsbereich der zugelassenen Ausnahme auf solche in anderen Leistungssystemen bestehenden Diskriminierungen beschränkt, die notwendig und objektiv mit dieser unterschiedlichen Altersgrenze verbunden sind. Eine solche Verbindung besteht, wenn die Diskriminierungen objektiv erforderlich sind, um zu verhindern, dass das finanzielle Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit gefährdet wird, oder um die Kohärenz zwischen dem System der Altersrenten und dem der anderen Leistungen zu gewährleisten (vgl Urteil Buchner Tz 25 f mwN). Ob dies der Fall ist, hat das nationale Gericht zu beurteilen (vgl Urteil vom 30. 1. 1997 in der Rechtssache C-139/95 , Balestra, Slg 1997, I-549, Tz 39 mwN).
So hat der EuGH in dem soeben erwähnten Urteil Balestra vom 30. 1. 1997 dargelegt, dass bei einem zulässigen unterschiedlichen Altersrentenalter der Mitgliedstaat auch bestimmen kann, dass Arbeitnehmer bestimmter Unternehmen für die Zeit vom Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand bis zur Erreichung des Altersrentenalters Anspruch auf eine Gutschrift zusätzlicher Rentenbeiträge bis zur Höchstgrenze von 5 Jahren haben, weil die bei der Methode zur Berechnung der vor Ruhestandsleistungen vorgenommene Unterscheidung nach dem Geschlecht objektiv und notwendig mit der Festsetzung eines für Männer und Frauen unterschiedlichen Rentenalters verbunden ist. Der EuGH sah bei der in Italien vorgesehenen Regelung, aufgrund derer fiktive Beiträge zwischen der tatsächlichen Aufgabe der Erwerbstätigkeit und längstens dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters (55 Jahre für Frauen und 60 Jahre für Männer) für höchstens 5 Jahre gutgeschrieben wurden, einen Zusammenhang zwischen der Altersrenten- und der Vorruhestandsregelung; die Wahrung dieser Kohärenz sei notwendig, da ihre Aufhebung zu anderen Diskriminierungen führen könnte.
In der Entscheidung Buchner, Rs C-104/98 , hat der EuGH unter Tz 32 dargelegt, dass zwischen dem Mindestalter für den Bezug der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit und dem gesetzlichen Rentenalter kein direkter Zusammenhang besteht, da das Mindestalter für die Entstehung des Anspruches auf die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit für Frauen auf 55 Jahre, dh 5 Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter, für Männer dagegen auf 57 Jahre, dh 8 Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter, festgesetzt wurde. Demgegenüber knüpft die hier zu beurteilende Bestimmung des § 103 Abs 4 BSVG idF des Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1997 (BGBl I 1997/139) für die Berechnung der Pensionshöhe unmittelbar an das "Regelpensionsalter" gemäß § 121 Abs 1 BSVG an, das für Männer bei 65 und für Frauen bei 60 Jahren liegt. Sie schreibt vor, dass bei Inanspruchnahme einer Leistung vor dem Monatsersten nach Erreichung des Regelpensionsalters die ermittelte Summe der Steigerungspunkte zu vermindern ist. Das Ausmaß der Verminderung beträgt für je 12 Monate der früheren Inanspruchnahme zwei Steigerungspunkte. Das Höchstausmaß der Verminderung beträgt 15 % der ermittelten Summe der Steigerungspunkte, höchstens jedoch 10 Steigerungspunkte. Durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 (BGBl I 2000/92) wurde mit Wirksamkeit ab 1. 10. 2000 der Malus von bisher 2 Steigerungspunkte auf 3 Steigerungspunkte pro Jahr angehoben, und zwar unter Festlegung einer Höchstgrenze von 10,5 Steigerungspunkten bzw 15 % der Pension.
Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 130 Abs 4 BSVG mit der gemeinschafts- und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Festsetzung eines geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Antrittsalters für die Alterspension in unmittelbarem Zusammenhang stehend zu sehen ist. Ziel der Regelung ist es, dass für Männer und Frauen bei Inanspruchnahme einer Leistung vor dem Monatsersten nach Erreichen des Regelpensionsalters die Leistung - ohne Unterschied der Geschlechter - in Relation zum Ausmaß einer Pensionsleistung steht, die bei Inanspruchnahme nach Erreichen des Regelpensionsalters gebührt. Im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung des EuGH muss ein Mitgliedstaat durchaus als befugt angesehen werden, eine nationale Regelung aufrechtzuerhalten, nach der - im Hinblick auf das geschlechtsspezifisch unterschiedliche Antrittsalter für die Altersrente - der Berechnung des Pensionsanspruches zugrundegelegt wird, dass die Leistung - ohne Unterschied der Geschlechter - in Relation zum Ausmaß einer Pensionsleistung steht, die bei Inanspruchnahme nach Erreichen des Regelpensionsalters gebührt. Die zeitlich begrenzte Aufrechterhaltung eines für Männer und Frauen unterschiedlichen Rentenalters kann auch noch nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie den Erlass von Maßnahmen, die untrennbar mit dieser Ausnahmeregelung verbunden sind, sowie die Änderung derartiger Maßnahmen erforderlich machen kann. Der Ausnahme in Art 7 Abs 1 lit a RL würde nämlich ihre praktische Wirksamkeit genommen, wenn ein Mitgliedstaat, der für Männer und Frauen ein unterschiedliches Rentenalter festgesetzt hat, nach Ablauf der Umsetzungsfrist keine damit zusammenhängenden Maßnahmen erlassen oder ändern dürfte (vgl Urteil Buchner, Tz 22 f sowie Urteil vom 23. 5. 2000 in der Rechtssache C-196/98 , Hepple ua, Slg 2000, I-3701 Tz 23 f).
Die Beibehaltung des unterschiedlichen Regelpensionsalters impliziert daher eine unterschiedliche Berechnung der Höhe der hier gegenständlichen Pensionsleistung der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit. Die unterschiedliche Berechnung der Höhe dieser Pensionsleistung ist eine notwendig an die Festsetzung des unterschiedlichen Rentenalters geknüpfte Konsequenz und fällt daher unter die Ausnahme in Art 7 Abs 1 lit a RL.
Der Oberste Gerichtshof kann diese Frage unter Bedachtnahme auf die in der Rechtsprechung des EuGH dazu entwickelten Grundsätze auch ohne Einholung einer Vorabentscheidung beurteilen, zumal, wie bereits erwähnt, nach der Rechtsprechung des EuGH die Beantwortung der Frage, ob eine Diskriminierung objektiv und notwendig mit der Festsetzung eines je nach dem Geschlecht unterschiedlichen Rentenalters verbunden ist, in die Zuständigkeit des nationalen Gerichtes fällt. Dass gegen die Gültigkeit der Ausnahmebestimmung des Art 7 Abs 1 lit a RL derzeit keine gemeinschaftsrechtlichen Bedenken bestehen und sich der Oberste Gerichtshof zumindest derzeit zu einer Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH in dieser Frage nicht veranlasst sieht, hat der erkennende Senat in den Entscheidungen 10 ObS 334/01t und 10 ObS 49/02g näher begründet (vgl auch 10 ObS 268/02p). Aber auch die vom Revisionswerber vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken wegen Verletzung eines Bauprinzips der Verfassung werden vom Senat nicht geteilt. Es ist richtig, dass der Verfassungsgesetzgeber immer wieder Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes dadurch "unterlaufen" hat, dass er vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetze als Verfassungsgesetze wieder in Kraft setzte oder die Gesetzesaufhebung in ähnlicher Weise unwirksam machte (Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts9 Rz 146; Mayer, Bundes-Verfassungsrecht3 Art 44 II. 3.). Diese verständlicherweise der rechtspolitischen Kritik ausgesetzte Verfassungsgesetzgebung ist verfassungsrechtlich nur dann unzulässig, wenn dadurch ein Baugesetz der Verfassung verletzt wird (VfSlg 15.373). Eine solche Verletzung wird von einem Teil der Lehre wegen Verletzung des rechtsstaatlichen und des gewaltenteilenden Grundprinzipes behauptet (Walter/Mayer aaO mwN; zuletzt etwa Hiesel,
Von der Verfassungsumkultur zur verfassungswidrigen Verfassungsgesetzgebung? AnwBl 2001, 306 [308 f]). Freilich muss dem "einfachen" Verfassungsgesetzgeber im Lichte des demokratischen Grundprinzipes bei einer harmonisierenden Auslegung auch in diesem Bereich ein gewisser Gestaltungsspielraum zugebilligt werden. Im Hinblick darauf, dass die Gesetzesprüfungskompetenz des Verfassungsgerichtshofes (nur) zu einer speziellen und eingegrenzten Problematik ausgeschaltet, das rechtsstaatliche Prinzip aber nicht im breiten und unbestimmten Ausmaß beeinträchtigt wird, erscheint dem Senat der Gestaltungsspielraum des einfachen Verfassungsgesetzgebers nicht überschritten (vgl 10 ObS 353/02p).
Schließlich wurde bereits bei der Behandlung der vom Revisionswerber vorgetragenen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken näher dargelegt, dass sich die in § 130 Abs 4 BSVG vorgesehene Abschlagsregelung als unmittelbare Auswirkung des - nach dem Bundesverfassungsgesetz über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten (BGBl 1992/812) - zulässigen unterschiedlichen Regelpensionsalters von Männern und Frauen darstellt, sodass für den Obersten Gerichtshof auch insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.
Das auf Gewährung einer höheren vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit gerichtete Begehren des Klägers erweist sich damit als nicht berechtigt. Die Revision ist im Ergebnis lediglich insoweit berechtigt, als die Vorinstanzen in dem Umfang, in dem der mit der Klage bekämpfte Bescheid gemäß § 71 Abs 1 ASVG außer Kraft getreten ist, nicht über den vom Kläger beim Versicherungsträger gestellten Antrag neu entschieden haben (SSV-NF 4/153 mwN; Kuderna, ASGG2 Anm 4 zu § 71 mwN ua). Da der Kläger gegen die Höhe der im angefochtenen Bescheid nach der geltenden Rechtslage festgesetzten vorzeitigen Alterspension bei Erwerbsunfähigkeit nichts eingewendet hat, konnte der Oberste Gerichtshof aufgrund der Revision des Klägers die von den Vorinstanzen unterlassene Entscheidung nachholen und die Pension in derselben Höhe wie im angefochtenen Bescheid zusprechen, weil sonst kein Titel für zukünftige Leistungen bestünde (SSV-NF 12/73 ua). Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Obzwar der Kläger mit seiner Klage nicht mehr erreichte als die beklagte Partei in ihrem Bescheid festsetzte, war die Einbringung der Berufung und der Revision im Ergebnis notwendig, da aufgrund dieser Rechtsmittel der urteilsmäßige Zuspruch der bereits im (insoweit außer Kraft getretenen) Bescheid der beklagten Partei zuerkannten Pensionsleistungen erfolgte (SSV-NF 4/153, 7/46, 7/78 ua). Bei der Kostenbemessung war die gemäß Anm 5 zur Tarifpost 3 nach dem RATG verzeichnete 50 %-ige Erhöhung für die beiden Rechtsmittelschriften nicht zu berücksichtigen, da die in den beiden Rechtsmitteln enthaltenen gemeinschaftsrechtlichen Ausführungen für den urteilsmäßigen Zuspruch der bereits im Bescheid der beklagten Partei zuerkannten Pensionsleistungen nicht notwendig waren.
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