Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 14. 4. 1944 geborene Kläger stellte am 5. 7. 2000 bei der beklagten Partei den Antrag auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer.
Mit Bescheid der beklagten Partei vom 19. 9. 2000 wurde dieser Antrag des Klägers mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe zum Stichtag 1. 8. 2000 das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet. Das Erstgericht wies das dagegen erhobene Klagebegehren, "die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger eine vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer ab demjenigen Tag zu gewähren, an dem keine pensionsschädliche Erwerbstätigkeit mehr vorliege", ab. Nach seinen Rechtsausführungen habe der Versicherte gemäß § 253b Abs 1 ASVG nach Vollendung des 60. Lebensjahres Anspruch auf die vorzeitige Alterspension. Diese Anspruchsvoraussetzung erfülle der Kläger nicht. Die in der Klage angeregte Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Europäischen Gerichtshof sei nicht geboten. Gemäß Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie 79/7/EWG zur schrittweisen Verwirklichung der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (im Folgenden kurz RL) bestehe die Befugnis der Mitgliedstaaten, die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Alters- oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszuschließen. Setze ein Mitgliedsstaat unter Berufung auf diese Bestimmung für die Gewährung der Alters- und Ruhestandsrente für Männer und Frauen ein unterschiedliches Alter fest, so sei nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes der mit der Wendung "etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen" in Art 7 Abs 1 lit a RL definierte Anwendungsbereich der zugelassenen Ausnahme auf solche in anderen Leistungssystemen bestehende Diskriminierungen beschränkt, die notwendig und objektiv mit dieser unterschiedlichen Altersgrenze verbunden seien. Eine solche Verbindung bestehe, wenn die Diskriminierungen objektiv erforderlich seien, um die Kohärenz zwischen dem System der Altersrenten und dem der anderen Leistungen zu gewährleisten.
Zwischen der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer und der Altersrente bestehe ein zweifacher Zusammenhang. So trete, wenn der Versicherte das gesetzliche Pensionsalter erreiche, die Alterspension an die Stelle der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer. Weiters sei das Mindestalter für die Entstehung des Anspruches auf die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer für Frauen mit 55 Jahren und für Männer mit 60 Jahren, somit jeweils fünf Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter, festgesetzt worden. Es bestehe dadurch zwischen dem Mindestalter für den Bezug der fraglichen Leistung und dem gesetzlichen Rentenalter ein direkter Zusammenhang. Die Einführung der Diskriminierung sei daher objektiv notwendig gewesen, um die Kohärenz zwischen der Altersrente und der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer zu gewährleisten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Die RL sehe neben den nach Art 3 Abs 2 und 3 zulässigen Ausnahmeregelungen in Art 7 weitere Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgebot vor. Nach Abs 1 lit a stehe die Richtlinie nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegen, die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen von ihrem Anwendungsbereich auszuschließen. Weitere Ausnahmen seien in Art 7 Abs 1 lit b bis d vorgesehen. Es handle sich dabei um Ausnahmen, die nur für eine bestimmte Übergangszeit bestehen bleiben dürfen. Nach Art 7 Abs 2 RL seien die Mitgliedstaaten nämlich verpflichtet, die ausgeschlossenen Bereiche in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, um festzustellen, ob es unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung in dem Bereich gerechtfertigt ist, die betreffende Ausnahme aufrecht zu erhalten. Eine feste zeitliche Begrenzung für die Beibehaltung der Ausnahmen sei allerdings nicht vorgesehen.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sei eine enge Auslegung der Ausnahmebestimmungen des Art 7 Abs 1 RL geboten. Handle es sich jedoch unzweifelhaft um eine Altersrente oder Ruhestandsrente, könne die den Mitgliedstaaten durch Art 7 Abs 1 lit a RL eingeräumte Befugnis auch durch eine noch so enge Auslegung nicht beschnitten werden. Motiv für die Schaffung des Ausnahmetatbestandes des Art 7 sei gewesen, den Mitgliedstaaten einen schrittweisen Abbau der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Festsetzung des Rentenalters zu ermöglichen, ohne das komplexe finanzielle Gleichgewicht dieser Systeme zu erschüttern. Abgesehen von der Verpflichtung zum schrittweisen Abbau der Ungleichbehandlungen müsse daher der eigentliche Anwendungsbereich des Ausnahmetatbestandes gewährleistet bleiben. Genauso wie bei den unterschiedlichen Altersgrenzen für Männer und Frauen bei der Alterspension (§ 253 Abs 1 ASVG) sei daher auch bei der vorzeitigen Alterspension wegen langer Versicherungsdauer die geschlechtsspezifische Festsetzung des Rentenalters nach Art 7 Abs 1 lit a RL grundsätzlich zulässig. Das vom Kläger gewünschte Auslegungsergebnis, wonach bezüglich des Anfallsalters nur mehr Frauen unter dem Gesichtspunkt der Mutterschaft und der Kindererziehung begünstigt sein dürften, sei daher jedenfalls abzulehnen.
Es könne aber auch nicht der Ansicht des Klägers gefolgt werden, wonach das österreichische Recht gegen Art 7 Abs 2 und Art 8 RL verstoße. Zumindest sei dies derzeit gemessen an den oben wiedergegebenen Motiven für die Schaffung des Ausnahmetatbestandes und der unter Beachtung dieser Motive gemäß dem Wortlaut des Art 7 Abs 2 RL zu berücksichtigenden sozialen Entwicklung nicht anzunehmen. Die durch das Bundesverfassungsgesetz über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten (BGBl 1992/832) auf Verfassungsebene festgeschriebene Beibehaltung unterschiedlicher Altersgrenzen erscheine zwar im Vergleich zu der in anderen Mitgliedstaaten vorgesehenen stufenweisen Angleichung des Frauenpensionsalters an das Männerpensionsalter als sehr lang gewählt; nach Art 7 Abs 2 RL sei aber die soziale Entwicklung im konkreten Mitgliedstaat zu berücksichtigen, sodass ein Vergleich mit Regelungen anderer Mitgliedstaaten auch des entsprechenden Vergleiches der sozialen Entwicklung bedürfte. Das langfristige Regelungssystem der Alterspension bedinge auch eine längerfristige Vorgangsweise bei Änderungen, insbesondere des Anfallsalters. Auch ein schrittweiser Abbau der Ungleichbehandlungen von Männern und Frauen bei der Festsetzung des Rentenalters sei so vorzunehmen, dass das komplexe finanzielle Gleichgewicht des bestehenden Systems nicht erschüttert werde. Zumindest derzeit sei daher eine durch den späten Beginn der Einschleifregelung des Bundesverfassungsgesetzes über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten bedingte Richtlinienwidrigkeit nicht in Betracht zu ziehen. Die österreichische Rechtslage stehe somit nicht im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Kläger vertritt in seinen Revisionsausführungen weiterhin - zusammengefasst - den Standpunkt, das unterschiedliche Pensionsanfallsalter für Männer und Frauen im Bereich der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer verstoße gegen das Gemeinschaftsrecht. Er regt deshalb die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens über diese Frage beim EuGH an. Diesen Ausführungen kann auf Grund folgender Erwägungen nicht gefolgt werden:
Wie sich bereits aus der Bezeichnung der RL 79/7/EWG ergibt, verpflichtet diese Richtlinie die Mitgliedstaaten nur zu einer "schrittweisen" Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Bereich der sozialen Sicherheit. So klammert die RL im Bereich der gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit Hinterbliebenen- und Familienleistungen gemäß Art 3 Abs 2 aus und kennt gemäß Art 7 fünf Ausnahmetatbestände von ihrem Anwendungsbereich. In Art 1 RL heißt es daher, dass das Ziel der Richtlinie, die Gleichberechtigung auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit und der sonstigen Bestandteile der sozialen Sicherung, schrittweise erreicht werden soll. Nach Art 7 Abs 1 RL ist es jedem Mitgliedstaat unbenommen, diskriminierende Regelungen auch noch nach Ablauf der Umsetzungsfrist aufrecht zu erhalten, die nachfolgende Regelungsmaterien umfassen:
a) die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen,
b) die Vergünstigungen, die Personen, welche Kinder aufgezogen haben, auf dem Gebiet der Altersversicherung gewährt werden; den Erwerb von Ansprüchen auf Leistungen im Anschluss an Zeiträume der Beschäftigungsunterbrechung wegen Kindererziehung;
c) die Gewährung von Ansprüchen auf Leistungen wegen Alter oder Invalidität auf Grund abgeleiteter Ansprüche der Ehefrau;
d) die Gewährung von Zuschlägen zu langfristigen Leistungen wegen Invalidität, Alter, Arbeitsunfall oder Berufskrankheit für die unterhaltsberechtigte Ehefrau;
e) die Folgen der zeitlich vor der Verabschiedung der Richtlinie liegenden Ausübung eines Rechts, keine Ansprüche zu erwerben oder keine Verpflichtungen im Rahmen eines gesetzlichen Systems einzugehen.
Diesen Ausnahmetatbeständen ist im Wesentlichen gemeinsam, dass sie "begünstigende" Leistungen für Frauen erhalten wollen. Da Art 7 eine Ausnahme von dem allgemeinen Prinzip der Gleichbehandlung in Art 4 ist, sind die Ausnahmetatbestände eng auszulegen. Mitgliedstaaten, die von dem in Art 7 Abs 1 RL niedergelegten Recht Gebrauch machen, haben die Aufrechterhaltung der diskriminierenden Regelung auf ihre Berechtigung zum Fortbestand zu überprüfen. So verpflichtet Art 7 Abs 2 RL die Mitgliedstaaten, in regelmäßigen Abständen die auf Grund des Abs 1 ausgeschlossenen Bereiche zu überprüfen, um festzustellen, ob es unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung in dem Bereich gerechtfertigt ist, die betreffenden Maßnahmen aufrecht zu erhalten. Ferner haben die Mitgliedstaaten gemäß Art 8 Abs 2 der Kommission insbesondere die von ihnen in Anwendung von Art 7 Abs 2 erlassenen Vorschriften mitzuteilen und sie über die Gründe, die eine etwaige Beibehaltung der geltenden Bestimmungen in den unter Art 7 Abs 2 genannten Bereichen rechtfertigen, sowie über die Möglichkeit einer diesbezüglichen späteren Revision zu unterrichten. Einen festen Zeitpunkt für die Abschaffung der Ausnahmetatbestände sieht die RL allerdings nicht vor (EuGH, 7. 7. 1992, Rs C-9/91 , Equal Opportunities Commission, Slg 1992, I-4297, Rnr 15; Oetker/Preis, Recht der Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Europäischen Union, EAS B 4000 Rz 142 ff; Bieback in Fuchs, Kommentar zum Europäischen Sozialrecht2 618 mwN ua). Daraus ergibt sich, dass die Ausnahmetatbestände des Art 7 Abs 1 RL nicht länger als notwendig aufrecht erhalten bleiben sollen. Bis heute ist allerdings nur ein Ausnahmetatbestand (Art 7 Abs 1 lit e RL) obsolet geworden. Hingegen wurden die Vorschläge der Kommission zu einer Richtlinie zur ergänzenden Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den gesetzlichen und betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit (ABl 19. 11. 1987, C 309/10 ), mit der die Ausnahmen in Art 7 weitgehend eingeschränkt werden sollten, nicht Gesetz (Bieback aaO 592; Oetker/Preis aaO Rz 133).
Die in der Praxis wohl wichtigste Ausnahmeregelung des Art 7 Abs 1 lit a RL hinsichtlich der Festsetzung unterschiedlicher Rentenalter betrifft das in den Rechtsordnungen vieler Mitgliedstaaten vorgesehene ungleiche frühere Rentenzugangsalter der Frauen, welches vor allem mit der Doppelbelastung der Frau und ihrer Diskriminierung im Erwerbsleben gerechtfertigt wird. Die dafür geschaffene Ausnahmeregelung soll es den Mitgliedstaaten ermöglichen, ihre Rentensysteme so verträglich an den Gleichbehandlungsgrundsatz anzupassen, dass dabei das komplexe finanzielle Gleichgewicht der Rentensysteme nicht erschüttert wird (EuGH, 7. 7. 1992, Rs C-9/91 , Equal Opportunities Commission aaO Rnr 16). Sie umfasst daher nicht nur die ausdrücklich angeführte Festsetzung des Zeitpunkts der Auszahlung der Altersrente, sondern auch solche Bestimmungen, die eine unterschiedliche Dauer der Beitragsleistungen für Frauen und Männer zulassen. Ferner lässt der Tatbestand geschlechtsdiskriminierende Bestimmungen in anderen Leistungsbereichen zu, die unter den Anwendungsbereich der RL fallen, wenn sie notwendig und objektiv mit einer unterschiedlichen Festsetzung des Rentenalters in einem Mitgliedstaat zusammenhängen (Oetker/Preis aaO 144; Bieback aaO 619 f mwN ua).
Der Revisionswerber stellt in seinen Rechtsmittelausführungen nicht in Abrede, dass die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach § 253b ASVG als "Altersrente" im Sinne der Ausnahmebestimmung des Art 7 Abs 1 lit a RL zu qualifizieren ist und daher eine geschlechtsspezifische Festsetzung des Rentenalters grundsätzlich zulässig ist. Er vermeint jedoch, dass bei der gebotenen engen Auslegung dieses Ausnahmetatbestandes eine geschlechtsspezifische Festsetzung des Rentenalters nur bei Müttern und Schwangeren, nicht jedoch generell bei Frauen zulässig sei. Eine solche Einschränkung ist jedoch weder dem Wortlaut noch den übrigen Regelungen der Richtlinie, die in Art 3 die eigenständigen gesetzlichen Systeme von Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft schon grundsätzlich nicht in den Geltungsbereich der RL einbezieht und in Art 4 Abs 2 eine ausdrückliche Ausnahmebestimmung vom Grundsatz der Gleichbehandlung zum Schutz der Frau wegen Mutterschaft vorsieht (vgl Bieback aaO 606), zu entnehmen. Auch in der ständigen Rechtsprechung des EuGH wird die Ausnahmebestimmung des Art 7 Abs 1 lit a RL ganz allgemein auf eine Ungleichbehandlung von Frauen und nicht nur von Müttern oder Schwangeren gegenüber Männern angewendet (EuGH, 30. 3. 1993, Rs C-328/91 , Thomas, Slg 1993, I-1247; 7. 7. 1992, Rs C-9/91 , Equal Opportunities Commission aaO; 16. 2. 1982, Rs C-19/81 , Burton, Slg 1982, 555 uva).
Weiters macht der Revisionswerber geltend, dass nach dem Bundesverfassungsgesetz über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten, BGBl 1992/832, für weibliche Versicherte die Altersgrenzen für die vorzeitigen Alterspensionen erst beginnend mit 1. 1. 2019 jährlich bis 2028 mit 1. Jänner um jeweils sechs Monate zu erhöhen sind. Dieser bis zum Jahr 2028 vorgesehene Übergangszeitraum sei eindeutig zu lang, um noch mit Art 7 Abs 2 und Art 8 RL in Einklang gebracht werden zu können. Der Revisionswerber verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass in Deutschland die stufenweise Angleichung des Rentenzugangsalters der Frauen an jenes der Männer bereits im Jahr 2001 beginne und im Jahr 2013 abgeschlossen sein werde. Die Beibehaltung des unterschiedlichen Rentenzugangsalters in Österreich über den erwähnten Zeitraum sei auch unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung gemäß Art 7 Abs 2 RL seit ihrem Inkrafttreten in Österreich am 1. 1. 1994 nicht gerechtfertigt. So sei beispielsweise durch die Novellen zum Gleichbehandlungsgesetz (BGBl 1994/370 und 1998/4) die rechtliche Stellung der Frau im Berufsleben verbessert worden. Zeiten der Kindererziehung seien derzeit als Ersatzzeiten (§ 227a ASVG) und mit dem Inkrafttreten des Kinderbetreuungsgeldgesetzes (BGBl I 2001/103) als Beitragszeiten (§ 236 Abs 4a ASVG) in der Pensionsversicherung anrechenbar. Die Aufrechterhaltung des unterschiedlichen Rentenzugangsalters sei daher nicht mehr gerechtfertigt.
Es trifft zu, dass im Schrifttum wiederholt Bedenken gegen die Europarechtskonformität der vom österreichischen Gesetzgeber gewählten Frist bis zur endgültigen Angleichung des Rentenanfallsalters der Frauen an jenes der Männer (für vorzeitige Alterspensionen im Jahr 2028) geäußert wurden (vgl Wolfsgruber, Pensionsalter und Europäisches Sozialrecht, DRdA 2001, 81 ff; Resch, Sozialrecht2 109, Egger, Das Arbeits- und Sozialrecht der EG und die österreichische Rechtsordnung 206; Tomandl, Ungleiches Pensionsalter, ecolex 1993, 102 ff [103]; aA Spiegel in Hellmer [Hrsg] Arbeitsrecht, Gesundheitsschutz und Sozialpolitik in der EU und im EWR C 1.2/3; Wolfsgruber, Pensionsanfallsalter und Europarecht, RdW 2001, 675 ff) mit der Begründung geäußert wurden, diese - erst mit 2028 endende Zeitspanne - könnte unter Umständen zu lang gewählt sein, um noch mit den Vorgaben des Art 7 (insbesondere dessen Abs 2) RL in Einklang gebracht werden zu können.
Wie bereits erwähnt, erlaubt Art 7 Abs 1 lit a RL es den Mitgliedstaaten der EU, ein für Männer und Frauen unterschiedliches Pensionsanfallsalter aufrecht zu erhalten. Nach Abs 2 dieser Bestimmung sind die einzelnen Staaten allerdings verpflichtet, in regelmäßigen Abständen zu prüfen, ob diese Ausnahme im Lichte der sozialen Entwicklung noch gerechtfertigt ist. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend angemerkt hat, ist damit die soziale Entwicklung im betreffenden Mitgliedstaat zu berücksichtigen, sodass ein Vergleich mit Regelungen anderer Mitgliedstaaten auch des entsprechenden Vergleiches der sozialen Entwicklung in diesen Mitgliedstaaten bedürfte. Die RL selbst zielt auf eine allmähliche Abschaffung dieser Ausnahme, da Art 7 Abs 2 die Mitgliedstaaten verpflichet, ihre Berechtigung ständig zu überprüfen und hierüber gemäß Art 8 Abs 2 Satz 2 der Kommission zu berichten (EuGH, 30. 4. 1998, Rs C-377/96 , De Vriendt ua, Slg 1998, I-2105, Rnr 26 ua). Art 7 Abs 2 und Art 8 Abs 2 RL sehen somit selbst ein Abwägungsverfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Beibehaltung der auf die Ausnahmebestimmungen gestützten nationalen Maßnahmen eines Mitgliedstaates vor. Ansonsten sind die Ausnahmen aber zeitlich unbegrenzt (Bieback aaO 618).
Die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist eine der Hauptaufgaben, die Art 211 EGV der Kommission überträgt. Diese Aufgabe erfüllt die Kommission insbesondere dadurch, dass sie - auch unter Berücksichtigung der bei ihren Dienststellen eingegangenen Beschwerden von Bürgern - gemäß Art 226 EGV im Fall von Vertragsverletzungen durch Mitgliedstaaten ein förmliches Verfahren eröffnet bzw Klage erhebt und gegebenenfalls den Gerichtshof gemäß Art 228 EGV ein zweites Mal anruft. Hauptziel des Vertragsverletzungsverfahrens ist es dabei, den Mitgliedstaat, der gegen eine Verpflichtung aus dem Vertrag verstoßen hat, zur Einhaltung des Gemeinschaftsrechts zu veranlassen. Die Kommission arbeitet alljährlich einen Bericht über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts aus. In den aktuellen Jahresberichten der Europäischen Kommission über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts für die Jahre 1999 (KOM/2000/0092) und 2000 (KOM/2001/0309) findet sich im entsprechenden Kapitel "Gleichbehandlung von Männern und Frauen" keine Erwähnung über die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Österreich oder einen anderen Mitgliedstaat im Zusammenhang mit auf die Ausnahmebestimmung des Art 7 Abs 1 lit a RL 79/7/EWG gestützten nationalen Bestimmungen. Dass das in der Regelung des Art 7 Abs 2 und Art 8 Abs 2 RL vorgesehene Abwägungsverfahren von Österreich nicht eingehalten würde, wird auch in der Revision nicht behauptet. Es hat weiters der Europäische Gerichtshof in zahlreichen Entscheidungen bis in jüngster Zeit zu dieser Ausnahmebestimmung Stellung genommen, ohne deren Geltung in Frage zu stellen (EuGH, 23. 5. 2000, Rs C-196/98 , Hepple, Slg 2000, I-3701; 23. 5. 2000, Rs C-104/98 , Buchner, Slg 2000, I-3625; 16. 12. 1999, Rs C-382/98 , Taylor, Slg 1999, I-8955; 22. 10. 1998, Rs C-154/96 , Wolfs, Slg 1998, I-6173 uva). Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass gemäß § 223 ASVG die maßgebliche Sach- und Rechtslage für den vom Kläger geltend gemachten Pensionsanspruch zu dem durch die Antragstellung ausgelösten Stichtag (1. 8. 2000) zu prüfen ist. Dieser Zeitpunkt liegt nur ca zwei Monate nach der Verkündung des EuGH-Erkenntnisses vom 23. 5. 2000, Rs C-104/98 , Buchner, in welchem der EuGH die österreichische Rechtslage beurteilt und ebenfalls zur Ausnahmebestimmung des Art 7 Abs 1 lit a RL Stellung genommen hat, ohne deren Gültigkeit in Frage zu stellen. Auf Grund der dargelegten Erwägungen teilt der erkennende Senat die vom Revisionswerber vorgetragenen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken nicht und sieht sich zumindest derzeit zu einer Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes in dieser Frage nicht veranlasst.
Soweit der Revisionswerber ohne nähere Ausführungen geltend macht, er habe das maßgebliche Pensionsanfallsalter (56,5 Jahre bzw 55 Jahre bei Vorliegen von 40 Beitragsjahren) bereits erreicht, weil für Männer das gleiche Anfallsalter wie für Frauen zu gelten habe, nimmt er offensichtlich Bezug auf die zur Vermeidung von Härten im Zuge der Anhebung des Anfallsalters für die vorzeitigen Alterspensionen bei Arbeitslosigkeit und bei langer Versicherungsdauer einschließlich der Gleitpension (vgl § 588 Abs 6 ASVG idF SRÄG 2000) getroffene Sonderregelung des § 588 Abs 7 ASVG. Danach können Männer, die vor dem 1. Oktober 1945 und Frauen, die vor dem 1. Oktober 1950 geboren sind, weiterhin frühestens zum 60. bzw 55. Lebensjahr eine vorzeitige Alterspension in Anspruch nehmen, wenn der männliche Versicherte 540 Beitragsmonate bzw die weibliche Versicherte 480 Beitragsmonate erworben hat. Selbst wenn man im Sinne des Prozessstandpunktes des Klägers davon ausginge, dass im Sinne einer Gleichbehandlung von Männern und Frauen auch bei einem männlichen Versicherten der Erwerb von 480 Beitragsmonaten genügen müsse, wäre dadurch für den Kläger im Ergebnis nichts gewonnen, weil er auch in diesem Fall im Gegensatz zu weiblichen Versicherten die begehrte Pensionsleistung nicht bereits mit vollendetetem 55. Lebensjahr, sondern frühestens mit vollendetem 60. Lebensjahr in Anspruch nehmen könnte und dieses ungleiche frühere Rentenzugangsalter für Frauen, wie oben dargelegt, in der Ausnahmebestimmung des Art 7 Abs 1 lit a RL Deckung findet. Der Revision musste daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich.
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