Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich des bestätigten Teiles zu lauten haben:
"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1. 1. 2002 von 2.220,18 EUR brutto monatlich zu zahlen und die mit 485,86 EUR (davon 80,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Das Mehrbegehren auf Gewährung einer höheren Pension im gesetzlichen Ausmaß ohne Abschläge gemäß § 261 Abs 4 ASVG, in eventu unter Anwendung eines jährlichen Abschlages von zwei Steigerungspunkten und eines maximalen Abschlages von 10 Steigerungspunkten für die Inanspruchnahme der Pension vor Vollendung des 65. Lebensjahres, wird abgewiesen."
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 333,12 EUR (davon 55,52 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Eingangs ist festzuhalten, dass die Bezeichnung der beklagten Partei von Amts wegen von "Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten" auf "Pensionsversicherungsanstalt" zu berichtigen war, weil mit 1. 1. 2003 alle Rechte und Verbindlichkeiten der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter auf die neu errichtete Pensionsversicherungsanstalt als Gesamtrechtsnachfolger übergingen (§ 538a ASVG idF 59. ASVG-Nov BGBl I 2002/1).
Mit Bescheid vom 28. 2. 2002 hat die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Anspruch des am 13. 6. 1941 geborenen Klägers auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1. 1. 2002 anerkannt und die ab 1. 1. 2002 gebührende Pension mit brutto 2.220,18 EUR monatlich festgesetzt. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage mit dem auf Zahlung einer (höheren) vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1. 1. 2002 im gesetzlichen Ausmaß ohne Abschläge gemäß § 261 Abs 4 ASVG gerichteten Begehren. Hilfsweise begehrte der Kläger, die beklagte Partei habe die Pension unter Anwendung der am 30. 9. 2000 gültigen Abschlagsregelung gemäß § 261 Abs 4 ASVG, somit unter Anwendung eines jährlichen Abschlages von 2 Steigerungspunkten und eines maximalen Abschlages von 10 Steigerungspunkten für die Inanspruchnahme der Pension vor Vollendung des 65. Lebensjahres, ab 1. 1. 2002 zu gewähren. Die Regelung des § 261 Abs 4 ASVG knüpfe an das für Männer und Frauen unterschiedliche "Regelpensionsalter" gemäß § 253 Abs 1 ASVG an. Diese Anknüpfung und die daraus resultierende Ungleichbehandlung von Männern und Frauen sei nicht notwendig und objektiv mit dem unterschiedlichen Pensionsalter verbunden. Die Tatsache, dass Frauen die Hauptlast der Kindererziehung trügen, sei für die Pensionsberechnung ohnedies in den §§ 224, 227a ASVG ausreichend berücksichtigt. Aus diesem Grund liege auch eine Verfassungswidrigkeit des § 261 Abs 4 ASVG vor. Das Bundesverfassungsgesetz BGBl 1992/832 lasse nämlich nur unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten zu. Die zum 30. 9. 2000 gegebene Differenzierung zwischen Männern und Frauen sei auf Grund der Neufassung des § 261 Abs 4 ASVG durch das Sozialrechtsänderungsgesetz 2000 noch vergrößert worden. Im Fall des Klägers sei auf Grund der Übergangsbestimmung des § 588 Abs 8 ASVG keine Erhöhung des Abschlages von 2 auf volle 3 Steigerungspunkte erfolgt. Dennoch sei er im Vergleich zu einer gleichaltrigen Frau, die die Pension mit demselben Alter in Anspruch nehme, durch die Rechtslage ab 1. 10. 2000 stärker als bisher benachteiligt. Der österreichische Gesetzgeber habe die gemeinschaftsrechtliche Gleichbehandlungspflicht von Männern und Frauen nicht berücksichtigt.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Sie wandte ein, bei der Pensionsberechnung sei § 261 Abs 4 iVm § 588 Abs 7 letzter Satz ASVG berücksichtigt worden, sodass ein Höchstausmaß der Verminderung um nur 10 Steigerungspunkte zugrundegelegt worden sei, obgleich der Kläger die Versicherungsleistung bereits 54 Monate vor dem Erreichen des Regelpensionsalters in Anspruch genommen habe. Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren ab. Es vertrat die Auffassung, die ungleiche Höhe der Pension sei Folge des ungleichen Zugangsalters, das aber zulässig sei. Die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer sei eine Altersrente oder Ruhestandsrente im Sinn der Gleichbehandlungsrichtlinie, sodass die den Mitgliedstaaten eingeräumte Befugnis, die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen darauf auf andere Leistungen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszuschließen, nicht beschnitten werden könne. Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es führte unter anderem aus:
§ 261 Abs 4 ASVG treffe eine vollkommen geschlechtsneutrale Regelung, die für alle Versicherungsfälle des Alters und der Invalidität in gleicher Weise gelte. Es handle sich um ein bewegliches System, das zu unterschiedlichen Stichtagen auch unterschiedliche Ergebnisse in die eine oder andere Richtung bewirken könne. Es bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen dem unterschiedlichen gesetzlichen Pensionsalter und der unterschiedlichen Pensionshöhe. Auch wenn die Anrechnung von Versicherungszeiten einen gewissen Ausgleich für die Kindererziehung schaffe, trügen die Frauen in der Praxis nach wie vor die Hauptlast der Pflege - und Erziehungsarbeit. Sie seien auch von nicht unerheblichen Nachteilen im praktischen Erwerbsleben, insbesondere im Bezug auf die beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten betroffen, sodass der nationale Gesetzgeber nach wie vor die Ziele einer besonderen Frauenförderung berechtigt verfolge. Die Regelung des § 261 ASVG sei der Höhe nach gedeckelt und offenbare keine abrupten Pensionsunterschiede, sondern sei als Einschleifregelung konzipiert. Das Aufrechterhalten einer derartigen (geschlechtsneutralen) Regelung, die nur die unmittelbare Konsequenz eines - zeitlich begrenzten - unterschiedlichen Rentenalters zwischen Männern und Frauen sei, stehe mit dem Gemeinschaftsrecht nicht im Widerspruch, solange die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, in regelmäßigen Abständen die Ausnahmetatbestände unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung auf ihre Berechtigung zu überprüfen, ohne dass dazu derzeit nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, aber auch nach dem aktuellen Kommissionsbericht ein Handlungsbedarf bestehe.
Der Europäische Gerichtshof der Gemeinschaften (EuGH) vertrete in ständiger Rechtsprechung, dass Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie 79/7/EWG zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit dahin auszulegen sei, dass ein Mitgliedstaat, der in seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften ein unterschiedliches Rentenalter für männliche und weibliche Arbeitnehmer aufrechterhalten habe, berechtigt sei, die Höhe der Rente je nach dem Geschlecht des Arbeitnehmers verschieden zu berechnen. Die Festsetzung des Rentenalters bestimme tatsächlich den Zeitraum, während dessen die Betroffenen Beiträge zur Rentenversicherung entrichten können. Wenn ein unterschiedliches Rentenalter aufrechterhalten worden sei, sei auch eine unterschiedliche Art der Berechnung der Rente notwendig und objektiv mit diesem Unterschied verbunden und falle somit unter die in der genannten Bestimmung vorgesehene Ausnahme. Der höhere Leistungsbezug der Männer stehe daher nach der Judikatur des EuGH nicht mit dem Gemeinschaftsrecht im Widerspruch. Aber auch in jener Übergangsphase, in der die Männer im Verhältnis zu einer weiblichen Versicherten noch eine geringere Leistung erhielten, sei ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot der Richtlinie nicht zu erkennen. Diese Ausführungen gelten auch für die mit dem SRÄG 2000 mit 1. 10. 2000 in Kraft getretenen Änderungen des § 261 Abs 4 ASVG (jährliche Abschläge von 3 Steigerungspunkten bei Inanspruchnahme der Pension vor Erreichung des Regelpensionsalters und Erhöhung des höchstmöglichen Abschlages von 10 auf 10,5 Steigerungspunkte). Im Fall des Klägers sei es tatsächlich auf Grund der Übergangsbestimmung des § 588 Abs 7 letzter Satz und Abs 8 ASVG zu einem Abschlag von bloß 10 Steigerungspunkten gekommen. § 261 ASVG regle die Höhe der Pension für alle Versicherungsfälle des Alters und der Invalidität in gleicher Weise und geschlechtsneutral. Die Erhöhung des jährlichen Abschlages auf 3 Steigerungspunkte sei von der Erwägung getragen gewesen, dass das Modell der Leistungsgerechtigkeit beinhalte, jener, der die Pension vor Erreichen des Regelpensionsalters in Anspruch nehme, müsse mit versicherungsmathematisch berechneten Abschlägen rechnen, und jener, der sie später in Anspruch nehme, eben solche Zuschläge erhalten. Ihrer Konzeption nach treffe die Regelung männliche und weibliche Versicherte gleichermaßen. Unterschiedliche Auswirkungen ergeben sich allein aus der Anknüpfung an die Erreichung des Regelpensionsalters. Zu den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gehöre das unterschiedliche Pensionsanfallsalters, an dessen sachlicher Rechtfertigung ungeachtet der vornehmlich weiblichen Versicherten zugutekommenden Berücksichtigung der Zeiten der Kindererziehung gerade auf Grund des BVG-Altersgrenzen nicht zu zweifeln sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beteiligte sich nicht am Revisionsverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist teilweise berechtigt.
Der österreichische Gesetzgeber hat im Gefolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 6. 12. 1990, G 223/88 ua, VfSlg 12.568, mit dem die unterschiedlichen Altersgrenzen für Männer und Frauen bei der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§ 253b ASVG) wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz aufgehoben worden waren, die Zulässigkeit unterschiedlicher Altersgrenzen für Männer und Frauen im Verfassungsrang festgeschrieben. Gemäß § 1 des Bundesverfassungsgesetzes über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten, BGBl 1992/832 (künftig: BVG-Altersgrenzen), sind gesetzliche Regelungen, die unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Versicherten der gesetzlichen Sozialversicherung vorsehen, zulässig. Nach § 2 dieses Bundesverfassungsgesetzes ist - beginnend mit 1. 1. 2019 - für weibliche Versicherte die Altersgrenze für die vorzeitige Alterspension jährlich bis 2028 mit 1. 1. um 6 Monate zu erhöhen. Nach § 3 dieses Gesetzes ist - beginnend mit 1. 1. 2024 - für weibliche Versicherte die Altersgrenze für die Alterspension bis 2033 mit 1. 1. jährlich um 6 Monate zu erhöhen.
Mit der Verabschiedung des BVG-Altersgrenzen sollte die bestehende Privilegierung weiblicher Versicherter beim Pensionsantritt solange aufrechterhalten werden, wie die gesellschaftliche, familiäre und ökonomische Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt dies erforderte. Der Normgeber beabsichtigte somit eine Angleichung des Pensionsantrittsalters erst in jenem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem gegenwärtig noch vorhandene Schlechterstellungen von Frauen im Alltagsleben als beseitigt angesehen werden können. Dieses Ziel soll bis zum Jahr 2018 verwirklicht sein (Wolfsgruber, Pensionsanfallsalter und Europarecht, RdW 2001/687, 675 ff [677] mit Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien).
Seit dem Beitritt Österreichs zum EWR (mit 1. 1. 1994) und zur Europäischen Union (mit 1. 1. 1995) ist auch der gemeinschaftsrechtliche Kontext zu beachten, insbesondere die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. 12. 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl 1979 L 6, 24). Art 4 RL verbietet jede Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes, insbesondere bei der Berechnung der Leistungen. Nach Art 7 Abs 1 lit a RL steht die Richtlinie nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegen, die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen. Gemäß Art 7 Abs 2 RL überprüfen die Mitgliedstaaten in regelmäßigen Abständen die auf Grund des Abs 1 ausgeschlossenen Bereiche, um festzustellen, ob es unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung in dem Bereich gerechtfertigt ist, die betreffenden Ausnahmen aufrechtzuerhalten.
Der EuGH hat in seinen Urteilen vom 30. 4. 1998, Rs C-277/96 bis C-384/96 , De Vriendt ua, und vom 22. 10. 1998, Rs C-154/96 , Wolfs, ausgesprochen, dass dann, wenn von einem Mitgliedstaat zulässigerweise nach Art 7 Abs 1 lit a RL ein unterschiedliches Rentenalter aufrechterhalten worden ist, eine geschlechtsspezifisch unterschiedliche Art der Berechnung der Renten notwendig und objektiv mit diesem Unterschied verbunden ist, sodass auch sie unter die in Art 7 Abs 1 lit a RL vorgesehene Ausnahme fällt. Diesen beiden Urteilen lag zugrunde, dass in der belgischen Rentenversicherung für Frauen mit 60 und Männer mit 65 Jahren in den Ruhestand übertreten konnten: Bei der Berechnung der Rentenhöhe wurde mit dem Hinweis auf die unterschiedlich lange Versicherungskarriere bei Frauen ein 40-stel und bei Männern ein 45-stel der Bemessungsgrundlage gewährt und zwar unabhängig vom tatsächlichen Antrittsalter. Der Revisionswerber bezweifelt nicht, dass die verfahrensgegenständliche vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer als Altersrente im Sinn des Art 7 Abs 1 lit a RL zu werten ist. Diese Bestimmung ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH angesichts der wesentlichen Bedeutung des Grundsatzes der Gleichbehandlung als Ausnahmebestimmung eng auszulegen (vgl Urteil vom 23. 5. 2000, Rs C-104/98 , Buchner, Slg 2000 I-3625, Rn 21 mwN). Die zeitlich begrenzt zulässige Aufrechterhaltung eines für Männer und Frauen unterschiedlichen Rentenalters kann auch nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie den Erlass von Maßnahmen, die untrennbar mit dieser Ausnahmeregelung verbunden sind, sowie die Änderung derartiger Maßnahmen erforderlich machen (vgl Urteil in der Rechtssache Buchner aaO Rn 23 mwN). Die Ausnahme in Art 7 Abs 1 lit a RL würde nämlich ihre praktische Wirksamkeit genommen, wenn ein Mitgliedstaat, der für Männer und Frauen ein unterschiedliches Renten-(Pensions-)alter festgesetzt hat, nach Ablauf der Umsetzungsfrist keine damit zusammenhängenden Maßnahmen erlassen oder ändern dürfte (vgl Urteil in der Rechtssache Buchner aaO Rn 24 mwN). Setzt ein Mitgliedstaat unter Berufung auf Art 7 Abs 1 lit a RL für die Gewährung der Alters- und Ruhestandsrente für Männer und Frauen ein unterschiedliches Alters fest, so ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH der mit der Wendung "etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen" in Art 7 Abs 1 lit a RL definierte Anwendungsbereich der zugelassenen Ausnahme auf solche in anderen Leistungssystemen bestehenden Diskriminierungen beschränkt, die notwendig und objektiv mit dieser unterschiedlichen Altersgrenze verbunden sind (vgl Urteil Buchner aaO Rn 25 mwN). Ob dies der Fall ist, hat das nationale Gericht zu beurteilen (vgl Urteil vom 30. 3. 1993 in der Rs C-328/91 , Thomas ua, Slg 1993 I-1247 Rn 13). So hat der EuGH im Urteil vom 30. 1. 1997 in der Rs C-139/95 , Balestra, Slg 1997 I-549 dargelegt, dass bei einem zulässigen unterschiedlichen Altersrentenalter der Mitgliedstaat auch bestimmen kann, dass Arbeitnehmer bestimmter Unternehmen für die Zeit vom Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand bis zur Erreichung des Altersrentenalters Anspruch auf eine Gutschrift zusätzlicher Rentenbeiträge bis zur Höchstgrenze von fünf Jahren haben, weil die bei der Methode zur Berechnung der von Ruhestandsleistungen vorgenommene Unterscheidung nach dem Geschlecht objektiv und notwendig mit der Festsetzung eines für Männer und Frauen unterschiedlichen Rentenalters verbunden ist. Der EuGH sah bei der in Italien vorgesehenen Regelung, auf Grund derer fiktive Beiträge zwischen der tatsächlichen Aufgabe der Erwerbstätigkeit und längstens dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters (55 Jahre für Frauen und 60 Jahre für Männer) für höchstens fünf Jahre gutgeschrieben wurden, einen Zusammenhang zwischen der Altersrenten- und der Vorruhestandsregelung; die Wahrung dieser Kohärenz sei notwendig, da ihre Aufhebung zu anderen Diskriminierungen führen könnte. Die hier zu beurteilende Bestimmung des § 261 Abs 4 ASVG idF BGBl I 2000/92, BGBl I 2001/33 knüpft für die Berechnung der Pensionshöhe an das "Regelpensionsalter" gemäß § 253 Abs 1 ASVG an, das für Männer bei 65 und für Frauen bei 60 liegt. Sie schreibt vor, dass bei Inanspruchnahme einer Leistung vor dem Monatsersten nach der Erreichung des Regelpensionsalters die ermittelte Summe der Steigerungspunkte zu vermindern ist. Das Ausmaß der Verminderung beträgt für je 12 Monate der früheren Inanspruchnahme 3 Steigerungspunkte. Das Höchstmaß der Verminderung beträgt 15 % der ermittelten Summe der Steigerungspunkte, höchstens jedoch 10,5 Steigerungspunkte. Gemäß § 588 Abs 7 letzter Satz ASVG ist diese Bestimmung auf männliche Versicherte, die vor dem 1. 10. 1945 geboren sind, so anzuwenden, dass das Höchstmaß der Verminderung höchstens 10 Steigerungspunkte beträgt. § 588 Abs 8 ASVG sieht eine weitere Einschleifregelung für männliche Versicherte, die das 60. Lebensjahr vor dem 1. 10. 2002 vollenden vor, indem das Ausmaß der Verminderung in einem bestimmten Verhältnis zu kürzen ist. Nach der zuvor (bis zum Ablauf des 30. 9. 2000 - geltenden Rechtslage betrug die Verminderung 2 Steigerungspunke und die - absolute - Höchstgrenze 10 Steigerungspunkte).
Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 261 ASVG mit der gemeinschafts- und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Festsetzung eines geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Antrittsalters für die Alterspension im Zusammenhang stehend zu sehen ist. Ziel der Regelung ist es, dass für Männer und Frauen bei Inanspruchnahme einer Leistung vor dem Monatsersten nach Erreichen des Regelpensionsalters die Leistung - ohne Unterschied der Geschlechter - in Relation zum Ausmaß einer Pensionsleistung steht, die bei Inanspruchnahme nach Erreichen des Regelpensionsalters gebührt.
Die Beibehaltung des unterschiedlichen Regelpensionsalters impliziert daher eine unterschiedliche Berechnung der Höhe der hier gegenständlichen Pensionsleistung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer. Die unterschiedliche Berechnung der Höhe dieser Pensionsleistung ist eine notwendig an die Festsetzung des unterschiedlichen Rentenalters geknüpfte Konsequenz und fällt daher unter die Ausnahme in Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie (in diesem Sinn auch jüngst 10 ObS 353/02p). Der erkennende Senat konnte diese Frage unter Bedachtnahme auf die in der Rechtsprechung des EuGH dazu entwickelten Grundsätze auch ohne Einholung einer Vorabentscheidung beurteilen, zumal, wie bereits erwähnt, nach der Rechtsprechung des EuGH die Beantwortung der Frage, ob eine Diskriminierung objektiv und notwendig mit der Festsetzung eines je nach dem Geschlecht unterschiedlichen Rentenalters verbunden ist, in die Zuständigkeit des nationalen Gerichtes fällt.
Dass gegen die Gültigkeit der Ausnahmebestimmung des Art 7 Abs 1 lit a RL derzeit keine gemeinschaftsrechtlichen Bedenken bestehen und sich der Oberste Gerichtshof zumindest derzeit zu einer Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH in dieser Frage nicht veranlasst sieht, hat der erkennende Senat in den auch vom Revisionswerber zitierten Entscheidungen 10 ObS 334/01t und 10 ObS 49/02g näher begründet (vgl auch 10 ObS 268/02p). Die Ausführungen des Revisionswerbers geben keinen Anlass, von dieser Auffassung abzugehen.
Aber auch die vom Revisionswerber vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken wegen Verletzung eines Bauprinzips der Verfassung werden vom Senat nicht geteilt. Es ist richtig, dass der Verfassungsgesetzgeber immer wieder Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs dadurch "unterlaufen" hat, dass er vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetze als Verfassungsgesetze wieder in Kraft setzte oder die Gesetzesaufhebung in ähnlicher Weise unwirksam machte (Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechtes9 Rz 146; Mayer, Bundes-Verfassungsrecht3 Art 44 II 3). Diese der rechtspolitischen Kritik ausgesetzte Verfassungsgesetzgebung ist verfassungsrechtlich nur dann unzulässig, wenn dadurch ein Baugesetz der Verfassung verletzt wird (VfSlg 15.373). Eine solche Verletzung wird von einem Teil der Lehre wegen Verletzung des rechtsstaatlichen und des gewaltenteilenden Grundprinzipes behauptet (Walter/Mayer aaO mwN; zuletzt etwa Hiesel,
Von der Verfassungsumkultur zur verfassungswidrigen Verfassungsgesetzgebung? AnwBl 2001, 306 [308 f]). Freilich muss es dem "einfachen" Verfassungsgesetzgeber im Licht des demokratischen Grundprinzipes bei einer harmonisierenden Auslegung auch in diesem Bereich ein gewisser Gestaltungsspielraum zugebilligt werden. Im Hinblick darauf, dass die Gesetzesprüfungskompetenz des Verfassungsgerichtshofes (nur) zu einer speziellen und eingegrenzten Problematik ausgeschaltet, das rechtsstaatliche Prinzip aber nicht im breiten und unbestimmten Ausmaß beeinträchtigt wird, erscheint dem Senat der Gestaltungsspielraum des einfachen Verfassungsgesetzgebers nicht überschritten (vgl 10 ObS 353/02b).
Schließlich wurde bereits bei der Behandlung der vom Revisionswerber vorgetragenen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken näher dargelegt, dass sich die in § 261 Abs 4 ASVG vorgesehene Abschlagsregelung als unmittelbare Auswirkung des - nach dem BVG-Altersgrenzen - zulässigen unterschiedlichen Regelpensionsalters von Männern und Frauen darstellt, sodass dem erkennenden Senat auch die vom Revisionswerber in diesem Zusammenhang geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht geteilt werden.
Das auf Gewährung einer höheren vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit gerichtete Begehren des Klägers erweist sich damit als nicht berechtigt. Die Revision ist im Ergebnis lediglich insoweit berechtigt, als die Vorinstanzen in dem Umfang, in dem der mit der Klage bekämpfte Bescheid gemäß § 71 Abs 1 ASVG außer Kraft getreten ist, nicht über den vom Kläger beim Versicherungsträger gestellten Antrag neu entschieden haben (SSV-NF 4/153 mwN; Kuderna, ASGG2 § 71 Anm 4 mwN). Da der Kläger gegen die Höhe der im angefochtenen Bescheid nach der geltenden Rechtslage festgesetzten vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer nichts eingewendet hat, konnte der Oberste Gerichtshof auf Grund der Revision des Klägers die von den Vorinstanzen unterlassene Entscheidung nachholen und die Pension in derselben Höhe wie im angefochtenen Bescheid zusprechen, bestünde nämlich sonst kein Titel für zukünftige Leistungen (SSV-NF 12/73 ua).
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Obzwar der Kläger mit seiner Klage nicht mehr erreichte als die beklagte Partei in ihrem Bescheid festsetzte, war die Einbringung der Berufung und der Revision im Ergebnis notwendig, weil auf Grund dieser Rechtsmittel der urteilsmäßige Zuspruch der bereits im (insoweit außer Kraft getretenen) Bescheid der beklagten Partei zuerkannten Pensionsleistungen erfolgte (SSV-NF 7/46, 7/78 ua). Bei der Kostenbemessung war die gemäß Anm 5 zu TP 3 nach dem RATG verzeichnete 50 %-ige Erhöhung für die beiden Rechtsmittelschriften nicht zu berücksichtigen, weil die in den beiden Rechtsmitteln enthaltenen gemeinschaftrechtlichen Ausführungen für den urteilsmäßigen Zuspruch der bereits im Bescheid der beklagten Partei zuerkannten Pensionsleistungen nicht notwendig waren.
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