OGH 5Ob24/03w

OGH5Ob24/03w11.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchssache: Richtigstellung des Grundbuchs nach agrarischen Operationen gemäß § 8 StLSG 1991 iVm § 59 Abs 2 StAgrGG 1985 ob der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****, über den Revisionsrekurs der Agrarbezirksbehörde L*****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 18. September 2002, AZ 1 R 67/02y, womit der Rekurs der Agrarbezirksbehörde Leoben gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Leoben vom 10. Jänner 2002, TZ 3191/01, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Die Liegenschaft EZ ***** GB ***** stand im Alleineigentum der Hildegard H*****.

Am 27. 12. 1999 teilte die Agrarbezirksbehörde Leoben dem zuständigen Bezirksgericht mit, dass ein Siedlungsverfahren nach dem steiermärkischen landwirtschaftlichen Siedlungs-Landesgesetz StLSG 1991, LGBl Nr 29/1991, anhängig gemacht wurde und die Grundbuchseinlage EZ ***** GB ***** davon betroffen sei. Unter Verweisung auf § 8 Abs 1 des LGBl Nr 29/1991 ersuchte die Agrarbezirksbehörde Leoben, die Einleitung des Verfahrens im Grundbuch anzumerken und auf die damit verbundenen weiteren Wirkungen Bedacht zu nehmen.

Zu TZ 3552/99 erfolgte die Anmerkung der Einleitung des Siedlungsverfahrens.

Am 21. 9. 2001 übermittelte die Agrarbezirksbehörde Leoben dem zuständigen Bezirksgericht Leoben den Bescheid vom 15. 12. 2000 (rechtskräftig seit 9. 1. 2001), GZ 3 Q 14/5-00 sowie die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts Graz-Umgebung mit dem Ersuchen um grundbücherliche Durchführung und Löschung der Verfahrensanmerkung.

Nach dem Inhalt dieses rechtskräftigen Bescheides hatten sich die Parteien vor der Agrarbehörde in einem Siedlungsübereinkommen auf die Übertragung des Eigentumsrechts an der Liegenschaft EZ ***** GB ***** von Hildegard H***** ins Alleineigentum des Franz Q*****, geboren 30. 4. 1965, geeinigt. Als Gegenleistung verpflichtete sich Franz Q***** der Übergeberin das lebenslange und unentgeltliche Wohnungsgebrauchsrecht am Haus ***** in ***** einzuräumen sowie ein Ausgedingsrecht und ein Belastungs- und Veräußerungsverbot. Vereinbart wurde die bücherliche Durchführung und die Parteien gaben entsprechende Aufsandungserklärungen ab.

Die Agrarbezirksbehörde Leoben stellte mit Bescheid die entsprechenden Rechtsübergänge fest und sprach die Zuteilung der Rechte im Sinn des Siedlungsübereinkommens aus.

Das Erstgericht teilte den Inhalt der beabsichtigten Entscheidung der Agrarbezirksbehörde mit. In dieser Mitteilung wird klargestellt, dass das Grundbuchsgericht zwar die Einverleibung des Eigentums für Franz Q***** bücherlich durchführen werde, nicht aber die Sicherstellung der Gegenleistungen.

Die Agrarbezirksbehörde Leoben verwies auf die Bindung des Bezirksgerichtes zufolge § 14 AgrarverfahrensG 1950 und forderte das Bezirksgericht zu einer entsprechenden Verbücherung auf. Gleichzeitig wurde noch klargestellt, dass es sich nicht um ein Veräußerung- und Belastungsverbot im Sinn des § 364c ABGB handle, sondern um ein Veräußerungs- und Belastungsverbot gemäß § 7 StLSG 1991. Das Erstgericht ordnete daraufhin die bücherliche Übertragung des Eigentumsrechts an Franz Q***** an sowie die Anmerkung des Veräußerungs- und Belastungsverbots nach § 7 StLSG 1991 und verfügte die Löschung der Anmerkung der Einleitung des landwirtschaftlichen Siedlungsverfahrens.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht einen von der Agrarbezirksbehörde Leoben dagegen erhobenen Rekurs zurück. Gemäß § 8 Abs 1 StLSG 1991 iVm § 59 Abs 2 StAgrGG 1985 habe die Richtigstellung nach agrarischen Operationen von Amts wegen zu erfolgen. Die Anträge der Beteiligten, auch der Agrarbehörde, hätten in einem solchen Verfahren nur die Bedeutung von Anregungen. Daraus folge grundsätzlich die Unanfechtbarkeit einer Entscheidung, mit der das Grundbuchsgericht die Einleitung oder Durchführung des Berichtigungsverfahrens ablehne. Auch der Agrarbehörde komme diesfalls keine Rekurslegitimation zu. Ganz allgemein werde eine Rechtsmittellegitimation der Agrarbehörden vom Obersten Gerichtshof nur dann bejaht, wenn das Rechtsmittel auf die Einhaltung von bundesgesetzlichen und landesgesetzlichen Flurverfassungsbestimmungen abziele (5 Ob 25/02s; 5 Ob 61/02k). Das sei hier nicht der Fall. Wegen fehlender Rekurslegitimation sei daher das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes nicht EUR 20.000 übersteige und nach entsprechendem Antrag der Agrarbezirksbehörde, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung doch gemäß § 126 Abs 2 GBG iVm § 14 Abs 1 AußStrG zulässig sei. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die gemäß § 8 Abs 1 StLSG 1991 sinngemäß anzuwendende Bestimmung des § 57 Abs 2 letzter Satz StAgrGG 1985 eine Bindung des Grundbuchsgerichts an die Entscheidung der Agrarbehörde normiere, wäre auch die Auslegung denkbar, die Agrarbehörde vertrete im Fall der Rekurserhebung eigene (öffentliche) Interessen. Möglicherweise könne doch eine Rekurslegitimation bejaht werden, wenn die Agrarbehörde sich gegen einen Grundbuchsbeschluss wende, mit dem die von ihr im Siedlungsverfahren rechtskräftig zugeteilten Rechte nicht entsprechend grundbücherlich eingetragen worden seien. Das Rekursgericht verwies noch im Weiteren auf die zuletzt in RIS-Justiz RS0116135 veröffentlichten Entscheidungen.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Bezirksagrarbehörde mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Aufhebung desselben, sodann Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses im Sinne einer bücherlichen Einverleibung auch des Wohnungsgebrauchsrechtes sowie der Reallast des Ausgedinges gemäß Punkt 7 A und 7 B des Bescheids der Bezirksagrarbehörde. Hilfsweise wird eine Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache an das Bezirksgericht Leoben beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig. Er ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses auch berechtigt.

Zum Zwecke der Verbesserung der Agrarstruktur können landwirtschaftliche Siedlungsverfahren mit dem Ziel durchgeführt werden, bäuerliche Betriebe zu schaffen und zu erhalten, deren Erträgnisse allein oder in Verbindung mit einem Nebenerwerb einer bäuerlichen Familie einen angemessenen Lebensunterhalt nachhaltig sichern (§ 1 StLSG 1991 LGBl Nr 29/1991). Gegenstand eines solchen Siedlungsverfahrens ist ua (gemäß § 2 Abs 1 Z 4) die Übertragung von Betrieben, deren Eigentümer sie selbst nicht mehr bewirtschaften wollen oder wegen Krankheit oder Alters nicht mehr bewirtschaften können etc. Solche Verfahren werden über Antrag eingeleitet. Wenn sich die Parteien in einem solchen Siedlungsverfahren auf den Übergang von Rechten geeinigt haben und diese Einigung dem Ziel des Verfahrens entspricht, hat die Agrarbehörde die entsprechenden Rechte mit Bescheid zuzuteilen. Soferne die Parteien in verbücherungsfähiger Form abgeschlossene Verträge vorlegen, die der Zielsetzung des § 1 Abs 2 entsprechen und einen der in § 2 aufgezählten Vorgänge zum Gegenstand haben, hat dies die Agrarbehörde anstelle einer Zuteilung (Abs 1) mit Bescheid festzustellen (§ 6 Abs 3).

Die Agrarbehörde kann, wenn sie dies in Hinblick auf das Ziel des Verfahrens (§ 1 Abs 2) für zweckmäßig erachtet, die zuständigen Grundbuchsgerichte ua von der Durchführung und vom Abschluss eines Siedlungsverfahrens verständigen. Die Vorschriften der §§ 55 bis 60 des StAgrGG 1985, LGBl Nr 8/1986, sind sinngemäß anzuwenden. Zufolge § 14 AgrVG 1950 BGBl Nr 173/1950 haben Bescheide (Erkenntnisse) der Agrarbehörden und die von ihnen genehmigten Vergleiche (Übereinkommen) insbesondere auch hinsichtlich der Vollstreckbarkeit die Rechtswirkung gerichtlicher Urteile und Vergleiche, soweit es sich aber um Bescheide (Erkenntnisse) in Angelegenheiten handelt, zu deren Entscheidung außerhalb eines Agrarverfahrens die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung zuständig wären, die Rechtswirkung verwaltungsbehördlicher Bescheide. Die auch im gegenständlichen Siedlungsverfahren geltenden §§ 55 bis 60 des StAgrGG 1985, LGBl Nr 8/1986, regeln die bücherlichen Eintragungen während des Agrarverfahrens, Verfügungen des Grundbuchsgerichtes und Entscheidung der Agrarbehörde über die Zulässigkeit der Eintragung samt Bindung des Grundbuchsgerichtes an die Entscheidung der Agrarbehörde.

Zwar wird in ständiger Rechtsprechung die Rekurslegitimation der Agrarbehörden dann verneint, wenn es um die amtswegige Richtigstellung des Grundbuchs nach Abschluss agrarbehördlicher Verfahren geht (vgl RIS-Justiz RS0006660; 5 Ob 51/00m uva). Doch ist nach ständiger Rechtsprechung des Höchstgerichtes, dass dort, wo das Rechtsmittel einer Agrarbehörde auf die Einhaltung von bundesgesetzlichen und landesgesetzlichen Flurverfassungsbestimmungen abzielt, deren Einhaltung die Behörde mit ihrem Rechtsmittel gewährleisten will, deren Rechtsmittellegitimation zu bejahen (5 Ob 25/02s; 5 Ob 61/02k; NZ 1981, 175; ÖJZ 1978/167; JBl 1950, 186; SZ 4/134). Anders als dort, wo eine Agrarbehörde bei der Richtigstellung des Grundbuchs nach agrarischen Operationen keine Rekurslegitimation zuerkannt wird, weil diese von Amts wegen durchzuführen sind, lässt sie sich hier mit jenen Entscheidungen belegen, die den Agrarbehörden zur Wahrung eigener (öffentlicher) Interessen das Recht zur Anfechtung von Grundbuchsbeschlüssen zugebilligt haben. Ein solches öffentliches Interesse ist der Siedlungsbehörde auch in der Frage zuzubilligen, welche Rechte sie konstitutiv zuweisen oder genehmigen kann.

Das hatte zur Beseitigung des angefochtenen Beschlusses und Zurückweisung an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu führen. Insofern war der Revisionsrekurs der Agrarbehörde berechtigt.

Stichworte