Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag, der Beklagten zu gebieten, es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu behaupten, der Zeitungsverbund der 'Steiermark-Woche neu' hätte nach der neuesten Studie der 'Regioprint'-Untersuchung 2002 eine Leserzahl von 595.000, abgewiesen wird.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 1.171,08 EUR bestimmten Kosten der Äußerung (darin 195,18 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Die Klägerin ist schuldig, die mit 3.227,76 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 537,96 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Medieninhaberin und Verlegerin der Gratiszeitung „Der neue Grazer". Die Beklagte ist Medieninhaberin und Verlegerin der Tageszeitung „Kleine Zeitung". Persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten ist die K***** GmbH; ihre Kommanditistin, die S***** AG, ist die einzige Gesellschafterin der K***** GmbH. Die S***** AG ist unmittelbar oder über Tochtergesellschaften auch an Gesellschaften beteiligt, die Medieninhaber jener Regional- und Bezirkszeitungen sind, die im früheren Medienverbund „Steiermark-Woche" und im nunmehrigen Medienverbund „Steiermark-Woche neu" zusammengefasst sind. Am 28. 8. 2002 veröffentlichte die „Kleine Zeitung" einen Artikel, der wie folgt lautete:
„173.000 Leser
Grazer Woche legt stark zu
Graz.- Die am Sonntag erscheinende Gratiszeitung der Styria Medien AG, die 'Grazer Woche', hat innerhalb eines Jahres 17.000 Leser hinzugewonnen und hält nun bei 173.000. Das geht aus der jüngsten 'Regioprint'-Untersuchung von I***** hervor. Der wichtigste Mitbewerber, 'Der neue Grazer', verlor im selben Zeitraum 7.000 Leser, sackte auf 182.000 ab. Erfolg auch für die 'Steiermark-Woche neu': Dieser Verbund großer steirischer Regional- und Bezirkszeitungen hält nach der neuesten Studie bei 595.000 Lesern."
Am 26. 8. 2002 hatte der Verband der Regionalmedien seine 4. Mediadatenerhebung „Die 4. Regioprint" für den Zeitraum März bis Juni 2002 präsentiert. Danach hatte der Zeitungsverbund „Steiermark-Woche" (bestehend aus den Zeitungen „Grazer Woche", „Hartberger Zeitung", „Weizer Zeitung", „Südweststeirer Woche", „Obersteirer Woche", „Aktiv-Zeitung", „Bildpost" und „Blick") 587.000 Leser. Auf Ersuchen des Geschäftsführers der G***** GmbH erteilte der Verband der Regionalmedien dem erhebenden Marktforschungsinstitut den Auftrag, Mediadaten für einen möglichen künftigen Werbeverbund zu erheben. Seit Ende August 2002 gehören die Zeitungen „Obersteirer Woche" und „Aktiv-Zeitung" nicht mehr dem bisher als „Steiermark Woche" aufgetretenen Zeitungsverbund an. An ihrer Stelle haben sich die Zeitungen „Der Obersteirer" und „Murtaler Zeitung" dem Zeitungsverbund angeschlossen. Für diesen Zeitungsverbund, „Steiermark-Woche neu", hat der Verband der Regionalmedien in einem - nicht veröffentlichten - Untersuchungsbericht 595.000 Leser ermittelt. Im veröffentlichten Untersuchungsbericht vom 26. 8. 2002 wurde der Zeitungsverbund „Steiermark-Woche neu" nicht erwähnt. Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten zu gebieten, es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu behaupten, der Zeitungsverbund der „Steiermark-Woche neu" hätte nach der neuesten Studie der „Regioprint"-Untersuchung 2002 eine Leserzahl von 595.000. Nach der „Regioprint" 2002 habe die „Steiermark-Woche" 587.000 Leser. Die Behauptung im beanstandeten Artikel, die „Steiermark-Woche neu" habe 595.000 Leser, sei daher unrichtig. Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die beanstandete Behauptung sei nicht zur Irreführung geeignet, weil eine Werbeeinschaltung in der „Steiermark-Woche neu" tatsächlich 595.000 Leser erreiche.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Die Wortfolge „nach der neuesten Studie" könne nur auf die im selben Artikel genannte „jüngste 'Regioprint'" bezogen werden. Danach habe die „Steiermark-Woche" aber nur 587.000 Leser. Die Angabe sei daher zur Irreführung geeignet. Von der in Auftrag gegebenen „Sonderauswertung" könne der Leser nichts wissen; er werde daher auch nicht beim Verband der Regionalmedien nachfragen.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Werbekunde könne die im letzten Satz des beanstandeten Artikels angegebene Leserzahl nur auf die „'Regioprint' 2002" beziehen. Tatsächlich würden darin der „Steiermark-Woche" nur 587.000 Leser zugewiesen. Damit werde eine höhere Leserzahl vorgetäuscht als tatsächlich mit einem Inserat in der „Steiermark-Woche" erreicht werde könne. Ebenso vorgetäuscht werde, dass sich diese Leserzahl aus der „'Regioprint' 2002" ergebe. Der potenzielle Werbekunde habe auch keine Möglichkeit, die Behauptung zu überprüfen, da ihm die Existenz einer „Sonderauswertung" für die „Steiermark-Woche neu" nicht bekannt sei. Ebenso werde verschwiegen, dass sich die Zusammensetzung der „Steiermark-Woche" Ende Juli/Anfang August 2002 grundlegend geändert habe, wodurch der potenzielle Werbekunde zusätzlich in die Irre geführt werde.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt. Die Beklagte macht geltend, dass das Rekursgericht den beanstandeten Artikel zu Unrecht als irreführend beurteilt habe. Dem Inserenten sei genau jene Leserzahl mitgeteilt worden, die er erreicht hätte, hätte er am Tag des Erscheinens des beanstandeten Artikels ein Inserat im Werbeverbund „Steiermark-Woche" geschaltet. Die Beklagte weist damit zu Recht darauf hin, dass ihre Aussage objektiv richtig war. Allerdings kann auch eine objektiv richtige Angabe zur Irreführung geeignet sein, wenn ihr die beteiligten Verkehrskreise etwas Unrichtiges entnehmen (Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht³ § 24 Rz 25 mwN).
Im vorliegenden Fall trifft es zwar zu, dass, wie im beanstandeten Artikel behauptet, der Werbeverbund „Steiermark-Woche neu" nach der „neuesten Studie" (= nicht veröffentlichter Untersuchungsbericht) im August 2002 595.000 Leser hatte. Allerdings wurde weder offengelegt, dass die „neueste Studie" nicht mit der im selben Artikel erwähnten „jüngsten 'Regioprint'-Untersuchung" identisch war, noch wurde darauf hingewiesen, dass dem Werbeverbund „Steiermark-Woche neu" teilweise andere Zeitungen angehörten als dem Werbeverbund, der Gegenstand der „Regioprint"-Untersuchung war. Damit konnte, wie die Vorinstanzen zu Recht beanstanden, tatsächlich ein unrichtiger Eindruck erweckt werden.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen folgt daraus aber noch nicht, dass die Beklagte mit ihrer Behauptung, der Werbeverbund „Steiermark-Woche neu" habe nach einer neuesten Untersuchung 595.000 Leser, wettbewerbswidrig gehandelt habe. Unrichtige Angaben verstoßen nur dann gegen § 2 UWG, wenn sie der Geschäftsverkehr als wesentlich ansieht; unvollständige Angaben dann, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird, so dass die Unvollständigkeit geeignet ist, das Publikum in für den Kaufentschluss erheblicher Weise irrezuführen (4 Ob 151/93 = ÖBl 1993, 237 - Reichweitenvergleich; 4 Ob 43/02f = wbl 2002/261 - BESTsale ua). Eine Angabe, ob unrichtig oder unvollständig, kann daher nur dann wettbewerbswidrig sein, wenn sie einen wesentlichen Umstand betrifft.
Wesentlich sind Angaben dann, wenn der durch sie hervorgerufene unrichtige Eindruck geeignet ist, den Entschluss des angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, irgendwie
zugunsten dieses Angebots zu beeinflussen (4 Ob 369/86 = ÖBl 1987, 18
- Blizzard Professional; 4 Ob 2064/96 = MR 1996, 118 [Korn] -
Steirischer Medienjumbo ua). Wenn daher die beteiligten Verkehrskreise (zB) irrtümlich annehmen, in einer neuen Zeitung zu inserieren, während Auftragnehmer ein Medienverbund ist, so ist ihr Irrtum unbeachtlich, weil sie ohnehin die von ihnen angenommene Leserzahl erreichen und damit die Leistung erhalten, die sie erwarten (4 Ob 2064/96).
Das Gleiche trifft auch im vorliegenden Fall zu. Auch wenn die beteiligten Verkehrskreise annehmen, die Zahl von 595.000 Lesern werde für die „Steiermark-Woche neu" in der „Regioprint"-Untersuchung ausgewiesen, so ändert das nichts daran, dass sie mit einem von ihnen geschalteten Inserat genau jene Leserzahl erreichen, die sie erwarten. Das allein ist für sie aber maßgebend; ob die Leserzahl in der „Regioprint"-Untersuchung oder in einer späteren Untersuchung festgestellt wurde, ist ohne Bedeutung. Ohne Bedeutung ist auch, ob der Medienverbund „Steiermark-Woche neu" die gleichen Zeitungen umfasst wie der vorangegangene Medienverbund. Für den Inserenten kommt es darauf an, wie viele und nicht welche Leser er mit seinem Inserat erreicht, wenn zwischen dem von den einzelnen Zeitungen angesprochen Leserpublikum keine wesentlichen Unterschiede bestehe. Davon ist bei den im Medienverbund zusammengefassten Zeitungen, die mehrheitlich gratis verteilt werden, auch auszugehen; Gegenteiliges wird von der Klägerin auch nicht behauptet.
Die Klägerin macht aber geltend, dass die Zahl von 595.000 Lesern nicht richtig sei. Sie begründet dies damit, dass die Untersuchung nicht veröffentlicht und auch im Verfahren nicht vorgelegt wurde, daher sei es auch nicht möglich gewesen, die Zahl im Verfahren zu überprüfen.
Die Klägerin vermengt damit zwei Dinge: Die Frage, ob auch mit den Ergebnissen einer nicht veröffentlichten Untersuchung geworben werden darf, und die Frage, ob die Feststellung, die „jüngste Untersuchung" habe eine Leserzahl von 595.000 ergeben, richtig ist. Die zuletzt genannte Frage betrifft die Beweiswürdigung; sie kann im Revisionsrekursverfahren nicht überprüft werden. Die zuerst genannte Frage ist zu bejahen. Es gibt keine allgemeine Verpflichtung, nur mit Angaben zu werben, die die angesprochenen Verkehrskreise überprüfen können (s 4 Ob 170/93 = WBl 1994, 210 - Schätzwert). Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)