OGH 4Ob151/93

OGH4Ob151/932.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "S*****" ***** Verlagsanstalt, G*****, vertreten durch Dr.Heinrich Kammerlander und Dr.Martin Piaty, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien 1. K*****gesellschaft mbH & Co KG, 2. K*****gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr.Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 480.000), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 14.Juli 1993, GZ 2 R 134/93-9, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 24.Mai 1993, GZ 20 Cg 135/93z-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen; die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Medieninhaberin und Verlegerin der Tageszeitung "Kleine Zeitung". Die Erstbeklagte, deren Komplementärin die Zweitbeklagte ist, ist Medieninhaberin der Tageszeitung "Neue Kronen-Zeitung", welche in der Steiermark als Mutationsausgabe unter dem Titel "Steirer Krone/Neue Kronen-Zeitung" erscheint. In der "Steirer Krone" vom 17.2.1993 wurde auf Seite 11 folgender Artikel veröffentlicht:

Die Zahlenwerte der Optimaanalysen beruhen auf einer stichprobenartig durchgeführten Untersuchung und sind daher nur Durchschnittswerte mit mehr oder weniger großen Schwankungsbreiten. Aus den in der Optimaanalyse 1992 angegebenen Leserzahlen ergibt sich kein deutlicher Unterschied zwischen der "Steirer Krone" und der "Kleinen Zeitung". Ebensowenig kann auf Grund des geringen Unterschiedes der Zahl der Leser der "Kleinen Zeitung" gemäß Optima 1991 und nach Optima 1992 ein Rückgang der Leser dieser Zeitung erkannt werden.

Mit der Behauptung, daß die Angaben der Beklagten im Artikel vom 17. Februar 1993 mangels Aufklärung über den Aussagewert der Optimaanalyse irreführend und für sie herabsetzend seien, begehrt die Klägerin, zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu gebieten, ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes

a) die Behauptung, die "Steirer Krone oder" Neue Kronen-Zeitung sei "die Nummer eins am steirischen Printmarkt" oder bedeutungsähnliche Behauptungen eines Leserzahlvorsprunges der "Neuen Kronen-Zeitung" vor der "Kleinen Zeitung" in der Steiermark zu unterlassen, wenn die Reichweitenuntersuchung, auf die sich die Behauptung bezieht, keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Reichenwertenergebnissen der "Kleinen Zeitung" und der "Neuen Kronen-Zeitung" in der Steiermark ausweist, sowie

b) die Gegenüberstellung von für die "Kleine Zeitung" in der Steiermark in einer älteren Untersuchung ausgewiesenen Reichweitendaten mit schlechteren bzw geringeren Reichweitendaten, die für die "Kleine Zeitung" in einer jüngeren Reichweitenerhebung ausgewiesen sind, zu unterlassen, wenn zwischen den gegenübergestellten Reichweitendaten kein statistisch signifikanter Unterschied besteht und nicht gleichzeitig darauf hingewiesen wird, daß aus den gegenübergestellten Reichweitendaten ein Leserzahlverlust für die "Kleine Zeitung" in der Steiermark nicht ableitbar ist.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Ihre Werbebehauptungen entsprächen den zitierten Optimaanalysen und stünden im Einklang mit den "Bedingungen für die Veröffentlichung von Optima-Resultaten".

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Die beanstandete Behauptung, daß die "Steirer Krone" die "Nummer eins am steirischen Printmarkt" sei, sei durch die Ergebnisse der Optimaanalyse 1992 in keiner Weise gedeckt und daher grob irreführend. Da sich unter Berücksichtigung der Schwankungsbreiten den unterschiedlichen Angaben in den Optimaanalysen 1991 und 1992 über die Zahl der Leser der "Kleinen Zeitung" kein Schluß ziehen lasse, sei auch die weitere beanstandete Behauptung, daß die Anzahl der Leser der" "Kleinen Zeitung" innerhalb eines Jahres zurückgegangen sei, irreführend und daher nach § 2 UWG unzulässig.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Daß das Erstgericht den Inhalt der "Bedingungen für die Veröffentlichung von Optima-Resultaten" nicht festgestellt habe, schade nicht, weil sie nicht mehr besagten, als daß die Aussage statistischer Erhebungen auf Grund von deren Gesetzmäßigkeiten eben beschränkt ist; sie seien bei der Beurteilung der Irreführungseignung ihrer Darstellung im beanstandeten Zeitungsartikel ohnehin berücksichtigt worden. Die bewußte Fehlinterpretation einer Erhebung und statistischen Erfassung von Leserzahlen auf dem Zeitungsmarkt könne keineswegs damit entschuldigt werden, daß bloß "epitheta ornantia" (= schmückende Beiwörter) zu den (angeblich korrekt) veröffentlichten Daten fehlten. Den Beklagten seien nur irreführende Gegenüberstellungen älterer und jüngerer Daten sowie Spitzenstellungsbehauptungen untersagt worden.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag abgewiesen wird.

Die Klägerin beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig, weil - soweit überblickbar - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof zu einem vergleichbaren Fall von Werbung mit den Ergebnissen einer Reichweitenerhebung fehlt; er ist aber nicht berechtigt.

Die Werbeaussage, daß die "Steirer Krone" die "Nummer eins am steirischen Printmarkt" sei, bedeutet, daß die Beklagten für sich eine Spitzenstellung auf dem (steiermärkischen Zeitungs-)Markt in Anspruch nehmen. Als Ausdrucksmittel für eine Alleinstellung kommen ja nicht nur der Superlativ oder der Komparativ (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, 814 f Rz 69 und 70 zu § 3 dUWG), sondern auch andere Formulierungen in Frage (Baumbach-Hefermehl aaO 815 f Rz 71 f; MR 1990, 195). Eine solche Werbung ist nach ständiger Rechtsprechung (ÖBl 1981, 102; ÖBl 1989, 42; MR 1989, 30; MR 1990, 195 uva) primär nach § 2 UWG zu beurteilen und daher wettbewerbsrechtlich (nur) dann zu beanstanden, wenn die ernstlich und objektiv nachprüfbar behauptete Spitzenstellung nicht den Tatsachen entspricht oder die Werbebehauptung sonst zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise geeignet ist. Sie ist also dann grundsätzlich zulässig, wenn sie wahr ist (Baumbach-Hefermehl aaO 816 Rz 75). Dafür genügt es aber in aller Regel nicht, daß der Werbende einen nur geringfügigen Vorsprung vor seinen Mitbewerbern hat; der mit einer Alleinstellung behauptete Vorsprung muß deutlich und stetig sein (Baumbach-Hefermehl aaO; ÖBl 1981, 102; ÖBl 1982, 124 ua).

Selbst wenn man als richtig annehmen wollte, daß die "Steirer Krone" im Jahre 1992 tatsächlich 446.000 Leser, die "Kleine Zeitung" im selben Jahr hingegen nur 445.000 Leser hatten, wäre die beanstandete Werbeaussage unzutreffend, weil von einem deutlichen Vorsprung nicht gesprochen werden könnte.

Wollte man aber die Auffassung vertreten, daß die Beklagten in dem beanstandeten Artikel die - wenngleich im Untertitel blickfangartig herausgestellte - Werbebehauptung durch die Angabe der Zahlen laut Optima 92 auch für den flüchtigen Leser hinreichend klargestellt habe, wäre für die Beklagten gleichfalls nichts zu gewinnen. Wie sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen - aber auch aus den von beiden Streitteilen zur Stützung ihres Standpunktes herangezogenen - "Bedingungen für die Veröffentlichung von Optima-Resultaten" ergibt, sind die Angaben in der Optima-Analyse nicht im Sinn exakter Aussagen zu verstehen; vielmehr handelt es sich dabei um Durchschnittswerte im Rahmen einer Schwankungsbreite ("von - bis"), in welcher Zufallsabweichungen nach oben und unten möglich sind. Die Beklagten haben das selbst schon in erster Instanz zugegeben (S.23), jedoch gemeint, das Institut der Optima würde sich selbst ad absurdum führen, bestünde es darauf, Reichweiten jeweils nur mit den Grenzen der Schwankungsbreiten zu "bewerben"; eine Werbung etwa des Inhaltes, daß man mit dem eigenen Printmedium eine Reichweite von 40,2 bis 40,9 % erreiche, während der Mitbewerber mit 39,9 bis 40,7 % Reichweite angegeben wird, wäre ein völlig untaugliches Mittel der Reichweitenwerbung. Den Beklagten mag darin beigepflichtet werden, daß eine solche Aussage kaum Werbewirksamkeit entfaltet; das ändert aber nichts daran, daß die Optima-Analyse in Wahrheit nur solche Ergebnisse zutage fördert. Das bringen die "Bedingungen für die Veröffentlichung von Optima-Resultaten" deutlich zum Ausdruck. Im Hinblick auf die mangelnde Genauigkeit ihrer Ergebnisse untersagen sie etwa, andere als auf- oder abgerundete Zahlen mitzuteilen, "weil ansonsten eine Genauigkeit vorgetäuscht würde, die das Instrument nicht zu leisten vermag". Aus derselben Erwägung gebieten diese Bedingungen, beim Vergleich mit früheren Untersuchungen die Fehlerspanne zu berücksichtigen, und führen aus: "Liegt der frühere Wert innerhalb dieses Fehlerintervalls, dann darf kein Unterschied zwischen den alten und den neuen Werten interpretiert werden".

Soweit die Beklagten der angeblichen Zahl ihrer Leser "laut Optima 92" in der Höhe von 446.000 die Zahl der Leser der "Kleinen Zeitung" mit 445.000 Lesern gegenüberstellten, haben sie aber gerade "eine Genauigkeit vorgetäuscht....., die das Instrument nicht zu leisten vermag". Sie haben damit für den nicht fachkundigen Leser den Eindruck hervorgerufen, es sei exakt erwiesen, daß sie mehr Leser als die Zeitung der Klägerin haben. Da ein solcher Beweis aber nicht vorliegt - im Hinblick auf die Schwankungsbreite könnte in Wahrheit im Jahr 1992 auch die Klägerin mehr Leser gehabt haben als die Beklagte - , haben die Vorinstanzen in dieser Werbung mit Recht einen Verstoß gegen § 2 UWG erblickt. Auch nach der nunmehrigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist eine vergleichende Werbung - bei welcher die eigene bessere Leistung im Wege ihrer Gegenüberstellung mit der schlechteren Leistung namentlich genannter Mitbewerber an Hand objektiv überprüfbarer Daten verglichen wird - unzulässig, sofern sie im Sinne des § 2 UWG zur Irreführung geeignet ist (ÖBl 1990, 154 ua).

Den Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, daß sie zu einer Vollständigkeit ihrer Werbebehauptung nicht verpflichtet gewesen wären. Es trifft zwar zu, daß eine allgemeine Pflicht zur Vollständigkeit von Werbeaussagen nicht besteht, weil der Werbende grundsätzlich nicht auf Nachteile seiner Ware oder Leistungen hinzuweisen braucht (Baumbach-Hefermehl aaO 804 Rz 47; ÖBl 1985, 101; WBl 1993, 164). Im Verschweigen einer Tatsache liegt aber dann eine irreführende Angabe, wenn eine Aufklärung des Publikums zu erwarten war (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 23; Baumbach-Hefermehl aaO Rz 48; ÖBl 1982, 126; WBl 1993, 164). Eine Aufklärungspflicht kann sich aus der Bedeutung ergeben, die der verschwiegenen Tatsache nach der Auffassung des Verkehrs zukommt, so daß ihre Nichterwähnung geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise irrezuführen, was insbesondere dann zutrifft, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird (Baumbach-Hefermehl aaO; ÖBl 1981, 71; ÖBl 1985, 101; WBl 1993, 164 ua). Diese Voraussetzung liegt aber hier vor, weil mangels Hinweises auf den Charakter der in der Optima-Analyse mitgeteilten Zahlen als bloße Durchschnittswerte im Rahmen einer Schwankungsbreite der unrichtige Eindruck entstehen kann, ein Leserzahlvorsprung der Beklagten sei erwiesen.

Aus den gleichen Erwägungen muß aber auch dem zweiten Unterlassungsbegehren Berechtigung zuerkannt werden. Die unterschiedlichen Angaben über die Zahl der Leser der "Kleinen Zeitung" in den Optimaanalysen 1991 und 1992 rechtfertigen nicht den Schluß, daß die Zeitung der Klägerin tatsächlich Leser verloren hätte. Die beanstandete gegenteilige Behauptung der Beklagten - welche offenkundig zu Zwecken des Wettbewerbes aufgestellt wurde - ist zweifellos geeignet, den Betrieb der Klägerin zu schädigen (§ 7 Abs 1 UWG), schadet doch eine solche Behauptung dem Ruf der Klägerin; sie kann Leser, noch mehr aber Inserenten dazu veranlassen, sich von der "Kleinen Zeitung" ab- und der vermeintlich erfolgreicheren "Steirer Krone" zuzuwenden.

Daß die "Kleine Zeitung" tatsächlich Leser verloren hat, wird nach dem Gesagten durch die Optima-Analyse nicht bewiesen; einen anderen Beweis für ihre Behauptung hat aber die beweis-(bescheinigungs-)pflichtige Beklagte nicht einmal angetreten.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 40, 50, 52 ZPO, jener über die Revisionsrekursbeantwortung auf § 393 Abs 1 EO.

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