OGH 1Ob287/02s

OGH1Ob287/02s13.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj Anna G*****, vertreten durch Dr. Gerald Haas, Dr. Anton Frank und Mag. Ursula Schilchegger-Silber, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei Klaus W*****, vertreten durch Dr. Walter Holme, Rechtsanwalt in Wels, und der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. Land Oberösterreich, Linz, Klosterplatz 7, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr, Dr. Michael Krüger, Dr. Franz Haunschmidt, Dr. Georg Minichmayr und Dr. Peter Burgstaller, Rechtsanwälte in Linz, sowie 2. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen EUR 4.011,90 sA infolge der Rekurse beider Streitteile sowie beider Nebenintervenienten und der Revisionsrekurse der beiden Nebenintervenienten gegen die Beschlüsse des Landesgerichts Wels als Berufungs- und Rekursgericht vom 24. April 2002, GZ 22 R 147/02b-20, mit denen das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 21. Jänner 2001, GZ 13 C 1400/01m-14, aufgehoben und der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 21. Jänner 2001, GZ 13 C 1400/01m-14, abgeändert wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Den Revisionsrekursen der Nebenintervenienten wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig,den Nebenintervenienten die mit jeweils EUR 399,75 (darin EUR 66,63 an USt.) bestimmten Kosten des Zwischenstreits über die Zulassung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. Dem Rekurs der klagenden Partei wird Folge gegeben, nicht hingegen den Rekursen der beklagten Partei und der Nebenintervenienten.

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das Urteil wie folgt zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 4.011,90 samt 4 % Zinsen seit 30. 4. 2000 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 4.274,99 (darin EUR 1.229,08 an Barauslagen und EUR 507,65 an Umsatzsteuer) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile nahmen gemeinsam als Schüler einer Hauptschule an einem Snowboardkurs im Rahmen einer Schulveranstaltung teil. Der Beklagte war Anfänger. Zu Beginn des Kurses wurden speziell für die Anfänger das Stehenbleiben und Abbremsen, aber auch das richtige Hinfallen sowie die Pistenregeln geübt. Der Unfall ereignete sich schließlich am dritten Kurstag (25. 3. 1999) gegen Mittag; der Beklagte war damals 15 Jahre alt. Nachdem die fortgeschrittenen Snowboardfahrer an einer sicheren Stelle angehalten hatten, um auf die nachkommenden Anfänger zu warten, näherte sich der Beklagte der Gruppe, an deren linken Außenseite die Klägerin im Schnee saß. Er hatte die Absicht, sich links neben ihr einzureihen. Plötzlich hatte er sein Snowboard - aus einem nicht feststellbaren Grund - nicht mehr unter Kontrolle. Er versuchte etwa 5 m vor der Gruppe, noch ein Bremsmanöver einzuleiten, setzte sich dazu im Fahren hin und stellte das Board quer. Trotzdem schaffte er es nicht mehr, rechtzeitig anzuhalten, und stieß gegen die linke Seite der Klägerin, wodurch diese eine Becken- und Brauchprellung sowie eine Milzverletzung erlitt. Sie musste zuerst stationär und anschließend ambulant behandelt werden. Die Eltern der Klägerin legten im Zusammenhang mit ihrer Überstellung an das Krankenhaus Wels und täglichen Krankenhausbesuchen ca 450 km mit ihrem PKW zurück. Nach ihrer Heimkehr war die Klägerin noch gesundheitlich beeinträchtigt, wodurch ihren Eltern ein zusätzlicher Betreuungsaufwand von ca 14 Stunden entstand. An weiteren Spesen entstanden der Klägerin durch den Unfall Aufwendungen von etwa S 800.

Die klagende Partei begehrte vom Beklagten die Zahlung von Schmerzengeld in der (unstrittigen) Höhe von S 50.000 sowie Fahrtkostenersatz in Höhe von S 2.205, den Ersatz sonstiger Spesen von S 800 und eine Vergütung für den zusätzlichen Zeitaufwand der Eltern im Ausmaß von S 2.200. Sie brachte dazu im Wesentlichen vor, der Beklagte habe ein rechtzeitiges Bremsmanöver unterlassen bzw zu spät eingeleitet. Er habe keinen ausreichenden Abstand zur Klägerin eingehalten und sei auch entgegen den Instruktionen der Lehrerin nicht von unten, sondern von oben an die wartende Gruppe herangefahren, obwohl er von der Lehrerin über das richtige Verhalten aufgeklärt worden sei.

Der Beklagte wendete dagegen im Wesentlichen ein, er habe bei seiner Fahrt die Anweisungen der Lehrerin genau befolgt. Vor der Kollision sei er von einem sich von oben schnell nähernden Schifahrer abgedrängt worden und dadurch zu Sturz gekommen. Es habe sich um ein Missgeschick gehandelt, an dem ihn kein Verschulden treffe. Die Lehrerin habe ihn nicht darüber belehrt, dass er nicht auf die Gruppe zufahren solle. Aus einer Entfernung von 5 m hätte er leicht anhalten können und wäre in einem ausreichenden Abstand von 1 m zur Klägerin zum Stillstand gekommen.

Der Beklagte verkündete der Erstnebenintervenientin den Streit. Er habe die Weisungen der betreuenden Lehrkraft, insbesondere auch bei der Wahl der Fahrlinie, befolgt. Im Fall eines Prozessverlustes behalte er sich die Geltendmachung von Regressansprüchen gegen die Erstnebenintervenientin als Schulträger ausdrücklich vor.

Die Erstnebenintervenientin trat dem Streit daraufhin auf Seiten der beklagten Partei bei. Ihr rechtliches Interesse begründete sie damit, dass der Beklagte angekündigt habe, für den Fall des Obsiegens der Klägerin Regressansprüche zu erheben. Sie verkündete ihrerseits der Zweitnebenintervenientin den Streit und verwies darauf, dass bei Schulveranstaltungen die Lehrer im Bereich der Hoheitsverwaltung, somit als Organe im Sinne des § 1 AHG tätig würden, wobei die Tätigkeit funktionell stets dem Bund zuzuordnen sei. Würde die Erstnebenintervenientin vom Beklagten in Anspruch genommen, habe sie gemäß § 1 Abs 3 AHG einen Anspruch auf Rückersatz gegen die Zweitnebenintervenientin.

Auch die Zweitnebenintervenientin trat dem Prozess daraufhin auf Seiten des Beklagten bei. Der Beklagte könnte sich bei Vorliegen der entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen bei der Erstnebenintervenientin als Schulerhalterin regressieren, wobei in diesem Fall Regressansprüche gegen die Zweitnebenintervenientin nicht ausgeschlossen werden könnten.

Die Klägerin beantragte die Zurückweisung der Beitrittserklärungen, weil die Nebenintervenienten kein rechtliches Interesse am Obsiegen des Beklagten hätten.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention ab. Das Rekursgericht wies den Beitritt beider Nebenintervenienten zurück; es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Es begründete seine Entscheidung damit, dass allenfalls zu erwartende Regressansprüche des Beklagten im Falle seines Unterliegens kein ausreichend konkretes rechtliches Interesse der Nebenintervenientinnen begründeten, nachdem eine Inanspruchnahme auf Grund eines Verschuldens der Lehrkraft unabhängig vom Ausgang des Verfahrens möglich sei. Werde das Begehren gegen den Beklagten, der behaupte, alle Weisungen der Lehrerin befolgt und deshalb kein Verschulden zu vertreten zu haben, abgewiesen, könnte nämlich die Klägerin wegen eines allfälligen Verschuldens der Lehrkraft durch mangelnde Unterweisung bzw Aufsicht die Erstnebenintervenientin in Anspruch nehmen. Andererseits stehe auch bei einem Unterliegen des Beklagten eine Inanspruchnahme der Erstnebenintervenientin durch diesen im Raum, wenn er sich etwa darauf berufen sollte, die Lehrkraft habe die Einhaltung der von ihr vorgegebenen Verhaltensweisen zu wenig überwacht bzw zu wenig auf deren Einhaltung gedrungen. Eine allfällige Zahlungspflicht der Erstnebenintervenientin infolge eines Verschuldens der Lehrerin sei somit nicht unbedingt vom Ausgang dieses Verfahrens, in dem es um das Verschulden des Beklagten gehe, abhängig. Keinesfalls bestehe ein eindeutiges Interesse der Erstnebenintervenientin am Obsiegen des Beklagten. Für die Zweitnebenintervenientin, die ihr Interesse wiederum nur mit allfälligen Regressansprüchen der Erstnebenintervenientin begründe, gelte dasselbe. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil Entscheidungen zur Frage, ob dem Dritten die Entscheidung, auf wessen Seite er dem Verfahren beitritt, überlassen werden könne, wenn sowohl ein Interesse am Obsiegen des Klägers als auch am Obsiegen des Beklagten besteht, nicht auffindbar gewesen seien.

In der Hauptsache wies das Erstgericht das Klagebegehren zur Gänze ab. Mit dem Schisport seien typischerweise gewisse Gefahren verbunden, die als erlaubtes Risiko angesehen würden. Das Verhalten beim Schisport richte sich in Bezug auf die körperliche Integrität Dritter nach dem allgemeinen Sorgfaltsgebot. Jeder müsse auf andere Pistenbenützer Rücksicht nehmen und dürfe niemand anderen gefährden. Den FIS-Regeln komme für die Konkretisierung der Sorgfaltspflichten erhebliche Bedeutung zu. Nach Punkt 3 dieser Regeln müsse jeder Schifahrer kontrolliert fahren und die Geschwindigkeit seinem Können anpassen. Der Beklagte habe sich im konkreten Fall an die Anweisungen der Lehrerin gehalten und habe so gut wie möglich die vorgegebene Fahrlinie eingehalten. Auch sein Tempo sei seinem Können angepasst gewesen. Dass er in der Folge dennoch gestürzt sei, begründe noch keine Rechtswidrigkeit; ein Sturz stelle für sich noch keine Sorgfaltsverletzung dar. Eine solche liege nur dann vor, wenn noch ein anderes sorgfaltswidriges Verhalten hinzukomme. Im konkreten Fall handle es sich beim Sturz des Beklagten um ein reines Missgeschick eines Anfängers, der kein pflichtwidriges Verhalten gesetzt habe.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof als zulässig. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu Schiunfällen, die wohl auch auf Snowboardunfälle anzuwenden sei, sei für den Schuldvorwurf des gestürzten Schifahrers das dem Sturz vorangehende Verhalten maßgeblich. Erst dieses vermöge einen Sorgfaltsverstoß zu verwirklichen und begründe in einem solchen Fall den Schuldvorwurf, der auch in der Missachtung von Pistenregeln bestehen könne. Der Umstand, dass jemand im Zuge der Schiabfahrt zu Sturz gekommen sei, könne für sich allein den Anscheinsbeweis für ein sturzeinleitendes Fehlverhalten schon deshalb nicht erbringen, weil die Tatsache eines Sturzes Verhaltensunrecht nicht indiziere. Die in den Pistenregeln (zB FIS-Regeln) festgeschriebenen Verhaltensvorschriften für Schifahrer seien keine gültigen Rechtsnormen. Ihnen komme aber als Zusammenfassung der Sorgfaltspflichten, die bei der Ausübung des alpinen Schisports im Interesse aller Beteiligten zu beachten sind, und bei der Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, dass sich jeder so verhalten müsse, dass er keinen anderen gefährdet, erhebliche Bedeutung zu.

Die Behauptungs- und Beweislast für Tatumstände, aus denen ein die Haftung begründendes Verschulden des Schädigers abgeleitet wird, treffe denjenigen, der seinen Anspruch darauf stützt. Die Klägerin habe ihren Schadenersatzanspruch insbesondere auch darauf gestützt, dass der Beklagte trotz Aufklärung über das richtige Verhalten durch die Lehrerin nicht von unten, sondern von oben an die Gruppe herangefahren sei. Nach den bereits dargelegten allgemeinen Grundsätzen und unter Bedachtnahme auf die FIS-Regel Nr 1, nach der sich jeder Schifahrer so verhalten muss, dass er keinen anderen gefährdet oder schädigt, würde es jedenfalls ein Verschulden des Beklagten bedeuten, wenn dieser - wie festgestellt - von oben an die Gruppe herangefahren ist, obwohl die Lehrerin darauf hingewiesen habe, dass man sich der wartenden Gruppe immer von unten zu nähern habe. Das Erstgericht werde daher im fortzusetzenden Verfahren festzustellen haben, wie die Belehrung über die Pistenregeln erfolgt ist, insbesondere ob dezidiert auf das Zufahren zur Gruppe von unten hingewiesen worden ist. Sollte die Lehrerin auch konkret erklärt haben, dass immer von unten an die Gruppe heranzufahren ist, so wäre die Fahrweise des Beklagten jedenfalls als sorgfaltswidrig anzusehen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil eine Entscheidung des Höchstgerichts zur Frage, ob im Rahmen eines Schikurses zur wartenden Gruppe von unten zuzufahren ist, nicht auffindbar gewesen sei, und durchaus die Meinung vertreten werden könne, eine derartige Verpflichtung sei auch ohne konkrete Instruktion durch den Schilehrer schon auf Grund des in der FIS-Regel Nr 1 niedergeschriebenen Gefährdungsverbotes gegeben.

1. Zu den Revisionsrekursen der Nebenintervenienten:

Die Revisionsrekurse der Nebenintervenienten, die eine Abänderung der Entscheidung des Rekursgerichts im Sinne einer Abweisung des Zurückweisungsantrags der Klägerin anstreben, sind berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach herrschender Judikatur ist das von § 17 Abs 1 ZPO geforderte rechtliche Interesse am Obsiegen einer Partei im Rechtsstreit regelmäßig gegeben, wenn die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Nebenintervenienten günstig oder ungünstig einwirkt (MietSlg 26.467, ZAS 1990, 191; RIS-Justiz RS0035724). Dabei ist kein strenger Maßstab anzulegen; es genügt vielmehr, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (SZ 53/168; SZ 55/39, SZ 68/218 ua).

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte die Erhebung von Amtshaftungsansprüchen gegen die Erstnebenintervenientin für den Fall angedroht, dass er unterliegt und sich ein Instruktionsfehler der die Gruppe betreuenden Lehrerin ergeben sollte. Der Erstnebenintervenientin ist nun zweifellos ein rechtliches Interesse daran zuzubilligen, derartige Ansprüche durch eine entsprechende Beteiligung am Verfahren auf Seiten des Beklagten abzuwehren. Dass auch ein Verfahrensausgang denkbar wäre, bei dem sich ein Beitritt auf Seiten der Klägerin - rückblickend betrachtet - als zweckmäßiger erweisen könnte, steht der Annahme eines rechtlichen Interesses am Obsiegen des Beklagten nicht entgegen. Vielmehr muss es der Einschätzung des Dritten - dem hier vom Beklagten der Streit verkündet wurde - überlassen bleiben, zu entscheiden, welche Ansprüche ihm wahrscheinlicher erscheinen und welche Partei er demnach durch eine Nebenintervention unterstützen will. Entsprechendes gilt für die Zweitnebenintervenientin, die bei der vom Beklagten angesprochenen Sachverhaltskonstellation Ansprüchen der Erstnebenintervenientin (§ 1 Abs 3 AHG) ausgesetzt sein könnte.

Da sich somit der Antrag der Klägerin auf Zurückweisung der Nebeninterventionen als unberechtigt erweist, ist insoweit die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Angesichts ihres Unterliegens im Zwischenstreit über die Zulassung hat die Klägerin den Nebenintervenienten die dafür aufgewendeten Kosten, somit die Kosten der Revisionsrekurse, zu ersetzen. Für die in die Berufungsbeantwortungen aufgenommenen Stellungnahmen zum Rekurs der Klägerin steht hingegen schon deshalb kein Kostenersatz zu, weil das Gesetz für diese Fälle eine Rekursbeantwortung nicht vorsieht (§ 521a ZPO).

2. Zu den Rekursen gegen den Aufhebungsbeschluss:

Beide Streitteile sowie die beiden Nebenintervenienten wenden sich gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts und vertreten die Auffassung, die Rechtssache sei - im klagestattgebenden bzw im klageabweisenden Sinn - entscheidungsreif.

Der Rekurs der Klägerin ist berechtigt, die Rekurse des Beklagten und der Nebenintervenienten sind hingegen nicht berechtigt.

Ganz zutreffend hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass es ganz allgemeinen Grundsätzen entspricht, sich bei der Sportausübung - soweit wie möglich - so zu verhalten, dass keine anderen Personen gefährdet werden. Dies gilt insbesondere auch für den alpinen Schisport (siehe dazu nur ZVR 1986/135, ZVR 1997/117), für den den FIS-Regeln als Zusammenfassung der Sorgfaltspflichten, die bei Ausübung des alpinen Schisports im Interesse aller Beteiligten zu beachten sind, erhebliche Bedeutung zukommt (JBl 1983, 258 ua). In diesem Sinne bestimmt etwa FIS-Regel Nr 1 in sehr allgemeiner Formulierung, dass sich jeder Schifahrer so verhalten muss, dass er keinen anderen gefährdet oder schädigt. Nach FIS-Regel Nr 2 hat jeder Schifahrer unter anderem seine Fahrweise seinem Können anzupassen (siehe dazu nur EvBl 1991/104 = ZVR 1991/123).

Diese grundsätzlichen und keineswegs nur für den Schisport geltenden Regeln sind auch für einen 15-jährigen Hauptschüler ohne weiteres einsichtig, ohne dass es eines besonderen Hinweises des ausbildenden Lehrers darauf bedürfte, dass bei einer Annäherung an andere Personen - etwa an die wartende Sportgruppe - ein ausreichender Sicherheitsabstand einzuhalten ist. Soweit sich der Beklagte bzw die Nebenintervenienten auf die höchstgerichtliche Judikatur berufen, nach der die bloße Tatsache eines Sturzes während der Fahrt einen Schuldvorwurf an den gestürzten Fahrer noch nicht begründen kann, übersehen sie, dass ein solcher Fall hier gar nicht zu beurteilen ist. Die Kollision mit der Klägerin beruhte vielmehr darauf, dass der Beklagte in Annäherung an die wartende Gruppe die Kontrolle über sein Sportgerät verlor und daraufhin versuchte, durch Hinsetzen und Querstellen des Snowboards zum Stillstand zu kommen. Selbst wenn man aber den Verlust der Kontrolle über das Snowboard einem Sturz gleichhalten wollte, käme es nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für die Beurteilung eines Sorgfaltsverstoßes stets auf das vorangehende Verhalten des betreffenden Fahrers an (JBl 1998, 450, 6 Ob 220/00x, 7 Ob 289/00a).

Hier ist dem Beklagten der Vorwurf sorgfaltswidrigen Verhaltens nicht zu ersparen. Nach seinem eigenen Prozessvorbringen beabsichtigte er, sich der wartenden Kursgruppe zu nähern und in einem Abstand von (nur) 1 m zur Klägerin zum Stillstand zu kommen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beklagte ein Anfänger war und erst den dritten Tag mit einem Snowboard fuhr, hätte er den Versuch, sich einem Mitglied der wartenden Gruppe auf derart geringe Distanz zu nähern, unterlassen müssen, nachdem ihm klar sein musste, dass selbst ein kleiner Fahrfehler oder ein sonstiges Missgeschick nicht mehr korrigiert werden könnte. Nachdem ein besonderer Grund für den Verlust der Kontrolle über das Snowboard nicht festgestellt werden konnte, ist auch davon auszugehen, dass die Kollision mit der Klägerin darauf zurückzuführen ist, dass er seine Geschwindigkeit bzw seine Fähigkeiten unrichtig eingeschätzt hat. Gerade weil Anfänger mit derartigen Fehleinschätzungen, Unsicherheiten und Fahrfehlern stets rechnen müssen, sind sie im besonderen Maß gehalten, ausreichenden Abstand zu anderen Personen einzuhalten, insbesondere wenn dies - wie hier - ohne weiteres möglich gewesen wäre.

Insgesamt ist dem Beklagten somit vorzuwerfen, das - va dem Schutz in der Nähe befindlicher Personen dienende - (an sich selbstverständliche) Gebot, seine Geschwindigkeit und seine Fahrweise seinem Können anzupassen, verletzt und sich somit objektiv sorgfaltswidrig verhalten zu haben. Diese objektive Sorgfaltswidrigkeit ist dem Beklagten auch subjektiv vorzuwerfen, weil ihm bewusst sein musste, dass er angesichts seiner noch nicht ausreichenden Fertigkeiten durch zu große Annäherung an andere Personen bei nicht ausreichend reduzierter Geschwindigkeit das Risiko einer Verletzung herbeiführt. Auch wenn es sich dabei nur um ein Verschulden minderen Grades handelt, hat dies die Haftung des Beklagten gegenüber der Klägerin zur Folge, die dem sorglosen Verhalten des Beklagten ohne Abwehrmöglichkeit ausgesetzt war.

Der Schmerzengeldanspruch der Klägerin steht der Höhe nach mit S 50.000 (= EUR 3.633,64) außer Streit. Angesichts der Tatsachenfeststellungen über die der Klägerin bzw ihren Eltern erwachsenen Kosten und Aufwendungen bestehen darüber hinaus - auch unter Anwendung des § 273 ZPO - keine Bedenken gegen die Berechtigung der von der Klägerin erhobenen weiteren Ansprüche, sodass sich die Rechtssache als im zur Gänze klagestattgebenden Sinne spruchreif erweist.

Die Entscheidung über die Kosten aller Instanzen beruht auf den §§ 41 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO. Da die Klägerin ihre Gegenschriften (Rekursbeantwortungen) ohne prozessualen Nachteil miteinander verbinden hätte können, steht ihr insoweit nur der Ersatz der Kosten eines einzigen Schriftsatzes (incl 15 % Streitgenossenzuschlag) zu.

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