OGH 10ObS384/02x

OGH10ObS384/02x10.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Karlheinz Kux (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Johannes Denk (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Silvia B*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr. Gunter Granner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeiststraße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Pflegegeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Juni 2002, GZ 7 Rs 191/02p-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 4. Dezember 2001, GZ 6 Cgs 89/01y-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache, dass die Klägerin mangels eines 50 Stunden übersteigenden Pflegebedarfs die Voraussetzungen für ein Pflegegeld nicht erreicht (§ 4 Abs 2 BPGG), ist zutreffend (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Den Revisionsausführungen ist ergänzend noch Folgendes entgegenzuhalten:

Nach den für das Revisionsverfahren wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes leidet die Klägerin an Harninkontinenz und benützt regelmäßig Einlagen, die sie ohne fremde Hilfe wechseln kann. Auch bei der Körperreinigung benötigt die Klägerin keine fremde Hilfe. Lediglich beim Betreten der mit einem Duschsessel ausgestatteten Dusche benötigt die Klägerin eine Hilfestellung.

Die Vorinstanzen beurteilten diesen Sachverhalt rechtlich dahin, dass bei der Klägerin wegen der bestehenden Harninkontinenz ein tägliches Duschbad erforderlich sei und für die beim Besteigen der Dusche erforderliche Hilfestellung ein täglicher Betreuungsaufwand von jeweils ca 15 Minuten (= 7,5 Stunden monatlich) zu veranschlagen sei. Unter Berücksichtigung des weiteren unstrittigen Pflegebedarfs von 40 Stunden monatlich ergebe sich ein Pflegebedarf von insgesamt 47,5 Stunden.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass die Notwendigkeit der Hilfe bei einem Wannenvollbad oder einem Duschbad für sich allein grundsätzlich, außer bei medizinischer Notwendigkeit, nicht unter den in § 1 Abs 4 erster Fall EinstV angeführten Begriff der "täglichen Körperpflege" fällt (SSV-NF 8/55; 8/61; 8/67; 8/74 uva). Der hiefür erforderliche Hilfsbedarf bleibt jedoch nicht unberücksichtigt, sondern ist als "sonstige" Körperpflege angemessen nach dem tatsächlichen Aufwand zu berücksichtigen (vgl RIS-Justiz RS0058447 [T4]). In einer Reihe von Entscheidungen wurde zum Ausdruck gebracht, dass mangels gegenteiliger medizinischer Indikation ein zweimaliges Wannenbad oder Duschen pro Woche als ausreichend anzusehen ist, ohne dass der Betroffene damit der Gefahr der Verwahrlosung ausgesetzt wäre (10 ObS 337/02k mwN uva; RIS-Justiz RS0058447). Die Rechtsprechung hat sich bei der Bewertung dieses Betreuungsaufwandes an den in § 1 Abs 4 EinstV für die tägliche Körperpflege angeführten Mindestwerten von 2 x 25 Minuten pro Tag orientiert und ein Wannenbad mit einem Betreuungsaufwand von etwa 25 Minuten bewertet, woraus sich ein monatlicher Aufwand von etwa 3,5 bis 4 Stunden ergibt (SSV-NF 12/83; 8/55; 8/74; 8/104 ua). Diese Ausführungen können auch für anstelle von Wannenbädern genommene Duschbäder gelten (10 ObS 180/94). Im vorliegenden Fall wurde von den Vorinstanzen nicht näher geprüft, ob aus medizinischen Gründen (Harninkontinenz der Klägerin) eine tägliche Ganzkörperreinigung in der Dusche erforderlich ist oder ob eine tägliche gründliche Körperreinigung - hier im Besonderen die Reinigung des Genitalbereiches - im Rahmen der täglichen Körperpflege, zu der die Klägerin noch ohne fremde Hilfe imstande ist, ausreichend ist. Es wurde auch nicht geprüft, ob die beim Hinein- und Hinaussteigen aus der Dusche erforderliche Hilfestellung durch die Anbringung von Haltegriffen ersetzt werden könnte, wobei der Klägerin die Anschaffung solcher Hilfsmittel zweifellos zumutbar wäre (vgl 10 ObS 49/95). In diese Richtung deutet jedenfalls die Aussage des neurologischen Sachverständigen in der Tagsatzung vom 4. 12. 2001, wonach die Klägerin zum Besteigen der Dusche eine Hilfe benötige, um sich Anhalten zu können.

Doch selbst wenn man mit den Vorinstanzen zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass ein tägliches Duschbad medizinisch indiziert ist und damit eine dabei erforderliche Hilfestellung unter den Begriff der täglichen Körperpflege im Sinn des § 1 Abs 4 EinstV zu subsumieren ist, erreicht der Pflegebedarf der Klägerin dennoch nicht das für die Gewährung von Pflegegeld erforderliche Ausmaß von durchschnittlich mehr als 50 Stunden monatlich. Für die Betreuungsverrichtung der täglichen Körperpflege ist zwar im § 1 Abs 4 EinstV ein auf einen Tag bezogener zeitlicher Mindestwert von 2 x 25 Minuten (= 25 Stunden monatlich) vorgesehen. Wie der Senat jedoch bereits wiederholt ausgeführt hat, ergibt sich aus der Tatsache, dass der Verordnungsgeber den Mindestwert für die tägliche Körperpflege mit 2 x 25 Minuten täglich festgelegt hat, dass er ein Mindestausmaß an Betreuungsaufwand bei diesen Verrichtungen unterstellt. Ist der Betroffene in der Lage, die tägliche Körperpflege grundsätzlich allein vorzunehmen und bedarf er nur für einzelne dabei anfallende, im Verhältnis zum Gesamtaufwand unbedeutende Handgriffe der Hilfe einer anderen Person, so ist es nicht gerechtfertigt, hiefür den gesamten für die Unterstützung bei der täglichen Körperpflege vorgesehenen Mindestwert als Betreuungsaufwand zu veranschlagen. Es kommt daher bei einer erheblichen Unterschreitung des betreffenden Mindestwertes nach § 1 Abs 4 EinstV die Anerkennung eines "pauschalierten" Mindestbedarfs nicht in Betracht (SSV-NF 14/59; 12/63 mwN ua; RIS-Justiz RS0109875).

Berücksichtigt man, dass die Klägerin nach den Feststellungen die tägliche Körperpflege selbständig vornehmen kann und sie lediglich beim Hinein- und Hinaussteigen aus der Dusche fremder Hilfe bedarf, so zeigt sich, dass sich der notwendige Betreuungsaufwand sowohl sachlich als auch zeitlich nur auf einen kleinen Teil der insgesamt bei der täglichen Körperpflege zu verrichtenden Tätigkeiten bezieht, sodass es entsprechend den dargelegten Ausführungen gerechtfertigt ist, den Mindestwert nicht in Anschlag zu bringen. Durch die zeitliche Ausmessung des erforderlichen Betreuungsaufwandes mit ca 15 Minuten pro Duschvorgang durch die Vorinstanzen kann sich die Klägerin nicht beschwert erachten, wenn man den tatsächlichen Umfang der benötigten Hilfestellung und die Möglichkeit berücksichtigt, diese Betreuungsleistung mit anderen bei der Klägerin notwendigen Hilfsverrichtungen (Reinigung der Wohnung, Pflege der Wäsche) zu verbinden. Mit dem festgestellten Pflegebedarf von durchschnittlich 47,5 Stunden monatlich vermag die Klägerin die Voraussetzungen für ein Pflegegeld der Stufe 1 im Sinn des § 4 Abs 2 PBGG nicht zu erfüllen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil Kosten nicht verzeichnet wurden.

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