OGH 4Ob227/02i

OGH4Ob227/02i5.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Saskia A*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters DI Gerhard A*****, vertreten durch Dr. Otto Hauck, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 5. September 2002, GZ 15 R 174/02t‑28, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Beim Recht des nicht sorgeberechtigten Elternteils auf persönlichen Verkehr mit dem Kind, dem sogenannten Besuchsrecht, handelt es sich um ein Grundrecht der Eltern‑Kind‑Beziehung und um ein allgemein anerkanntes Menschenrecht (EFSlg 89.659; 7 Ob 27/01y; 8 Ob 42/02p uva). Ein Mindestmaß persönlicher Beziehungen eines Kindes zu beiden Elternteilen ist daher höchst erwünscht und wird im Dienste der gesunden Entwicklung des Kindes auch allgemein gefordert. Allerdings steht den Eltern - hier dem Vater - dieses Besuchsrecht insoweit nicht zu, als die Ausübung dieses Rechts das Wohl des Kindes schwerwiegend gefährdet (RIS‑Justiz RS0047754; zuletzt etwa 8 Ob 42/02b). Oberster Grundsatz jeder Besuchsregelung ist das Wohl und das Interesse des Kindes (EFSlg 74.980; EFSlg 77.976; 1 Ob 4/01x). Sogar im unverschuldeten Konfliktfall hat der Besuchsrechtsanspruch eines Elternteils gegenüber dem Kindeswohl zurückzutreten (1 Ob 129/00b; 8 Ob 42/02p). An diesen Grundsätzen ist auch nach Neufassung des § 148 ABGB durch das KindRÄG 2001 BGBl I 2000/135 keine Änderung eingetreten.

Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände das Besuchsrecht eingeräumt, eingeschränkt oder sogar entzogen werden soll, ist grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalles abhängig. Es kann ihr daher keine Bedeutung iSd § 14 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (stRsp ua EFSlg 95.021; zuletzt etwa 1 Ob 232/01a; 7 Ob 134/02k).

Eine Verletzung leitender Grundsätze der Rechtsprechung, insbesondere des im Vordergrund stehenden Kindeswohls (§ 178a ABGB), kann im vorliegenden Fall, ausgehend von den Wahrannahmen der Vorinstanzen, nicht erkannt werden. Soweit der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters einen Verfahrensmangel des Rekursgerichts durch Übergehung der im Rekursverfahren (erstmals) gestellten Beweisanträge geltend macht, übersieht er, dass Neuerungen im Rechtsmittelververfahren (§ 10 AußStrG) nur soweit zulässig sind, als ein entsprechendes Tatsachenvorbringen in erster Instanz nicht möglich war (EFSlg 82.766; ÖA 1999, 32; 1 Ob 94/01g). Beim hier gegebenen massiven Verdacht des sexuellen Missbrauchs der Minderjährigen durch den Vater, der die gegen ihn erhobenen Vorwürfe vor der Gendarmerie zugestanden und im Pflegschaftsverfahren nicht einmal geleugnet hat, waren Sofortmaßnahmen dringend erforderlich, weshalb es unter diesen Umständen keine Ermessensüberschreitung bedeutet, wenn die Vorinstanzen dem Rekurswerber das Besuchsrecht als vorläufige Anordnung auch noch vor Anhörung der Minderjährigen oder Einholung eines Gutachtens zunächst einmal gänzlich entzogen haben. Mit einem dauernden Rechtsverlust für den Vater ist dies noch nicht verbunden, handelt es sich dabei doch - wie aus Spruch und Begründung der erstgerichtlichen Entscheidung deutlich ersichtlich - um eine (infolge der gebotenen Raschheit zulässige: 3 Ob 538/92; 1 Ob 4/01x) vorläufige Maßnahme, deren Beendigung von den Vorinstanzen auch nicht vom Abschluss des Strafverfahrens gegen den Vater abhängig gemacht worden ist. Im fortgesetzten Verfahren wird der Sachverhalt eingehend zu prüfen und dabei auch die Möglichkeit eines begleiteten Besuchrechts in die Überlegungen mit einzubeziehen sein; dass dies mehrere Jahre dauern könnte, wie der Rekurswerber befürchtet, ist nach der Aktenlage nicht nachvollziehbar. Es liegt auch keinesfalls "auf der Hand", wie der Vater meint, dass derzeit ein beaufsichtigter Besuchskontakt dem Kindeswohl am besten entspreche. Schließlich wurde die Entscheidung auch nicht willkürlich und ohne jegliches Beweisverfahren, wie der Vater aktenwidrig behauptet, gefasst.

Da Rechtsfragen von der Qualität des § 14 Abs 1 AußStrG vom Rechtsmittelwerber nicht aufgezeigt werden, ist der außerordentliche Revisionsrekurs unzulässig.

Stichworte