OGH 2Ob157/02f

OGH2Ob157/02f5.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herlinde J*****, vertreten durch Dr. Gert Seeber, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagten Parteien 1. Beatrix K*****, 2. mj Hanna Arlene K*****, 3. mj Bernhard Eugen K*****, alle vertreten durch Mag. Dr. Alexander Klaus, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung (EUR 72.672,83 = S 1,000.000,- -), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 29. März 2002, GZ 1 R 396/01d-26, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 18. Mai 2001, GZ 24 C 744/00k-22, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit der seit 16. September 1999 gerichtsanhängigen Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, der zwischen der Erstbeklagten als Vermieterin einerseits und der Zweit- und dem Drittbeklagten (beide Schüler) als Mietern andererseits abgeschlossene Mietvertrag vom 6. 5. 1992 sei gegenüber der Klägerin und deren Rechtsnachfolgern im Eigentum der Liegenschaft *****, wegen einer Vielzahl vermieterfeindlicher Bestimmungen rechtsunwirksam. Zweck des Vertrages sei es offenbar gewesen, die Eigentümerin des Hauses wirtschaftlich und rechtlich zu treffen. Auch für die Zeit nach dem Ableben der Fruchtgenussnehmerin habe eine angemessene Verwertung verhindert werden sollen. Der Vertrag sei daher als Scheingeschäft, wegen Rechtsmissbrauchs oder wegen einer Kombination aus beiden Bereichen nichtig. Mit dem am 29. November 2000 beim Bezirksgericht Klagenfurt eingelangten Schriftsatz stellte die Klägerin das Eventualbegehren, der zwischen der Erstbeklagten einerseits und der Zweit- und dem Drittbeklagten andererseits abgeschlossene und als Mietvertrag bezeichnete Vertrag vom 22. und 23. November 1999 sei gegenüber der Klägerin und deren Rechtsnachfolgern im Eigentum der Liegenschaft rechtsunwirksam und führte dazu aus, die Vereinbarung vom 22. und 23. 11. 1999 habe lediglich zu einer Änderung der Bedingungen des ursprünglichen Bestandvertrages vom 6. 5. 1992 geführt, welcher grundsätzlich aufrecht geblieben sei. Die Änderung des Vertrages teile naturgemäß das Schicksal des ursprünglichen Vertrages. Dieser sei nichtig und ungültig. Auch die Änderung von Vertragsbestimmungen könne nicht die Wirksamkeit einer derartigen Vereinbarung begründen. Das rechtliche Interesse der Klägerin sei evident, zumal die sittenwidrige Ausnutzung des Fruchtgenussrechtes durch die Erstbeklagte nichts anderes darstelle, als einen grob rechtswidrigen Eingriff in das Eigentumsrecht der Klägerin. Die Klägerin habe gegenwärtig ein Interesse an der Möglichkeit einer angemessenen Verwertung des in ihrem Eigentum stehenden Hauses. Schon daraus folge das rechtliche Interesse.

Die beklagten Parteien wendeten insbesondere ein, es fehle an den Voraussetzungen für die Einbringung einer Feststellungsklage. Die Klägerin habe lediglich ein wirtschaftliches Interesse dargetan. Ein aktuelles rechtliches Interesse sei zu verneinen, zumal der bestehende Mietvertrag erst nach dem Tod der Erstbeklagten rechtliche Wirkungen für die Klägerin entfalte. Zum Zeitpunkt des Erlöschens des Fruchtgenussrechtes könne der Bestandvertrag bereits durch eine einvernehmliche Auflösung außer Kraft getreten sein. Dies sei insbesondere daraus ersichtlich, dass bereits eine Vertragsänderung stattgefunden habe. In eventu behaupteten die beklagten Parteien die Verjährung des gegenständlichen Anspruches.

Das Erstgericht wies Haupt- und Eventualbegehren ab. Es ging hiebei von folgenden Feststellungen aus:

Mit Übergabsvertrag vom 7. 8. 1987 wurde der Klägerin ein Teil eines Liegenschaftsbesitzes übergeben, unter anderem auch ein Haus in *****. Der Vater der Klägerin hat der Erstbeklagten im Übergabsvertrag auf Lebenszeit ein Fruchtgenussrecht an der im zweiten Obergeschoss dieses Hauses gelegenen Wohnung eingeräumt. Am 6. 5. 1992 schloss die Erstbeklagte als Vermieterin mit der Zweit- und dem Drittbeklagten als Mieter über diese Wohnung einen Mietvertrag. Darin verzichtete die Erstbeklagte als Bestandgeberin unter anderem für einen Zeitraum von 99 Jahren auf ihr Kündigungsrecht, der Hauptmietzins wurde mit S 300 pro Monat vereinbart, eine anteilige Verrechnung der Betriebskosten war nicht vorgesehen. Am 2. 12. 1999 (richtig 22./23. 11. 1999) schlossen die genannten Vertragsparteien einen weiteren Mietvertrag, in dem das bereits mit Mietvertrag vom 6. 5. 1992 begründete Mietverhältnis einer neuen vertraglichen Regelung unterzogen wurde. Dieser Mietvertrag wurde am 5. 6. 2000 pflegschaftsbehördlich genehmigt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht - zusammengefasst - aus, das festzustellende Rechtsverhältnis bestehe zwischen der Erstbeklagten einerseits und der Zweit- und dem Drittbeklagten andererseits. Der gegenständliche Mietvertrag entfalte, solange der Fruchtgenuss zugunsten der Erstbeklagten aufrecht sei, für die Klägerin keine Wirkungen. Das Interesse der Klägerin beziehe sich daher auf die Zeit nach dem Tod des Erstbeklagten. Erst dann werde die Klägerin in die Position der Vermieterin eintreten. Sohin begehre die Klägerin die Feststellung einer zukünftigen Rechtssituation. Es könne nicht gesagt werden, ob sich das Bestandverhältnis nach dem Ableben der Erstbeklagten in derselben Form darstellen werde. Der Eintritt der Klägerin in das Rechtsverhältnis stehe daher unter einer Bedingung, welche noch offen und deren Eintritt nicht vorhersehbar sei. Überdies sei die Erstbeklagte als Fruchtnießerin uneingeschränkt zur Vermietung berechtigt. Schließlich sei der Eigentümer während aufrechtem Fruchtgenuss zu einer Disposition über das Bestandrecht nicht berechtigt. Auch der Mieter könne Rechte aus dem Bestandverhältnis nur gegen den Fruchtnießer richten. Für eine Klage des Mieters gegen den Eigentümer auf Feststellung seiner Bestandrechte fehle es daher am rechtlichen Interesse. Aus diesen vom Obersten Gerichtshof in 7 Ob 641/80 vertretenen Grundsätzen könne für den konkreten Fall der Schluss gezogen werden, dass auch bei einer Klage des Eigentümers gegen den Mieter des Fruchtgenussberechtigten auf Feststellung der Unwirksamkeit des Bestandverhältnisses das rechtliche Interesse zu verneinen sei. Es fehle daher sowohl für das Haupt- als auch für das Eventualbegehren das nach § 228 ZPO notwendige rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und dass die ordentliche Revision - mangels erheblicher Rechtsfrage - nicht zulässig sei, und führte Folgendes aus:

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die klagsgegenständlichen Mietverträge die Rechtsstellung der Klägerin unmittelbar berührten, fehle es am rechtlichen Interesse. Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung könne nur dort als vorhanden angenommen werden, wo das Feststellungsurteil für den Kläger von rechtlich praktischer Bedeutung sei und er auf einem anderen Wege als durch die Feststellungsklage rechtlich außerstande wäre, einem ihm zustehenden Anspruch zum Durchbruch zu verhelfen oder einem ihm drohenden Nachteil zu begegnen. Das rechtliche Interesse sei weiters dann zu verneinen, wenn dem Kläger ein einfacherer Weg zur Verfügung stehe, um das selbe Ziel zu erreichen oder wenn er die Möglichkeit habe, weitergehenden Rechtsschutz zu erhalten. Neben einer bereits möglichen Leistungsklage sei eine Feststellungsklage nur möglich, wenn durch die Feststellungsklage eine Häufung künftiger Streitigkeiten vermieden werden könne. Ebenso ausgeschlossen sei ein rechtliches Interesse, wenn das gerichtliche Feststellungserkenntnis in seiner Wirkung auf den Prozess selbst beschränkt bleiben würde und weder für das weitere Verhalten noch für die Rechtssphäre der Parteien von Bedeutung sein könnte.

Gemäß § 509 ABGB sei der Fruchtnießer berechtigt, eine fremde Sache mit Schonung der Substanz ohne alle Einschränkungen zu genießen. Dabei kämen dem Fruchtnießer alle sonst dem Eigentümer zukommenden Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse und damit auch das Recht zur Vermietung und Verpachtung der Sache zu. Den Fruchtnießer binde lediglich das Schikaneverbot des § 1295 Abs 2 ABGB. Für den Fall tatsächlich rechtsmissbräuchlicher Rechtsausübung stehe dem Geschädigten neben einem Schadenersatzanspruch auch ein Unterlassungsanspruch zu, weil die Verhinderung von Rechtsverletzungen stets den Vorrang vor deren Beseitigung habe. Folge man daher dem Vorbringen der Klägerin und ginge man davon aus, dass die gegenständlichen Mietverträge in der Absicht geschlossen worden seien, die Liegenschaft zu entwerten und somit die Klägerin zu schädigen, so läge ein Fall der Scheinrechtsausübung vor. Die Fruchtnießerin hätte ihre Befugnisse rechtsmissbräuchlich eingesetzt. Wäre das aber der Fall, so stünde der Klägerin ein Unterlassungsanspruch zu. Dies sei insbesondere deshalb von Bedeutung, weil mit einem derartigen Begehren gleichartige Störungen auch in Zukunft hintangehalten werden könnten. Das Feststellungsbegehren wirke dagegen nur so weit, dass die gegenständlichen Verträge für nichtig befunden würden. Weitere Störungen könnten aber dadurch nicht hintangehalten werden. Da die Klägerin durch das Unterlassungsbegehren weitergehenden Rechtsschutz erhalten könnte und die Feststellungsklage überdies nicht geeignet erscheine, künftige Streitigkeiten zu vermeiden, fehle es aber jedenfalls an dem für das Obsiegen im Feststellungsprozess notwendigen rechtlichen Interesse.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist im Interesse der Rechtssicherheit zulässig, sie ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht im Wesentlichen geltend, eine rückwirkende Unterlassungsklage, deren Einbringung das Berufungsgericht verlange, sei dem österreichischen Zivilprozessrecht nicht bekannt; das rechtliche Interesse der Klägerin an der alsbaldigen Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Mietvertrages sei evident, weil er es ihr unmöglich mache, das in ihrem Eigentum stehende, durch die Erstbeklagte vermietete Objekt zu verwerten; die Klarstellung der Unwirksamkeit würde künftige Streitigkeiten vermeiden.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass das Feststellungsinteresse zu verneinen ist, wenn die Möglichkeit besteht, weitergehenden Rechtsschutz zu erhalten (Rechberger/Frauenberger in Rechberger2 § 228 ZPO Rz 11 mwN). Im vorliegenden Fall würde der Feststellungsanspruch durch das vom Berufungsgericht für geeigneter gehaltene Unterlassungsbegehren aber nicht ausgeschöpft werden (vgl RIS-Justiz RS0039021). Ein solches würde vorbeugend nur künftige Vertragsabschlüsse betreffen und einen Abspruch über die geltend gemachte Nichtigkeit der bereits geschlossenen Verträge gerade nicht bewirken. Diese Nichtigkeit (etwa wegen Rechtsmissbrauch/Schikane/Sittenwidrigkeit) kann im Fall eines rechtlichen Interesses auch von einem am Rechtsgeschäft nicht beteiligten Dritten geltend gemacht werden (vgl RIS-Justiz RS0014654; Rechberger/Frauenberger aaO Rz 6 mwN). Ihre Feststellung würde der Klägerin mehr bieten als die vom Berufungsgericht präferierte Klage auf Unterlassung weiterer Störungen (vgl Fasching, Kommentar III 69). Vergangenes Verhalten hätte für ein Unterlassungsbegehren nur insofern Bedeutung, als es in das Wahrscheinlichkeitsurteil der künftigen Gefährdung einzubeziehen wäre (Reischauer in Rummel2 § 1294 ABGB Rz 23 S 208 unten mwN).

Es besteht auch ein Bedürfnis nach einer "alsbaldigen" Klärung der Rechtslage (vgl Rechberger/Frauenberger aaO Rz 7), weil es für die Liegenschaftseigentümerin schon jetzt von Bedeutung ist, ob die Liegenschaft durch mit dem Fruchtgenuss nicht erlöschende (RIS-Justiz RS0011846) und daher den Verkehrswert drückende Mietrechte Dritter belastet ist. Für das Vorliegen des Feststellungsinteresses genügt es, dass die Klägerin in ihrer Bewegungsfreiheit im Rechtsleben oder in der Vornahme wirtschaftlicher Maßnahmen (Veräußerung der Liegenschaft) behindert wird (vgl RIS-Justiz RS0038968). Die vom Erstgericht zitierte Entscheidung 7 Ob 641/80 = MietSlg 32.672 ist nicht einschlägig, weil sie das Feststellungsinteresse des Mieters gegenüber dem Eigentümer während des Fruchtgenusses betrifft.

Das Feststellungsinteresse der Klägerin ist daher zu bejahen. Da die Feststellungen des Erstgerichts, das über Urkunden hinaus keine Beweise aufgenommen hat, für eine Beurteilung des geltend gemachten Anspruches nicht ausreichen, war die Rechtssache unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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